BT-Drucksache 17/2219

Umsetzung des neuen Pflegebegriffs (gemäß dem Bericht des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs)

Vom 16. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2219
17. Wahlperiode 16. 06. 2010

Große Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer, Dr. Martina Bunge, Inge Höger,
Dr. Ilja Seifert, Kathrin Vogler, Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung des neuen Pflegebegriffs (gemäß dem Bericht des Beirats zur
Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs)

Eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetz-
buch – SGB XI) ist seit Langem überfällig. Seit der Einführung der Pflegeversi-
cherung 1995 ist der ihr zugrunde liegende verrichtungsbezogene Pflegebegriff
zu eng. Er benachteiligt trotz der Leistungsverbesserungen für Personen mit ein-
geschränkter Alltagskompetenz nach den §§ 45b und 87b SGB XI durch das
Pflege-Weiterentwicklungsgesetz insbesondere Menschen mit demenziellen
Erkrankungen und sogenannten geistigen Behinderungen. Unbeachtet bleibt
bisher auch die „eingeschränkte Alltagskompetenz“ gerade von älteren Men-
schen.

Der von der damaligen Bundesregierung im Oktober 2006 eingesetzte Beirat zur
Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs legte im Januar 2009 Empfehlun-
gen für einen erweiterten Pflegebegriff und für ein neues Begutachtungsverfah-
ren vor. Im Mai 2009 folgten Vorschläge für die konkrete Umsetzung. Diese
Empfehlungen des Beirats weisen grundsätzlich in die richtige Richtung und
sind geeignet, einen Paradigmenwechsel für eine die Teilhabe ermöglichende
Pflege und/oder Assistenz einzuleiten. Gleichzeitig verweist der Beirat darauf,
dass die Politik bei der Neudefinition des Pflegebegriffs über einen erheblichen
Gestaltungsspielraum verfügt. Letztlich wird es auf die finanzielle Ausgestal-
tung der Leistungen ankommen.

Die Neudefinition des Pflegebegriffs, der das Ermöglichen von Teilhabe zum
Ziel pflegerischen und assistierenden Handelns erklärt, ist eine entscheidende
Voraussetzung für eine ganzheitliche Pflege und selbstbestimmte Teilhabe. Im
Kern geht es um die Frage, wie die Situation der Betroffenen zu verbessern und
ein ethisch relevanter Perspektivwechsel voranzutreiben sind. Die Fraktion
DIE LINKE. im Deutschen Bundestag forderte daher bereits in ihrem Antrag
„Für eine humane und solidarische Pflegeabsicherung“ (Bundestagsdrucksache
16/7472) die Bundesregierung auf, noch in der 16. Legislaturperiode eine
schrittweise Reform der Pflegeabsicherung vorzunehmen. Der Beirat schuf
hierfür die Grundlagen, passiert ist in der Sache bis zum heutigen Tage nichts.

Jetzt, in der bereits 17. Legislaturperiode, kommt es daher auf den politischen
Willen an, den grundlegenden Paradigmenwechsel zur Absicherung der Bedarfe

im Zusammenhang mit Pflege/Betreuung und Assistenz zu vollziehen. Verbun-
den ist der unbedingt notwendige Paradigmenwechsel mit der Klärung der
Grundsätze, worin der individuell angemessene Bedarf (an assistierender
Pflege) eines Menschen besteht, wie die Teilhabe von Menschen, die auf Pflege
und/oder Assistenz angewiesen sind, ermöglicht werden kann und welche prak-
tikablen, nichtdiskriminierenden Erhebungs-, Verwaltungs- und Umsetzungs-

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modalitäten dafür geeignet sind. Daran wird sich unsere Gesellschaft messen
lassen müssen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Menschen leiden in Deutschland derzeit an Demenzerkrankungen?

Wie viele Menschen davon leiden an einer leichten, mittelschweren und
schwer ausgeprägten Demenzerkrankung?

Wie viele Neuerkrankungen gibt es pro Jahr (bitte zitierte Studien angeben)?

2. Wie viele Menschen mit einer demenziellen Erkrankung werden 2010 in
ihrer häuslichen Umgebung versorgt?

Wie viele Menschen werden in einer stationären Einrichtung versorgt?

