BT-Drucksache 17/2392

Auswirkungen der Streichung der Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende

Vom 2. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2392
17. Wahlperiode 02. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katrin Göring-Eckardt,
Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth,
Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg,
Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen der Streichung der Rentenbeiträge für
Arbeitslosengeld-II-Beziehende

Als Teil des Sparpakets hat die Bundesregierung beschlossen, die Beiträge zur
Rentenversicherung für Arbeitslosengeld-II-Beziehende zu streichen. Diese
Maßnahme wird dazu führen, dass ein Teil der Personen, die dadurch hätten
Rentenanwartschaften aufbauen und Wartezeiten erfüllen können, einem grö-
ßeren Risiko der Altersarmut ausgesetzt und auf Leistungen der Grundsiche-
rung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sein wird. Zudem wird
die komplette Streichung der Rentenbeiträge dazu führen, dass Personen, die
zwischenzeitlich nicht rentenversichert waren, weil sie z. B. selbständig tätig
waren, keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente mehr werden erwerben
können. Je nach Rechtsauffassung wird dies auch Ansprüche auf Rehabilita-
tionsleistungen betreffen. Diese Streichung der Rentenbeiträge für Arbeits-
losengeld-II-Beziehende soll zu Ausgabensenkungen führen, es gibt aber ver-
schiedene Mechanismen in der Rentenversicherung, die zu dem gegenteiligen
Effekt führen könnten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Streichung der Rentenbei-
träge zu einer Erhöhung der Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit führen wird?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welchem Umfang wird die Zahl der Berechtigten steigen, und in
welchem Umfang werden die Kosten steigen, die die Kommunen tragen
müssen?

2. Ist es richtig, dass die Bundesregierung die Zeiten des Bezuges von Arbeits-
losengeld II, nach der Streichung der Rentenbeiträge für die Arbeitslosen-
geld-II-Beziehenden, weiterhin als Anrechnungszeiten berücksichtigen will?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

3. Ist es richtig, dass höhere Anwartschaften für Altersrenten wie auch Er-
werbsminderungsrenten entstehen können, wenn an die Stelle der Beitrags-
zahlung eine Anrechnungszeit tritt?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/2392 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Für welche Fälle und unter welchen Bedingungen kann die Bewertung der
Arbeitslosigkeit als Anrechnungszeit dazu führen, dass durch die Streichung
der Zahlung der Rentenbeiträge die Rentenanwartschaften steigen werden?

Liegen der Bundesregierung Daten darüber vor, wie viele Personen davon
betroffen sein könnten?

Falls der Bundesregierung keine genauen Daten vorliegen: Geht die Bundes-
regierung davon aus, dass es sich dabei um eine große Mehrheit, eine Mehr-
heit, eine Minderheit oder eine kleine Minderheit der von der Streichung der
Beiträge Betroffenen handeln wird?

5. Für welche Fälle und unter welchen Bedingungen kann die Bewertung von
Zeiten des Arbeitslosengeld-II-Bezugs als Anrechnungszeit dazu führen,
dass die Rentenanwartschaften sinken werden?

Liegen der Bundesregierung Daten darüber vor, wie viele Personen davon
betroffen sein könnten?

Falls der Bundesregierung keine genauen Zahlen dazu vorliegen: Geht die
Bundesregierung davon aus, dass es sich dabei um eine große Mehrheit, eine
Mehrheit, eine Minderheit oder eine kleine Minderheit der von der Strei-
chung der Beiträge Betroffenen handeln wird?

6. Ist es richtig, dass Personen durch die Streichung der Rentenbeiträge ihren
Anspruch auf Altersrenten, Erwerbsminderungsrenten und Rehabilitations-
leistungen der Rentenversicherung ganz verlieren können?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, unter welchen Bedingungen ist das der Fall?

Liegen der Bundesregierung Daten vor, wie viele Personen davon betroffen
sein könnten?

Falls der Bundesregierung keine genauen Zahlen dazu vorliegen: Geht die
Bundesregierung davon aus, dass es sich dabei um eine große Mehrheit, eine
Mehrheit, eine Minderheit oder eine kleine Minderheit der von der Strei-
chung der Beiträge Betroffenen handeln wird?

7. Falls die Bundesregierung derzeit noch nicht über die in den Fragen 3 bis 6
erbetenen Informationen verfügt, lässt die Bundesregierung dazu Berech-
nungen oder Schätzungen durchführen?

Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt kann die Bundesregierung den Deutschen
Bundestag über die Ergebnisse der Berechnungen in Kenntnis setzen?

8. Welche Auswirkungen wird die Streichung der Beiträge auf die Höhe der in
der Rentenanpassungsformel zu berücksichtigenden Bruttoarbeitsentgelte
haben?

