BT-Drucksache 17/13853

Erfahrungen und Schlussfolgerungen nach 18 Monaten Bundeskinderschutzgesetz - Erfahrungen und Schlussfolgerungen - Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen

Vom 7. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13853
17. Wahlperiode 07. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Klaus
Ernst, Katja Kipping, Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Kathrin Vogler, Harald
Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Erfahrungen und Schlussfolgerungen nach 18 Monaten Bundeskinderschutz-
gesetz – Erfahrungen und Schlussfolgerungen – Netzwerke Frühe Hilfen
und Familienhebammen

Zum 1. Januar 2012 trat nach mehreren Anläufen und mehrjähriger Diskussion
das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) in Kraft. Es legt mit der projektbezo-
genen Finanzierung „Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familien-
hebammen“ einen bedeutenden Fokus auf die frühen Hilfen. Diese Bundes-
initiative soll in einem breiten Netzwerk unterschiedlicher gesellschaftlicher
Akteure zum Tragen kommen.

Eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern regelt die Auftei-
lung der Aufgaben und Bundeshaushaltsmittel. Letztere umfassen 2012 30 Mio.
Euro, 2013 45 Mio. Euro und 2014 und 2015 je 51 Mio. Euro. Die Bundeshaus-
haltsmittel sind aber nicht so bemessen, dass alle Familien Zugang zu den Netz-
werken Frühe Hilfen und den Familienhebammen haben. Von vorneherein
war eine Fokussierung auf – in der Debatte um das BKiSchG – so bezeichnete
Problemfamilien gelegt. Damit wurden Familien gemeint, die vor allem durch
Armut und Bildungsferne auffallen. Somit wurde eine Leistung eingeführt, die
nur einem geringen Teil der Familien zukommt und somit eine stigmatisierende
Wirkung befördert. Und dies, obwohl in der Fachwelt bekannt ist, dass Probleme
in Familien nicht alleine von der sozialen Lage abhängig sind und weitaus mehr
Familien diese gute Unterstützung hilfreich sein könnte.

Neben dieser Schwachstelle muss die generelle Situation in der Kinder- und
Jugendhilfe beachtet werden, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Netzwerke
Frühe Hilfen und Familienhebammen von Bedeutung ist. So wurde im Rahmen
der Debatte um das BKiSchG angemerkt, dass die Wirksamkeit des Gesetzes von
den organisatorischen und fachlichen Rahmenbedingungen vor Ort abhängig ist.
„Bei all den Aktivitäten des Gesetzgebers darf nicht aus dem Blick geraten, dass
die Rechtsgrundlagen ein wichtiger Baustein für einen besseren Kinderschutz
sind, letztlich entscheidend sind aber die organisatorischen und fachlichen Rah-
menbedingungen vor Ort – in erster Linie die Personalausstattung in den Jugend-

ämtern.“ (Reinhard Wiesner: Der Kinderschutz auf der Agenda des Bundes-
gesetzgebers, ZKJ 10/2011, S. 377). Neben fachlichen Aspekten ist für erfolg-
reichen Kinderschutz die Personalausstattung der Jugendämter vor Ort aus-
schlaggebend, welche wiederum von der finanziellen Situation der Kommunen
abhängig ist. Nicht nur deswegen forderten viele Verbände eine Einbettung der
Familienhebammen in den Regelkatalog des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
(SGB V).

Drucksache 17/13853 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auf die Kommunen entfallen aber im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe be-
reits anderweitige massive finanzielle Verpflichtungen. Sie müssen ab 1. Au-
gust 2013 den Rechtsanspruch auf einen Betreuungs- und Frühförderungsplatz
von Kindern unter drei Jahren sicherstellen. Seit Jahren ist eine Mittelum-
schichtung in der Kinder- und Jugendhilfe zu Lasten der größeren Kinder und
Jugendlichen zu beobachten. Die Ausgaben für Einzelfallhilfen sind stark ange-
wachsen. Die Auswirkungen dieser Umverteilungen und politisch gewollten
Schwerpunktsetzungen auf Förderung in den Netzwerken Frühe Hilfen und
Kinderbetreuung sowie die verpflichtenden Ausgaben in der Einzelfallhilfe auf
die anderen Gebiete der Kinder- und Jugendhilfe und deren Auswirkung auf
den Kinderschutz sind noch nicht untersucht. Das Wegbrechen von Strukturen
der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit hingegen lässt sich vielerorts beobach-
ten. Während auf der einen Seite Kinderschutz strukturell gestärkt wird, ist auf
der anderen Seite eine strukturelle Schwächung von Institutionen, in denen
Kinderschutz praktiziert wird, zu beobachten. Wirksamer Kinderschutz muss
aber mehrdimensional umgesetzt werden.

Nicht nur deswegen forderten vor allem eine Vielzahl der Verbände eine Ein-
bettung der Familienhebammen in den Regelkatalog des SGB V. Eine Regel-
leistung im SGB V würde darüber hinaus eine Versorgung aller Familien
sicherstellen.

