BT-Drucksache 17/3152

Verhältnis Deutschland und Iran

Vom 4. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3152
17. Wahlperiode 04. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kerstin Müller (Köln), Tom Koenigs,
Marieluise Beck (Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo
Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Agnes Malczak, Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian
Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verhältnis Deutschland und Iran

Seit dem Amtsantritt von Mahmud Ahmadinedschad 2005 und besonders nach
den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 hat sich die Menschenrechtslage
im Iran stetig verschlechtert. Iranische Sicherheitskräfte verletzen gerade in der
Niederschlagung von Protestkundgebungen oppositioneller Gruppen systema-
tisch deren Menschenrechte. Seit Beginn der Protestbewegungen sind mindes-
tens 80 Menschen zu Tode gekommen. Im Iran wird die Todesstrafe weiterhin
im großen Umfang verhängt und vollstreckt. 2009 gab es laut Berichten der Or-
ganisation Amnesty International 314 Hinrichtungen; unter den Opfern waren
auch vier Minderjährige. In der ersten Jahreshälfte 2010 zählte die EU schon
95 Hinrichtungen. Immer wieder wird auch die Todesstrafe durch Steinigung
verhängt. Aktuell droht Sakineh Mohammadi Ashtiani die Hinrichtung durch
Steinigung.

Verfolgten Oppositionellen und Menschenrechtsanwältinnen und -anwälten
bleibt oft nur die Flucht in Nachbarländer wie die Türkei. Als politische Flücht-
linge sind sie auf Schutz durch die internationale Gemeinschaft angewiesen.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) hat am 9. Juni 2010 mit großer
Mehrheit Sanktionen gegen den Iran beschlossen, die ein weitreichendes
Waffenembargo sowie gezielte Sanktionen gegen die Revolutionsgarden betref-
fen, um den Verhandlungsdruck im Streit um das iranische Atomprogramm zu
erhöhen. Die EU hat anschließend am 26. Juli 2010 die von den VN beschlos-
senen Sanktionen gegen die iranische Regierung weiter verschärft.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Form und konkret bei welchen Anlässen hat die Bundesregierung
sich gegenüber Vertretern der Islamischen Republik Iran für die Abschaf-
fung der Todesstrafe im Iran eingesetzt, bzw. in welcher Form und bei wel-
chen konkreten künftigen Anlässen gedenkt sie dies zu tun?
2. Verfolgt die Bundesregierung ein dauerhaftes Konzept (über die einmalige
Aufnahme von etwa 50 Personen hinaus), um aus dem Iran in die Türkei ge-
flüchtete Menschen besser zu schützen, und inwieweit und unter welchen
Umständen wird eine Aufnahme von weiteren iranischen Flüchtlingen aus
der Türkei in Betracht gezogen?

Drucksache 17/3152 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Was unternimmt die Bundesregierung zum Schutz von Menschenrechts-
verteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern im Iran?

Gibt es eine dauerhaft besetzte und hierfür ausschließlich zuständige
Kontaktstelle für Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechts-
verteidiger an der Deutschen Botschaft Teheran?

4. Welche präzise Rolle spielen Sanktionen in der Gesamtstrategie bei der
Lösung des Atomkonfliktes, und durch welche Anreize und Kommunika-
tionswege beabsichtigt die Bundesregierung innerhalb der E3+3-Gruppe,
den Iran zurück an den Verhandlungstisch zu bewegen?

5. Inwieweit wurden und werden Brasilien und die Türkei in die Gesamt-
strategie bei der Lösung des Atomkonfliktes miteinbezogen und deren
konstruktive Beziehungen genutzt, um die Sanktionsdrohungen mit einem
diplomatischen Track zu flankieren?

6. Ist die Bundesregierung bei der Umsetzung der Sanktionen gegen den Iran
auf Schwierigkeiten gestoßen, und wenn ja, auf welche?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die von Mahmud Ahmadinedschad am
24. September 2010 erklärte Bereitschaft Irans zu Gesprächen, und mit
welchen Bedingungen verknüpft sie deren Wiederaufnahme?

8. Welche Auswirkungen hatten die Sanktionen bisher auf die Lebensbedin-
gungen der Zivilgesellschaft sowie auf die Menschenrechtslage im Iran,
und auf welche Grundlage stützt sich die Bundesregierung bei ihrer Ein-
schätzung?

9. Was unternimmt die Bundesregierung gegen die Verfolgung der Bahá’i,
deren Führung im Sommer nach einem langwierigen Schauprozess zu
langen Haftstrafen verurteilt wurde?

10. Wie unterstützt die Bundesregierung Bloggerinnen und Blogger im Iran,
die eine wichtige Funktion in der freien, unabhängigen Meinungsbildung
im Land haben?

11. Wie hoch ist die Ausfuhr (Gewicht und Wert) deutscher Waren in den Iran
im Jahr 2010 (bitte in den Bereichen nach Monaten aufschlüsseln)?

12. Wie viele Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz in Bezug auf
Geschäfte mit dem Iran sind der Bundesregierung bekannt?

13. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung gegen Verstöße gegen das
Außenwirtschaftsgesetz in Bezug auf Geschäfte mit dem Iran unter-
nommen?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lieferung in den Iran mit Siemens-
Technologie (vgl. DER SPIEGEL Nr. 32/9.8.10) bzw. welche Erkenntnisse
liegen hierüber vor, und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung
aus diesem Handel ziehen?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lieferungen aus Russland mit
Sicherheitstechnik, welche über den Rhein-Main-Airport via Lufthansa
Cargo (vgl. DER SPIEGEL Nr. 32/9.8.10) im November 2009 und Januar
2010 nach Teheran ausgeliefert werden sollten, bzw. welche Erkenntnisse
liegen hierüber vor?

Berlin, den 4. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.