Wie viele Menschen mit einer demenziellen Erkrankung erhalten Leistungen
der Pflegeversicherung (bitte nach den unterschiedlichen Leistungsarten und
Pflegestufen aufschlüsseln)?

3. Wie viele an sich unterstützungsbedürftige Menschen in Deutschland erhal-
ten keine Leistungen der Pflegeversicherung, da der enge Pflegebegriff diese
von vornherein von der Leistungsgewährung ausschließt?

Wie viele der Menschen in Deutschland, die nach dem Vorschlag des Bei-
rats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs anspruchsberechtigt
wären, haben heute keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XI, da
der enge Pflegebegriff diese von vornherein von der Leistungsgewährung
ausschließt?

4. Wie viele Menschen insgesamt und in den einzelnen Monaten haben seit
Inkrafttreten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes den Grundbetrag von
100 Euro monatlich bzw. den erhöhten Betrag von 200 Euro monatlich ge-
mäß § 45b SGB XI bewilligt bekommen?

Wie viele Personen der Pflegestufe 0 erhielten in den einzelnen Monaten seit
dem 1. Juli 2008 den zusätzlichen Betreuungsbetrag, und wie viele Anträge
wurden abgelehnt?

Neudefinition des Pflegebegriffs

5. Inwieweit verfolgt bzw. übernimmt die Bundesregierung die Pläne von CDU,
CSU und SPD in der 16. Wahlperiode, nach denen mittelfristig der dem
SGB XI zugrunde liegende Pflegebegriff überarbeit werden soll (vgl. Koali-
tionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, vom 11. November 2005)?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzbarkeit der Vorschläge insge-
samt und die einzelnen Vorschläge des Berichts des Beirats zur Überprüfung
des Pflegebedürftigkeitsbegriffs?

7. Welche Anforderungen stellt die Bundesregierung an die Überarbeitung des
sozialrechtlichen Pflegebegriffs und die damit verbundene Überarbeitung des
Begutachtungsverfahrens?

8. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass selbstbestimmte Teilhabe
und eine ganzheitliche Pflege die prioritären Ziele der Neudefinition des
Pflegebegriffs sein müssen?

Falls ja, wie will sie diese Ziele erreichen?

Falls nein, warum nicht?

9. Welche Auswirkungen hätte nach Auffassung der Bundesregierung die Ein-

führung des neuen Pflegebegriffs auf die Aufteilung der Pflegearbeit zwi-
schen Angehörigen und professionellen Pflegekräften?

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10. Wird die interministerielle Arbeitsgruppe, welche sich laut Auskunft des
Bundesministeriums für Gesundheit mit einer Neuausrichtung bzw. Reform
der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) befasst, auch mit der Umsetzung
des neuen Pflegebegriffs gemäß den Ausführungen des Berichts des Beirats
zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs beauftragt sein?

11. Wenn ja, wann ist mit diesbezüglichen Ergebnissen der interministeriellen
Arbeitsgruppe zu rechnen?

12. Wie wird die interministerielle Arbeitsgruppe zusammengesetzt sein?

Wie wird die Transparenz der Beratungen gewährleistet, damit den Bürge-
rinnen und Bürgern der Diskussionsprozess nachvollziehbar wird?

Werden die Beratungsergebnisse der interministeriellen Arbeitsgruppe der
Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt?

13. Welcher (pflege-)wissenschaftlichen Expertise (personell, institutionell und
formell) bedient sich die interministerielle Arbeitsgruppe, die sich mit dem
angekündigten Reformvorhaben in der sozialen Pflegeversicherung und da-
mit ggf. auch mit der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs befasst?

14. Sieht die Bundesregierung ggf. eine schrittweise Umsetzung des neuen
Pflegebegriffs vor, und wenn ja, in welchen Teilschritten soll die Umsetzung
des neuen Pflegebegriffs erfolgen?

15. Müssen nach Meinung der Bundesregierung zusätzliche administrative
Voraussetzungen für eine Umsetzung des neuen Pflegebegriffs geschaffen
werden, und wenn ja, welche?

16. Wie wird die Bundesregierung die Umsetzung des neuen Pflegebegriffs
öffentlichkeitswirksam begleiten, damit der Personenkreis, welcher bisher
keine Aussicht auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung hatte und
deshalb diese auch nicht beantragte, künftig von seiner grundsätzlichen
Leistungsberechtigung Kenntnis erhält?