Das BKiSchG ist nunmehr 18 Monate alt, die Verwaltungsvereinbarung zu der
Bundesinitiative Frühe Hilfen und Familienhebammen trat vor zwölf Monaten
in Kraft.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Haben die Länder die ihnen nach der Verwaltungsvereinbarung „Bundes-
initiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen“ zustehenden
Bundeshaushaltsmittel im Jahr 2012 ausgeschöpft (bitte nach Bundeslän-
dern und Höhe der Haushaltsmittel aufschlüsseln)?

2. Werden die Länder die ihnen nach der Verwaltungsvereinbarung „Bundes-
initiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen“ zustehenden
Bundeshaushaltsmittel im Jahr 2013 ausschöpfen (bitte nach Bundesländern
und Höhe der bisher beantragten Haushaltsmittel aufschlüsseln)?

3. Sind der Bundesregierung Probleme beim Aufbau der Netzwerke Frühe
Hilfen und Familienhebammen bekannt, und wenn ja, welche?

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

4. Können die Länder nach Kenntnis der Bundesregierung einen flächen-
deckenden Ausbau der Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen
sicherstellen?

Wenn nein, warum nicht, und wo befinden sich die Lücken?

5. Welche einheitlichen Richtlinien bzw. Vorgaben gibt es seitens des Bundes
zur Umsetzung der „Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familien-
hebammen“, insbesondere im Bereich der Familienhebammen und zu deren
Implementierung in den Kinderschutznetzwerken?

6. Erfüllen alle Landesverwaltungen nach Kenntnis der Bundesregierung die
Vorgaben zur Umsetzung der Bundesinitiative und haben entsprechende
Richtlinien zur Umsetzung durch die örtlichen Träger der Jugendhilfe erlas-
sen?

Wie erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung die Umsetzung dieser
Richtlinien in den Ländern, und wie wird die Umsetzung dieser Richtlinien

kontrolliert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13853

7. Wie viele Familien werden mit der „Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hil-
fen und Familienhebammen“ zusätzlich erreicht und durch diese innerhalb
der ersten Lebensmonate ihrer neugeborenen Kinder unterstützt (bitte nach
Bundesländern und im Verhältnis zu allen Familien mit Neugeborenen auf-
schlüsseln)?

8. Wie viele Familien werden insgesamt im Rahmen der bereits vorhandenen
Strukturen und der Bundesinitiative erreicht und durch diese innerhalb der
ersten Lebensmonate ihrer neugeborenen Kinder unterstützt (bitte nach
Bundesländern und im Verhältnis zu allen Familien mit Neugeborenen auf-
schlüsseln)?

9. Wie viele der Familien benötigen über diesen Zeitraum hinaus Unterstüt-
zung (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

Kann diese Unterstützung flächendeckend sichergestellt werden?

Sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf (bitte begründen)?

10. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung die neuen zusätzlichen Ange-
bote von den betroffenen Familien angenommen?

Wenn nein, warum nicht?

Auf welchen Erhebungen beruhen diese Kenntnisse?

11. Wie verteilt sich die Förderung der Bundesinitiative auf die unterschied-
lichen Fördergebiete nach Artikel 2 Absatz 3 bis 6 der Verwaltungsverein-
barung zwischen Bund und Länder (Netzwerke mit Zuständigkeit für Frühe
Hilfen, Einsatz von Familienhebammen und vergleichbaren Berufsgruppen,
Ehrenamtsstrukturen und in diesen Strukturen eingebundene Ehrenamtliche
im Kontext Früher Hilfen sowie weitere zusätzliche Maßnahmen – bitte
nach Bundesländern aufschlüsseln)?

12. Haben alle Bundesländer Koordinierungsstellen gemäß Artikel 5 der Ver-
waltungsvereinbarung für Qualifizierung, Qualitätsentwicklung und Quali-
tätssicherung in den einzelnen Förderbereichen nach Artikel 2 der Verwal-
tungsvereinbarung und für den länderübergreifenden fachlichen Austausch
einschließlich des Vollzuges dieser Verwaltungsvereinbarung sowie die
Beratung der Kommunen eingerichtet?

Wenn nein, warum nicht?

13. Hat die Koordinierungsstelle des Bundes gemäß Artikel 6 der Verwaltungs-
vereinbarung ihre Arbeit aufgenommen, und womit hat sie sich bislang
schwerpunktmäßig beschäftigt?

14. Wann ist die Steuerungsgruppe gemäß Artikel 7 der Verwaltungsvereinba-
rung erstmalig zusammengekommen, womit hat sie sich bislang schwer-
punktmäßig beschäftigt, und was sind die wesentlichen Ergebnisse?

15. Strebt die Bundesregierung eine Weiterentwicklung der Familienhebam-
men und eine damit verbundene Aufnahme in den Regelkatalog des
SGB V an, und wenn nein, warum nicht (bitte begründen)?

Berlin, den 7. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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