BT-Drucksache 17/2684

Visumpolitik der Europäischen Union gegenüber Ländern der westlichen Balkanhalbinsel und Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption

Vom 29. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2684
17. Wahlperiode 29. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Manuel Sarrazin, Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Visumpolitik der Europäischen Union gegenüber Ländern der westlichen
Balkanhalbinsel und Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption

Bis zum Zerfall Jugoslawiens konnten dessen Bürgerinnen und Bürger ohne
Visum in die Länder der Europäischen Gemeinschaft reisen. Die Bildung der
Nachfolgestaaten brachte die Einführung der Visumpflicht für den Schengen-
Raum mit sich. Dies führte zu einer starken Beeinträchtigung der Reisefreiheit
für die Bürgerinnen und Bürger der Region. So hatte die Mehrheit der jungen
Generation der Region ihr Land bis vor Kurzem noch nie verlassen.

Um die europäische Integration und die Entwicklung demokratischer Gesell-
schaften in der Region zu unterstützen, verfolgt die Europäische Union seit 2007
eine Politik der Visaliberalisierung gegenüber den jugoslawischen Nachfolge-
staaten und Albanien. Slowenien als Mitgliedstaat der EU und Kroatien als EU-
Beitrittskandidat verfügten zu diesem Zeitpunkt bereits über visumfreien Zugang
zum Schengen-Raum. Am 1. Januar 2008 traten Visumerleichterungsabkommen
mit allen verbliebenen Ländern der Region in Kraft, die mit einer Verringerung
der Visumgebühren und Gebührenbefreiung für viele gesellschaftliche Gruppen
verbunden waren. Im Laufe des Jahres 2008 wurden den Ländern der Region
Fahrpläne für visumfreies Reisen präsentiert. Hierin waren Reformanforderun-
gen formuliert, deren Erfüllung zur Abschaffung der Visumpflicht für den
Schengen-Raum führen. Eine angemessene Sicherheitslage wurde dabei zur
Voraussetzung gemacht. Entsprechend enthielten die Fahrpläne klare Anforde-
rungen für Reformen in Schlüsselbereichen wie der Dokumentensicherheit, der
Grenzverwaltung, dem Kampf gegen illegale Zuwanderung, organisiertes Ver-
brechen und Korruption.

Nach erfolgreicher Umsetzung der in den Fahrplänen geforderten Reformen
wurde zum 19. Dezember 2009 Mazedonien, Montenegro und Serbien die
Visumfreiheit gewährt. Albanien sowie Bosnien und Herzegowina erfüllten die
entsprechenden Kriterien zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Verweigerung der

Visumfreiheit für Bosnien und Herzegowina führt zur Verschärfung der vorhan-
denen ethnischen Spannungen, da bosnische Kroaten und Serben über einen
Zweitpass des jeweiligen Nachbarlands visumfrei in den Schengen-Raum reisen
können, während muslimische Bosniaken und Angehörige der Minderheiten
weiterhin ein Visum benötigen. Völlig ungeklärt ist bislang der Umgang mit dem
Kosovo, für das als einziges Land der Region bislang keinerlei Visumerleichte-
rungen in Aussicht gestellt wurde.

Drucksache 17/2684 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Am 27. Mai 2010 stellte die Europäische Kommission die Visumbefreiung für
Albanien und Bosnien und Herzegowina unter nochmaligen Prüfvorbehalt. Be-
mängelt wurden für beide Länder vorwiegend Defizite im Kampf gegen organi-
sierte Kriminalität und Korruption.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Lage in den Bereichen organi-
sierte Kriminalität und Korruption vergleichend in den Ländern Albanien,
Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien?

2. Welche nachweisbar positiven Auswirkungen hat die Verweigerung der
Visumbefreiung bezüglich des Einflusses von organisierter Kriminalität aus
den Ländern der westlichen Balkanhalbinsel, die bisher nicht in den Genuss
der Visumbefreiung kommen, im Schengen-Gebiet?

3. Wie lässt sich der Rückgang dieses Einflusses aus Mazedonien, Montenegro
und Serbien seit Einführung der Visumbefreiung infolge erfolgreicher Be-
kämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption durch die abschlie-
ßende Umsetzung der Fahrpläne nachweisen?

4. Wie viele Visaanträge von Bürgerinnen und Bürgern aus Albanien, Bosnien
und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien sind wegen ver-
muteter oder nachgewiesener organisierter Kriminalität und Korruption in
den Jahren 2007, 2008 und 2009 verweigert worden, und welche Tendenzen
sind dabei erkennbar?

5. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass so schnell wie möglich auch ein
Prozess zur Erreichung der Visaliberalisierung mit dem Kosovo eingeleitet
wird, und wenn ja, wo, und wann hat die Bundesregierung dies getan?

6. Besteht bereits ein Dialog der EU-Kommission über Visaliberalisierung mit
dem Kosovo bzw. liegt hier ein Fahrplan von Seiten der Europäischen Kom-
mission vor, oder wird derzeit einer ausgearbeitet?

Berlin, den 29. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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