BT-Drucksache 17/3151

Die Lage der Menschenrechte von Homo- und Transsexuellen im Irak

Vom 4. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3151
17. Wahlperiode 04. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Viola von
Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute
Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian
Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Lage der Menschenrechte von Homo- und Transsexuellen im Irak

Die Lage der Menschenrechte von Homo- und Transsexuellen im Irak bleibt
katastrophal und wird durch die staatlichen Behörden weiter verschlechtert.
Insbesondere schwule Männer werden von zivilen Milizen gejagt, gefoltert und
ermordet. „Ehrenmorde“ sind Alltag im Nachkriegs-Irak. Die staatlichen Stel-
len sind für die Betroffenen keine Unterstützung – im Gegenteil: Polizei und
Innenministerium des Landes sind oft mit verantwortlich für Verschleppungen
und brutale Gewalt.

Die Ermordung von schwulen Männern durch Familienangehörige im Rahmen
von „Ehrenmorden“ wird von der Justiz nur sehr mild verurteilt, wenn über-
haupt eine Strafe erfolgt. So wurde im Jahr 2005 ein Mann aus Kosinjak zu
lediglich einem Jahr Gefängnis verurteilt, der seinen schwulen Bruder ermordet
hatte. Der Mann habe „aus ehrenhaften Motiven“ gehandelt.

Allein im Juni und Juli 2010 berichtete die Organisation Iraqi LGBT (Lesbian,
Gay, Bisexual and Transgender) von sieben Fällen, bei denen schwule Männer
ermordet oder verschleppt wurden. In fünf Fällen sollen Polizeikräfte involviert
gewesen sein. Auch Amnesty International hat in einem am 10. Juni 2010
veröffentlichten Bericht die Lage von Homosexuellen im Irak kritisiert. Die
Organisation zählte allein in den ersten Monaten des Jahres 2009 mindestens
25 Tötungen von schwulen Männern oder Jugendlichen. Amnesty International
berichtet weiter von Fällen, bei denen die Polizei zu Gewalt gegen Homo-
sexuelle „angespornt“ hätte.

Am 25. Juni 2010 wurde ein schwules „Safe-House“ in Bagdad von der Polizei
durchsucht und mehrere Männer festgenommen. Ihr Schicksal ist ungeklärt –
Iraqi LGBT verweist aber darauf, dass in früheren, vergleichbaren Fällen die
Betroffenen von der Polizei an religiöse Milizen überstellt wurden. Ihre Körper
seien dann – durch Folter entstellt – aufgefunden worden. Dies sei beispiels-
weise der Fall gewesen, nachdem am 16. Juni 2010 ein „Safe-House“ von der

Polizei in Kerbala gestürmt wurde, die dort Schutzsuchenden zusammen-
geschlagen und verschleppt worden seien. Am 5. Juli 2010 wurden den Anga-
ben zu Folge in der Stadt Nasiriyah drei schwule Männer durch neun Männer
geschlagen und in ein Fahrzeug des irakischen Innenministeriums gezerrt. Ihr
Verbleib ist ungeklärt. Am 8. Juli 2010 wurden in Al Kut zwei Männer zusam-
mengeschlagen. Am 13. Juli 2010 wurden in Bagdad zwei Jugendliche verhaf-
tet, die auf ihrem Handy pornografische Bilder gespeichert haben sollen. Auch

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ihr Schicksal ist ungeklärt. Am 24. Juli 2010 wurden in Al Zubair in der Nähe
von Basra drei Tote gefunden, deren Köpfe abgetrennt aufgefunden wurden
und denen in beigelegten Schriften vorgeworfen wurde, homosexuell zu sein.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat bereits am 14. September 2009
(Bundestagsdrucksache 16/14055) die damalige Bundesregierung zu der Lage
der Menschenrechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen im Irak in
einer Kleinen Anfrage befragt. In ihrer Antwort vom 23. September 2009 (Bun-
destagsdrucksache 16/14095) hatte die Bundesregierung angekündigt, ihre
Besorgnis über die Lage von Homosexuellen „aktiv gegenüber der irakischen
Regierung“ anzusprechen. Zudem würde die Bundesregierung Projekte zur
Stärkung der Demokratie, des Rechtsstaates und der Menschenrechte – darunter
solche, die die Ausbildung von Polizisten und Richtern beinhalten – fördern.