Leistungen der Pflegeversicherung

17. Inwieweit und mit welchen Konsequenzen wird die Bundesregierung die
Auswirkungen bzw. die Situation nach Inkrafttreten des Pflege-Weiterent-
wicklungsgesetzes, hier insbesondere die Leistungsverbesserungen für
Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach den §§ 45b und 87b
SGB XI, bei einer Umsetzung des neuen Pflegebegriffs und einem entspre-
chenden Begutachtungsassessment berücksichtigen?

18. Inwiefern wird die Bundesregierung bei einer Umsetzung des neuen Pflege-
begriffs bei den Leistungen der häuslichen Pflege die Differenzierung zwi-
schen dem niedrigen Leistungsniveau bei der ehrenamtlichen Pflege (Pfle-
gegeld nach § 37 SGB XI) und dem höheren Leistungsniveau bei der
professionellen Pflege (Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI) beibehalten
(bitte begründen)?

19. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass sich die Nachfrage nach
professioneller Pflege im Vergleich zur Pflege durch Angehörige in Zukunft
weiter verstärken wird (bitte begründen)?

20. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Fähigkeit und Bereit-
schaft der Angehörigen, die Pflegearbeit zu übernehmen, aus unterschied-
lichsten Gründen nicht vorausgesetzt werden kann, und welche Konsequen-
zen zieht sie daraus (bitte begründen)?

Drucksache 17/2219 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

21. Wird seitens der Bundesregierung bei der Umsetzung eines neuen Pflege-
begriffs mit einer Auswirkung auf die Verteilung von ambulanten und sta-
tionären Leistungen gegenüber dem Status quo gerechnet, und welche Aus-
wirkungen hätte eine mögliche Veränderung auf das Prinzip „ambulant vor
stationär“ der sozialen Pflegeversicherung?

22. Wird die Bundesregierung angesichts des derzeit zu konstatierenden Trends
zur professionellen Pflege die Sachleistungsbeträge der Pflegeversicherung
(§ 36 SGB XI) stärker anheben als das Pflegegeld (§ 37 SGB XI) (bitte
begründen)?

23. Wie hoch ist der Realwertverlust der Pflegeleistungen (gemessen am allge-
meinen harmonisierten Verbraucherpreisindex – HVPI – und gemessen an
der Kostenentwicklung im leistungsrelevanten Bereich) seit ihrer Festlegung
im Jahr 1993?

In welchem Umfang wurde dieser durch die Anhebungen der Leistungen
der Pflegeversicherung zum 1. Juli 2008 und zum 1. Januar 2010 ausge-
glichen (bitte differenziert nach ambulanten, teilstationären und stationären
Leistungsbeträgen und jeweiliger Pflegestufe angeben)?

24. Welche finanziellen Mittel wären insgesamt erforderlich, wenn der Real-
wertverlust der ambulanten, teilstationären und stationären Leistungsbe-
träge ausgeglichen werden würde (Grundlage: Leistungsniveau der Pflege-
leistungen mit Stand 1. Januar 2010)?

In welcher Höhe würden Mehrausgaben der sozialen Pflegeversicherung
anfallen, wenn neben dem vollständigen Ausgleich des Realwertverlusts die
Sachleistungsbeträge jeweils um weitere 25 Prozent angehoben werden
würden?

25. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass in stationären Einrichtungen die
Leistungen der Pflegeversicherung aktuell nicht ausreichen, um die durch-
schnittlichen Pflegekosten zu finanzieren?

Wie hoch ist der durchschnittliche (Median und arithmetisches Mittel)
Eigenanteil, um die Pflegekosten abzudecken (bitte getrennt nach Pflegestu-
fen angeben)?

Seit wann lassen sich Deckungslücken in den Pflegestufen feststellen?

26. Ist eine Bestandsschutzregelung angedacht, um Menschen, die Pflegever-
sicherungsleistungen nach dem geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff erhal-
ten, zukünftig nicht schlechter zu stellen?

Falls ja, wie soll diese ausgestaltet sein, und über welchen Zeitraum soll sich
die Bestandsschutzregelung erstrecken?

