BT-Drucksache 17/1493

Gedenkort für Jugendkonzentrationslager für Mädchen und junge Frauen Uckermark

Vom 23. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1493
17. Wahlperiode 23. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Dagmar Enkelmann, Diana Golze,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Thomas Nord, Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma,
Sabine Stüber, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Gedenkort für Jugendkonzentrationslager für Mädchen und junge Frauen
Uckermark

Ein bis heute weitgehend unbekannter und vergessener Ort des nationalsozia-
listischen Terrors ist das Jugendkonzentrationslager für Mädchen und junge
Frauen und spätere Vernichtungslager Uckermark. Das ehemalige Konzentra-
tionslager, von dem heute nur noch Fundamente von Baracken zu sehen sind,
liegt in unmittelbarer Nähe der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Das ver-
harmlosend als „Jugendschutzlager“ bezeichnete KZ wurde 1942 speziell für
Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren errichtet. Ins-
gesamt wurden zwischen 1942 und Anfang 1945 ca. 1 200 Mädchen und junge
Frauen, einige Jungen sowie junge slowenische Partisaninnen inhaftiert. Ein
Großteil der Häftlinge war vor allem aufgrund ihres unangepassten Verhaltens
in der NS- Gesellschaft als „asozial“ stigmatisiert und verfolgt worden. Wech-
selnder Wohnort, Zeiten ohne Arbeitsnachweis, die Verweigerung des Dienstes
beim Bund Deutscher Mädel oder Bekanntschaften mit ihrerseits stigmatisierten
oder diskriminierten Männern konnten Beschuldigungen wie „Herumtreiberei“
oder „sexuelle Verwahrlosung“ nach sich ziehen und zur Einweisung ins KZ
führen.

Zu den unmenschlichen Bedingungen im „Jugendschutzlager“ Uckermark ge-
hörten Zwangsarbeit u. a. für die Firma Siemens, ein absolutes Redeverbot, viel-
fältige Schikanen und Strafen sowie eine katastrophale Unterversorgung. Auf
einem Teil des Geländes entstand in den letzten Kriegsmonaten ein Vernich-
tungslager für Frauen des KZ Ravensbrück. Bis zur Befreiung durch die Rote
Armee Ende April 1945 wurden insgesamt schätzungsweise 5 000 bis 6 000
Häftlinge ermordet.

Bis Anfang der 90er-Jahre nutzte das sowjetische Militär das Gelände des ehe-
maligen Frauen-KZ Ravensbrück, das Siemenslager und das Jugendkonzentra-
tionslager Uckermark. Nur ein kleiner Teil des ursprünglichen Geländes wurde
1959 zur Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Das Siemenslager und das KZ
Uckermark sind bis heute keine öffentlich zugänglichen Gedenkorte.

Die Europäische Union hat Gelder zur Verfügung gestellt, mit denen eine Kon-

version, d. h. ein Rückbau der ehemaligen Panzerhallen der sowjetischen Streit-
kräfte, möglich ist. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Be-
sitzerin des Areals ist bereit, der Konversion zuzustimmen und die notwendigen
Mittel als Eigentümerin beizutragen, wenn das Gelände anschließend die Besit-
zerin wechselt. Überlebende des Jugend-KZ Uckermark wünschen sich einen
würdigen Gedenkort auf dem Gelände des ehemaligen Lagers.

Drucksache 17/1493 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Gelände des ehe-
maligen KZ Uckermark als einziges ehemaliges KZ für Mädchen und junge
Frauen als besonderer Gedenkort erhalten und ausgebaut werden muss?

a) Wie kann nach Einschätzung der Bundesregierung gewährleistet werden,
dass hier weiterhin Gedenken, Mahnen und Erinnern stattfinden kann,
ohne dass bisherige Aktivitäten durch ein „landesweites Gesamtkonzept“
unmöglich gemacht werden?

b) Warum wird bisher keine politische Verantwortung dafür übernommen,
dass aus dem Gelände ein würdiger Erinnerungsort entstehen kann?

c) Wie kann sichergestellt werden, dass das Gelände für die Öffentlichkeit
zugänglich ist?

d) Inwieweit hält die Bundesregierung ein Gedenkstättenkonzept für das KZ
Uckermark nach dem Vorbild der KZ-Gedenkstätte Moringen für realis-
tisch und wünschenswert, wo ein Gedenkstätten- und Lagergemein-
schaftsverein mit Geldern und Sachmitteln des Bundes, des Landes und
der Gemeinde unterstützt wird?

2. Wie ist der augenblickliche Stand des Konversionsverfahrens für das Ge-
lände des ehemaligen KZ Uckermark?

a) Welche Gelder stehen im Einzelnen für eine Konversion der Anlage zur
Verfügung?

b) Inwieweit sind die Gelder, die für die Konversion der Anlage zur Verfü-
gung stehen, bereits vergeben worden?

c) Bis wann müssen die Gelder beantragt sein?

d) Wer ist für die Verteilung der Gelder zuständig?

e) Welche Bedingungen sind an die Verteilung der Gelder geknüpft?

f) Bis wann müssen die Konversionsmaßnahmen abgeschlossen sein?

3. Hat die BImA bereits Angebote für einen Verkauf des Areals des ehemaligen
KZ Uckermark erhalten?

a) Wenn ja, von wem, in welcher Höhe, und für welche Nutzung?

b) Wenn ja, inwieweit ist die BImA bereit, dieses Angebot anzunehmen?

c) Wenn nein, inwieweit bemüht sich die BImA um einen Wechsel der
Eigentumsverhältnisse bzw. Verkauf des Geländes und mit welchem Er-
gebnis?

d) Wenn nein, welche Angebote kann die Bundesregierung der BImA
machen, um die Konversion bereits ohne einen zukünftigen Käufer zu be-
ginnen?

e) Wenn nein, welche weiteren Möglichkeiten sieht die Bundesregierung,
mit der Konversion bereits ohne eine zukünftige Besitzübertragung zu
beginnen?

f) Welche andere Institution kann lang- oder kurzfristig den Besitz des
Geländes übernehmen, um zunächst das Vorhaben der Konversion zu
ermöglichen?

4. Inwieweit haben nach Einschätzung der Bundesregierung die wegen ihres
unangepassten Verhaltens als „asozial“ stigmatisierten ehemaligen KZ-Häft-
linge, die auch in den beiden deutschen Staaten nach 1945 Diskriminierung

und Verfolgung erfuhren, inzwischen eine ihrem Schicksal angemessene Ent-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1493

schädigung sowie Würdigung und Anerkennung als Opfer des National-
sozialismus erhalten?

a) Welche Entschädigungen in welcher Höhe wurden an wie viele Personen
ausgezahlt?

b) Welche Mahn- und Gedenkstätten und sonstige Gedenkorte, die speziell
diesem als „asozial“ verfolgten Kreis von Opfern des Nationalsozialismus
gewidmet sind, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland?

c) Welche Gedenkveranstaltungen fanden nach Kenntnis der Bundesrepu-
blik Deutschland für diese Opfergruppe in den letzten zehn Jahren statt?

Berlin, den 23. April 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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