BT-Drucksache 17/13838

Voraussetzungen für die Zustimmung der Bundesregierung zur Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien

Vom 7. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13838
17. Wahlperiode 07. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Manuel Sarrazin, Volker Beck
(Köln), Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz,
Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Voraussetzungen für die Zustimmung der Bundesregierung zur Aufnahme
von EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien

Seit der Thessaloniki-Erklärung von 2003 ist klar: das Ziel der Europäischen
Union ist die Integration aller Staaten des so genannten westlichen Balkans als
Mitgliedstaaten in die Europäische Union (EU). Das gilt auch für Serbien.
Serbien ist seit dem 1. März 2012 Beitrittskandidat der Europäischen Union. Für
die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Serbien ist neben innenpoliti-
schen Fortschritten – u. a. bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter
Kriminalität sowie in den Bereichen Justiz und Pressefreiheit – eine nachhaltige
Verbesserung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo Voraussetzung.
Eine entsprechende Forderung des Rats für Allgemeine Angelegenheit vom
11. Dezember 2012 billigte der Europäische Rat am 14. Dezember 2012. Unter
Berücksichtigung des Prinzips gutnachbarschaftlicher Beziehungen solle ge-
währleistet werden, dass die europäische Perspektive beider Länder nicht beein-
trächtigt werden und keine der beiden Seiten die entsprechenden Bemühungen
der jeweils anderen blockieren kann. Der Rat forderte in diesem Zusammenhang
die unumkehrbare Schaffung von Strukturen im mehrheitlich von Serbinnen und
Serben bewohnten Nordkosovo, die das Funktionieren einer einheitlichen Ver-
fassungs- und Verwaltungsordnung innerhalb des Kosovos sicherstellen. Zudem
soll der europäischen Rechtsstaatsmission EULEX in Zusammenarbeit mit der
kosovarischen Polizei die volle Bewegungsfreiheit innerhalb Nordkosovos zur
Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit ermöglicht werden. Diese Forderungen
setzen den Abbau der unrechtmäßigen serbischen Parallelstrukturen in Nord-
kosovo beziehungsweise deren teilweise Überführung in kosovarische Struk-
turen voraus.

Am 19. April 2013 vereinbarten Serbien und Kosovo ein erstes Abkommen
über Grundlagen der Normalisierung ihrer Beziehungen, das den Abbau der un-
rechtmäßigen serbischen Parallelstrukturen in Nordkosovo und deren teilweise
Eingliederung in den kosovarischen Staat vorsieht. Am 26. Mai 2013 einigten

sich beide Seiten auf einen Plan zur Implementierung des Abkommens vom
19. April 2013.

Der Europäische Rat könnte am 27. und 28. Juni 2013 über die Aufnahme von
Beitrittsverhandlungen mit Serbien entscheiden. Die Entscheidung wird auf der
Grundlage der Bewertung zu fällen sein, ob die bis dahin unternommenen
Schritte zum Abbau der serbischen Parallelstrukturen und ihre teilweise Ein-

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gliederung in den kosovarischen Staat derart weitreichend sind, dass zurecht
von einer unumkehrbaren Entwicklung gesprochen werden kann.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung die erfolgte Einigung auf den vorliegenden Im-
plementierungsplan als einen ausreichenden Schritt im Sinne einer un-
umkehrbaren Entwicklung an, um Beitrittsverhandlungen mit Serbien zu-
stimmen zu können?

2. Welche der im Implementierungsplan genannten Schritte müssen nach An-
sicht der Bundesregierung bis zum Rat am 27. und 28. Juni 2013 begonnen
und welche Schritte müssen bereits erfolgt sein, um Beitrittsverhandlungen
zustimmen zu können?

3. Muss nach Ansicht der Bundesregierung die serbische Regierung bis zum
Rat im Juni 2013 ihre Finanzierung der Parallelstrukturen in Nordkosovo
vollständig offen gelegt haben, oder ist eine teilweise Offenlegung ausrei-
chend, um Beitrittsverhandlungen mit Serbien zustimmen zu können?

4. Muss nach Ansicht der Bundesregierung die serbische Regierung bis zum
Rat im Juni 2013 ihre Finanzierung der Parallelstrukturen in Nordkosovo
bereits komplett eingestellt haben, um Beitrittsverhandlungen mit Serbien
zustimmen zu können, oder ist es aus Sicht der Bundesregierung ausrei-
chend, wenn dieser Prozess eingeleitet wurde?

Welchen Anforderung müsste dieser Prozess aus Sicht der Bundesregie-
rung genügen?