27. Strebt die Bundesregierung eine kostenneutrale Umsetzung des Pflege-
begriffs an, in deren Folge das derzeitige Leistungsniveau für neue Leis-
tungsempfängerinnen und -empfänger gekürzt werden müsste?

28. Wie wird die Bundesregierung den im Umsetzungsbericht des Beirats zur
Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vom 20. Mai 2009 festge-
stellten Herausforderungen hinsichtlich des Wohnens und der Pflege im
Alter begegnen, um älteren Menschen und Menschen mit Beeinträchtigun-
gen – auch in ländlichen Regionen – bedarfsgerechte, wohnortnahe und
qualitativ gute Pflegeleistungen zu sichern?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2219

Begutachtungsverfahren/Begutachtungsassessment

29. Wird die Bundesregierung das neue Begutachtungsverfahren, sowohl für
Erwachsene als auch in angepasster Form für Kinder, welches einem neuen
Pflegebegriff zugrunde liegt und vom Beirat zur Überprüfung des Pflege-
bedürftigkeitsbegriffs vorgeschlagen wurde und der Ermittlung von fünf
neuen Bedarfsgraden dient, unverändert übernehmen?

30. Inwieweit ist für eine Konvergenzphase das Nebeneinander von „altem“
und „neuem“ Begutachtungsverfahren notwendig bzw. möglich?

Nach welchen Kriterien wird eine mögliche Konvergenzphase ausgestal-
tet?

31. Wie wird sich der zeitliche Rahmen einer möglichen Konvergenzphase für
die Etablierung eines neuen Begutachtungsassessments darstellen, bzw. ist
ein korrelierendes zeitliches Auslaufen des alten Begutachtungsassessments
geplant?

32. Wird in einer denkbaren Konvergenzphase die Möglichkeit zur Wahlfreiheit
der Leistungen nach „altem“ bzw. „neuem“ Begutachtungsassessment be-
stehen, und wenn ja, welcher zeitliche Rahmen ist dafür vorgesehen?

33. Sind regional unterschiedliche Einführungs- oder Erprobungsphasen für die
Einführung eines neuen Begutachtungsassessments, welches einem neuen
Pflegebegriff zugrunde liegt, geplant?

34. Wird das dem neuen Pflegebegriff zugrunde liegende Begutachtungsassess-
ment auch für die Einschätzung weiterer Bedarfsaspekte wie Präventions-
und Rehabilitationsbedarfe sowie zur Erfassung der Hilfsmittelversorgung
und zur Erstellung eines Hilfe- oder Pflegeplans nutzbar sein und entspre-
chend gesetzlich verankert werden?

35. Wird das neue Begutachtungsassessment geeignet sein, um auch Eingliede-
rungshilfebedarfe nach dem SGB XII festzustellen, und kann es ggf. auch
als gemeinsames Begutachtungsverfahren für die Bemessung der Leistungen
der Pflege nach dem SGB XI und für Hilfe zur Pflege und der Eingliede-
rungshilfe nach dem SGB XII genutzt werden?

Wenn ja, plant die Bundesregierung, das neue Begutachtungsassessment als
einheitliches Instrument für das SGB XI und das SGB XII zu nutzen?

36. Welcher Aufwand an Begutachtungsdauer und welcher Schulungsbedarf
des entsprechenden Fachpersonals sind bei der Umsetzung eines neuen Be-
gutachtungsassessments zu erwarten?

37. Wird es Veränderungen an den Voraussetzungen für die Gutachtertätigkeit
geben (Zugehörigkeit zu einer Profession, Kompetenzen usw.)?

38. Wird es auch nach der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs bzw. der Imple-
mentierung eines neuen Assesmentverfahrens zur Begutachtung Hilfe-
bedarfe im Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit geben, welche keine
Berücksichtigung finden konnten?

Finanzierung

39. Wie wird im Zusammenhang mit der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs
eine grundsätzlich nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung ge-
währleistet werden, welche sowohl die geplante Dynamisierung der Leis-
tungen ab 2015 sicherstellt als auch die mit dem neuen Pflegebegriff ver-
bundene Leistungsausweitung solidarisch absichert?

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40. Wird sich die Bundesregierung bei der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs
an einem der vier Szenarien, welche der Umsetzungsbericht des Beirats zur
Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vom 20. Mai 2009 vorgibt,
orientieren, und wenn ja, an welchem?

