BT-Drucksache 17/3235

zu der Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Frieser, Erika Steinbach, Arnold Vaatz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -Drucksachen 17/2331, 17/3181- Todesstrafe weltweit ächten und abschaffen

Vom 6. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3235
17. Wahlperiode 06. 10. 2010

Änderungsantrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Marieluise Beck (Bremen),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz,
Katja Keul, Ute Koczy, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Frieser, Erika Steinbach,
Arnold Vaatz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksachen 17/2331, 17/3181 –

Todesstrafe weltweit ächten und abschaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

1. In Abschnitt I wird im dritten Absatz nach Satz 1 der folgende Text ein-
gefügt:

,35 Staaten haben die Todesstrafe in der Praxis, jedoch noch nicht per Gesetz
abgeschafft. Gegenwärtig wenden somit 139 Staaten die Todesstrafe nicht
mehr an. Die Zahl jener Länder, die die Todesstrafe abschaffen, nimmt stän-
dig zu. 58 halten weiterhin an der Todesstrafe fest. Im Jahr 2009 wurden min-
destens 2 001 Menschen in 56 Staaten zum Tode verurteilt und mindestens
714 in 18 Staaten hingerichtet.

Nicht in diesen Zahlen enthalten sind die Verurteilungen und Exekutionen in
der Volksrepublik China, wo im Jahr 2009 mehr Menschen hingerichtet
wurden als in allen übrigen Staaten auf der Welt zusammen. Amnesty Inter-
national geht von über 10 000 vollstreckten Todesurteilen aus. Eine exakte
Angabe ist nicht möglich, da die genauen Zahlen von der chinesischen
Regierung nicht preisgegeben werden. Einer der Hingerichteten ist der briti-
sche Staatsbürger Akmal Shaikh, der trotz internationaler Proteste am
29. Dezember 2009 in Urumqi mittels einer Giftspritze getötet wurde. Es be-
standen erhebliche Zweifel an der Fairness seines Strafverfahrens. So wurde
die psychische Erkrankung des Angeklagten offensichtlich nicht berücksich-

tigt.

In Iran betrug die Zahl der Hinrichtungen mindestens 388, im Irak mindes-
tens 120 und in Saudi-Arabien mindestens 69. Neben Saudi-Arabien ist Iran
der einzige Staat, der die Todesstrafe auch an Minderjährigen oder zur Tat-
zeit Minderjährigen vollstreckte. Auch wuchs die Anzahl der Todesurteile
infolge der politischen Unruhen nach den letzten Wahlen sprunghaft an, da
die Staatsführung die Todesstrafe zur Unterdrückung Oppositioneller be-

Drucksache 17/3235 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nutzt. So wurden Mohammad Reza Ali-Zamani und Arash Rahmanipour im
Januar 2010 hingerichtet, nachdem sie im Oktober in unfairen Prozessen der
„Feindschaft zu Gott“ und der Mitgliedschaft in der Gruppierung „Anjo-
man-e Padeshahi-e Iran“ (API), die für die Wiedereinführung der Monarchie
in Iran eintritt, für schuldig befunden worden waren.

In den USA vollstreckt nach wie vor der Großteil der Bundesstaaten die
Todesstrafe. Im Jahr 2009 stieg die Zahl der Exekutionen im Vergleich zum
Vorjahr von 37 auf 52. Damit stehen die USA an fünfter Stelle. Aufmerksam-
keit erregte jüngst der Fall Teresa Lewis. Diese wurde am 24. September
2010 im US-Bundesstaat Virginia hingerichtet obwohl ihr Intelligenzquotient
nur knapp über dem Wert liegt, ab dem Straftäter als geistig behindert gelten
und nicht hingerichtet werden dürfen. 98 Jahre lang war in Virginia zuvor
keine Frau hingerichtet worden. Der Beauftragte der Bundesregierung für
Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Markus Löning (FDP), sagte zuvor,
es werde alles getan, um Teresa Lewis zu retten. Die EU-Länder waren an den
Gouverneur von Virginia herangetreten um ihn zu bitten, die Todesstrafe in
eine Haftstrafe umzuwandeln. Vergeblich.

Juristisch weiterhin umstritten ist das Verfahren gegen Mumia Abu-Jamal,
der seit nunmehr 28 Jahren inhaftiert ist und aus der Todeszelle heraus gegen
seine Hinrichtung kämpft.

Mit Dieter Riechmann und Michael Apelt sind derzeit auch zwei deutsche
Staatsbürger in den USA zum Tode verurteilt, die beide von der deutschen
Auslandsvertretung in den USA konsularisch betreut werden.

