BT-Drucksache 17/13892

Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit gesetzlich regeln, Mindestqualitäten bei Breitbandverträgen sichern und schnelles Internet für alle verwirklichen

Vom 11. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13892
17. Wahlperiode 11. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Martin Dörmann, Lars Klingbeil, Wolfgang Tiefensee,
Hubertus Heil (Peine), Doris Barnett, Klaus Barthel, Ingo Egloff, Siegmund
Ehrmann, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Rolf Hempelmann, Johannes Kahrs,
Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Christine Lambrecht, Aydan Özog˘uz,
Thomas Oppermann, Stefan Rebmann, Gerold Reichenbach, Ulla Schmidt
(Aachen), Dr. Martin Schwanholz, Rita Schwarzelühr-Sutter, Kerstin Tack,
Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Andrea Wicklein, Brigitte Zypries, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit gesetzlich regeln, Mindestqualitäten
bei Breitbandverträgen sichern und schnelles Internet für alle verwirklichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Internet bietet enorme Potentiale für die gesellschaftliche und wirtschaftliche
Entwicklung. Diese gilt es konsequent zu sichern und zu nutzen.

Der Deutsche Bundestag lässt sich netzpolitisch insbesondere von folgenden
Grundsätzen und Zielsetzungen leiten:

– Der Charakter des Internets als freies und offenes Medium muss bewahrt
und gestärkt werden. Jeglicher Form der Diskriminierung im Netz ist ent-
schieden entgegenzutreten. Der Deutsche Bundestag setzt sich im Interesse
der Meinungsvielfalt für ein offenes Internet ohne Zensur der Inhalte ein.

– Die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen an der Informationsgesellschaft setzt
die Möglichkeit voraus, gleichberechtigt im Internet aktiv zu werden und Zu-
gang zu allen Inhalten zu haben.

– Der Deutsche Bundestag will eine funktions- und leistungsfähige Netzinfra-
struktur für alle, attraktive und stabile Dienste sowie Innovationen, die den
persönlichen und ökonomischen Nutzen mehren.

– Ein fairer Wettbewerb ist Voraussetzung für eine dynamische Entwicklung
des Internets und dort genutzter Dienste.

1. Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit gesetzlich regeln
Zur Erreichung dieser Ziele ist die Gewährleistung von Netzneutralität von zen-
traler Bedeutung, also die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete im
Internet, die nicht wegen Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel dis-
kriminiert werden dürfen. Auf Grundlage der Neutralität der Netzinfrastruktur zu
den von ihr transportierten Inhalten hat sich das Internet als Innovationsmotor für
die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung erwiesen. Durch einen
neutralen Datentransport bestehen geringe Marktzugangsbarrieren, weil neue

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Dienste und Anwendungen einfach im Netz angeboten und leicht von den Nut-
zern abgerufen werden können.

Herausforderungen im Hinblick auf die technologische Entwicklung der Netz-
und Telekommunikationsinfrastruktur und Nutzung von neuen Diensten muss
angemessen und unter Wahrung der Netzneutralität begegnet werden.

Das Wachstum der im Internet nachgefragten Dienste und Bandbreiten ist un-
gebremst stark. Dies liegt sowohl an der wachsenden Zahl der Nutzer als auch
an der Zunahme von Anwendungen, die auf dem Internetprotokoll basieren und
hohe Bandbreiten benötigen. Die technische Entwicklung der vergangenen
Jahre hat auch zu einer Veränderung der Angebote im Internet geführt. Insbe-
sondere bandbreitenintensive und zeitkritische Angebote wie Videoportale und
Internettelefonie verzeichnen starke Zuwachsraten. Beim Datentransport kann
es infolge von Diensten, die für sich Priorität im Internet beanspruchen, unter
bestimmten Umständen zu Konflikten mit anderen Diensten, Kapazitätseng-
pässen und damit verbunden zu Verzögerungen kommen, die die Qualität der
Dienste einschränken. Es gibt Anwendungen, bei denen leichte Zeitverzöge-
rungen im Sekundenbereich nicht wesentlich ins Gewicht fallen, wie die Web-
suche und der E-Mail-Verkehr. Hingegen können solche Verzögerungen bei be-
sonders zeit- bzw. qualitätskritischen Diensten wie Internettelefonie, Internet-
fernsehen oder Online-Spielen entscheidende Qualitätsnachteile sein, die den
Nutzen der Anwendung erheblich verschlechtern oder gänzlich in Frage stellen.
Moderne IP-Netze bieten anderseits heute den Netzbetreibern die Möglichkeit,
Nachfrage und knappe Kapazitäten intelligent zu managen, so dass Differenzie-
rungen beim Datentransport technisch möglich sind.