41. Wenn nein, wie stellt sich das von der Bundesregierung angestrebte Kon-
zept zur Umsetzung des neuen Pflegebegriffs dar, und inwieweit nimmt die-
ses ggf. Bezug auf die bereits vorgegebenen Szenarien bzw. nimmt in Teilen
eines der Szenarien auf?

42. Welche Auswirkungen sind von einer Umsetzung des neuen Pflegebegriffs
auf die private Pflegeversicherung zu erwarten, und welche Konsequenzen
zieht die Bundesregierung hinsichtlich des Nebeneinanders von sozialer
und privater Pflegeversicherung?

43. Geht die Bundesregierung davon aus, dass bei der Umsetzung des neuen
Pflegebegriffs für die private Pflegeversicherung Übergangszeiten erforder-
lich sind, und wenn ja, wie müssten diese ausgestaltet sein (bitte begrün-
den)?

44. Für den Fall, dass keine kostenneutrale Umsetzung des neuen Pflegebegriffs
von der Bundesregierung geplant ist, mit welchem finanziellen Mehr-
aufwand ist bei der Umsetzung zu rechnen, und wie können diese zusätz-
lichen finanziellen Mittel ggf. aus der sozialen Pflegeversicherung generiert
werden?

45. Welche Alternativen erwägt die Bundesregierung, wenn ggf. keine kosten-
neutrale Umsetzung des neuen Pflegebegriffs angestrebt werden kann, aber
zur Finanzierung der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs, über die Mög-
lichkeiten der sozialen Pflegeversicherung hinaus, zusätzliche finanzielle
Mittel generiert werden müssen?

46. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die Einnahmeseite der sozia-
len Pflegeversicherung zu verbreitern, um eine umfassende Finanzierung
der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs ggf. gewährleisten zu können, und
wenn ja, wie kann diese den Prinzipien der Solidarität und der Parität genü-
gen?

47. Wird die Bundesregierung, um ggf. eine kostenneutrale Umsetzung des
neuen Pflegebegriffs zu gewährleisten, das „Teilkaskoprinzip“ als Charak-
ter der sozialen Pflegeversicherung beibehalten bzw. ausbauen und zuguns-
ten der angestrebten Verbreiterung der Leistungsempfängerbasis Leistungs-
einschränkungen in Kauf nehmen?

48. Wird perspektivisch die Entwicklung des „Teilkaskocharakters“ der sozia-
len Pflegeversicherung hin zur Absicherung des individuellen Bedarfs für
von Pflege Betroffene angestrebt, falls keine kostenneutrale Umsetzung des
Pflegebegriffs angestrebt werden sollte?

49. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass bei einem erweiterten,
teilhabeorientierten Pflegebedürftigkeitsbegriff die finanziellen Auswir-
kungen nicht zu einseitig auf die Sozialhilfeträger übertragen werden?

50. Wie wird die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Problem der
Leistungsbegrenzung der Pflegeversicherung auf der einen Seite und der
Bedarfsdeckung der Sozialhilfe auf der anderen Seite lösen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2219

51. Welche finanziellen Auswirkungen sieht die Bundesregierung bei der Um-
setzung des neuen Pflegebegriffs sowohl für die Sozialhilfeträger als auch
für die Pflegekassen durch die zu erwartende Veränderung der Zahl der
Leistungsberechtigten (Mengeneffekt) und die Konsequenz, dass die neuen
Bedarfsgrade entsprechend dem neuen Assessmentverfahren durchschnitt-
lich höher liegen werden als die leistungsrechtlich gleichgesetzten alten
Pflegestufen (Struktureffekt), und welche Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung ggf. daraus?

Schnittstellen

52. Wie bewertet die Bundesregierung den Anspruch des neuen Pflegebegriffs,
alle Leistungsträger zu umfassen und damit auf verschiedene Sozialleis-
tungsbereiche übergreifend zu sein?

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem Umstand?

53. Welche Auswirkungen wird die Umsetzung des neuen Pflegebegriffs auf
die Hilfe zur Pflege (SGB XII) haben?

Welcher Pflegebegriff soll künftig dem SGB XII zugrunde liegen?

