BT-Drucksache 17/14480

Erkenntnisse des Bundeskanzleramtes über die Absichten der Landesregierung Baden-Württemberg zum Erwerb von Anteilen des Energiekonzerns EnBW im Jahr 2010

Vom 1. August 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14480
17. Wahlperiode 01. 08. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae,
Birgitt Bender, Agnes Brugger, Harald Ebner, Britta Haßelmann, Ingrid Hönlinger,
Susanne Kieckbusch, Memet Kilic, Beate Müller-Gemmeke, Ulrich Schneider,
Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
Oliver Krischer, Friedrich Ostendorff, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erkenntnisse des Bundeskanzleramtes über die
Absichten der Landesregierung Baden-Württemberg
zum Erwerb von Anteilen des Energiekonzerns EnBW im Jahr 2010

Vor einem Jahr gingen die Fragesteller den Beziehungen der Investmentbank
Morgan Stanley Bank AG und ihres ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Dirk
Notheis zur Bundesregierung mit der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdruck-
sache 17/10415 nach. Hintergrund der Kleinen Anfrage war der Erwerb von
knapp der Hälfte der Anteile des Energiekonzerns EnBW Energie Baden-
Württemberg AG durch die ehemalige Landesregierung Baden-Württemberg im
Jahr 2010, den seit Dezember 2011 ein Untersuchungsausschuss des baden-
württembergischen Landtags untersucht.

Mit fortschreitender Arbeit dieses Ausschusses werden immer mehr Details des
Kaufs bekannt, die das Vorgehen des damaligen Ministerpräsidenten Stefan
Mappus und des ihn damals beratenden, ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der
Morgan Stanley Bank AG, Dr. Dirk Notheis, zweifelhaft erscheinen lassen. So
soll die Transaktion ohne Bewertung der Anteile, ohne Vorliegen des erforder-
lichen wichtigen Landesinteresses und unter Ausschaltung aller Kontrollinstan-
zen erfolgt sein. Gegen beide ermittelt mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft
wegen des Verdachts der Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue zu Lasten des Lan-
des Baden-Württemberg. Über die Entwicklungen und neuen Erkenntnisse in
dem Fall gab es zahlreiche Berichterstattungen, beispielhaft seien hier der Bei-
trag „Kungelei um Milliarden – Ex-Ministerpräsident Mappus und sein Banker-
Freund“ im ZDF-Magazin „Frontal 21“ vom 10. Juli 2012, die Artikel „Razzia
bei Mappus“ und „Aus für Notheis“ vom 12. bzw. 18. Juli 2012 im „Handels-
blatt“ sowie „Deal und Dilettanten“ vom 10. Juli 2013 in der Wochenzeitung
„KONTEXT“ genannt.

Trotz der o. g. Kleinen Anfrage aus dem letzten Jahr und verschiedenen einzel-
nen parlamentarischen Anfragen mehrerer Bundestagsabgeordneter scheint

noch nicht klar, wann das Bundeskanzleramt erstmals von ersten Überlegungen
und Absichten der Landesregierung Baden-Württemberg wusste, die EnBW-
Anteile der EDF (EDF = Électricité de France) erwerben zu wollen. Die Antwor-
ten der Bundesregierung bezogen sich bislang auf den Zeitpunkt, zu dem eine
Einigung zwischen der Landesregierung und EDF bereits erzielt worden war
bzw. zu dem aufseiten der Landesregierung bereits die endgültige Kaufentschei-
dung gefallen war. Zum Teil zielten die bisherigen parlamentarischen Anfragen

Drucksache 17/14480 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auch nicht auf die Erkenntnisse der Bundesregierung, sondern auf ein aktives
Handeln bestimmter Bundesministerien, das von der Bundesregierung verneint
wurde.

Unklar ist noch immer, ob das Bundeskanzleramt oder einzelne Mitarbeiter im
Bundeskanzleramt bereits im Jahr 2010 in den Monaten vor der endgültigen Ent-
scheidung der Landesregierung von deren Absichten, die der Entscheidung vo-
rausgingen, – gegebenenfalls informell erworbene – Kenntnisse hatten. Dieses
etwaige Wissen im Bundeskanzleramt soll hier mit entsprechenden Fragen ge-
nauer beleuchtet werden. Fraglich ist, ob das Bundeskanzleramt beispielsweise
auch auf informellem Wege durch CDU-Bundestagsabgeordnete aus Baden-
Württemberg Kenntnisse erhielt. Denkbar ist auch, dass die der CDU angehö-
renden Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre zwar nicht in ihrer
amtlichen Funktion, sondern als Mitglieder der CDU Kenntnis erhielten. Inso-
fern hätten bei Mitgliedern der Bundesregierung oder Staatssekretären Kennt-
nisse vorgelegen. Entscheidend ist für die Fragesteller insoweit, ob das Wissen
vorhanden war, nicht, ob es auf amtlichem Wege erlangt wurde.

