BT-Drucksache 17/2186

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung -17/1905, 17/2171- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 16. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2186
17. Wahlperiode 16. 06. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel,
Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs,
Agnes Malczak, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Hans-Christian
Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/1905, 17/2171 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL)
auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006
und folgender Resolutionen, zuletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der gewaltsame Zwischenfall vor Gaza am 31. Mai 2010 hat nicht zu einer
Verschlechterung der Lage im Libanon geführt. Dazu beigetragen hat die
Präsenz von UNIFIL. Der UNIFIL-Einsatz ist ein notwendiger und erfolg-
reicher Beitrag zum Friedensprozess im Libanon und in der Region und wird
von allen Konfliktparteien, insbesondere Israel, ausdrücklich begrüßt.

Der Einsatz kann aber die weiterbestehenden Risiken einer innerlibane-
sischen sowie regionalen Destabilisierung nicht beseitigen. Zwar hat sich seit
der Verlängerung der Mandatierung des erweiterten UNIFIL-Einsatzes 2007
die innen- und außenpolitische Situation des Libanons weiter verbessert, das
Risiko eines erneuten bewaffneten Konflikts mit Israel sowie ungelöste regi-
onale Konflikte bestehen jedoch weiter.

2. Die seit November 2009 amtierende Einheitsregierung im Libanon führt zu
einem faktischen Vetorecht der an ihr beteiligten Hisbollah. Initiativen zu ei-
ner Entwaffnung der nach wie vor bestehenden Milizen außerhalb der liba-
nesischen Armee sind von der Regierung nicht zu erwarten. Die Hisbollah

darf – laut Regierungsbeschluss – ihre Waffen sogar behalten. Ihrem militä-
rischen Arm ist es zudem gelungen, ihr Waffenarsenal auszubauen.

Gerade in den letzten Wochen haben die Spannungen zwischen Israel und
der Hisbollah wieder zugenommen. Israel beschuldigt die Hisbollah mit
Hilfe Syriens und des Iran ihr Waffenarsenal mit neuesten Raketen weiter
erheblich aufzurüsten. Berichten zufolge verfüge sie mittlerweile über
40 000 Raketen, darunter SCUD-Raketen, die israelische Städte erreichen

Drucksache 17/2186 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

könnten. Dies bedeutet eine militärische Provokation gegenüber Israel. Da-
mit besteht nach wie vor eine erhebliche Eskalationsgefahr. Aufbauend auf
einer innenpolitischen Stabilisierung, die vor allem in den im Mai 2010
erfolgreich abgehaltenen Kommunalwahlen Ausdruck findet, muss der
Dialog- und Versöhnungsprozess im Libanon von der EU und Deutschland
weiter aktiv unterstützt werden. Zur Unterstützung und Absicherung dieses
Prozesses bleiben UNIFIL und der deutsche Beitrag hierzu weiter erforder-
lich.

3. Der Antrag der Bundesregierung hebt hervor, dass die UNIFIL MTF (Mari-
tim Task Force) „die ihr zugewiesenen Aufgaben erfolgreich erfüllt“ und die
Umsetzung der Resolution 1701 (2006) ein „wichtiges Element zur Vermei-
dung erneuter bewaffneter Auseinandersetzungen“ ist. Unerwähnt bleibt
aber, dass bei den Kernforderungen der Resolution 1701 (2006) kaum Fort-
schritte zu verzeichnen sind. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen
(VN) äußerte sich in seinem Umsetzungsbericht vom 26. Februar 2010 be-
sorgt über Verletzungen der Resolution. Die größte Herausforderung bleibt
das Problem der ungesicherten libanesisch-syrischen Grenze und die Vor-
würfe über anhaltenden Waffenschmuggel. Zudem kritisiert der Bericht die
andauernden Verletzungen der libanesischen Souveränität durch Israel. Die
Resolution beinhaltet die Aufforderung an die libanesische Regierung, ihre
Grenzen zu sichern. Die internationale Gemeinschaft will die libanesische
Regierung in die Lage versetzen, dies zu gewährleisten. Solange die Land-
grenze nicht effektiv überwacht werden kann, bleibt der Erfolg von UNIFIL
als stabilisierender Kraft unvollständig.

4. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Bemühungen der libanesischen Regie-
rung, die Sicherung der Landgrenzen zu verbessern. Mit deutscher Unter-
stützung wird seit 2008 ein Projekt zum integrierten Grenzmanagement an
der nördlichen Landgrenze des Libanon zu Syrien implementiert. Die sub-
stantielle Verbesserung im libanesisch-syrischen Verhältnis ist besonders im
Hinblick auf die Grenzsicherung bedeutend und muss von Deutschland und
der EU weiter unterstützt werden. Die libanesische Regierung bekräftigt die
Absicht zur Grenzdemarkierung mit Syrien. Verzögerungen bei diesem Pro-
zess würden den Erfolg der UNIFIL-Mission bedrohen. Daher bedarf es der
Unterstützung Deutschlands und der EU auch bei den Festlegungen hin-
sichtlich der zeitlichen Umsetzung und der entsprechenden Finanzierung
seitens der Bundesregierung sowie der internationalen Gebergemeinschaft.
Die Chancen einer Einbindung Syriens auf der Grundlage konkreter Schritte
der syrischen Regierung müssen genutzt werden. Das gilt auch für die Auf-
nahme von Verhandlungen zwischen Syrien und Israel. Der weitere Erfolg
der UNIFIL-Mission wird zentral von den politischen Entwicklungen im Li-
banon selbst und in seiner Nachbarschaft abhängen.

5. Der VN-Sicherheitsrat hat am 27. August 2009 mit Resolution 1884 (2009)
die UNIFIL-Mission mit einem Mandat bis zum 31. August 2010 verlängert.
Der Deutsche Bundestag befürwortet die Verlängerung der Mission durch
den VN-Sicherheitsrat um ein weiteres Jahr. Deutschland muss die Möglich-
keit aufrechterhalten, bei Bedarf wieder die Führung übernehmen zu können
und auch die Bereitschaft dazu signalisieren.

Libanon wünscht die Fortsetzung der deutschen Beteiligung am UNIFIL-
Flottenverband. Bei seinem letzten Besuch im März 2010 in Berlin warb der
libanesische Ministerpräsident Saad Hariri eindringlich dafür, das UNIFIL-
Mandat zu verlängern. Libanon fürchtet den Ausstieg Deutschlands, weil
sich dann ein Domino-Effekt einstellen könnte, der den Flottenverband und
dann die europäische Beteiligung an den Bodentruppen betreffen würde. Die

ausdrücklich Ankündigung vom Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido
Westerwelle, die Mission beenden zu wollen, setzt hier das falsche Signal.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2186

Die Fraktion der FDP hat in der Vergangenheit die Beteiligung der Bundes-
wehr an UNIFIL abgelehnt. Schon die verkürzte Mandatsverlängerung im
Dezember 2009 hat den Eindruck nahegelegt, aus sachfremden Motiven aus
der UNIFIL-Mission aussteigen zu wollen. Die Bundesregierung muss sich
dafür einsetzen, dass die Führungsfunktion über die Dauer des Mandats ge-
sichert ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die VN-Mission weiter zu unterstützen, damit diese ihre Aufgaben weiterhin
erfüllen kann. Dies muss auch im Mandatstext unterstrichen werden;

● sich für eine konsequente Umsetzung der Ziele des VN-Mandats aus der Re-
solution 1701 (2006) einzusetzen, insbesondere die libanesische Regierung
und die Armee bei der Ausübung ihrer Autorität im gesamten Hoheitsgebiet
zu unterstützen und die israelische Regierung zur Achtung der libanesischen
Souveränität zu drängen;

● den politischen Prozess zur Stabilisierung und den Dialog- und Versöh-
nungsprozess im Libanon zu unterstützen und so zu den Voraussetzungen
für einen dauerhaften Frieden beizutragen;

● zur Verhinderung des Waffenschmuggels über die Landgrenzen gemeinsam
mit der EU einen relevanten Beitrag für die Fortsetzung und Ausweitung der
Grenzkontrollen verbindlich zuzusagen, dafür eine umfassende Strategie zu
entwerfen und einen breit angelegten Finanzierungsrahmen sowie eine funk-
tionierende Geberkoordinierung sicherzustellen;

● regelmäßig den Fraktionen des Deutschen Bundestages über den Fortgang
des Grenzprojektes als wichtige Voraussetzung zur Schaffung einer effekti-
ven Grenzsicherheit im Libanon zu berichten;

● die weitere Verbesserung im syrisch-libanesischen Verhältnis aktiv zu unter-
stützen und im Rahmen der Vereinten Nationen eine Demarkation der
Grenze und eine Lösung der Shebaa-Frage zu befördern;

● die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und Syrien über die Rückgabe
des Golans und bilaterale Sicherheitsfragen zu unterstützen.

Berlin, den 15. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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