Vor diesem Hintergrund kann intelligentes Netzwerkmanagement im Interesse
der Verbraucherinnen und Verbraucher sein. Es stellt daher nicht zwangsläufig
einen materiellen Verstoß gegen Netzneutralität dar. Dies gilt allerdings nur, so-
weit es um das Ziel geht, die Funktionsfähigkeit der Netze zu sichern oder da-
für zu sorgen, dass zeit- und qualitätskritische Dienste auch in Überlastungs-
situationen in der erforderlichen Qualität bei den Endkunden ankommen.

Das Best-Effort-Internet, wie wir es kennen, darf hierdurch nicht zurückge-
drängt werden. Dessen Kapazität muss auch in Zukunft wachsen und soll nicht
von solchen Diensten abgelöst werden, die vom jeweiligen Infrastrukturanbie-
ter präferiert werden. Verhindert werden muss auch, dass marktbeherrschende
Unternehmen einzelne Anwendungen im Internet aus strategischen Gründen
blockieren oder verzögern. Im Prinzip muss auch weiterhin jeder Inhalt frei im
Netz verbreitet und abgerufen werden können. Diese bestehende Freiheit der
Nutzer und der innovativen Kräfte im Internet ist Garant für dessen dynamische
und wohlfahrtssteigernde Entwicklung und darf nicht aus ökonomischen Inte-
ressen eingeschränkt werden.

Durch eine so umgesetzte Netzneutralität können die Freiheit und die Innova-
tionskraft im Netz verbunden werden.

Zur Sicherung der Netzneutralität ist ein funktionsfähiger Wettbewerb eine wich-
tige Voraussetzung. Zusätzlich bedarf es aber gesetzlicher und regulatorischer
Rahmenbedingungen, um Fehlentwicklungen von vornherein zu verhindern. Die
grundlegenden Prinzipien der Netzneutralität sind verbindlich festzulegen und
Verstöße wirksam zu sanktionieren. Dies dient zugleich der Planungssicherheit
für alle Beteiligten.

Netzneutralität ist auch nach der umfassenden Novellierung des Telekommuni-
kationsgesetzes (TKG) von 2012 nicht klar genug geregelt. Netzneutralität ist
nach wie vor nicht als Regulierungsziel verankert. Mit dem neugeschaffenen
§ 41a TKG wurden sowohl das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-

gie als auch die Bundesnetzagentur lediglich ermächtigt, Schritte zur Wahrung der

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Netzneutralität einzuleiten. Jedoch sind diese Handlungsoptionen leider bislang
ungenutzt, so dass die Bestimmungen ins Leere laufen.

Zur nachhaltigen Sicherung der Netzneutralität sind daher klare gesetzliche
Vorgaben notwendig. Sie sollten sich an folgenden Grundsätzen orientieren:

– Der Wesenskern des Internets, die Freiheit und Offenheit der Kommunikation,
darf beim Transport von Datenpaketen nicht verletzt werden. Alle Internet-
inhalte müssen wie bisher abrufbar bleiben, ebenso muss wie bisher die
Möglichkeit bestehen bleiben, Inhalte im Internet frei anbieten zu können. Un-
bedingt vermieden werden muss eine Entwicklung, die dazu führt, dass prio-
risierte Dienste die Funktionsfähigkeit des nach dem „Best-Effort-Prinzip“
funktionierenden öffentlichen Internets schrittweise verdrängen oder einschrän-
ken. Es darf kein Zweiklasseninternet entstehen, in dem wenige Netzbetreiber
Kontrolle darüber ausüben, welche Inhalte- oder Diensteanbieter beim End-
kunden ankommen.

– Kern der Netzneutralität ist auch weiterhin der Gleichbehandlungsgrundsatz.
Hierfür ist im Telekommunikationsgesetz ein ausdrückliches Diskriminie-
rungsverbot für den Datentransport im Internet aufzunehmen. Das Verlang-
samen, Benachteiligen oder Blockieren von Inhalten, Diensten oder Dienste-
anbietern muss verhindert werden. Auch darf es keine Inhaltekontrolle durch
Netzbetreiber geben.

