BT-Drucksache 17/14210

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung - Drucksachen 17/13754, 17/14174 - Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013

Vom 26. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14210
17. Wahlperiode 26. 06. 2013

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln),
Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel,
Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs,
Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/13754, 17/14174 –

Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der
Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission in Mali (MINUSMA)
auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen vom 25. April 2013

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach dem Krisenjahr 2012, der faktischen Teilung des Landes, der Besetzung
des Nordens durch bewaffnete islamistische Kräfte, nach Putsch und Über-
gangsregierung und schließlich nach dem Eingreifen französischer Streitkräfte
im Januar 2013 hat sich in Mali die Sicherheitslage landesweit deutlich verbes-
sert. Allerdings bleiben insbesondere im Norden Gefahren für die Zivilbevölke-
rung bestehen. Die rund 475 000 Flüchtlinge und Binnenvertriebenen kehren
nur langsam und zögerlich in ihre Heimat zurück, vielerorts fehlt die öffentli-
che Verwaltung und Infrastruktur.

Die Bewältigung der Krise kann nur durch einen glaubwürdigen politischen
Prozess in Mali und durch dessen Unterstützung durch die internationale Ge-
meinschaft gelingen.

Mit der Verabschiedung der „Feuille de Route“ haben die Übergangsregierung
und das Parlament in Bamako erste Schritte unternommen, um sich auf den
Weg zur vollständig verfassungsmäßigen Ordnung zu machen. Neben der Prä-
sidentschaftswahl, die für den 28. Juli 2013 angesetzt ist, ist auch ein Versöh-

nungs- und Dialogprozess vorgesehen. Die Vorvereinbarung zwischen der
Übergangsregierung und der Tuareg-Bewegung MNLA (Mouvement pour la
Libération de l’Azawad) vom 18. Juni 2013 über einen reibungslosen Ablauf
der Wahlen und über die Aufnahme von Friedensgesprächen ist ein wichtiger
Schritt in diese Richtung.

Am 1. Juli 2013 soll die mit der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen (VN) beschlossene MINUSMA (Mission multidimen-

Drucksache 17/14210 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sionelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali) die Arbeit auf-
nehmen und die bisherige afrikanisch geführte Mission AFISMA (African-led
International Support Mission) ersetzen. Sie soll 11 200 Soldatinnen und Solda-
ten sowie 1 440 Polizistinnen und Polizisten umfassen. Deutschland will sich
mit 150 Soldatinnen und Soldaten beteiligen. Der Deutsche Bundestag begrüßt
die Überführung von AFISMA in einer VN-Mission. Deutschland hat sich bis-
her mit 150 Soldatinnen und Soldaten an AFISMA beteiligt und es ist jetzt fol-
gerichtig diese Unterstützung auf MINUSMA zu übertragen. Der Bundestag
begrüßt die Bemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen, eine Friedens-
lösung für Mali voranzubringen. Die Mission kann einen Beitrag zur weiteren
Stabilisierung des Landes leisten und den politischen Prozess vorantreiben. Be-
sonders die anstehende Präsidentschaftswahl im Juli 2013 soll durch die Präsenz
der internationalen Truppen abgesichert werden.

Gleichzeitig hat die EU bereits Anfang 2013 die Trainings- und Ausbildungs-
mission EUTM Mali auf den Weg gebracht und 450 EU-Soldatinnen und - Sol-
daten entsandt, um die malischen Sicherheitskräfte langfristig in die Lage zu
versetzen, die Sicherheitsverantwortung zu tragen. Deutschland beteiligt sich
an dieser Mission mit 180 Soldatinnen und Soldaten.