Die Fragesteller weisen darauf hin, dass die einschlägigen Antworten der Bun-
desregierung zum Komplex des Erwerbs der EnBW-Anteile auf den Bundes-
tagsdrucksachen 17/10642, 17/10270 und 17/5121 bekannt sind. Die nachfol-
genden Fragen zielen auf neue Aspekte ab und lassen sich nach Auffassung der
Fragesteller daher nicht mit Verweisen auf die alten Antworten der o. g. Bundes-
tagsdrucksachen beantworten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann genau (Datum bitte) im November oder Dezember 2010 informierte
Ministerpräsident a. D. Stefan Mappus die Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel telefonisch über die Tatsache des Erwerbs der EnBW-Anteile durch
das Land Baden-Württemberg, bevor er die Öffentlichkeit entsprechend
unterrichtete (das Datum dieses Telefonats wurde von der Bundesregierung
bislang nicht angegeben, vgl. hierzu beispielsweise die Antwort der Bundes-
regierung auf die Schriftliche Frage 51 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl
auf Bundestagsdrucksache 17/14333)?

2. Erfuhr die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel dadurch persönlich zum ers-
ten Mal auch von den entsprechenden, dieser Tatsache des Erwerbs voraus-
gehenden Absichten und/oder Aktivitäten des Ministerpräsidenten a. D. Stefan
Mappus, oder wann und von wem erfuhr die Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel von diesen dem Erwerb vorausgehenden Absichten und/oder Aktivi-
täten erstmals persönlich?

3. Gab es im zweiten Halbjahr 2010 vor Dezember persönliche Gespräche der
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit Ministerpräsidenten a. D. Stefan
Mappus, insbesondere unter vier Augen oder im kleinen Kreis?

Falls ja, jeweils wann genau (Datum bitte)?

4. Bei welchen dieser Gespräche ging es auch um die Frage eines sich mög-
licherweise verändernden Beteiligungsverhältnisses der EDF an der EnBW
Energie Baden-Württemberg AG?

5. Hatten die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und/oder der Bundesminister
für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes Ronald Pofalla
und/oder der Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Eckard von Klaeden
mündlich bereits vor dem in Frage 1 thematisierten Telefonat von den der
Tatsache des Erwerbs vorausgehenden Absichten und/oder Aktivitäten des
Ministerpräsidenten a. D. Stefan Mappus erfahren – unabhängig davon, ob in
amtlicher oder anderer Funktion, also z. B. als CDU-Parteimitglieder oder als

Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (wie in der Vorbemerkung der
Fragesteller erläutert, kommt es nach ihrer Auffassung für das Vorhandensein

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14480

einer Kenntnis bei einem Mitglied der Bundesregierung oder einem Staats-
sekretär nicht darauf an, in welcher Funktion die Kenntnis erlangt wurde;
ausschlaggebend ist der – gegebenenfalls zunächst auch nur potenzielle – Zu-
sammenhang zum Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung)?

Falls ja, wer hatte von wem, und in welchem Monat oder Quartal erstmals
davon erfahren?

Falls nein, wer im Bundeskanzleramt hatte vor Dezember 2010 wann davon
erfahren?

6. Gab es vor Dezember 2010 Hinweise von aus Baden-Württemberg stammen-
den Mitgliedern der CDU- Bundestagsfraktion an Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel oder Bundesminister Ronald Pofalla oder andere hochrangige Vertreter
des Bundeskanzleramts bezüglich etwaiger EnBW-Anteile-Erwerbsabsichten
der Landesregierung Baden-Württemberg, beispielsweise von dem Vorsit-
zenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion?

Falls nein, gab es vor Dezember 2010 zumindest Gespräche zwischen aus
Baden-Württemberg stammenden Mitgliedern der CDU-Bundestagsfraktion
mit der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel oder dem Bundesminister Ronald
Pofalla oder anderen hochrangigen Vertretern des Bundeskanzleramts, bei
denen die Eigentümerstruktur der EnBW Energie Baden-Württemberg AG
thematisiert wurde?

Berlin, den 1. August 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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