– Eine an technischen Erfordernissen orientierte Transportklassifizierung kann
der Innovationskraft des Internets dienen und auch den Kundenwünschen fol-
gen, muss allerdings transparent gemacht werden. Eine solche Einteilung und
die mit ihr verbundene unterschiedliche Behandlung von Datenpaketen im
Hinblick auf mögliche Engpässe sind aber nur zulässig, wenn sie sich aus-
schließlich nach den spezifischen technischen Anforderungen der Dienste
hinsichtlich Parametern wie Bandbreite, Verzögerung, Signalschwankung
und Datenverlust richten. Eine inhaltliche Klassifizierung darf nicht erfolgen.

– Den Netzbetreibern müssen eindeutige Informations- und Transparenzver-
pflichtungen auferlegt werden, und zwar sowohl gegenüber dem Endkunden
als auch gegenüber den Diensteanbietern und der Bundesnetzagentur. Behin-
dernde Maßnahmen des Netzwerkmanagements und andere Eingriffe in die
Datenübertragung müssen offengelegt werden. Hierdurch werden Wettbe-
werb und eine öffentliche Kontrolle erst ermöglicht.

– Bei der Wahrung und Durchsetzung der Netzneutralität kommt der Bundes-
netzagentur als Regulierungsbehörde eine besondere Bedeutung zu. Sie kann
effektiv eine Diskriminierung oder Sperrung bestimmter Internetdienste durch
Netzbetreiber verhindern. Dazu sind ihr über die Verfügungsermächtigung
nach § 41a TKG ausreichende Prüf-, Kontroll- und Sanktionsinstrumente an
die Hand zu geben.

– Verbraucherinnen und Verbrauchern sollte ein Sonderkündigungsrecht einge-
räumt werden, falls ihr Anbieter festzulegende Mindeststandards nicht einhält
oder nachhaltig gegen die Netzneutralität verstößt. Das würde nicht nur den
Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern auch einem fairen Wettbewerb
entscheidende Vorteile bringen.

Der Charakter des Internets als grenzüberschreitender Kommunikationsraum ist
zu berücksichtigen. Eine enge Zusammenarbeit und Verständigung auf europä-
ischer und internationaler Ebene und die aktive Mitarbeit in Standardisierungs-
organisationen wie der IETF (Internet Engineering Task Force) sind unerlässlich,
um einheitliche, für alle Beteiligten verbindliche Standards hinsichtlich der Si-
cherung der Netzneutralität und der Behandlung von Datenpaketen zu entwi-
ckeln.

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2. Zugesicherte Mindestqualitäten bei Breitbandverträgen sichern

Die von der Bundesnetzagentur in Auftrag gegebene und kürzlich vorgelegte Stu-
die „Dienstequalität von Breitbandzugängen“ hat gezeigt, dass Breitbandver-
träge für Verbraucherinnen und Verbraucher oft mit „bis zu“-Angaben über mög-
liche Übertragungsgeschwindigkeiten beworben werden, die in der Wirklichkeit
deutlich unterschritten werden. Um die Interessen der Verbraucher zu wahren
und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, sollte die Bundesregierung kurz-
fristig von ihrer in § 45n TKG vorgegebenen Möglichkeit Gebrauch machen,
dem Deutschen Bundestag eine Rechtsverordnung vorzulegen, die Anbieter zu
transparenten Informationen über die Dienstequalität verpflichtet. Darüber hi-
naus sollte das TKG dahingehend ergänzt werden, dass TK-Anbieter zukünftig
Verbrauchern zwingend eine bestimmte Anschlussgeschwindigkeit vertraglich
zusichern müssen und die Kunden ein Sonderkündigungsrecht erhalten, sollte
diese Geschwindigkeit wiederholt nicht eingehalten werden. Die Bundesnetz-
agentur ist anzuhalten, von ihrer Ermächtigung zur Verfügung einer Technischen
Richtlinie Gebrauch zu machen und angemessene Mindestqualitätsstandards für
die Durchleitung von Datenpaketen festzulegen. Hierdurch soll eine Verdrän-
gung des „Best-Effort“-Prinzips verhindert werden.

