BT-Drucksache 17/280

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung -17/179, 17/274- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008 und dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2009

Vom 16. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/280
17. Wahlperiode 16. 12. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Katja Keul, Marieluise Beck (Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken,
Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Jerzy Montag,
Dr. Konstantin von Notz, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/179, 17/274 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie
vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens
der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008,
1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008,
1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009
und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der
Europäischen Union vom 10. November 2008 und dem Beschluss 2009/907/GASP
des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2009

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Bedrohung, die von der Piraterie am Horn von Afrika für die Hilfsliefe-
rungen des Welternährungsprogramms und die zivile Schifffahrt ausgeht, ist
nach wie vor erheblich. Mit dem Mandat der Vereinten Nationen und der Ge-
meinsamen Aktion der EU sind die völkerrechtlichen und verfassungsrecht-
lichen Voraussetzungen für eine deutsche Beteiligung nach Artikel 24 Absatz 2
des Grundgesetzes erfüllt. Defizite gibt es noch bei der Strafverfolgung. Die
Rechtsstaatlichkeit bei der Strafverfolgung muss zweifelsfrei gewährleistet
sein. Anzustreben ist, dass das Festhalten von der Piraterie verdächtigen Per-

sonen im nationalen Recht näher geregelt wird. Die Einrichtung einer interna-
tionalen Gerichtsbarkeit für Piraterie ist weiter voranzutreiben.

2. Das Nebeneinander verschiedener nationaler und multinationaler Militärope-
rationen zur Abschreckung, Eindämmung und Bekämpfung der Piraterie ist
kontraproduktiv. NATO und EU müssen ihr unverhohlen zur Schau gestelltes
maritimes Wetteifern beenden. Schnellstmöglich anzustreben ist eine Mission
unter dem Dach und der Führung der Vereinten Nationen.

Drucksache 17/280 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ein ständiger Wechsel des Unterstellungsverhältnisses (Atalanta, NATO,
OEF, national) ist politisch, militärisch und rechtlich bedenklich. Alle am
Horn von Afrika eingesetzten maritimen Kräfte und Fähigkeiten der Bundes-
wehr müssen ausschließlich der EU-Mission Atalanta zur Verfügung gestellt
werden. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag schreibt die Überprüfung der
Reduzierung der Mandate fest. Dennoch hat die Bundesregierung kürzlich
erst die Operation Enduring Freedom verlängert. Dabei gibt es für diese Ope-
ration keine sachliche und völkerrechtliche Grundlage mehr.

3. Die der Piraterie zugrunde liegenden Ursachen müssen weiterhin vor allem an
Land – insbesondere in Somalia – angegangen werden. Das Misstrauen zwi-
schen den Clans und den Menschen gegenüber der Übergangsregierung sitzt
unvermindert tief. Die Friedensmission der Afrikanischen Union (AU)
AMISOM ist weiterhin überfordert. Der Bundestag muss vor einer Entschei-
dung über eine EU-Mission zur Ausbildung von somalischen Polizei- und
Militärkräften konsultiert werden. Auch besteht die Gefahr, dass aus der Ab-
wehr der Piraterie vor Somalia stillschweigend der Schutz der europäischen
Industriefischerei wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für ein effizientes und koordiniertes Vorgehen zur Abschreckung, Verhü-
tung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen oder bewaffneten
Raubüberfällen und Geiselnahmen einzusetzen und hierbei

● alle am Horn von Afrika eingesetzten maritimen Kräfte und Fähigkeiten
der Bundeswehr ausschließlich der EU-Mission Atalanta zur Verfügung zu
stellen und die Mitwirkung an der Operation Enduring Freedom einzustel-
len;

● konkurrierenden Missionen der NATO eine Absage zu erteilen und darauf
hinzuwirken, dass auch die anderen EU- und NATO-Partner sowie interes-
sierte Drittstaaten ihre Kräfte zur Pirateriebekämpfung unter dem Dach der
EU-Mission Atalanta bündeln;

● sich dafür einzusetzen, die internationale Pirateriebekämpfung am Horn
von Afrika und im Indischen Ozean so schnell wie möglich unter dem
Dach und der Führung der Vereinten Nationen zusammenzuführen;

