BT-Drucksache 17/1853

Vorfälle im Rahmen der ILGA-Asia-Konferenz in Surabaya vom 26. bis 29.März 2010

Vom 25. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1853
17. Wahlperiode 25. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Viola
von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian
Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vorfälle im Rahmen der ILGA-Asia Konferenz in Surabaya vom 26. bis 29. März 2010

Die vierte ILGA-Asia Konferenz (ILGA: Internationaler Lesben- und Schwu-
lenverband) sollte vom 26. bis 29. März 2010 in Surabaya, Indonesien, stattfin-
den. 1978 gegründet, ist ILGA die einzige weltweite Vereinigung für die Rechte
lesbischer, schwuler, bisexueller, transsexueller und intersexueller Menschen
(LGBTI) und arbeitet für die Gleichberechtigung der LGBTI und ihre Befreiung
von allen Formen von Diskriminierung. ILGA-Asia ist die asiatische Unterorga-
nisation von ILGA und hat in der Vergangenheit erfolgreich Konferenzen in
Indien, den Philippinen und Thailand organisiert. ILGA-Asia hat ihrerseits über
160 Mitgliedsorganisationen in über 17 Staaten Asiens.

Auf Einladung von Gaya Nusantara, der ältesten LGBTI Organisation in Indo-
nesien, beabsichtigte ILGA-Asia, die vierte ILGA-Asia Konferenz in Surabaya,
Indonesien auszurichten und erhielt hierzu die notwendigen Zusagen der ört-
lichen Behörden. Im Anschluss an Medienberichte widerriefen die Behörden am
25. März 2010 ihre Zusagen jedoch unter Hinweis auf die Befürchtung, die
Sicherheit der Teilnehmenden sei möglicherweise nicht gewährleistet, da Pro-
teste zu befürchten seien.

Am Freitag, dem 26. März 2010 kam es zu massiven Protesten vor und in dem
Tagungshotel, in dem die Konferenz stattfinden sollte. Die örtliche Polizei war
nicht gewillt, die Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer zu schützen, son-
dern forderte sie auf, die Tagung abzubrechen und abzureisen. Aufgrund der
Proteste und der Androhung schwerer Gewalt sahen die Konferenzteilnehmerin-
nen und -teilnehmer keine Möglichkeit, die Tagung fortzuführen und mussten
sie abbrechen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung diese Vorfälle, und in welcher Weise hat
sie darauf gegenüber welchen Stellen reagiert?
2. Welche gesellschaftlichen Kreise und Organisationen waren für die Organi-
sation der Proteste verantwortlich?

3. Gibt es in Indonesien gesellschaftliche, politische oder religiöse Strömungen
oder Organisationen, die eine allgemeine Antipathie oder gar Phobie vor
LGBTI bewusst oder unbewusst schüren?

Drucksache 17/1853 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wie ist die gesellschaftliche Situation der LGBTI in Indonesien derzeit
einzuschätzen?

Hat sie sich im Laufe der letzten Jahre verändert?

Wird sie sich im Laufe der kommenden Jahre voraussichtlich verändern?

Wenn ja, wie?

5. Trifft es zu, dass in mehreren indonesischen Provinzen in den letzten Jah-
ren einzelne Teile der Sharia eingeführt wurde, die insbesondere homo-
sexuelle Handlungen unter Strafe stellen?

Wenn ja, welche parlamentarischen und gesellschaftlichen Initiativen ha-
ben dazu geführt?

6. Trifft es zu, dass in Indonesien im Jahr 2008 ein „Anti-Pornographie-Ge-
setz“ verabschiedet wurde, das geeignet ist, homosexuelle Handlungen und
deren Verbreitung generell unter Strafe zu stellen?

Wenn ja, welche parlamentarischen und gesellschaftlichen Initiativen ha-
ben dazu geführt?

Trifft es zu, dass jenes „Anti-Pornographie-Gesetz“ von jeder Provinz-
regierung unterschiedlich umgesetzt werden kann, und so möglicherweise
die Toleranz gegenüber LGBTI in Indonesien regional unterschiedlich ge-
setzlich geregelt sein könnte?

7. Liegt in der in Frage 5 angesprochenen Gesetzeslage möglicherweise ein
Verstoß gegen die säkularen Grundprinzipien der indonesischen Verfas-
sung?

8. Liegen in den in den Fragen 5 und 6 angesprochenen Gesetzeslagen mög-
licherweise Verstöße gegen die Gleichheits- und Freiheitsrechte der indo-
nesischen Verfassung?

9. Liegen in den in den Fragen 5 und 6 angesprochenen Gesetzeslagen mög-
licherweise Verstöße gegen die internationalen Menschenrechtspakte, die
Indonesien ratifiziert hat?

10. Trifft es zu, dass eine Liste mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern von
Seiten der örtlichen Behörden an private Gruppierungen weitergegeben
wurde?

11. Wie stellt sich nach Ansicht der Bundesregierung die Sicherheitslage der
Konferenzteilnehmenden nunmehr dar?

Hat sie sich im Anschluss an die Konferenz unmittelbar verschlechtert?

12. Was tut die Bundesregierung, um die Sicherheit der Teilnehmerinnen und
Teilnehmer zu verbessern?

Betrachtet die Bundesregierung die Organisatorinnen und Organisatoren
sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz als Menschen-
rechtsverteidiger?

Wird sie diese entsprechend der europäischen Richtlinien für Menschen-
rechtsverteidiger unterstützen?

13. Welche Initiativen ergreift die Bundesregierung allein oder in Zusammen-
arbeit mit anderen Staaten, um die Menschenrechtslage von LGBTI in In-
donesien zu verbessern?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1853

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass LGBTI in Indonesien in einer
Intensität verfolgt werden, dass sie als Flüchtlinge entsprechend der Flücht-
lingskonvention (§ 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes) anzuerkennen
sind?

Falls nicht, wie beurteilt die Bundesregierung den Flüchtlingsstatus von
LGBTI aus Indonesien?

15. Wie ist die aktuelle Lage der Presse-, Vereinigungs- und Versammlungsfrei-
heit für LGBTI in Indonesien einzuschätzen?

In welchen Fällen gab es Versuche Organisationen von LGBTI nicht zuzu-
lassen bzw. zu verbieten?

Wie wurde in diesen Fällen von den Gerichten entschieden?

16. Gibt es Beschränkungen bei Versammlungen von LGBTI, und kommen die
Sicherheitskräfte hinreichend dem Schutz dieser Veranstaltungen nach?

17. Bei welcher Gelegenheit und in welcher Weise ist die soziale und rechtliche
Situation von LGBTI ein Thema in den bilateralen Gesprächen mit Indone-
sien?

Berlin, den 21. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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