Ist es richtig, dass die Streichung des Rentenbeitrags für Arbeitslosengeld-
II-Beziehende dazu führen wird, dass der Rentenwert leicht steigen und
damit die gegenwärtig auszuzahlenden Rentenausgaben steigen werden?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

9. Wenn die Bundesregierung davon ausgeht, dass der Rentenwert steigen
wird: Um wie viel werden durch den in Frage 8 angesprochenen Zusammen-
hang a) der Rentenwert und b) die Rentenausgaben der Rentenversicherung
in den nächsten drei Jahren steigen?

Wird nach Auffassung der Bundesregierung als Folge auch der Beitragssatz
zur Rentenversicherung steigen müssen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2392

10. Wenn die Bundesregierung derzeit noch nicht über die in Frage 9 abgefrag-
ten Informationen verfügt, lässt die Bundesregierung dazu Berechnungen
oder Schätzungen durchführen?

Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt kann die Bundesregierung den Deutschen
Bundestag über die Ergebnisse der Berechnungen in Kenntnis setzen?

11. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Streichung der Ren-
tenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende keinen Spareffekt für die
Rentenversicherung erzielt, sondern sogar zu a) kurzfristigen, b) mittelfris-
tigen, c) langfristigen Ausgabensteigerungen führt oder führen kann?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

12. Wenn die Bundesregierung die Einschätzung teilt, dass es zu Ausgabenstei-
gerungen im Nachgang zur angestrebten Reform kommen kann: In wel-
chem Umfang werden nach Schätzung der Bundesregierung mittel- und
langfristig die Ausgaben der Rentenversicherung insgesamt durch die an-
gestrebte Reform steigen müssen?

In welchem Umfang werden die Ausgaben der Rentenversicherung a) im
nächsten Jahr, b) in zwei, c) in drei, d) in vier, e) in fünf, f) in zehn, g) in 20
Jahren steigen müssen?

Um wie viel höher müssten aus diesen Gründen die Rentenbeiträge a) im
nächsten Jahr, b) in zwei, c) in drei, d) in vier, e) in fünf, f) in zehn, g) in
20 Jahren sein?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Streichung der Renten-
beiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende dazu führen kann, dass der
Beitragssatz zur Rentenversicherung a) kurzfristig, b) mittelfristig, und/
oder c) langfristig höher ist, als er ohne diese Maßnahme sein könnte?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Streichung der Renten-
beiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende dazu führen kann, dass die
Rücklage der Rentenversicherung stärker reduziert werden muss als es ohne
diese Maßnahme der Fall wäre?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

15. Wenn die Bundesregierung die Auffassung teilt, dass die Einnahmen der
Rentenversicherung im Nachgang zur angestrebten Reform sinken werden:
Welche Auswirkungen wird die Streichung der Rentenversicherungsbei-
träge auf die Einnahmen der Rentenversicherung haben?

Um wie viel werden die Einnahmen a) im nächsten Jahr, b) in zwei, c) in
drei, d) in vier, e) in fünf, f) in zehn, g) in 20 Jahren sinken?

Welche Konsequenzen wird dies für die Höhe der Rücklage der Rentenver-
sicherung und die Höhe der Beitragssätze a) im nächsten Jahr, b) in zwei,
c) in drei, d) in vier, e) in fünf, f) in zehn, g) in 20 Jahren haben?

16. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass, wenn der Rentenwert als
Folge der aktuellen Reformpläne steigen muss, die Streichung der Renten-
beiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende zu einer Umverteilung von
Personen im Arbeitslosengeld-II-Bezug, die bisher über keine oder geringe
Rentenanwartschaften verfügen, zu den derzeitigen Rentnerinnen und Rent-
ner führt?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/2392 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Streichung der Renten-
beiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende zu einer Umverteilung von
Personen im Arbeitslosengeld-II-Bezug mit bisher geringen oder keinen
Rentenanwartschaften hin zu Personen im Arbeitslosengeld-II-Bezug mit
höheren Rentenanwartschaften führen wird?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Streichung der Renten-
beiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende zu einer Umverteilung von
den Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen hin zu den Steuerzahlern und
Steuerzahlerinnen führen wird?

Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

19. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um zu verhindern, dass Personen,
die Arbeitslosengeld II beziehen, keinen Anspruch mehr auf eine Erwerbs-
minderungsrente erwerben können?

Wenn ja, welche und warum, und wenn nein, warum nicht?

20. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um zu verhindern, dass Personen,
die Arbeitslosengeld II beziehen, keinen Anspruch mehr auf Rehabilita-
tionsleistungen erwerben können?

Wenn ja, welche und warum, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 2. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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