BT-Drucksache 17/2920

Kultur und Rundfunk nicht durch die Frequenzumstellung schädigen

Vom 14. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2920
17. Wahlperiode 14. 09. 2010

Antrag
der Abgeordneten Tabea Rößner, Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner,
Kai Gehring, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Sylvia Kotting-Uhl,
Monika Lazar, Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kultur und Rundfunk nicht durch die Frequenzumstellung schädigen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In der Informations- und Wissensgesellschaft ist der Zugang zu Breitband eine
entscheidende Voraussetzung, um gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten.
Eine entsprechende Infrastruktur sowohl stationär als auch mobil liefert eine
wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und neue Arbeits-
plätze. Im April dieses Jahres fand die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen
statt. Die Unternehmen, die bei der Ersteigerung Frequenzen erworben haben,
sind dazu verpflichtet, den ländlichen Raum mit mobilem Breitbandinternet zu
versorgen. Dem Bund sind durch die Versteigerung Einnahmen von rund
4,38 Mrd. Euro zugute gekommen. Grundlage der Frequenzumwidmung ist die
am 12. Juni 2009 beschlossene Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung.

Die versteigerten Frequenzen sind durch die sogenannte Digitale Dividende
frei geworden. Diese entstand, weil die analoge Rundfunkübertragung ab-
geschaltet wurde. Der nun umgewidmete Frequenzbereich wurde auch von
drahtlosen Produktionsmitteln (beispielsweise Mikrofonanlagen und Funk-
mikrofone) genutzt. Diese müssen nun auf einen anderen Frequenzbereich aus-
weichen. Hierdurch entstehen Kosten für die Kultur- und Medienlandschaft,
weil die Geräte nicht auf ein anderes Frequenzspektrum umgestellt werden
können, sondern ausgetauscht werden müssen. Darüber hinaus kann die Fre-
quenzumwidmung beim digital terrestrischen Rundfunkempfang zu Störungen
führen.

Der Bundesrat hat im Rahmen der Zustimmung zur Frequenzbereichszuwei-
sungsplanverordnung (Bundesratsdrucksache 204/09) festgehalten, dass den
bisherigen Nutzern die Umstellungskosten durch den Bund angemessen er-
stattet werden müssen. Allerdings wurde die Kostenerstattung durch den Bund
unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wies im Zusammenhang mit der Ver-

steigerung der Mobilfunkfrequenzen (www.bfs.de) auf den bestehenden For-
schungsbedarf zu den Auswirkungen auf den kindlichen Organismus und zur
Langzeitwirkung hin.

Drucksache 17/2920 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● eine gesetzliche Grundlage vorzulegen, die den Einrichtungen der Kultur-
und Medienlandschaft und sonstigen betroffenen Institutionen einen Rechts-
anspruch zur Erstattung der Folgekosten schafft, die durch die Frequenzum-
widmung entstehen;

● diese gesetzliche Grundlage dahingehend auszugestalten, dass die Erstat-
tung der tatsächlichen Umstiegskosten gewährleistet ist;

● diese gesetzliche Grundlage dahingehend auszugestalten, dass wie bisher
ein kostenfreier Zugang der bisherigen Nutzer des Frequenzbereiches 790
bis 862 Megahertz zum neu zugewiesenen Frequenzbereich von 470 bis 790
Megahertz rechtsverbindlich garantiert ist;

● sich dafür einzusetzen, vor der Frequenzumstellung alle potentiell betroffe-
nen Haushalte über möglicherweise auftretende Störungen beim Fernseh-
empfang, über Beschwerde- und Entstörungsmöglichkeiten zu informieren;

● sich dafür einzusetzen, dass vor allem in Ballungsräumen, in denen der por-
tale DVB-T-Empfang weit verbreitet ist, zusätzliche Maßnahme ergriffen
werden, um Störungen des Empfangs von digital terrestrischem Rundfunk
durch die Mobilfunknetze zu minimieren;

