BT-Drucksache 17/1998

Fernverkehrsanbindung sächsischer Städte

Vom 8. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1998
17. Wahlperiode 08. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Herbert Behrens,
Dr. Barbara Höll, Katja Kipping, Thomas Lutze, Dr. Ilja Seifert, Dr. Axel Troost,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Fernverkehrsanbindung sächsischer Städte

Das Fernverkehrsangebot der Deutschen Bahn AG (DB AG) in Sachsen soll
weiter ausgedünnt werden. Hintergrund sei nach Auskunft der Bahn ein Tausch
der Radsätze, währenddessen das Fahrangebot verringert werde. Doch schon
jetzt sind überfüllte Züge für Fahrgäste, die sich etwa zwischen der sächsischen
Landeshauptstadt Dresden und der Bundeshauptstadt Berlin bewegen, Realität.
Bereits seit Jahren hängt die Bahn Sachsen zunehmend vom Fernbahnnetz ab.

Die Zugverbindung zwischen Dresden und Berlin dauert heute fahrplanmäßig
mindestens 2 Stunden und 16 Minuten. 2012/2013 soll die Reisezeit 103 Minu-
ten betragen. 1936 benötigte ein Schnellzug auf der Strecke nur 100 Minuten.
Zusätzlich sind die Fahrgäste auf der Strecke häufigen Verspätungen ausgesetzt.

Auch wenn die Bundesregierung ihre Zuständigkeit für das operative Geschäft
der Bahn abgegeben hat, trägt sie weiterhin Verantwortung für den Bahnverkehr.
Dies ergibt sich aus Artikel 87e Absatz 4 des Grundgesetzes. Darin heißt es:

„Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den
Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisen-
bahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienen-
netz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung
getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.“

Auf der Basis dieses Grundgesetz-Artikels sehen nicht nur viele Verkehrsexper-
ten, sondern auch der Bundesrat die Bundesregierung in der Pflicht, nicht nur
eine ausreichende Versorgung mit Bahninfrastruktur sicherzustellen, sondern
auch ein ausreichendes Verkehrsangebot im öffentlichen Schienenpersonenver-
kehr. So hatte der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Gewährleistung des Schie-
nenpersonenfernverkehrs (Bundestagsdrucksache 16/9903) verabschiedet, der
aber vom Bundestag in der 16. Wahlperiode nicht abschließend behandelt wurde
und somit der Diskontinuität anheim gefallen ist.

Vor diesem Hintergrund verwundert die Aussage des Bundesministers für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, vom 19. April 2010 in der
„Leipziger Volkszeitung“ auf die Frage, warum die Politik es dulde, dass die

Bahn den Freistaat Sachsen abhänge, „[d]ie Politik kann da allerdings nichts
machen“. Dies umso mehr, da wegen des öffentlichen Protests, auch seitens der
sächsischen Landesregierung, die ursprünglichen Pläne der Bahn für das Fern-
verkehrsangebot in Sachsen mittlerweile etwas nachgebessert wurden.

Drucksache 17/1998 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auch die Investitionsstrategie der Bundesregierung im Schienenverkehr wirft
Fragen auf. Einerseits wird das Bahnhofsumbauprojekt Stuttgart 21 für nach
derzeitigem Stand mehr als 4 Mrd. Euro gebaut – nach Auffassung des Bundes-
rechnungshofes maßgeblich aus Mitteln des Bundes. Kritiker gehen von deut-
lich mehr aus. Andererseits sieht die Bahn Schienenprojekte, die auf internatio-
nale Vereinbarungen zurückgehen wie z. B. Dresden–Prag, wegen der fehlenden
konkreten Finanzierung als unsicher an.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Fernverkehrsanbindung sächsischer Städte allgemein

1. Welche eigenen verkehrspolitischen Ziele und Prioritäten hat die Bundes-
regierung in Bezug auf die Fernverkehrsanbindung sächsischer Städte?

2. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung ihrerseits, um der
fortlaufenden Ausdünnung der Fernverkehrsanbindung sächsischer Städte
und sich verschlechternden Taktzeiten entgegenzuwirken – auch über die mit
der Neigetechnik begründeten zeitlich befristeten Einschränkungen hinaus?

3. Wie bewertet die Bundesregierung, dass die Bahn ihre Planungen für das
Fernverkehrsangebot in Sachsen ab dem Winterfahrplan 2010/2011 auf
öffentlichen Protest und die Intervention der sächsischen Landesregierung
nachgebessert hat?

4. Hat die Bundesregierung die Bemühungen der sächsischen Landesregie-
rung unterstützt, die Einschränkungen im sächsischen Fernverkehr zu redu-
zieren?

5. Wieso sagte Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer, „[d]ie Politik kann
da allerdings nichts machen“ (Leipziger Volkszeitung, 19. April 2010)?