● Bemühungen zu ergreifen und zu unterstützen, die zum Ziel haben, die Pi-
rateriebekämpfung am Horn von Afrika so schnell wie möglich in einem
Truppenverband und unter dem Dach der Vereinten Nationen zusammen-
zuführen;

● entschlossen gegen Akte der Piraterie, identifizierte Mutterschiffe und kri-
minelle Netzwerke der Piraten vorzugehen und dabei verhältnismäßiges
und rechtsstaatkonformes Vorgehen zu gewährleisten, auch durch die Vor-
lage eines Gesetzentwurfs, der das Festhalten von der Piraterie verdächti-
gen Personen bis zur Entscheidung über die Strafverfolgung näher regelt;

● dem Schutz von Leib und Leben der Geiseln Priorität beizumessen und auf
fahrlässige Missionen zur Geiselbefreiung zu verzichten;

● Reedereien stärker in die Pflicht zu nehmen Schutzvorkehrungen zu er-
greifen und auf fahrlässige Fahrten durch das Operationsgebiet zu verzich-
ten.

2. im Hinblick auf die Strafverfolgung

● eine rechtsstaatliche Verfolgung sicherzustellen;


das innerstaatliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Militär zu be-
achten;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/280

● dauerhaft Sorge dafür zu tragen, dass die international zuständigen
Gerichte den Anforderungen an rechtsstaatliche Verfahren auch tatsäch-
lich genügen;

● die Überstellung oder Verhandlung über Überstellungsabkommen an und
mit Drittstaaten zu unterlassen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlie-
gen, dass im betreffenden Drittstaat die völkerrechtlichen Mindeststan-
dards nicht beachtet werden;

● einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, der das Festhalten von
der Piraterie verdächtigen Personen bis zur Entscheidung über die Straf-
verfolgung näher regelt;

● zu prüfen, in welcher Form die Infrastruktur des internationalen See-
gerichtshofs in Hamburg jenseits von seerechtlichen Streitigkeiten genutzt
werden könnte;

● sich bei den Vorschlägen bezüglich der Regelungen zum Strafprozess, ins-
besondere der Rechte der Beschuldigten und ihrer Verteidigung, des
Gerichtsorganisations-, Rechtshilfe- und Auslieferungsrechts sowie der
Frage des Strafvollzugs, an dem Statut und den Regelungen des Internatio-
nalen Strafgerichtshofs zu orientieren;

● zu prüfen, inwieweit eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrates
anzuregen ist und inwieweit als mittelfristige Perspektive ein Zusatzpro-
tokoll zum Statut des Gerichtshofs umsetzbar ist.

3. im Hinblick auf die Beseitigung zentraler Ursachen der Piraterie und auf eine
langfristige Stabilisierung Somalias

● dafür Sorge zu tragen, dass die humanitäre Hilfe bei den Menschen in So-
malia ankommt;

● sich innerhalb der Somalia-Kontaktgruppe mehr auf die politische Lösung
der Krisenlage in Somalia zu konzentrieren und sich für die Einleitung
eines breit angelegten politischen Dialog- und Versöhnungsprozesses ein-
zusetzen unter Berücksichtigung nicht nur der Übergangsregierung, son-
dern auch lokaler Führungseliten und der Zivilgesellschaft aus Süd- und
Zentralsomalia sowie aus Somaliland und Puntland;

● sich für die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für Somalia und das
Horn von Afrika zur Verbesserung der Koordination der europäischen Bei-
träge einzusetzen;

● ihre Ankündigung, sich im Bereich der Demilitarisierung, Demobilisie-
rung und Reintegration (DDR) von bewaffneten Kämpfern und dem Auf-
bau von Kapazitäten im Rechtsstaatsbereich engagieren zu wollen, zügig
zu konkretisieren und umzusetzen;

● die Geldwäsche von erpressten Lösegeldern der Piraten sowie Finanz-
transaktionen gewalttätiger Djihadisten-Gruppen in den Nachbarländern
und international wirksam zu bekämpfen;

● den anhaltenden Waffenschmuggel und der illegalen Müllentsorgung in
somalischen Wirtschaftsgewässern wirksam und entschieden entgegenzu-
wirken;