Die Internationale Gemeinschaft legt das Augenmerk derzeit insbesondere auf
die Wahlen. Innerhalb Malis wird über den Zeitpunkt der Wahlen kritisch dis-
kutiert. Die Internationale Gemeinschaft hat sich dafür entschieden, diesen
frühen Zeitpunkt zu unterstützen. Jetzt kommt es darauf an, dass die Wahlen
frei und fair erfolgen. Es ist wichtig der Regierung eine schnelle demokratische
Legitimation zu geben, aber die Wahlen selbst werden nur wenige Probleme
lösen. Parlamentswahlen müssen bald folgen. Ein tiefgreifender politisch-ge-
sellschaftlicher Wandel, der nur über einen Aussöhnungsprozess geht, ist not-
wendig. Dieser kann nur von den Maliern selbst ausgehen. Wahlen und Versöh-
nungsprozess bedingen einander. Beides muss gleichermaßen vorangetrieben
werden. Ein glaubhafter Versöhnungsprozess erhöht die gesellschaftliche
Akzeptanz von Wahlen. Gleichzeitig verleihen Wahlen dem Versöhnungspro-
zess die nötige Legitimation. Deutschland genießt ein hohes Ansehen in Mali
und sollte die Chance nutzen, um dadurch Gesprächskanäle für Vermittlung
und Versöhnung zu öffnen.

Die Krise in Mali bedroht die Menschen in der gesamten Sahelzone. Hohe
Flüchtlingszahlen gefährden die staatliche Stabilität in der Region. Viele isla-
mistische Kämpfer haben sich in Nachbarländer zurückgezogen. Unabdingbar
für eine tragfähige politische Lösung ist eine Strategie der regionalen Krisen-
prävention durch eine intensivere Einbindung der Nachbarstaaten. Mauretanien
und Algerien spielen eine besondere Rolle. Die Bundesregierung hat bisher
noch zu wenig unternommen, um beide Länder zu motivieren, an der politi-
schen Lösung des Mali-Konfliktes und an regionalen Lösungsansätzen mitzu-
wirken, obwohl sie und die übrigen EU-Staaten sich dazu schon 2011 mit der
EU-Sahelstrategie verpflichtet hatten.

Die internationale Gemeinschaft hat sich bei der Geberkonferenz in Brüssel im
Mai 2013 entschlossen gezeigt, für die Stabilisierung Malis auch die notwen-
digen finanziellen Mittel bereitzustellen. Seit Anfang 2013 hat Deutschland den
Vorsitz der internationalen Gebergemeinschaft für Mali und damit eine beson-
dere Verantwortung, koordinierte und tragfähige Lösungen zu entwickeln, um
Anreize für Entwicklung zu setzen. Bislang ist vollkommen unklar, welche
Agenda die Bundesregierung hier verfolgt. Insgesamt 3 Mrd. Euro sind zuge-
sagt. Die EU wird 580 Mio. Euro bereitstellen, Großbritannien 115 Mio. Euro
und Deutschland 100 Mio. Euro. Die Unterstützung wird dringend benötigt, um
grundlegende staatliche Funktionen – gerade im Bildungs- und Gesundheitsbe-

reich – aufrechtzuerhalten. Sie muss dazu eingesetzt werden, um unter Einbezie-
hung der Zivilgesellschaft sowie unter Berücksichtigung der besonderen Rolle

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14210

von Frauen im Wiederaufbauprozess eine demokratische Erneuerung und de-
zentrale Stärkung des ganzen Landes zu erreichen. Auch für die humanitäre Un-
terstützung der Flüchtlinge in Mali und den Nachbarstaaten ist ein entschlosse-
neres internationales und koordiniertes Vorgehen notwendig.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– dem politischen Prozess in Bamako besondere Aufmerksamkeit zu widmen,
damit die angesetzten Wahlen fair und transparent durchgeführt werden kön-
nen und eine breite Beteiligung und Konsultation der diversen politischen
und gesellschaftlichen Akteure möglich wird;

– die Akteure in Mali darin zu unterstützen, dass sowohl Binnenflüchtlinge als
auch Flüchtlinge in den Lagern in den Ländern der Region an der Wahl teil-
nehmen können;