6. Mit welchen veränderten Taktzeiten, zusätzlichen Umstiegen und sonstigen
Behinderungen müssen Fahrgäste ab dem Winterfahrplan in Sachsen rech-
nen (bitte jeweils im Vergleich zu und für alle derzeit bestehenden Fernver-
kehrsverbindungen angeben)?

7. Welches Fernverkehrsangebot ist auf der Sachsen- Franken- Magistrale
Dresden–Chemnitz–Zwickau–Bayreuth–Nürnberg langfristig geplant?

8. Wie viel Prozent der für den Ausbau von Schienenwegen vorgesehenen
Mittel des Bundes sind in den letzten 20 Jahren in Sachsen investiert wor-
den (bitte für jedes Jahr einzeln angeben)?

9. Ist Sachsen von den nach Angaben der Deutsche Bahn AG (DB AG) noch
nicht sicher finanzierten Strecken (der „Streichliste“) überproportional be-
troffen?

10. Welche Projekte des Bedarfsplans Schiene, die Sachsen betreffen, werden
in der derzeit stattfindenden Überprüfung des Bedarfsplans einer Neube-
wertung unterzogen?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass insbesondere die säch-
sischen Fernverkehrsanbindungen einen deutlichen Ausbau- und Investi-
tionsbedarf haben?

Wenn ja, was hat die Bundesregierung bisher getan, um die DB AG dazu
zu bewegen?

12. Welche Priorität räumt die Bundesregierung der Anbindung von ländlichen
Gebieten an das Fernverkehrsnetz insbesondere in Bezug auf die Möglich-
keit des umweltfreundlichen Berufspendelverkehrs ein?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1998

13. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, einen barrierefreien
Übergang von Fern- und Nahverkehr sicherzustellen?

II. Strecke Dresden–Berlin

14. Wann wird der geplante Ausbau der Strecke Dresden–Berlin komplett für
Tempo 160 km/h realisiert sein?

Welcher Investitionsbedarf besteht noch?

Ist die Finanzierung für die letzten ausstehenden Bauabschnitte gesichert?

Welche noch nicht fertig gestellten Planfeststellungsabschnitte werden
wann realisiert sein?

15. Bis wann wird der geplante Ausbau der Strecke Dresden–Berlin für eine
Geschwindigkeit von 200 km/h umgesetzt sein?

Wie hoch sind die Kosten für die noch ausstehenden Arbeiten zur Ertüch-
tigung der Strecke auf 200 km/h?

In welchem Planungsstadium befinden sich die einzelnen Planfeststellungs-
abschnitte?

Ist die Finanzierung gesichert?

16. Warum halten derzeit täglich nur ein bzw. zwei Fernverkehrszüge zwischen
Berlin und Dresden am Bahnhof Dresden-Neustadt und alle anderen nicht?

17. Ist es zutreffend, dass die Einschränkungen im Bahnhof Dresden-Neustadt
nur den Fernverkehr betreffen, während im Regionalverkehr keinerlei Be-
einträchtigungen der Anbindung des Bahnhofs Neustadt festzustellen sind?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, welche Einschränkungen gibt es im Regionalverkehr?

18. Wie lange sollen die Beeinträchtigungen im Bahnhof Dresden-Neustadt
noch andauern?

19. Wie viele Fernverkehrszüge, die zwischen Berlin und Dresden verkehren,
werden nach Inbetriebnahme des neuen Flughafens Berlin Brandenburg
International am neuen Flughafenbahnhof halten?

20. Wie viele Fernverkehrszüge, die zwischen Berlin und Dresden verkehren,
sollen nach der Ertüchtigung der Dresdener Bahn, also des Abschnitts
zwischen Berlin-Südkreuz und Blankenfelde, am neuen Flughafenbahnhof
halten?

21. Wie viel Prozent der Fernverkehrszüge auf der Strecke Berlin–Dresden hat-
ten 2009 eine Verspätung von mehr als 5 Minuten?

Wie groß war die Verspätung dieser Züge im Durchschnitt?

Wie viele Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn hatten im Durchschnitt
2009 eine Verspätung von mehr als 5 Minuten?

Lässt sich daraus schlussfolgern, dass die Anzahl der Verspätungen auf
dieser Strecke besonders hoch ist?

22. Wie haben sich die Verspätungen auf der Strecke Dresden–Berlin/Berlin–
Dresden in den letzten 20 Jahren entwickelt?

Drucksache 17/1998 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

23. Wie erklärt die Bundesregierung, dass die derzeitige planmäßige Fahrzeit
zwischen Berlin und Dresden mindestens 2 Stunden und 16 Minuten be-
trägt, während sie vor Baubeginn ausweislich des Verkehrsinvestitions-
berichts 2009 (Bundestagsdrucksache 17/444) bei lediglich 117 Minuten
lag?