● sich dafür einzusetzen, dass die zum Teil illegale Überfischung der Gewäs-
ser vor der Küste Somalias durch europäische und japanische Fischfabri-
ken sofort gestoppt wird und die noch in der Region befindlichen Trawler
von dort abgezogen werden, sowie dafür zu sorgen, dass den Fischern
alternative Existenzgrundlagen und ausreichende Erwerbsmöglichkeiten

gestellt werden;

Drucksache 17/280 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● dafür Sorge zu tragen, dass die zugesagten Finanzmittel der internationalen
Somalia-Konferenz vom 23. April 2009 vollständig geleistet werden und
sichergestellt wird, dass die AMISOM-Soldaten ihren Sold erhalten;

● sich innerhalb der Somalia-Kontaktgruppe dafür einzusetzen, dass AMISOM
künftig mehr die Menschen und deren humanitäre Versorgung schützt als
nur die Übergangsregierung;

● den Aufbau integrierter somalischer Sicherheitskräfte grundsätzlich zu un-
terstützen, insbesondere das UNDP-Polizeiprogramm (Ausbildung und
Ausrüstung) finanziell, personell und perspektivisch durch eine EU-Poli-
zeimission zu stärken;

● sicherzustellen, dass der Deutsche Bundestag frühzeitig und vor einer Be-
schlussfassung der EU umfassend über die Planungen von einer militäri-
schen EU-Ausbildungsmission im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik (GSVP) für somalische Sicherheitskräfte konsul-
tiert und beteiligt wird;

● einer Entsendung einer solchen militärischen EU-Ausbildungsmission im
Rahmen der GSVP nur zuzustimmen, wenn gewährleistet ist, dass die aus-
zubildenden somalischen Sicherheitskräfte dem Aufbau einer somalischen
Staatlichkeit dienen, regelmäßig und ausreichend Sold, eine rechtsstaat-
liche Grundausbildung erhalten, eng an die AMISOM angebunden sind,
bestehende Ausbildungsprogramme der AMISOM sinnvoll ergänzen und
stabilisierende Ausbildungskomponenten weiterhin in Djibouti haben;

● die Forderungen der interfraktionellen Beschlussempfehlung des Deut-
schen Bundestages (Bundestagsdrucksache 16/5754) zu dem Antrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN („Politische Lösungen sind Vor-
aussetzung für Frieden in Somalia“ – Bundestagsdrucksache 16/4759)
weiter umzusetzen, insbesondere den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen
und eines Mikrokreditwesens nachhaltig zu unterstützen und die Rolle der
Frauen, vor allem in den Dorfgemeinschaften, zu stärken.

Berlin, den 16. Dezember 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Pirateriebekämpfung

Die Operation Atalanta der EU hat zum Schutz humanitärer Hilfslieferungen
sowie zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen
Handlungen oder bewaffneten Raubüberfällen beigetragen. Alle Schiffe des
Welternährungsprogramms im Rahmen der humanitären Hilfe für die notlei-
dende somalische Bevölkerung konnten sicher nach Somalia gelangen.

Dennoch ist die Bilanz ernüchternd. Die Zahl bewaffneter Überfälle hat erneut
zugenommen. Piraten operieren weiter im Indischen Ozean und gefährden die
Fischerei im Süden des Somali Beckens. Mit dem Ende des Monsuns konnte
zudem im Norden und Nordosten der Seychellen eine neue Welle von Piraten-
übergriffen beobachtet werden.

Die Piraterie am Horn von Afrika bleibt daher ein ernstzunehmendes Problem,

dem man sich auf internationaler Ebene und insbesondere im Rahmen der Ver-
einten Nationen künftig stellen muss. Eine unilaterale Absicherung von Han-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/280

delswegen durch einzelne Staaten oder die schleichende Privatisierung der Si-
cherheit auf Seewegen kann nicht im deutschen Interesse sein.

