BT-Drucksache 17/3272

Rüstungsexporte an Indien und Pakistan

Vom 8. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3272
17. Wahlperiode 08. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Agnes Malczak, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,
Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN

Rüstungsexporte an Indien und Pakistan

Deutschland ist einer der größten Rüstungsexporteure der Welt. Die Bundes-
regierung genehmigt seit Jahren auch die Ausfuhr von Kriegswaffen und sons-
tigen Rüstungsgütern in Krisen- und Spannungsgebiete. Dabei missachtet sie
die politischen Grundsätze für den Rüstungsexport und den Gemeinsamen
Standpunkt der EU für Waffenausfuhren (2008/944/GASP). Zu den gefähr-
lichsten Krisenregionen der Welt zählen die Nachbarn Indien und Pakistan. In
der Region findet – wie u. a. das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI
belegt – seit Jahren ein gefährliches nukleares und konventionelles Wettrüsten
statt. An diesem Milliardengeschäft möchte auch die deutsche Rüstungsindus-
trie verdienen. Die Bundesregierung unterstützt sie dabei. Von einer restriktiven
Rüstungsexportpolitik kann keine Rede mehr sein.

Im Jahresabrüstungsbericht 2009 (Bundestagsdrucksache 17/445) verweist die
Bundesregierung darauf, dass die pakistanischen Streitkräfte nach wie vor auf
eine Auseinandersetzung mit Indien ausgerichtet seien (S. 62) und Indien über
die schlagkräftigsten Streitkräfte in Südasien verfüge. Im Rüstungsexportbe-
richt 2009 der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) zäh-
len Pakistan und Indien zu den relevanten Abnehmern deutscher Rüstungsgüter
in der Kategorie „Drittstaaten“. Auf das Risiko einer Lieferung in diese Länder,
insbesondere nach Pakistan, ist in der Vergangenheit häufig hingewiesen wor-
den – nicht zuletzt auch von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in
ihrem Antrag auf Bundestagsdrucksache 16/5594 „Keine U-Bootlieferung an
Pakistan“ sowie der Großen Anfrage 16/7969 „Rüstungsexporte an Pakistan“.
Inzwischen hat sich die Lage in Pakistan weiter dramatisch verschlechtert.

Die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung legen klar fest, dass der
Export von Kriegswaffen an Drittstaaten grundsätzlich verboten ist und be-
schäftigungspolitische Gründe keine ausschlaggebende Rolle für eine Export-
genehmigung spielen dürfen. Dies steht im Widerspruch zu den jüngsten Plä-

nen der Bundesregierung, Indien aber auch Pakistan als Absatzmarkt verstärkt
ins Auge zu nehmen.

Die Delegation des Wirtschaftsministers in Indien wurde von „Vertretern deut-
scher Rüstungsfirmen dominiert“ (Handelsblatt, 22. September 2010). Ziel sei
es, den heiß umkämpften indischen Rüstungsmarkt zu gewinnen. Im Oktober
2010 reist auch der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle,
nach Indien. Die Bundesregierung erhebt den Anspruch, in der Frage nuklearer

Drucksache 17/3272 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Abrüstung eine führende Rolle spielen zu wollen. Die mit deutscher Zustim-
mung erfolgte Aufhebung der Nuklearsanktionen gegen Indien hat wie erwartet
dazu geführt, dass auch Pakistan folgen wird. Indien und Pakistan gehören zu
den Staaten, die sich außerhalb des Nichtweiterverbreitungsregimes bewegen
und keine Abrüstungsverpflichtungen eingegangen sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

Politische Lage

1. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Spannungen
und Konflikte den gegenwärtigen Aufrüstungsprozess und das Verhältnis
von Indien und Pakistan aus politischer und insbesondere sicherheitspoliti-
scher Perspektive?

2. Wie schätzt die Bundesregierung die wirtschaftliche und politische Lage in
Indien im Hinblick auf die Genehmigung von Rüstungsexporten ein?

3. Wie schätzt die Bundesregierung die wirtschaftliche politische Lage in
Pakistan im Hinblick auf die Genehmigung von Rüstungsexporten ein?

4. Gibt es grundsätzlich besondere Interessen der Bundesrepublik Deutsch-
land, die für die Genehmigung von Rüstungsexporten in die „sonstigen
Länder“ (vgl. Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung) Indien und
Pakistan sprechen?

