BT-Drucksache 17/174

Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen sowie deren Auswirkungen auf Personen mit geringem Einkommen sowie Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen

Vom 8. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/174
17. Wahlperiode 08. 12. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Harald Terpe, Kerstin Andreae, Katrin Göring-Eckardt, Priska Hinz (Herborn),
Sven Kindler, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Ingrid Nestle, Brigitte
Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen sowie deren Auswirkungen auf
Personen mit geringem Einkommen sowie Personen, die Arbeitslosengeld II
beziehen

Für das Jahr 2010 erwartet der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversi-
cherung, dass die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen voraussichtlich
um rund 7,5 Mrd. Euro höher liegen werden als die Zuweisungen aus dem
Gesundheitsfonds. Um dieses Defizit zu verringern, plant die Bundesregie-
rung laut Presseberichten eine Anhebung des Bundeszuschusses für das
kommende Jahr um 3,9 Mrd. Euro. Da die Bundesregierung keine Anpas-
sung des Beitragssatzes vorsieht, verbliebe damit für 2010 ein Defizit von
über 3,5 Mrd. Euro. Im Durchschnitt entspräche dies jährlich rund 75 Euro
bzw. monatlich etwa 6 Euro pro Beitragszahlerin und -zahler.

Daher ist damit zu rechnen, dass im Jahresverlauf 2010 viele gesetzliche Kran-
kenkassen neben dem von der Bundesregierung festzusetzenden Einheits-
beitrag Zusatzbeiträge werden verlangen müssen, um ihre Ausgaben zu decken.
Dabei wird die 1-prozentige Überforderungsgrenze nach § 242 Absatz 1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) voraussichtlich nicht zur Anwen-
dung kommen, da diese bei Zusatzbeiträgen bis zu 8 Euro monatlich ausgesetzt
ist. Das bedeutet, dass Personen mit einem beitragspflichtigen monatlichen
Einkommen unterhalb von 800 Euro gegebenenfalls mehr als 1 Prozent ihres
Einkommens für den Zusatzbeitrag werden aufbringen müssen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ab wann und in welchem Umfang erwartet die Bundesregierung im Jahr
2010 die Erhebung von Zusatzbeiträgen durch gesetzliche Krankenkassen?

2. Teilt die Bundesregierung die in der Presse (Berliner Zeitung vom 17. No-
vember 2009) geäußerte Vermutung, dass insbesondere Betriebs- und Er-

satzkassen als erste Zusatzbeiträge erheben müssen?

Falls nein, weshalb nicht, und um welche Kassenarten handelt es sich nach
Einschätzung der Bundesregierung stattdessen?

3. Geht die Bundesregierung davon aus, dass es Krankenkassen geben wird,
die im gesamten Jahr 2010 keinen Zusatzbeitrag erheben müssen?

Wenn ja, wie viele sind das?

Drucksache 17/174 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Bis zu welcher maximalen Höhe erwartet die Bundesregierung Zusatzbei-
träge im Jahr 2010?

5. a) Wie hoch ist der Anteil der gesetzlich Versicherten, deren monatliches
beitragspflichtiges Einkommen unterhalb von 800 Euro liegt?

b) Wie hoch ist der Anteil von Rentnerinnen und Rentnern in dieser Ein-
kommensgruppe?

6. a) Wie oft pro Jahr kann Versicherten, deren beitragspflichtiges Einkommen
unterhalb von 800 Euro liegt und die daher bei Erhebung eines monat-
lichen Zusatzbeitrages bis zu 8 Euro von der 1-prozentigen Überforde-
rungsgrenze nicht erfasst werden, zugemutet werden, in eine Kranken-
kasse ohne Zusatzbeitrag zu wechseln?

b) Ab wann wird die Wechselmöglichkeit zu Kassen ohne Zusatzbeiträge
faktisch nicht mehr bestehen, da fast alle Kassen Zusatzbeiträge verlan-
gen werden?

c) In welchem Umfang werden dann nach Schätzungen der Bundesregie-
rung diese Versicherten aus Kassen mit Zusatzbeiträgen unter 8 Euro zu
Kassen mit Zusatzbeiträgen über 8 Euro wechseln, weil sie dann auf-
grund der 1-prozentigen Überforderungsklausel weniger zahlen müssen?

d) Gibt es vor diesem Hintergrund Planungen der Bundesregierung, die
1- prozentige Überforderungsklausel abzuschaffen, und welche Formen
des Überforderungsschutzes sind angedacht?

7. a) Wie oft pro Jahr kann Versicherten, die Arbeitslosengeld II (ALG II) be-
ziehen und deren Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
nicht übernommen werden, zugemutet werden, in eine Krankenkasse
ohne Zusatzbeitrag zu wechseln?

b) Ab wann wird eine Wechselmöglichkeit faktisch nicht mehr bestehen,
da die Zahl der Kassen ohne Zusatzbeiträge zu gering ist, um den Wech-
sel von hunderttausenden ALG-II-Empfängerinnen und -Empfängern zu
bewältigen?

c) Wie gedenkt die Bundesregierung mit der Situation umzugehen, wenn
alle Bezieherinnen und Bezieher von ALG II Zusatzbeiträge entrichten
müssen?

8. Werden die nach § 242 Absatz 2 des SGB V im nächsten Jahr in Einzelfäl-
len möglichen Auszahlungen überschüssiger Beiträge bei Bezieherinnen
und Beziehern von Arbeitslosengeld II auf den Regelsatz angerechnet?

9. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die mit der Erhebung der Zusatz-
beiträge verbundenen zusätzlichen Verwaltungsausgaben (Aufbau indivi-
dueller Konten, Aufbau eines zusätzlichen Einzug- und Mahnwesens, Prü-
fung der Überforderungsklausel u. Ä.) ein?

10. Wie bewertet die Bundesregierung, unter den Aspekten von Bürokratie-
abbau und Gerechtigkeit, die von verschiedenen gesetzlichen Krankenkas-
sen vor der Bundestagswahl geäußerten Vorschläge, die Zusatzbeiträge
ausschließlich prozentual zu erheben, um die Erhebung ohne zusätzlichen
bürokratischen Aufwand über das bestehende Einzugsverfahren abwickeln
zu können?

Berlin, den 8. Dezember 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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