54. Welche Auswirkungen wird die Umsetzung des neuen Pflegebegriffs auf
die häusliche Krankenpflege (SGB V), auf die Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen (SGB IX) haben, und welche Konsequenzen zieht
die Bundesregierung daraus?

55. Welche notwendigen Aspekte sind aus Sicht der Bundesregierung bei einer
Gesamtbetrachtung des Pflege- und des Eingliederungssystems zu beach-
ten?

Welche Auswirkungen wird die Umsetzung des neuen Pflegebegriffs auf
die Eingliederungshilfe (SGB XII) haben?

Welchen Anforderungen sollte die inhaltliche Weiterentwicklung von
Pflege und Eingliederungshilfe genügen?

In welcher Form wird die Bundesregierung die beiden genannten Systeme
voneinander abgrenzen oder aufeinander zu entwickeln?

56. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, einen Beirat zur Teilhabe einzu-
setzen, um die Definition der Schnittstellenprobleme und die Abgrenzung
zwischen Pflege und Eingliederungshilfe unter Beteiligung von Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftlern zu diskutieren und zu klären?

Wenn ja, wann wird dieser Beirat seine Arbeit aufnehmen?

Wenn nein, wie wird die Bundesregierung konkret das Verhältnis zwischen
Leistungen der Pflege nach dem SGB XI und Leistungen der Eingliede-
rungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII und die Abgren-
zung dieser Leistungen ausgestalten?

57. Wird künftig dem SGB XI und dem SGB XII ein einheitlicher Pflegebegriff
zugrunde liegen, wenn nein, warum nicht, und inwieweit wird der Pflegebe-
griff des SGB XII neu definiert werden?

58. Inwieweit wird das Subsidiaritätsprinzip insbesondere durch die Nachran-
gigkeit der Leistungen des SGB XII gegenüber den Leistungen des SGB XI
durch die Umsetzung des neuen Pflegebegriffs tangiert, und welche gesetz-
geberischen Maßnahmen leitet die Bundesregierung davon ab?

59. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, Pflegeleistungen nach
dem SGB XI perspektivisch als Teilhabeleistung sowie die Leistungsträger

der Pflege als Rehabilitationsträger ins SGB IX aufzunehmen?

Drucksache 17/2219 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

60. Wie wird die Bundesregierung darauf hinwirken, dass bei einer Erweiterung
des Pflegebedürftigkeitsbegriffs der Zugang zu Leistungen zur Teilhabe
nach dem SGB IX und zur Eingliederungshilfe nach dem SGB XII nicht
eingeschränkt wird?

61. Was hätte die Erweiterung des Kreises der Menschen mit Behinderungen,
die gemäß einem weiter gefassten Pflegebegriff Anspruch auf Pflegeleistun-
gen hätten, für Folgen auf Leistungen der Eingliederungshilfe?

62. Auf welche Weise können im Rahmen der Umsetzung des neuen Pflege-
begriffs die Leistungen des SGB IX, des SGB XI und des SGB XII besser
verzahnt werden, bzw. wird eine solche Verbesserung des Zusammenspiels
der benannten Sozialgesetzbücher von der Bundesregierung erwogen, um
Angebote der Betreuung und Assistenz zu stärken?

63. Zu welchen Ergebnissen sind die von der 85. Arbeits- und Sozialminister-
konferenz (ASMK) eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppen „Umset-
zung des (neuen) Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ und „Weiterentwicklung der
Eingliederungshilfe“ bezüglich der mit der Umsetzung des neuen Pflegebe-
griffs in Zusammenhang stehenden Fragen zu Auswirkungen auf die Hilfe
zur Pflege und zur Eingliederungshilfe (SGB XII) gekommen?

64. Wird ggf. ein umfassender (neuer) Begriff von Pflegebedürftigkeit in das
SGB I aufgenommen, um für andere Sozialleistungsbereiche, in denen die
Definition von Pflegebedürftigkeit leistungsauslösendes Kriterium ist, eine
Orientierungsbasis zu schaffen?

65. Strebt die Bundesregierung mit der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs ein
Gesamtkonzept der Betreuung und Versorgung pflegebedürftiger, behinder-
ter und alter Menschen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der vielen
Berührungspunkte von Leistungen des SGB IX, des SGB XI und des
SGB XII, an?