Falls ja, welche sind dies?

5. Um welche Rüstungsprojekte bewerben sich gegenwärtig deutsche Rüs-
tungsunternehmen in Indien und in Pakistan, und wie groß ist das jeweilige
Auftragsvolumen?

6. Inwieweit steht die Reise des Bundesministers für Wirtschaft und Techno-
logie, Rainer Brüderle, (23. bis 24. September 2010) und die Reise des
Bundesaußenministers Dr. Guido Westerwelle (7. bis 19. Oktober 2010)
nach Indien in einem inhaltlichen Zusammenhang mit Rüstungsexporten,
und wenn ja, welchem?

7. Die Vertreter welcher Rüstungsfirmen begleiteten die Delegation des Bun-
deswirtschaftsministers Rainer Brüderle bei seiner Reise nach Indien und
welche Industrievertreter werden Bundesaußenminister Dr. Guido Wester-
welle begleiten?

Nach welchen Kriterien wurden die Vertreter der Bundeswehr und der Rüs-
tungsindustrie ausgewählt?

8. Inwieweit sind die im Rahmen und am Rande dieser Reise vereinbarten
und angestrebten Rüstungsgeschäfte mit Indien und Pakistan, zwei nuklear
bewaffnete und verfeindete Staaten, mit der Rhetorik des Bundesaußen-
ministers über die Notwendigkeit verstärkter Abrüstungsbemühungen ver-
einbar?

9. Inwieweit erfüllt Indien nach Auffassung der Bundesregierung die Krite-
rien des Gemeinsamen Standpunktes der EU für Waffenausfuhren, und in
welchen Bereichen sind die Kriterien noch nicht erfüllt (bitte in der Ant-
wort auf alle Kriterien einzeln eingehen)?

10. Inwieweit erfüllt Pakistan nach Auffassung der Bundesregierung die Krite-
rien des Gemeinsamen Standpunktes der EU für Waffenausfuhren, und in
welchen Bereichen sind die Kriterien noch nicht erfüllt (bitte in der Ant-
wort auf alle Kriterien einzeln eingehen)?

11. Inwieweit beeinflussen die Flutkatastrophe und die Verschlechterung der
Sicherheitslage die Entscheidung über die Genehmigung oder Ausfuhr

deutscher Rüstungsgüter?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3272

Exportpolitik

12. Welche Unterstützungsleistungen hat die Bundesregierung zur Anbahnung
welcher Rüstungsexportgeschäfte zwischen deutschen Unternehmen und
Indien oder Pakistan seit 2008 unternommen?

Wie hoch beziffert sie die Kosten für die einzelnen Unterstützungsleistun-
gen?

13. Wird sich Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle während seiner im
Oktober 2010 anstehenden Reise in die Region für den Abschluss von Ver-
trägen zwischen Rüstungsunternehmen und dem indischen oder pakistani-
schen Staat einsetzen?

Falls ja, um welche Unternehmen und Produkte handelt es sich dabei?

14. Auf welchen Rüstungsmessen in Indien und Pakistan hat die Bundesregie-
rung in welchem Umfang eigene Stände unterhalten oder Stände der Indus-
trie unterstützt?

15. In welchem Umfang hat die Bundesregierung im Zeitraum von 1990 bis
2009 die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern an In-
dien genehmigt, und wie verteilt sich das Genehmigungsvolumen auf die
Positionen der Ausfuhrliste?

16. In welchem Umfang hat die Bundesregierung im Zeitraum von 1990 bis
2009 die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern an Pa-
kistan genehmigt, und wie verteilt sich das Genehmigungsvolumen auf die
Positionen der Ausfuhrliste?

17. In welchem Umfang wurden zwischen 1990 und 2009 Kriegswaffen an In-
dien geliefert, und um welche Kriegswaffen handelt es sich dabei?

18. In welchem Umfang wurden zwischen 1990 und 2009 Kriegswaffen an Pa-
kistan geliefert, und um welche Kriegswaffen handelt es sich dabei?

19. In welchem Umfang hat die Bundesregierung jeweils im Jahr 2009 und
2010 Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern an Indien
erteilt, und wie verteilt sich das Genehmigungsvolumen auf die Positionen
der Ausfuhrliste?