3. Schnelles Internet für alle flächendeckend verwirklichen

Netzneutralität ist die eine Seite der Teilhabe an unserer Informationsgesellschaft
durch gleichberechtigte Nutzung des Internets. Damit alle Menschen diese Mög-
lichkeit haben, brauchen wir darüber hinaus einen konsequenten Ausbau der
Breitbandnetze, gerade auch in eher ländlichen Räumen. Es gibt immer noch zu
viele, die keinen leistungsfähigen Internetzugang haben. Deshalb muss die flä-
chendeckende Versorgung mit Breitbandinternet entschiedener als bisher voran-
getrieben werden.

Eine moderne digitale Infrastruktur ist unverzichtbar für unsere demokratische
Gesellschaft und eine positive ökonomische Entwicklung in Deutschland. Im
Hinblick auf die Breitbandversorgung bietet Deutschland ein geteiltes Bild. Ei-
nerseits sorgt der Infrastrukturwettbewerb in Großstädten oft für eine Versorgung
mit relativ hohen Bandbreiten von mehr als 30 Mbit/s und teilweise noch weit
darüber hinaus. Und der LTE-Ausbau (LTE = Long Term Evolution) der Mobil-
funkunternehmen bringt mobiles Breitband mit geringerer Bandbreite auch in die
Fläche. Immer noch gibt es aber „weiße Flecken“. Und ganze Regionen drohen
auch nach der von einzelnen Unternehmen angekündigten Nutzung der neuen
„Vectoring“-Technologie im Festnetzbereich dauerhaft von hohen Bandbreiten
ausgeschlossen zu bleiben. Sämtliche von der Bundesregierung in ihrer Breit-
bandstrategie angepeilten Ziele werden ohne zusätzliche Maßnahmen verfehlt.
Die weitgehende Passivität der Bundesregierung beim Breitbandausbau rächt
sich nun.

Es darf nicht sein, dass viele Menschen in ländlichen Regionen von der Teilhabe
am technologischen Fortschritt abgehängt werden. Schnelles Internet für alle flä-
chendeckend zu ermöglichen, muss höchste Priorität haben – nicht zuletzt, um
eine digitale Spaltung unserer Gesellschaft zu vermeiden bzw. zu überwinden.
Eine Vielzahl von Maßnahmen ist nötig, um zusätzliche Impulse für den weiteren
Ausbau von Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen zu setzen. Der Breitbandaus-
bau in Deutschland muss konsequenter als bisher vorangetrieben werden, um im
Rahmen der kommunikativen und medialen Daseinsvorsorge zeitnah eine flä-
chendeckende Grundversorgung sicherzustellen. Darüber hinaus muss eine dy-
namische Entwicklung ermöglicht werden, die den zunehmenden Bedarf an Band-
breiten berücksichtigt und eine digitale Spaltung zwischen Ballungszentren und
ländlichen Räumen vermeidet.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13892

Beim kostenintensiven Ausbau der Breitbandnetze ist grundsätzlich auf wettbe-
werbliche Lösungen zu setzen. Diese müssen jedoch flankiert werden durch re-
gulatorische und staatliche Rahmenbedingungen, die Synergiepotentiale aufgrei-
fen, Funkfrequenzen effizient nutzen und notwendige Investitionsanreize setzen.
Für den Fall, dass durch wettbewerbliche Lösungen eine Breitbandgrundver-
sorgung nicht zeitnah erfolgt, sollte diese durch eine gesetzliche Universal-
dienstverpflichtung sichergestellt werden, wie sie der europäische Rechtsrahmen
bereits heute ermöglicht. Ohne Wettbewerbsverzerrungen zu verursachen, soll
hierfür im Telekommunikationsgesetz eine europarechtskonform ermittelte kon-
krete Bandbreite festgelegt werden, die den/die Nutzer/-in in die Lage versetzt,
die heute mehrheitlich üblichen Internetanwendungen in ausreichender Qualität
zu nutzen.

Über die so beschriebene Grundversorgung hinaus brauchen wir eine dyna-
mische Entwicklung beim Breitbandausbau. Um hohe Bandbreiten jenseits von
50 Mbit/s zu realisieren, ist insbesondere der weitere Ausbau von leitungsgebun-
denen Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen notwendig, insbesondere auch
von Glasfasernetzen. Der Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandnetze in ganz
Deutschland erfordert hohe Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe. Dies
können derzeit weder Einzelunternehmen noch öffentliche Haushalte aufbrin-
gen. Es ist zu beobachten, dass Marktlösungen an Grenzen stoßen. Während es
in Ballungsräumen bereits hohe Bandbreiten von mehreren Anbietern gibt, sind
ländliche Regionen oft noch unterversorgt. Wir setzen uns dafür ein, dass die
Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass in einem funktionierenden Wett-
bewerbsumfeld viele Unternehmen in eine qualitative Aufwertung der Daten-
netze investieren und die Verwirklichung des Hochgeschwindigkeits-Breitband-
ausbaus schrittweise umgesetzt werden kann.

