BT-Drucksache 17/2053

Position der Bundesregierung zur Wirksamkeit des Hilfspakets für Griechenland

Vom 10. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2053
17. Wahlperiode 10. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Herbert Schui, Michael Schlecht, Alexander Ulrich,
Dr. Diether Dehm, Andrej Hunko, Thomas Nord, Dr. Axel Troost,
Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Position der Bundesregierung zur Wirksamkeit des Hilfspakets für Griechenland

Die Bundesregierung hat am 2. Mai 2010 als Teil der Eurogruppe ihre Bereit-
schaft erklärt, in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF)
dem griechischen Staat umfangreiche Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen. Im
Rahmen dieses Hilfspakets hat sich Griechenland mit dem IWF auf ein dreijähri-
ges Anpassungsprogramm verpflichtet. Die Bedingungen dieses Programms
verlangen eine interne Abwertung zur Sanierung der griechischen Wirtschaft.
Das bedeutet, dass die griechische Binnennachfrage über sinkende Löhne und
Renten, d. h. drastischen Einschnitten im öffentlichen Sektor und insbesondere
im Sozialbereich, und die Lohnstückkosten über sinkende Preise so weit ange-
passt werden sollen, dass Griechenland durch mehr Exporte und Investitionen
seine Wirtschaft stärken soll.

Bisherige Erfahrungen lassen allerdings vermuten, dass die Prognosen des IWF
zu optimistisch sind. In Lettland sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr
2009 statt der vom IWF prognostizierten 4 Prozent um 18 Prozent, nachdem es
ein Hilfspaket der EU (Europäische Union) und des IWF in Anspruch genommen
hatte. In Argentinien wurde erst im Jahr 2002 wieder Wachstum erzielt, nachdem
der Prozess der internen Abwertung keinen Erfolg hatte und die argentinische
Regierung schließlich eine Währungsabwertung vorgenommen und die Zah-
lungsunfähigkeit gegenüber den Gläubigern des Landes erklärt hatte. Angesichts
dieser Erfahrungen erscheint es fraglich, ob es in Griechenland ab dem Jahr 2012
tatsächlich wieder zu Wachstum kommt. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass die
griechische Wirtschaft durch die Auflagen des Hilfspakets geschwächt wird.

Mit dem Hilfspaket für Griechenland wird zwar kurzfristig die griechische Wirt-
schaft und der Euro-Raum stabilisiert, mittel- und langfristig jedoch bleiben die
Handelsbilanzungleichgewichte innerhalb der Eurozone als Ursache der Krise
bestehen. In einer Stellungnahme vom 15. März 2010 weist auch die Eurogruppe
auf dieses Problem hin. Darin werden auch diejenigen Länder zum Handeln auf-
gerufen, die hohe Handelsbilanzüberschüsse akkumuliert haben. Diese Länder
– darunter vor allem Deutschland – werden dazu aufgefordert, Strukturreformen
durchzuführen, um die Binnennachfrage zu stärken. Bislang sind allerdings im

Rahmen der Eurokrise keine Maßnahmen seitens der Bundesregierung zu beob-
achten, die zu einer Stärkung der Binnennachfrage führen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welchen wirtschaftstheoretischen Grundlagen beruht die Annahme, dass
das griechische BIP ab 2012 wieder wachsen wird?

Drucksache 17/2053 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Kann die Bundesregierung vor dem Hintergrund der negativen praktischen
Erfahrungen mit ähnlichen Hilfspaketen in der Vergangenheit (wie z. B. in
Lettland, s. o.) ausschließen, dass in Griechenland ähnliche schädliche
sozio-ökonomische Folgewirkungen eintreten, und worauf begründet sie
diese Einschätzung?

3. Worauf begründet die Bundesregierung ihre Zustimmung zum Hilfspaket,
auch wenn sie negative sozio-ökonomische Konsequenzen nicht ausschlie-
ßen kann?

4. Wurden außer dem Prozess der „internen Abwertung“ weitere Maßnahmen
in Erwägung gezogen, um in Griechenland wieder zu Wachstum zu kom-
men?

Wenn ja, was wurde erwogen?

Wenn nein, warum wurden keine Alternativen diskutiert?

5. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Eurogruppe, dass die Han-
delsbilanzüberschussländer Strukturreformen durchführen müssen, um die
Binnennachfrage zu stärken?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

6. Plant die Bundesregierung entsprechend der Aufforderung der Eurogruppe
Maßnahmen zur Stützung der Binnennachfrage in Deutschland?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

7. Welche Gefahr sieht die Bundesregierung für die Eurozone, sollten die Han-
delsbilanzungleichgewichte innerhalb der Eurogruppe weiter bestehen oder
anwachsen?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Prognosen des IWF, dass die griechi-
sche Wirtschaft trotz einer strukturell schwachen Wirtschaft und einer Ex-
portquote von weniger als 20 Prozent durch eine Schwächung der Binnen-
nachfrage zu mehr Wachstum gelangen soll?

9. Wie rechtfertigt die Bundesregierung den prognostizierten Anstieg der
Arbeitslosigkeit in Griechenland auf fast 15 Prozent im Jahr 2012 und auf
13,4 Prozent im Jahr 2015 und die damit verbundenen hohen sozialen
Kosten für das Hilfspaket?

10. Ist es richtig, dass nach den Wachstumsprognosen des IWF für Griechenland
bis 2015 und den gegebenen Refinanzierungskosten auf der Grundlage der
gewährten Kredithilfen durch die Mitglieder der Eurozone der Anteil der
Zinskosten an den gesamten Steuereinnahmen in Griechenland bis 2015
deutlich ansteigen wird, und wie bewertet die Bundesregierung diesen Um-
stand in Bezug auf die Nachhaltigkeit des griechischen öffentlichen Haus-
halts?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung von Finanz- und Wirt-
schaftsexperten, darunter auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen
Bank AG, Josef Ackermann, dass Griechenland mit dem vereinbarten Ret-
tungsplan nicht in der Lage sein wird, seine Schulden abzubauen?

Berlin, den 9. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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