Die Fragesteller erachten ein Engagement auch der jetzigen Bundesregierung
für den Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen im Irak
für unerlässlich. Hierbei hat insbesondere die gezielte Aufnahme verfolgter
Personen eine hohe Bedeutung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Sicherheitslage von Homo- und
Transsexuellen im Irak?

2. Welche weitergehenden Kenntnisse hat die Bundesregierung über die in
der Vorbemerkung angesprochenen Fälle vom 16. Juni, 25. Juni, 8. Juli,
13. Juli und 24. Juli 2010?

3. Wird die Bundesregierung eine gesonderte Warnung für homo- und trans-
sexuelle Reisende in den Irak aussprechen?

4. An welchen konkreten Daten, und zu welchen Anlässen hat die Bundes-
regierung „aktiv gegenüber der irakischen Regierung“ ihre Besorgnis über
die Lage von Homosexuellen im Land angesprochen (Daten, Anlass und
Gesprächspartner beider Seiten bitte aufführen)?

5. Welche Ergebnisse hatten diese Gespräche?

6. Ist die Situation der Homo- und Transsexuellen seitens der Bundesregie-
rung in Gesprächen mit den Behörden der Autonomen Region Kurdistan
angesprochen worden?

Wenn ja, an welchen konkreten Daten, zu welchen Anlässen, und mit
welchen Ergebnissen?

Wenn nein, warum nicht?

7. Zu konkret welchen künftigen Terminen und Anlässen beabsichtigt die
Bundesregierung, die Lage der Homo- und Transsexuellen im Irak gegen-
über der irakischen Regierung anzusprechen (Daten, Anlass und Gesprächs-
partner beider Seiten bitte aufführen)?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Rolle der irakischen Polizei- und Si-
cherheitskräfte bei der Verfolgung von Homo- und Transsexuellen im Irak?

9. In welcher Form fließt diese Bewertung in die Konzeption der von der
Bundesregierung geförderten bilateralen und multilateralen Projekte zur
Fortbildung von Richtern, Staats- und Rechtsanwälten sowie der Aus-
bildung von Polizisten ein?

10. Unterstützt die Bundesregierung irakische Organisationen, die insbeson-
dere über Homo- und Transsexualität aufklären oder die Menschenrechts-
lage von Homo- und Transsexuellen im Irak besonders thematisieren und

verbessern?

Welche Projekte werden durch die Bundesregierung gefördert?

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11. Welche irakischen Einzelpersonen oder Organisationen, die sich im Irak
für die Menschenrechte von Homo- bzw. Transsexuellen einsetzen, sind
der Bundesregierung bekannt?

Auf welche Weise macht sich die Bundesregierung zum Schutze dieser
Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger stark, und
was unternimmt sie zu ihrem Schutz?

12. Welchen Stellenwert hat die Aufklärung über Homo- und Transsexualität
und die Menschenrechtslage von Homosexuellen bei den von der Bundes-
regierung geförderten bilateralen und multilateralen Projekten zur Stärkung
von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten, wie dem Institut für
Menschenrechte, das dem irakischen Menschenrechtsministerium ange-
gliedert ist?

Wie manifestiert sich dieser Stellenwert bei den geförderten Projekten?

13. Stellt die beschriebene Sicherheitslage für Homo- und Transsexuelle nach
Auffassung der Bundesregierung ein Abschiebehemmnis für Flüchtlinge
aus dem Irak dar?

14. Wie viele Menschen sind nach den Erkenntnissen der Bundesregierung
aufgrund ihrer Homo- oder Transsexualität aus dem Irak in angrenzende
Länder, insbesondere nach Syrien und Jordanien geflohen?

Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Menschen aufzunehmen, ähnlich
wie sie es im April 2010 mit irakischen Flüchtlingen tat, die aus religiösen
Gründen nach Syrien und Jordanien geflohen sind?

Wenn ja, wann, und in welcher Zahl, wenn nein, warum nicht?

15. Hat die Bundesregierung mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Ver-
einten Nationen (UNHCR) Möglichkeiten zum Schutz von Lesben,
Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen erörtert?

Wenn nicht, warum nicht, und plant sie dieses zu tun?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Berlin, den 4. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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