Kann die Bundesregierung versichern, dass die Fahrzeitverlängerung aus-
schließlich baubedingt ist?

24. Wie hat sich die Fahrzeit zwischen Berlin und Dresden ausweislich der
Fahrpläne der Deutschen Bahn AG in den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte
für jeden Fahrplan gesondert angeben)?

25. Wie haben sich die Zahl und Länge der Langsamfahrstellen an der Strecke
Berlin–Dresden in den letzten 10 Jahren entwickelt (bitte für jedes Jahr ge-
sondert angeben)?

26. Wie hoch sind die voraussichtlichen Kosten für den Ausbau der Strecke
Dresden–Prag (deutscher Streckenabschnitt)?

27. In welchem Planungsstadium befindet sich die Strecke Dresden–Prag?

Wann rechnet die Bundesregierung mit der Fertigstellung dieser Strecke?

Treffen die Angaben der DB AG, die den Mitgliedern des Ausschusses für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages zur Ver-
fügung gestellt wurden, zu, dass die Finanzierung auch dieser Strecke nicht
gesichert ist?

28. Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung unternommen und wird sie
unternehmen, um die Deutsche Bahn AG dazu zu bewegen, die Fern-
verkehrsverbindung zwischen Dresden und Berlin zu verbessern und Ver-
spätungen zu reduzieren?

III. Strecke Leipzig–Berlin

29. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass durch die Absicht der
Bahn, ICE-Züge auf der Strecke München–Nürnberg–Leipzig–Berlin ab
dem Fahrplan 2011/2012 nicht mehr im Stundentakt fahren zu lassen, die
Anbindung Leipzigs deutlich verschlechtert wird (Begründung)?

30. Welchen verkehrspolitischen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung
ihrerseits daraus ab?

31. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Einschränkung des Ver-
kehrsangebotes auf dieser Verbindung dauerhaft bestehen bleibt?

32. Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung unternommen und wird sie
unternehmen, damit die Einschränkung des Verkehrsangebots auf dieser
Verbindung nicht dauerhaft bestehen bleibt?

IV. Strecke Leipzig–Dresden

33. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der Ersatz des ICE-Stun-
den-Takts durch den wechselnden Einsatz von ICE und IC und den überwie-
genden Wechseltakt von 40 bzw. 80 Minuten die Attraktivität der Strecke
stark einschränken wird (Begründung)?

34. Welchen verkehrspolitischen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung
ihrerseits daraus ab?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1998

V. Strecke Dresden–Görlitz–WrocΩaw

35. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aufnahme einer Fern-
verkehrsverbindung von Dresden über Görlitz nach WrocΩaw nur ein erster
Schritt hin zu einer besseren Anbindung der Oberlausitz an das Fernver-
kehrsnetz sein kann?

36. Existieren Pläne, die Fernverkehrsverbindung über Dresden bzw. WrocΩaw
hinaus weiterzuführen?

VI. Strecke Berlin–Görlitz–WrocΩaw

37. Welche Pläne verfolgt die Bundesregierung für den Ausbau einer ständigen
und durchgehenden Fernverkehrsverbindung auf der Strecke Berlin–
Görlitz–WrocΩaw?

38. Existieren Pläne, die Fernverkehrsanbindung über WrocΩaw hinaus weiter-
zuführen?

VII. Fernverkehrsanbindung von Riesa

39. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass der aktuelle Erhalt des Ein-
Stunden-Takts in Riesa nicht nur ein Moratorium ist, sondern auch zukünf-
tig unangetastet bleibt?

40. Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung unternommen und wird sie
unternehmen, um auch den zukünftigen Erhalt des Ein-Stunden-Takts in
Riesa zu garantieren?

VIII. Fernverkehrsanbindung von Chemnitz

41. Ist geplant, mit der Fertigstellung des Citytunnels Leipzig eine Fernver-
kehrsstrecke über Leipzig nach Chemnitz einzurichten?

Wenn ja, bis wann?

Wenn nicht, welche Probleme stehen einem solchen Vorhaben entgegen?

42. Inwieweit werden bei dem derzeit durchgeführten Um- und Ausbau des
Chemnitzer Hauptbahnhofs die Erfordernisse des Fernverkehrs berücksich-
tigt?

43. Wie hoch ist das jährliche Fahrgastaufkommen von Chemnitz in Bezug auf
Fernverkehrsziele unter Berücksichtigung der dafür notwendigen Umstei-
gebahnhöfe, wie etwa Leipzig und Dresden?

44. Wie viele Fahrgäste im Fernverkehr haben jährlich entweder den Ausgangs-
bahnhof Chemnitz oder den Zielbahnhof Chemnitz?

Berlin, den 8. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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