Laut ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Zum Tode verurteilte deutsche
Staatsangehörige“ (Bundestagsdrucksache 17/2830) setzt sich die Bundes-
regierung mit Nachdruck dafür ein, dass es zu keiner Vollstreckung von
Todesurteilen gegen deutsche Staatsangehörige kommt. Sofern nur noch
eine Begnadigung die Vollstreckung der Todesstrafe abwenden kann, setzt
sich die Bundesregierung nachdrücklich auch auf politischer Ebene für das
Gnadengesuch ein. Eine Einzelfallpolitik zum Schutz der Menschenrechte
und zum Schutze vor der Todesstrafe hält die Bundesregierung demnach für
gerechtfertigt und notwendig. Diese darf sich aufgrund des Grundsatzes der
Universalität der Menschenrechte nicht allein auf deutsche Staatsangehörige
erstrecken.‘

2. In Abschnitt II werden nach der Nummer 7 die folgenden Nummern 8 bis 10
angefügt:

„8. China an die Umsetzung seiner Selbstverpflichtung zur Ratifizierung zu
erinnern und auf die chinesische Führung einzuwirken, die Verhängung
und Vollstreckung der Todesstrafe sukzessive einzuschränken;

9. gegenüber Iran auf die Einhaltung von Artikel 6 Absatz 2 und 5 IPbpR
zu drängen, damit Todesurteile nicht mehr aufgrund von Straftaten aus-
gesprochen werden, die keine schwersten Verbrechen im Sinne dieser
Vorschrift sind, und damit zur Tatzeit Minderjährige nicht mehr hinge-
richtet werden;

10. auf die USA einzuwirken, damit sie die Todesstrafe in allen US-Bundes-
staaten abschaffen, und darauf zu drängen, dass alle zum Tode Verurteil-
ten begnadigt werden.“

Berlin, den 5. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3235

Begründung

Zu Nummer 1

Im Gegensatz zum Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Bundestagsdrucksache 17/2114) nennt der Antrag der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP keine Einzelfälle.

Menschenrechtspolitik kann jedoch nicht losgelöst von Einzelschicksalen be-
trieben werden. Dies ist gerade das Wesen und der Sinn der Menschenrechte.
Menschenrechtspolitik hat immer zwei Dimensionen, einerseits die Strategie
der Verrechtlichung und der Durchsetzung der Menschenrechtsabkommen, an-
dererseits den Kampf um Einzelschicksale. Denn wenn Staaten zu großen
rechtlichen und politischen Veränderungen noch nicht willens oder in der Lage
sind, bleibt nichts anderes übrig, als sich um die einzelnen Betroffenen zu küm-
mern. Das mag exemplarisch sein und muss deshalb Stückwerk bleiben. Viel-
leicht ist es auch nicht ganz gerecht gegenüber denjenigen Menschen, für die
man sich nicht hat einsetzen können, weil ihr Einzelfall nicht bekannt gewor-
den ist. Doch diesem moralischen Dilemma kann man nicht dadurch begegnen,
rein gar nichts zu unternehmen. Denn im Einsatz für die Menschenrechte geht
es in erster Linie immer um die Menschen. Einzelschicksale exponiert heraus-
zuheben wird also nie obsolet werden, andernfalls würden viele Chancen, Men-
schen zu helfen und Menschenleben zu retten ungenutzt verstreichen.

Die Bundesregierung sieht dies nicht anders und setzt sich ebenfalls für Einzel-
schicksale ein. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus
Löning (FDP), tut dies ebenfalls. Es ist nicht ersichtlich, warum zum Zwecke
der Zurückdrängung und Abschaffung der Todesstrafe weniger von der Bun-
desregierung gefordert werden soll, als diese bereits leistet.

Zu Nummer 2

Die Nennung von Einzelfällen beschränkt sich nicht nur auf Personen. Auch
Staaten. Auch hier sind die Bundesregierung und ihre europäischen Partner den
Forderungen des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP bereits voraus.
Sie stellen explizit Forderungen an Iran und dringliche Bitten etwa an den
Gouverneur des US-Bundesstaates Virginia. Der Menschenrechtsbeauftragte
der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), kritisierte die Haltung der USA
zur Todesstrafe. Wörtlich sagte er in einem Interview mit SWR2 am 23. Septem-
ber 2010: „Es ist eine Schande, dass sich das Regime in Teheran stärker von
internationalen Protesten beeindrucken lässt, als unsere Freunde in den USA.“

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.