BT-Drucksache 17/2559

Ablehnungen von Visumanträgen zum Zwecke des Studiums im Bundesgebiet

Vom 9. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2559
17. Wahlperiode 09. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Memet Kilic, Claudia Roth (Augsburg), Kai Gehring,
Josef Philip Winkler, Marieluise Beck (Bremen), Ingrid Hönlinger, Uwe Kekeritz,
Dr. Konstantin von Notz und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ablehnungen von Visumanträgen zum Zwecke des Studiums im Bundesgebiet

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält regelmäßig Beschwerden von
Bürgerinnen und Bürgern, die sich über die Visavergabe bei den deutschen Bot-
schaften beklagen. So werden insbesondere monatelange Verfahren gerügt,
überhöhte Anforderungen an den Nachweis der Einreisevoraussetzungen sowie
die Aberkennung bereits erteilter Visa bei der Einreise. Die schlechten Erfahrun-
gen, die Ausländerinnen und Ausländer mit den deutschen Auslandsvertretun-
gen machen, sind besonders bedauerlich. Denn die deutschen Botschaften sind
die Visitenkarte von Deutschland und häufig der Ort, an dem ausländische
Staatsangehörige erstmals in Kontakt mit deutschen Behörden treten.

Häufig berichten auch ausländische Studentinnen und Studenten, die ein Stu-
dium in Deutschland absolvieren möchten und bereits an einer deutschen Hoch-
schule zugelassen sind, von Schwierigkeiten bei der Visavergabe. Eine iranische
Staatsbürgerin beantragte am 2. Juli 2009 bei der Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland in Teheran ein Visum zum Zwecke des Studiums (GZ: RK 516 VI
321922), wobei sie die Finanzierung des Studienaufenthalts und Deutschkennt-
nisse nachwies sowie das Zulassungsschreiben der Universität Bremen zum Stu-
dium der Betriebswirtschaftslehre vorlegte. In Absprache mit der Universität
Bremen sollte die Iranerin – wie üblich bei Studienbesuchen von Ausländerin-
nen und Ausländern – vor Beginn des Fachstudiums für ein Semester an einem
Studienkolleg ihre Deutschkenntnisse vertiefen, mit dem Ziel, die Deutsche
Sprachprüfung für den Hochschulzugang abzulegen. Darüber hinaus verlangte
die Universität Bremen Englischkenntnisse der Niveaustufe B1.

Der Visumantrag wurde mit Remonstrationsbescheid vom 16. September 2009
abgelehnt. Die deutsche Botschaft begründete die Ablehnung damit, dass Zwei-
fel an der Absicht der Iranerin bestünden, ziel- und erfolgsorientiert in Deutsch-
land ein Studium abzuschließen. Denn vor der Aufnahme des Fachstudiums
müsste die deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang abgelegt und
Englischkenntnisse der Niveaustufe B1 nachgewiesen werden. Nach Einschät-
zung der Botschaft wäre es der Antragstellerin nicht möglich gewesen, ihre Eng-
lischkenntnisse innerhalb von sechs Monaten in Deutschland auf das Niveau B1

zu verbessern.

Die Versagung des Visums in dem oben beschriebenen Fall erscheint im Hinblick
auf § 16 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht nachvollziehbar. Denn
gemäß § 16 Absatz 1 Satz 4 AufenthG wird ein Nachweis von Kenntnissen in
der Ausbildungssprache nicht verlangt, wenn die Sprachkenntnisse bei der
Zulassungsentscheidung bereits berücksichtigt worden sind.

Drucksache 17/2559 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welcher rechtlichen und tatsächlichen Grundlage bewerten die Aus-
landsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland die sprachliche Eig-
nung von ausländischen Studentinnen und Studenten, die bereits bei einer
deutschen Hochschule in Kenntnis der sprachlichen Fähigkeiten zugelas-
sen wurden und dementsprechend über einen Zulassungsbescheid verfü-
gen?

2. Ist die Bundesregierung der Ansicht, die Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland in Teheran und alle weiteren Botschaften sollten bei der Visa-
erteilung zum Zwecke des Studiums die Beurteilung einer deutschen
Hochschule überprüfen, ob ausländische Studierende in der Lage sind, par-
allel zu der Vorbereitung auf die deutsche Sprachprüfung für den Hoch-
schulzugang ihre Englischkenntnisse zu verbessern?

Wenn ja, warum, und auf welcher fachlichen Basis können die Botschaften
dies leisten?

3. Entspricht es der Praxis der deutschen Auslandsvertretungen bei Visum-
anträgen zum Zwecke des Studiums die sprachliche Eignung der Studie-
renden eigenständig zu prüfen und entgegen den Einschätzungen der deut-
schen Hochschulen die ernsthaften Studienabsichten zu bezweifeln?

Wenn ja, gedenkt die Bundesregierung in dieser Hinsicht etwas zu ändern,
und falls ja, was?

Wenn nein, warum nicht?

4. Inwieweit fühlen sich die Auslandsvertretungen berufen, die private Le-
bensplanung von Menschen, wie in diesem Falle, in dem das Zweitstudium
für überflüssig und unnötig gehalten wird, zu bewerten?

5. Gibt es Anwendungshinweise bzw. interne Richtlinien, nach welchen die
deutschen Auslandsvertretungen die Studienabsicht der Antragstellenden
zu überprüfen haben?

Wenn ja, welche?

6. Wie vielen Visumanträgen zum Zwecke des Studiums hat die Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland in Teheran in den letzten zehn Jahren, auf-
geschlüsselt nach Jahren, stattgegeben, und wie viele Anträge wurden in
demselben Zeitraum abgelehnt?

7. a) Hat die Bundesregierung Kenntnisse über einen systematischen oder
häufigen Missbrauch von Studentenvisa durch iranische Staatsangehö-
rige?

b) Wenn ja, welche, und wie hat sie auf diesen reagiert?

8. Wie lange ist, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Botschaften, die durch-
schnittliche Bearbeitungszeit eines Visumantrags zum Zwecke des Stu-
diums bei den deutschen Auslandsvertretungen in Visaländern insbeson-
dere im Iran, in Japan, Russland, China und der Türkei?

9. Wie lange werden die Daten von Antragstellenden bei Erteilung des Vi-
sums bzw. Ablehnung des Visumantrags gespeichert?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Gebühren für die Erteilung eines
Studentenvisums bzw. für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Stu-
dienzwecken zu reduzieren bzw. in bestimmten Fällen ganz von einer Ge-
bühr abzusehen, und wenn nein, warum nicht?

11. Beabsichtigt die Bundesregierung die Visaerteilung zu Studienzwecken zu

vereinfachen, um Deutschland für ausländische Studierende attraktiver zu
machen, und wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2559

12. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rahmen ihrer Interna-
tionalisierungsstrategie, um die seit 2007 feststellbare Stagnation der Zahl
von Drittstaatsangehörigen, die in Deutschland studieren, zu beenden und
Deutschland wieder zu einem attraktiven Studienort für Menschen von
außerhalb der EU zu machen?

Berlin, den 9. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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