Auf europäischer Ebene haben die Außenminister am 8. Dezember 2009 die
Verlängerung der EU-Operation Atalanta bis zum 12. Dezember 2010 be-
schlossen (Council Decision 16450/09 amending Joint Action 2008/851/CFSP)
und ihr Mandat auf die Überwachung der Fischereiaktivitäten vor der Küste
Somalias erweitert. Ferner hat der Rat der Europäischen Union beschlossen, die
Kooperation mit den anderen internationalen Organisationen und Staaten, die
ebenfalls mit dem Ziel der Verhinderung von Übergriffen durch Piraten im be-
treffenden Gebiet aktiv sind, stärken zu wollen.

Eine stärkere Kooperation reicht nicht aus. Derzeit sind rund 40 Schiffe und
Seeaufklärer mit dem Haupt- oder Nebenauftrag der Pirateriebekämpfung am
Horn von Afrika unterwegs. Außer den ca. 15 Schiffen, die unter nationalem
Kommando agieren (USA, China, Japan, Russland, Iran, Indien, Saudi-Ara-
bien) verzetteln sich Bündnispartner der NATO und EU in folgenden fünf Ope-
rationen:

● EU-Mission Atalanta (Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Nie-
derlande, Norwegen, Luxemburg, Spanien),

● NATO-Operation OCEAN SHIELD (Italien, Kanada, Portugal, USA),

● Combined Task Force 150 (Anti-Terror-Operation Enduring Freedom,
Deutschland, Großbritannien, Pakistan),

● Combined Task Force 151 (Anti-Pirateriemission Australien, Südkorea, Tür-
kei, USA),

● Combined Task Force 53 – (Versorgung; Japan, Großbritannien, USA).

Das Nebeneinander verschiedener nationaler und internationaler Missionen am
Horn von Afrika wurde in der Vergangenheit wiederholt kritisiert. Doppelauf-
träge und der ständige Wechsel zwischen EU-, OEF-, NATO- oder nationaler
Mission sind nicht länger hinnehmbar. Die Bundesregierung hat mit der Verlän-
gerung des OEF-Einsatzes und in der NATO aktiv zu dieser Konfusion beige-
tragen. Das ist politisch, militärisch und rechtlich bedenklich. Je nach Unter-
stellungsanordnung werden Aufträge, verfassungsrechtliche Grundlagen und
Kompetenzen verändert. Die Operation Enduring Freedom am Horn von Afrika
hat sich seit langer Zeit als verzichtbar erwiesen und muss beendet werden.

Strafverfolgung

Der Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft zum Schutz von Schiffen
bzw. zur Eindämmung und Bekämpfung von Raubüberfällen auf See weist hin-
sichtlich der Strafverfolgung immer noch große Unterschiede und Defizite auf.
Bislang fehlt es an einer einheitlichen Strategie und an einem eng abgestimm-
ten Vorgehen.

Nach Kenia hat die EU nun auch mit den Seychellen ein Abkommen, das es
den EU-Marineeinheiten erlaubt mutmaßliche Piraten und bewaffnete Räuber,
die sie im Laufe ihrer Einsätze in deren ausschließlicher Wirtschaftszone
(200 Seemeilen) aufgreift, an den Inselstaat überstellen zu können.

Soweit die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Personen aufgreifen,
festhalten und überstellen, müssen die Grund- und Menschenrechte beachtet
werden. Von besonderer Bedeutung ist eine unabhängige und effektive Vertei-
digung, für die auch eine Kostenübernahme der deutschen Seite sicherzustellen
ist.

Personen, die festgesetzt werden, weil sie im Verdacht stehen, seeräuberische

Handlungen begangen zu haben, sind der deutschen Strafverfolgung zuzufüh-
ren. Alternativ müssen die Behörden diese Personen entweder an einen Staat

Drucksache 17/280 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

übergeben, der sein Strafverfolgungsinteresse angemeldet bzw. sich zur Straf-
verfolgung bereit erklärt hat, oder die Personen freisetzen. Eine Entscheidung
darüber ist unverzüglich herbeizuführen.

Nach einer Entscheidung, festgesetzte Personen der deutschen Strafverfolgung
zuzuführen, sind diese Personen unverzüglich deutschen Polizeibehörden zu
übergeben. Dabei sind auch die besonderen Bedingungen auf Hoher See zu be-
rücksichtigen. Nach Übergabe der festgehaltenen Personen an deutsche Polizei-
behörden ist innerhalb von längstens 48 Stunden eine richterliche Entscheidung
über die Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen.

