BT-Drucksache 17/13898

zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich, Dr. Hans-Peter Bartels, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksachen 17/11102, 17/13655 - Haltung der Bundesregierung zum Erwerb und Einsatz von Kampfdrohnen

Vom 11. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13898
17. Wahlperiode 11. 06. 2013

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike
Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Thomas Nord, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion
DIE LINKE.

zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der
Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich, Dr. Hans-Peter Bartels, Rainer Arnold, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksachen 17/11102, 17/13655 –

Haltung der Bundesregierung zum Erwerb und Einsatz von Kampfdrohnen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In den letzten Monaten hat die Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie
nicht bereit ist, die notwendige breite gesellschaftliche Debatte über Drohnen
und andere unbemannte und automatisierte Waffensysteme zu führen. Trotz der
offensichtlichen und gravierenden ethischen, politischen und rechtlichen Ein-
wände gegen den Einsatz von bewaffneten Drohnen bekräftigte die Bundes-
regierung am 29. Mai 2013 erneut ihre Absicht, bewaffnungsfähige Drohnen
anzuschaffen. Bei den USA wurde bereits angefragt, ob man Drohnen vom Typ
REAPER dort kaufen darf: also Drohnen, die in ihrer bewaffneten Version in
Afghanistan und Pakistan von den USA für „gezielte Tötungen“ eingesetzt
werden und schon Hunderte Zivilisten das Leben gekostet haben. Auch bei der
Beschaffung der Aufklärungs- und Spionagedrohne Euro Hawk wird deutlich,
wie fahrlässig die Bundesregierung mit den Gefahren dieser neuen Waffen-
systeme umgeht. Berechtigte Fragen nach der Kontrolle solcher fast unsicht-
baren, dauereinsatzfähigen Drohnen auch im Hinblick auf die gesammelten
Daten bleiben offen.

Gegen die Anschaffung und Verwendung von Drohnen sprechen folgende
Gründe:

Kampfdrohnen werden für die Landesverteidigung der Bundesrepublik
Deutschland nicht benötigt. Sie sind gegenwärtig vor allem für militärische
Operationen konzipiert, die in feindlichen oder neutralen Gebieten erfolgen und

deren Ziele nicht fremde Streitkräfte sind, sondern Einzelpersonen bzw. kleine
Gruppen. In Afghanistan, in Pakistan aber auch in Weltregionen, in denen die
USA ihren Krieg gegen den Terrorismus führen, kann man inzwischen fast
täglich die Auswirkungen dieser Art der Kriegführung sehen: „Gezielte Tötun-
gen“, Töten auf Verdacht, Angst und Einschüchterung der Bevölkerung ganzer
Regionen. Vor allem werden bei den Drohneneinsätzen auch regelmäßig Zivilis-
ten getötet. Über die Opferzahlen gibt es zwar unterschiedliche Angaben, sie

Drucksache 17/13898 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

stimmen aber in der Größenordnung überein. Allein für Pakistan gehen die
meisten Studien von mehreren Hundert getöteten Zivilisten aus.

Im Zuge des sogenannten Kriegs gegen den Terror sind Kampfdrohnen zudem
ein Symbol für die Missachtung staatlicher Souveränität geworden. Da es sich
meist um verdeckte Missionen von US-Geheimdiensten handelt, haben die
Regierungen in den Einsatzländern keinen Einfluss auf die Art und Weise, wie
Kampfdrohnen auf ihrem Territorium operieren. Und das betrifft auch Deutsch-
land, denn auch über AFRICOM, die Kommandozentrale der US-Streitkräfte
für Afrika in Ramstein, werden Drohnenangriffe gegen Verdächtigte in Somalia,
Sudan, Mali und anderen Staaten koordiniert. Die Bundesregierung hat erst im
Mai 2013 wieder bestätigt, dass sie über solche Vorgänge nicht informiert wird.