Die staatlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen müssen so gesetzt wer-
den, dass private Investitionen möglichst schnell und umfassend erfolgen und das
Ziel des flächendeckenden Breitbandausbaus mit hohen Bandbreiten in ange-
messener Zeit erreicht wird. Synergieeffekte müssen konsequent genutzt und
Rechts- und Planungssicherheit durch eine innovations- und investitionsfreund-
liche Regulierung geschaffen werden.

Zusätzliche private Investitionen müssen durch eine abgestimmte Förderpolitik
initiiert werden, die Mitnahmeeffekte vermeidet und den größtmöglichen Hebel-
effekt für Unternehmensinvestitionen setzt. Bestehende Förderprogramme müs-
sen sinnvoll aufgestockt und zielgenauer als bisher ausgestaltet werden. Dem
Netzausbau in unterversorgten Gebieten ist besondere Bedeutung beizumessen.
Auch eine Förderung des Highspeed-Breitbandausbaus ist vorzusehen. Durch ein
neues Sonderfinanzierungsprogramm bei der KfW Bankengruppe zur Zinsver-
billigung könnten zusätzliche Breitbandinvestitionen angestoßen werden. Auch
über „Breitbandfonds“, in die sowohl institutionelle Anleger als auch Bürgerin-
nen und Bürger investieren können, könnten zusätzliche Gelder mobilisiert wer-
den. Denkbar wäre beispielsweise ein Modell, das Einzahlungen mit einem Auf-
schlag über den derzeitigen Sparzinsen verzinst.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG)
vorzulegen, der die Aufnahme wirksamer Regelungen zur nachhaltigen Si-
cherung der Netzneutralität und von Mindestqualitäten bei Breitbandverträ-
gen vorsieht, insbesondere:

– die Gewährleistung von Netzneutralität als eines der Regulierungsziele im
TKG verbindlich zu regeln. Insbesondere sollen die Netzneutralität und die
damit verbundenen niedrigen Marktzugangsschranken die Vielfalt von

Inhalten, Diensten und Diensteanbietern fördern, die wiederum der Mei-
nungs- und Wirtschaftsfreiheit und dem technischen Fortschritt dient; in

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der Sache geht es darum, das Verlangsamen, Benachteiligen oder Blockie-
ren von Inhalten, Diensten oder Diensteanbietern ohne hinreichenden sach-
lichen Grund zu verhindern. Vorsätzliche Verstöße gegen die Netzneutra-
lität sind mit Sanktionsinstrumenten zu ahnden;

– den Begriff der Netzneutralität im Sinne einer grundsätzlichen Gleichbe-
handlung und Diskriminierungsfreiheit bei der Durchleitung von Daten-
paketen unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel
zu definieren;

– das Prinzip zu sichern, dass jeder Nutzer von Internetdiensten grundsätzlich
Zugang zu jedem Inhalt bzw. jedem Dienst im Internet haben muss bzw. dass
grundsätzlich jeder Inhalte und Anwendungen im Internet anbieten kann;

– Mobilfunk und Festnetz in der Frage der Netzneutralität gleichzubehan-
deln, sofern nicht zwingende technische Gründe ein unterschiedliches
Netzwerkmanagement rechtfertigen;

– ein grundsätzliches Diskriminierungsverbot für die Durchleitung von Da-
ten im Internet aufzunehmen, insbesondere um Wettbewerbsbehinderun-
gen durch Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu verhindern; eine
Inhaltekontrolle durch Netzbetreiber darf grundsätzlich nicht erfolgen.
Sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung im Datentransport im In-
ternet kann beispielsweise Netzwerkmanagement sein, sofern dieses dem
Ziel dient, die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Netze zu sichern oder
dafür zu sorgen, dass zeit- und qualitätskritische Dienste in der erforder-
lichen Qualität in Bezug auf Parameter wie Bandbreite, Verzögerung, Sig-
nalschwankung und Datenverlust bei den Nutzern ankommen;