Die Bundesregierung hat durch die Außenvertretungen selbst dafür Sorge zu
tragen, und bei anderen Stellen darauf hinzuwirken, dass die Gerichte derjeni-
gen Staaten, die ein Strafverfolgungsinteresse angemeldet bzw. sich zur Straf-
verfolgung bereit erklärt haben, den Anforderungen an rechtsstaatliche Verfah-
ren und völkerrechtlichen Verpflichtungen auch tatsächlich genügen.

Eine Überstellung an Drittstaaten ist zu unterlassen, wenn konkrete Anhalts-
punkte dafür vorliegen, dass im betreffenden Drittstaat die haft- und verfah-
rensbezogenen Menschenrechte nicht die völkerrechtlichen Mindeststandards
beachtet werden.

Ursachenbekämpfung

Die Zunahme der Piraterie, aber auch des gewalttätigen, antiwestlichen Djihadis-
mus vertreten durch Gruppen wie Al-Shabaab und Hizbul Islam sind auch
Ergebnis dauerhafter Armut und anhaltender Unsicherheit aufgrund fehlender
Erwerbsmöglichkeiten und fehlender Staatsgewalt seit fast 20 Jahren. Die UNO
hält die humanitäre Lage in Somalia wieder für so schlimm wie 1991. Die hu-
manitäre Versorgung an Land erfolgt aufgrund der schlechten Sicherheitslage
nur sporadisch. Viele Somalis sind in Nachbarländer wie Kenia geflohen. Der
Einfluss, die Stabilität und die Akzeptanz der somalischen Übergangsregierung
nehmen kontinuierlich ab, weil sie die Lebensumstände der Menschen nicht
verbessert hat. Gleiches gilt auch für die AMISOM, deren Aufgabe sich zu sehr
auf den Schutz der Übergangsregierung und nicht den Schutz der Menschen
konzentriert.

Das internationale Engagement ist halbherzig und zu kurzfristig gedacht. Die
internationale Gemeinschaft konzentriert sich zu stark auf Sicherheitsmaßnah-
men und die Unterstützung der Übergangsregierung. Sie hat die Unterstützung
politischer Lösungen und Aussöhnungsprozesse durch eine stärkere Berück-
sichtigung lokaler Führungseliten und der Zivilgesellschaft – auch denen von
Somaliland und Puntland – aus dem Blick verloren.

Piraten und gewalttätige Djihadisten können weiter aufrüsten und sich etablie-
ren, weil die Geldwäsche von Lösegeld durch gewinnbringende Finanzanlage
und sonstige Finanztransfers wie in Kenia nicht gestoppt wird, der Waffen-
schmuggel weiter blüht, die illegale Überfischung und Müllentsorgung vor der
Küste Somalias nicht entschlossen genug bekämpft wird und der Aufbau des
somalischen Rechtsstaats nicht intensiv genug gefördert wird, um der Straf-
losigkeit ein Ende zu bereiten.

Nur knapp ein Drittel der zugesagten Finanzmittel für die AMISOM sind ange-
kommen. AMISOM-Soldaten erhalten seit April 2009 keinen Sold mehr. Der
Plan der EU künftig mit eigenen Ausbildungsmissionen den Aufbau von Mili-
tär und Polizei der Übergangsregierung voranzutreiben birgt nicht nur die Ge-
fahr von ineffizienten Parallelstrukturen, sondern auch die Gefahr, dass gut aus-
gebildete Sicherheitskräfte zu zahlungskräftigeren Piraten oder Djihadisten
überlaufen.
Der Ministerrat der Europäischen Union hat am 17. November 2009 ein Kri-
senmanagementkonzept für eine Ausbildungsmission für somalisches Militär

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/280

im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschlos-
sen. Derzeit laufen Verhandlungen auf Ebene der EU und mit Drittstaaten wie
Uganda für die baldige Entsendung der Ausbildungsmission. Die Bundesregie-
rung prüft gegenwärtig noch Art und Umfang einer möglichen deutschen Betei-
ligung.

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