20. In welchem Umfang hat die Bundesregierung jeweils im Jahr 2009 und
2010 Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern an Pakistan
erteilt, und wie verteilt sich das Genehmigungsvolumen auf die Positionen
der Ausfuhrliste?

21. Wie viele Genehmigungen für Exporte von Rüstungsgütern und Kriegs-
waffen aus Deutschland nach Indien oder Pakistan hat die Bundesregierung
seit 2008 abgelehnt, und was waren die Gründe für die Ablehnung?

22. Wurden erteilte Genehmigungen mit besonderen Beschränkungen, bei-
spielsweise dem Verbot des Einsatzes der Rüstungsgüter oder Kriegswaf-
fen in bestimmten Regionen, versehen?

Falls ja, welche?

23. Wurden seit 2007 Hermes-Kredite zur Absicherung von Rüstungsgeschäf-
ten mit Indien oder Pakistan gewährt?

Falls ja, welche?

24. Inwieweit hat sich der Vorwurf der GKKE in ihrem Rüstungsexportbericht
2009 geklärt, wonach Waffen deutscher Herkunft unerklärterweise auf pa-
kistanischen Schwarzmärkten auftauchten?

25. Wie bewertet die Bundesregierung den Export von Eurofighter Kampfflug-
zeugen nach Indien im Hinblick auf ihre Rüstungsexportrichtlinien und den

Gemeinsamen Standpunkt der EU?

Drucksache 17/3272 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

26. Wie ist der aktuelle Stand eines potentiellen U-Boot-Exportes an Pakistan?

27. Welche Kriegswaffen wurden in welchem Umfang seit 2008 aus Deutsch-
land nach Indien oder Pakistan ausgeführt?

28. In welchen, von anderen Staaten in den vergangenen zehn Jahren an Indien
oder Pakistan gelieferten Rüstungsgütern sind im wesentlichen Umfang
deutsche Zulieferungen enthalten, und inwiefern ist für die Ausfuhr eine
deutsche Zustimmung erforderlich?

29. Inwiefern hat die Bundeswehr seit 1990 Wehrmaterial aus Altbeständen an
Pakistan und Indien abgegeben (bitte aufschlüsseln), und gibt es Absichten
seitens der Bundesregierung, Wehrmaterial aus Altbeständen der Bundes-
wehr nach Indien oder Pakistan zu exportieren?

Wenn ja, um welches Material handelt es sich dabei?

Nuklearproliferation und Abrüstung

30. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der bestätigten
Pläne zwischen Pakistan (Nichtunterzeichner des Atomwaffensperrvertra-
ges) und China (Mitglied der Nuclear Suppliers Group) über den Bau
zweier Nuklearreaktoren in Pakistan (Neue Zürcher Zeitung, 21. Septem-
ber 2010)?

31. Welche Initiativen wurden mit welchem Ergebnis von der Bundesregierung
in diesem Zusammenhang gegenüber Pakistan und China sowie innerhalb
der Nuclear Suppliers Group unternommen, um eine Gefährdung des
Nichtverbreitungsregimes zu vermeiden?

32. Beabsichtigt Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle, das Problem der
Weitergabe sensitiver Nukleartechnologie an Nichtmitglieder des Nichtver-
breitungsvertrages während seiner Reise in die Region zu thematisieren?

Falls ja, in welcher Form?

33. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr einer weiteren Erosion des
nuklearen Nichtverbreitungsregimes aufgrund der Sonderregelung für den
Nuklearhandel zwischen Indien und der Nuclear Suppliers Group sowie
der jüngsten Vereinbarung zwischen China und Pakistan über den Bau
zweier Nuklearreaktoren in Pakistan?

34. Welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung, Pakistan dazu zu
bewegen, seine Blockadehaltung gegen ein Verbot der Produktion von
spaltbarem Material (FMCT) aufzugeben?

35. Welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung dazu, Pakistan und
Indien zur Unterzeichnung des umfassenden Teststoppvertrages (CTBT) zu
bewegen?

36. Welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung, Pakistan und In-
dien zum Beitritt in das Nichtverbreitungsregime zu bewegen und den
Atomwaffensperrvertrag (NVV) zu unterzeichnen?

37. Beabsichtigt der Bundesaußenminister, die Problemkomplexe FMCT,
CTBT und NVV in Gesprächen auf seiner Reise zu thematisieren?

Falls ja, bei welchen Gesprächen, und mit welchen Zielen?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 8. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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