Begleitevaluation

66. Wird die Bundesregierung eine regelmäßige, kennzahlenorientierte und sys-
tematische Erhebung z. B. in Form eines regelmäßigen, nationalen Pflege-
berichts zur Umsetzung des neuen Pflegebegriffs initiieren, welcher auch
zur Abbildung der Situation der Gesundheits- und Pflegeberufe und der Be-
darfseinschätzung in diesem Bereich dient?

67. Inwieweit tangieren ggf. die Pläne zu einem regelmäßigen nationalen Pfle-
gebericht den Pflegebericht der Bundesregierung nach § 10 SGB XI, und
inwieweit können hier Doppelstrukturen vermieden werden?

Beschäftigte der Pflegebranchen

68. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung die Beschäftigten der
Pflegebranchen in einen durch den neuen Pflegebegriff bedingten Verände-
rungsprozess aktiv und teilhabeorientiert einbinden?

69. Welche Auswirkungen wird die Umsetzung des neuen Pflegebegriffs auf
die physischen und psychischen Belastungen der Beschäftigten in der Pfle-
gebranche haben, und wie werden diese bei der Arbeitsklassifizierung und
Bewertung der Tätigkeiten hinsichtlich der Vergütung berücksichtigt?

70. Welche Auswirkungen wird die Umsetzung des neuen Pflegebegriffs auf
den Personalbedarf in den Pflege- und Assistenzberufen haben?

71. Wie hoch werden die gegebenenfalls zu erwartenden Mehraufwendungen
sein, und wie sollen sie finanziell sichergestellt werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/2219

72. Welchen zusätzlichen Bedarf an Pflegekräften erwartet die Bundesregie-
rung durch die Umsetzung der geplanten Verkürzung des Zivildienstes auf
sechs Monate (wenn 0, 25, 50, 75 Prozent der Zivildienstleistenden ihren
Dienst/Einsatz freiwillig über die sechs Monate hinaus verlängern)?

73. Welcher Stundenlohn ergibt sich rechnerisch, wenn die Zivildienstleisten-
den freiwillig über ihre Dienstzeit hinaus zu den gleichen finanziellen Be-
dingungen weiterarbeiten würden?

Wie viel Prozent liegt dieser Lohn unter dem marktüblichen Lohn für exa-
minierte Pflegekräfte bzw. für Pflegekräfte ohne entsprechende Berufs-
ausbildung?

74. Wie würden sich die Personal- und Nebenkosten im ambulanten und im sta-
tionären Pflegebereich bei der Einführung eines allgemeinen gesetzlichen
Mindestlohnes von 10 Euro entwickeln?

75. Wird das mit der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs einhergehende neue
Begutachtungsverfahren als Grundlage für ein Verfahren zur Ermittlung des
Personalbedarfs in vollstationären Pflegeeinrichtungen genutzt werden kön-
nen?

Falls ja, in welcher Weise?

76. Strebt die Bundesregierung an, ein gesetzlich verbindliches, bundeseinheit-
liches Personalbemessungsinstrument einzuführen, und wenn nein, warum
nicht?

77. Verfolgt die Bundesregierung Pläne zu einem „Nationalen Aktionsplan
Pflege“, welcher mittels Schaffung von Rahmenbedingungen und Struktu-
ren sowie Entwicklung und Umsetzung von unterstützenden Maßnahmen
auf allen die Pflege betreffenden Ebenen außer einem Strukturwandel auch
einen Kulturwandel der Pflegebranche unterstützt (vgl. Berufsgenossen-
schaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Nationaler Aktionsplan
Pflege, Entwicklung und Umsetzung – Positionspapier, Stand, 04/2010)?

78. Plant die Bundesregierung die Errichtung eines Beirats als Moderations-
und Partizipationsebene zur Vorbereitung, Evaluation und Begleitung der
Umsetzung des neuen Pflegebegriffs, ggf. unter Nutzung vorhandener
Strukturen?

79. Geht mit der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs auch eine qualitative
Weiterentwicklung des Versorgungsangebots von Pflege und Assistenz ein-
her, welche stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen und
ihrer Angehörigen ausgerichtet sein wird?

Falls ja, welche Konzepte wird die Bundesregierung prüfen?

Berlin, den 16. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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