● sich dahingehend einzusetzen, dass der Rundfunk von der Mobilfunkseite
alle erforderlichen Informationen erhält, um Störauswirkungen zu jeder Zeit
zu bestimmen;

● aus den Versteigerungserlösen ausreichend finanzielle Mittel für die Erfor-
schung der biologischen Auswirkungen von Mobilfunkanwendungen auf den
kindlichen Organismus und zur Langzeitwirkung und zur Erforschung und
Entwicklung von Möglichkeiten der Strahlenminimierung zur Verfügung zu
stellen.

Berlin, den 13. September 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Mit der Versteigerung der Funkfrequenzen im Frühjahr dieses Jahres wurde ein
wichtiger Schritt unternommen, um das schnelle Internet in den ländlichen
Raum zu bringen. Jedoch dürften die Leidtragenden der Auktion nicht die sein,
die den Platz dafür geräumt haben: Rundfunk, Theater, Musikveranstalter und
andere Kulturbetriebe, welche infolge der angespannten Haushaltslage der
Länder und Kommunen ohnehin von Kürzungen bedroht sind.

Der gleichzeitige Betrieb von Funkmikrofonen und Mobilfunk in demselben
Spektrum ist aus technischen Gründen nicht möglich, weil es zu Störungen
kommt. Die Nutzer drahtloser Produktionsmittel müssen infolge der Umwid-
mung des Frequenzspektrums deshalb auf einen anderen Bereich ausweichen:
Sie können zukünftig in anderen Bereichen, insbesondere zwischen 470 bis
790 Megahertz, senden. Dazu müssen sie jedoch neue Geräte erwerben, weil die
jetzt genutzten Geräte nur für den Bereich von 790 bis 862 Megahertz ausgelegt
sind und nicht umgerüstet werden können.

Die Umwidmung der Frequenzen hat dementsprechend erhebliche Folgen für

alle Nutzer von Funkmikrofonen in Deutschland. Kleine und mittlere Unter-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2920

nehmen (KMU), die den Kulturbereich mitgestalten, werden durch die anste-
henden Investitionen finanziell belastet.

Bisher konnten die Frequenzen 790 bis 862 Megahertz im Rahmen der All-
gemeinverfügung jederzeit ohne zusätzliche Genehmigung genutzt werden. Mit
der neuen Verwaltungsvorschrift, welche als Ersatzspektrum das Band 710 bis
790 Megahertz ausweist, müssen die Nutzer eine gebührenpflichtige Einzel-
zuteilung beantragen.

Die Theater, welche die Frequenzen 790 bis 862 Megahertz bisher für mobile
Mikrofonanlagen nutzen, müssen nach Schätzungen des Deutschen Bühnen-
vereins mit mehreren 100 Mio. Euro Umrüstungs- oder Neuanschaffungskosten
rechnen. Funkmikrofone werden auf Freilichtbühnen, ebenso wie in Hotels, in
Kirchen, bei Kongressen, von vielen kommunalen Einrichtungen, auf Messen,
bei Musikveranstaltungen (wie Konzerten, Musicals, Opern etc.), bei öffent-
lichen Veranstaltungen, auf Parteitagen, in Schulen und Universitäten, bei Sport-
ereignissen, in Stadthallen usw. genutzt. Dadurch ergeben sich massive finan-
zielle Folgen für Länder und Kommunen, weil die meisten der genannten
Veranstaltungsorte und -institutionen in kommunaler Trägerschaft sind und
diese die nötige Erneuerung der technischen Ausstattung finanzieren.

Verbraucherschützer und Rundfunkbetreiber befürchten durch die Nutzung der
Mobilfunkfrequenzen ebenso Störungen des Empfang von terrestrischem Digi-
talfernsehen und beim Kabelempfang. Auch hier können Folgekosten für die
Rundfunkbetreiber entstehen.

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