– die Bundesnetzagentur anzuhalten, die Einhaltung der Netzneutralität zu
sichern und ihr hierfür unter Berücksichtigung des europäischen Rechts-
rahmens ausreichende Kontrollinstrumente an die Hand zu geben, um Ver-
stößen effektiv entgegenzuwirken;

– die Bundesnetzagentur anzuhalten, angemessene Mindestqualitätsstandards
für die Durchleitung von Datenpaketen festzulegen, um eine ausreichende
„Best-Effort“-Qualität im Internet zu sichern, Diensteanbieter und Ver-
braucher zu schützen und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten; für
den Fall einer über unwesentliche Einzelfälle hinausgehenden grundsätz-
lichen Gefährdung der Netzneutralität ist die Bundesnetzagentur zu einem
entsprechenden Vorgehen zu verpflichten;

– Informations- und Transparenzverpflichtungen der Netzbetreiber gegen-
über der Bundesnetzagentur sowie Marktbeteiligten (insbesondere Dienste-
anbietern und Verbraucherinnen und Verbrauchern) festzulegen, um so die
notwendigen Informationen über Maßnahmen des Netzwerkmanagements
und andere Eingriffe in die Datenübertragung sicherzustellen;

– Vorschriften hinsichtlich der Qualität und Transparenz von Diensten auf-
zunehmen, um eine bessere Kosten- und Qualitätskontrolle zu ermögli-
chen; hierbei ist eine verpflichtende vertragliche Zusicherung einer in der
Regel tatsächlich erreichten Mindestgeschwindigkeit durch Breitbandan-
bieter im Festnetz vorzusehen; dies dient der Abgrenzung zu der theoretisch
erzielbaren maximalen Downloadrate, die beworben aber oftmals gerade
nicht erreicht wird;

– Kunden ein Sonderkündigungsrecht einzuräumen, falls

• die vertraglich zugesicherten Mindestgeschwindigkeiten wiederholt nicht
eingehalten werden;

• ihr Anbieter nach Feststellung eines erheblichen Verstoßes gegen Netz-

neutralität durch die Bundesnetzagentur diesen nicht unverzüglich ab-
stellt und der Kunde direkt davon betroffen ist;

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2. die Bundesnetzagentur zu beauftragen, einen jährlichen Bericht an den Deut-
schen Bundestag zum Stand der Netzneutralität in Deutschland zu erstellen;
darin aufzunehmen sind insbesondere Aussagen

– über die Anzahl und Behandlung festgestellter Verstöße gegen Netzneu-
tralität,

– über die Qualität des Netzes, auch im Hinblick auf mögliche Kapazitäts-
engpässe und ggf. empfohlene Maßnahmen zu deren Überwindung,

– über die Sicherung von „Best Effort“ und Mindestqualitäten sowie

– darüber, welchen Stellenwert Transport- und Diensteklassen haben oder
haben können und mit welchen Folgen diese verbunden sind oder wären;

3. auf europäischer und internationaler Ebene darauf hinzuwirken, dass die Prin-
zipien der Netzneutralität in supranationalem Recht verankert werden, unter
anderem durch international verbindliche Regeln;

4. entschiedener als bisher eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur flächen-
deckend voranzutreiben, um auch auf diese Weise allen eine gleichberechtigte
Teilhabe an der Informationsgesellschaft zu ermöglichen.

Zu dem hierfür notwendigen Maßnamenmix zählen insbesondere

– die Absicherung der Breitbandgrundversorgung durch eine gesetzliche Uni-
versaldienstverpflichtung,

– die Initiierung zusätzlicher privater Investitionen von Telekommunikations-
unternehmen in den wettbewerblichen Ausbau von leitungsgebundener
Hochgeschwindigkeits-Breitbandinfrastruktur durch konsequente Ermög-
lichung von Synergieeffekten, einen investitions- und innovationsfreund-
lichen Regulierungsrahmen sowie

– ergänzend dort, wo große Wirtschaftlichkeitslücken bleiben, intelligente
Förderprogramme von Bund, Ländern und der EU, die Mitnahmeeffekte
vermeiden und einen optimalen Hebeleffekt für private Investitionen ha-
ben. Dazu zählen auch ein zusätzliches KfW-Sonderprogramm sowie die
Schaffung von besonders verzinsten „Bürgerfonds“ für den Breitbandaus-
bau.

Berlin, den 11. Juni 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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