5. Muss nach Ansicht der Bundesregierung bis zum Rat im Juni 2013 eine
Leitungsgruppe zur Bildung einer Versammlung oder Gemeinschaft der
mehrheitlich serbischen Gemeinden gebildet sein und ein Entwurf für eine
Satzung der zu bildenden Versammlung oder Gemeinschaft vorliegen, um
Beitrittsverhandlungen zustimmen zu können?

6. Muss nach Ansicht der Bundesregierung bis zum Rat im Juni 2013 eine ser-
bische Polizeikommandeurin/ein serbischer Polizeikommandeur für die
Sicherheitskräfte im Nordkosovo vom kosovarischen Innenministerium er-
nannt worden sein, um Beitrittsverhandlungen mit Serbien zustimmen zu
können?

7. Müssen nach Ansicht der Bundesregierung bis zum Rat im Juni 2013 die
Angestellten der Sicherheitskräfte der Parallelstrukturen benannt sein, die
eine Übernahme in kosovarische Strukturen anstreben, um Beitrittsverhand-
lungen mit Serbien zustimmen zu können?

8. Welche Schritte zur Beendigung von Gehaltszahlungen an Polizeikräfte in
Nordkosovo erwartet die Bundesregierung von Serbien bis zum Rat im
Juni 2013, um Beitrittsverhandlungen mit Serbien zustimmen zu können?

9. Muss nach Ansicht der Bundesregierung die Entwaffnung von serbischen
Paramilitärs und Geheimdienstkräften und die Schließung ihrer Einrichtun-
gen in Nordkosovo bis zum Rat im Juni 2013 begonnen oder aber abgeschlos-
sen sein, um Beitrittsverhandlungen mit Serbien zustimmen zu können?

10. Müssen nach Ansicht der Bundesregierung die Straßenblockaden in Nord-
kosovo und insbesondere auf der zentralen Ibar-Brücke in Mitrovica bis
zum Rat im Juni 2013 abgebaut sein, um Beitrittsverhandlungen mit Ser-
bien zustimmen zu können?

11. Muss nach Ansicht der Bundesregierung bis zum Rat im Juni 2013 kosova-

risches Zollpersonal ungehindert auf dem Landweg durch Nordkosovo zu

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13838

den betroffenen Grenzübergängen gelangen können, um Beitrittsverhand-
lungen mit Serbien zustimmen zu können?

12. Müssen nach Ansicht der Bundesregierung bis zum Rat im Juni 2013 die
Angestellten des Justizapparats der Parallelstrukturen benannt sein, die
eine Übernahme in kosovarische Strukturen anstreben, um Beitrittsver-
handlungen mit Serbien zustimmen zu können?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die Bereitschaft der serbischen Regie-
rung zu gutnachbarschaftlichen Beziehungen und damit die Reife für Bei-
trittsverhandlungen, nachdem Serbien im Falle der Teilnahme Kosovos am
für den 1. und 2. Juni 2013 im mazedonischen Ohrid geplanten Balkangipfel
mit Boykott gedroht hatte und damit mitverantwortlich für die Absage des
Gipfels war?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherige serbische Bereitschaft, die
im Dialogprozess mit Kosovo erreichten Vereinbarungen umzusetzen, ins-
besondere hinsichtlich der

a) Abschrift und Übergabe von Grundbüchern,

b) Einrichtung des Integrated Boarder Managements und

c) Einrichtung von Verbindungsbüros in den EU-Delegationen des jeweils
anderen Landes?

15. Wie wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass im Falle der Auf-
nahme von Beitrittsverhandlungen mit Serbien etwaig unternommene
Schritte zur Normalisierung der Beziehungen fortgesetzt werden und
sichergestellt ist, dass keines der beiden Länder die EU-Perspektive des
jeweils anderen blockieren kann?

16. Wie steht die Bundesregierung zu Überlegungen, Beitrittsverhandlungen
mit Serbien zuzustimmen, den datierten Beginn von Verhandlungen jedoch
davon abhängig zu machen, ob bis zu diesem Zeitpunkt konkret benannte
Maßnahmen zur Umsetzung des Abkommens zwischen Serbien und Kosovo
erfolgt sind?

17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung der
serbischen Zivilgesellschaft bei der Formulierung des serbischen Verhand-
lungsmandats für die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Kom-
mission?

Wie setzt sich die Bundesregierung für die Beteiligung der serbischen Zivil-
gesellschaft ein?

18. Welche Rolle werden nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Kapi-
tel 23, 24 und 30 in den Beitrittsverhandlungen spielen?

Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass diese Kapitel von An-
fang an verhandelt werden?

Berlin, den 7. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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