– sich aktiv und stärker als bisher für den Aufbau von innermalischen Dialog-
foren auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene einzusetzen, die
einen nachhaltigen Versöhnungsprozess zwischen den verschiedenen Inte-
ressensgruppen, Ethnien und Landesteilen befördern;

– ein stärkeres Augenmerk auf regionale diplomatische Bemühungen zu rich-
ten, um insbesondere Algerien und Mauretanien für die Unterstützung einer
nachhaltigen Friedenslösung zu gewinnen und mehr zur Umsetzung der EU-
Sahelstrategie beizutragen, um der Entstehung neuer Krisen frühzeitig vor-
zubeugen;

– sich gegenüber Saudi Arabien und Katar dahingehend einzusetzen, die Un-
terstützung dschihadistischer Gruppen im Norden Malis zu unterlassen;

– sich auf Ebene der VN, der EU, gegenüber der Afrikanischen Union (AU)
und der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) da-
für einzusetzen, dass Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das
humanitäre Völkerrecht in Mali systematisch dokumentiert werden, gleich
von welcher Seite sie begangen wurden, schnell, unabhängig und vollständig
aufgeklärt werden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wer-
den und dabei auch den Internationalen Strafgerichtshof bei seiner Arbeit zu
unterstützen;

– die humanitären Hilfsgelder für Mali in 2013 auf rund 20 Mio. Euro ent-
sprechend dem von den VN formulierten Bedarf und dem daran von Deutsch-
land zu zahlenden fairen Anteil (6,37 Prozent) zu erhöhen;

– sich auf Ebene der VN dafür einzusetzen, dass durch VN-Beobachter die
Einhaltung der Menschenrechte von allen Akteuren überwacht wird und
diese dem Sicherheitsrat regelmäßig darüber berichten;

– humanitäre Hilfe und Entwicklungsmaßnahmen ausgewogen zu leisten, um
zu vermeiden, dass bestimmte Städte, Regionen oder Bevölkerungsgruppen
bevorzugt werden sowie darauf hinzuwirken, dass auch andere Geber ihre
Entwicklungsmaßnahmen konfliktpräventiv einsetzen;

– die Entwicklungszusammenarbeit mit Mali schrittweise wieder voll aufzu-
nehmen, und dabei besondere Schwerpunkte auf Dezentralisierung und die
Förderung von Frauen zu legen;

– für ein kohärentes Vorgehen der Geber zu sorgen, indem eine gemeinsame
Gesamtstrategie der Geber, die kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen
vorsieht, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und unter Beachtung der
besonderen Rolle von Frauen erarbeitet wird;

Drucksache 17/14210 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– gleichzeitig von der malischen Regierung eine nachvollziehbare Prioritäten-
setzung, Transparenz und demokratische Kontrolle der Mittel einzufordern;
hierfür müssen zivilgesellschaftliche Institutionen geschaffen und unter-
stützt werden;

– die entwicklungsförderliche und gerechte Nutzung von Bodenschätzen und
Ressourcen in alle Strategien einzubeziehen und dabei darauf zu achten,
dass Transparenz-, Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstandards einge-
halten werden sowie die Wertschöpfungsketten vor Ort geschaffen werden;

– sich gegenüber der malischen Regierung für die Ausarbeitung einer umfas-
senden Reform des Sicherheitssektors einzusetzen und diese auch langfristig
zu unterstützen;

– die Ausbildung von Soldaten in bestehenden afrikanischen Einrichtungen
wie der Ausbildungsschule der ECOWAS in Bamako (Ecole de Maintien de
la Paix Alioune Blondin BEYE) oder dem Kofi-Annan International Peace-
keeping and Training Center (KAIPTC) in Ghana finanziell zu unterstützen;

– sich dafür einzusetzen, dass die zerstörten Kulturgüter vor allem in und aus
Timbuktu soweit möglich geschützt und wieder instand gesetzt und kultu-
relle Stätten im ganzen Land geschützt werden.

Berlin, den 25. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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