Kampfdrohnen stehen nicht nur für systematische Menschenrechtsverletzungen
und die Mißachtung völkerrechtlicher Standards in den Konfliktgebieten, son-
dern auch für eine gefährliche Lücke in der Rüstungskontrolle. Der Besitz von
Kampfdrohnen kann in der Zukunft die Hemmschwelle zur Anwendung militä-
rischer Gewalt gegenüber Gegnern sinken lassen und stellt gleichzeitig die
Motivation der jeweiligen Gegenseite dar, selbst Kampfdrohnen zu erwerben.

Parallel ist ein weltweiter Aufrüstungsprozess mit sog. Aufklärungs- und Über-
wachungsdrohnen zu beobachten. In welchem Umfang sich auch Deutschland
daran beteiligt, ist bei dem Debakel um das unbemannte „Aufklärungsflugzeug“
Euro Hawk, das bisher über 500 Mio. Euro gekostet hat, zu beobachten. Dieses
Projekt ist seit 2001 von Rot-Grün und danach von CDU/FDP-Regierungen
gleichermaßen verfolgt worden; beide wollten damit die Neuausrichtung der
Bundeswehr zur Interventionsarmee unterstützen. Der Bundesminister der Ver-
teidigung hielt bis zuletzt trotz aller aufgetretenen Probleme und Risiken an dem
Prestigevorhaben fest und handelte im Widerspruch zu seiner Ankündigung von
2011, er wolle alle Großprojekte der Bundeswehr auf den Prüfstand stellen.

Auch die Anschaffung von Aufklärungs- und Überwachungsdrohnen ist mit
den neuen Kriegen verknüpft. Die rüstungstechnologische Überlegenheit der
Drohnen wird als entscheidende Grundlage angesehen, um auch künftig Militär-
interventionen durchführen zu können. Es geht darum, diese mit den für die
Kriegführung benötigten Daten und Informationen zu versorgen. In Friedens-
zeiten bzw. in Vorbereitung von Interventionen eignen sich diese Drohnen auf-
grund ihrer Erfassung von Signalen (z. B. des Telefonverkehrs) für Spionage-
aufgaben. Die Beschaffung von Euro Hawk und diese Art der Drohnenrüstung
insgesamt stehen deswegen in einem engen Zusammenhang mit der sog. Neuaus-
richtung der Bundeswehr. Dies gilt auch für das vergleichbare NATO-System
Global Hawk (Allied Ground Surveillance), das zum einen für Deutschland antei-
lig wenigstens 430 Mio. Euro kostet und zum anderen den gleichen technologi-
schen und finanziellen Risiken ausgesetzt ist wie die Drohne Euro Hawk.

Auch diese Drohnensysteme stehen für den Beginn eines neuen Rüstungswett-
laufs, in dem die bisherigen Aufklärungs- und Spionagesysteme durch neue,
automatisierte Systeme ersetzt werden sollen. Diese Entwicklung ist bedroh-
lich, wenn sie vom Ende her betrachtet wird. Wenn sich mehr und mehr Staaten
solche Spionageflugzeuge zulegen, wird die Welt nicht sicherer, im Gegenteil:
Misstrauen wird erzeugt, Spannungen werden verschärft und die Bereitschaft
zum Waffeneinsatz kann zunehmen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. auf die Beschaffung von bewaffneten unbemannten Luftfahrzeugen (Droh-
nen) und deren Nutzung durch die Bundeswehr zu verzichten;

2. sich international für eine Konvention zur umfassenden Ächtung von be-

waffneten Drohnen einzusetzen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13898

3. dafür Sorge zu tragen, dass völkerrechtswidrige Einsätze von Drohnen bei
der Nutzung von NATO- oder US-Infrastrukturen in Deutschland strikt
unterbleiben und

4. unverzüglich aus dem NATO-Beschaffungsvorhaben Allied Ground
Surveillance (Global Hawk) auszusteigen.

Berlin, den 11. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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