BT-Drucksache 17/13819

Tötung eines deutschen Staatsangehörigen durch Drohnen mutmaßlich der US-Armee im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet

Vom 5. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13819
17. Wahlperiode 05. 06. 2013

Kleine Anfrage
des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Tötung eines deutschen Staatsangehörigen durch Drohnen mutmaßlich
der US-Armee im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet

Bei einem US-Raketenangriff auf ein Trainingslager von mutmaßlichen
islamistischen Extremisten in der Region Hurmuz im Stammesgebiet Nord-
Waziristan im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet sollen am 10. Oktober
2012 mehrere Menschen ums Leben gekommen sein. Unter den getöteten
Personen soll sich nach Medienberichten auch eine aus Nordrhein-Westfalen
stammende Person befunden haben (vgl. welt.de vom 11. April 2013, http://
investigativ.welt.de/2013/04/11/der-dschihadist-aus-setterich/). Der tödliche An-
griff erfolgte offenbar durch eine US-Drohne und soll mutmaßlichen Anhängern
bewaffneter islamischer Gruppen gegolten haben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit und über welche Kanäle bemüht sich die Bundesregierung,
genauere Kenntnisse über die Tötung des aus Deutschland stammenden
Bürgers A. B. bei einem Drohnen-Angriff in Hurmuz (Nord-Waziristan) am
10. Oktober 2012 zu bekommen?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bislang über die Anzahl und
Identität der bei dem Raketenangriff am 10. Oktober 2012 getöteten Perso-
nen?

a) Wie viele Personen wurden insgesamt bei dem Angriff getötet?

b) Inwieweit wurde die Identität aller bei dem Angriff getöteten Personen
bislang festgestellt?

c) Wie viele der getöteten Personen hatten die deutsche Staatsangehörig-
keit?

d) Wurden bei dem Angriff auch Personen getötet, die zuvor ihren recht-
mäßigen Aufenthalt in Deutschland hatten, um wie viele Personen han-
delt es sich, und über welche Aufenthaltstitel verfügten sie?

e) Welche Staatsangehörigkeit hatten die übrigen getöteten Personen?
3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung des am
10. Oktober 2012 getöteten deutschen Bürgers (bzw. derjenigen mit Aufent-
haltsstatus in Deutschland) an Aktivitäten bewaffneter islamischer Gruppen
in Afghanistan oder Pakistan?

Drucksache 17/13819 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Inwieweit standen die aus Deutschland stammenden getöteten Personen
vor ihrer Abreise nach Pakistan unter Beobachtung deutscher Sicher-
heitsbehörden?

b) Inwieweit war die Bundesregierung darüber informiert, ob sich die aus
Deutschland stammenden getöteten Personen in den Kreisen bewaffneter
islamischer Gruppen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet aufhiel-
ten, und woher stammen diese Informationen?

c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung der
getöteten Personen an Anschlägen oder sonstigen bewaffneten Aktionen
in Afghanistan oder Pakistan, und woher stammen diese Erkenntnisse?

d) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Anschlags-
planungen der getöteten Personen in Europa, und woher stammen diese
Erkenntnisse?

e) Inwieweit haben US-Behörden die Bundesregierung im Vorfeld über eine
mögliche Tötung deutscher Bürger informiert?

f) Inwieweit war die Bundesregierung über andere Quellen – wie ihre eige-
nen Nachrichtendienste – über eine geplante Tötung der deutschen Bürger
informiert?

4. a) Welche US-Dienststelle hat nach Kenntnis der Bundesregierung den
Raketenangriff befohlen?

b) Welche militärischen und geheimdienstlichen Stellen waren nach Kennt-
nis der Bundesregierung an der Vorbereitung des Angriffs beteiligt?

5. Hat die Bundesregierung ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren der Bun-
desanwaltschaft gegen die Verantwortlichen für die Tötung der deutschen
Bürger durch einen Raketenangriff angeregt, oder gedenkt sie, ein solches
Verfahren anzuregen?

a) Wenn ja, inwieweit sind bundesdeutsche Behörden an der Spurensiche-
rung vor Ort und der Obduktion der Leichen beteiligt?

b) Wenn nein, warum nicht?

6. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ihre Reaktionen
nach Bekanntwerden der Tötung mutmaßlicher deutscher Bürger bei einem
US-Angriff in Pakistan ihrer Verpflichtung zur Obhuts- und Rechtsschutz-
gewährung gegenüber den eigenen Bürgern genügten?

a) Wann und auf welche Weise hat die Bundesregierung von der Tötung
mutmaßlicher deutscher Bürger Kenntnis bekommen?

b) Welche politischen und diplomatischen Schritte wurden zu welchem
Zeitpunkt nach Bekanntwerden dieses Vorfalls von der Bundesregierung
gegenüber den USA eingeleitet?

c) Welche öffentlichen Erklärungen und Reaktionen der Bundesregierung
gab es nach Bekanntwerden des Vorfalls (bitte mit detaillierten Angaben
nach Tag und Zeitpunkt)?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung generell das Mittel gezielter Tötung mut-
maßlicher Anhänger bewaffneter islamischer Gruppen durch die USA?

a) Inwieweit ist die Bundesregierung der Meinung, dass allein die Präsenz
bzw. Ausbildung in einem Camp der islamischen Guerilla im pakistanisch-
afghanischen Grenzgebiet eine gezielte Tötung rechtfertigt?

b) Welche möglichen Proteste gegen die gezielten Tötungsoperationen des
US-Geheimdienstes gab es bislang von Seiten der Bundesregierung ge-

genüber US-Behörden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13819

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Tötung deutscher Staatsbürger ggf.
durch die USA auf pakistanischem Territorium unter Aspekten des nationa-
len deutschen und des Völkerrechts?

a) Welche politischen und diplomatischen Konsequenzen leitet die Bundes-
regierung aus der Tötung deutscher Staatsbürger ggf. durch den US-
Geheimdienst in einem Drittland ab?

b) Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, möglichen Überlebenden des
Angriffs oder den Angehörigen der getöteten Personen Rechtsbeistände
zur Seite zu Stellen, um ggf. die USA auf Entschädigung zu verklagen?

c) Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass sich zukünftig
eine gezielte Tötung deutscher Staatsbürger ggf. durch den US-Geheim-
dienst in Drittstaaten nicht wiederholt?

9. Inwieweit haben deutsche Stellen im Vorfeld des Drohnen-Angriffs Infor-
mationen über die aus Deutschland stammenden Islamisten in Nord-
Waziristan – oder auch über andere verdächtige Deutsche in dieser Region –
an US-amerikanische Behörden, an andere staatliche Stellen oder in den
Strukturen der NATO weitergegeben (bei mehreren Übermittlungen von
Informationen, bitte eine genaue Auflistung über die Datenlieferungen mit
detaillierten Angaben nach Tag und Zeitpunkt sowie genauem Inhalt)?

a) Welche genauen Daten wurden ggf. an US-Behörden übergeben (Reise-
tätigkeiten von A. B., seinen jeweiligen Aufenthaltsort, Geldtransfers
von Konten der Familie, Kontaktpersonen, vermutete Tätigkeiten, weitere
geheimdienstliche Erkenntnisse, etc.)?

b) Welche deutschen Behörden haben die Information zur Verfügung ge-
stellt?

c) Welche US-Dienste haben ggf. die Informationen erhalten?

d) Welche Stellen anderer Länder haben die Informationen ggf. ebenfalls
erhalten?

e) Haben ggf. die US-Behörden die Daten aktiv angefordert oder haben die
deutschen Dienste diese Informationen nach Erlangung der Erkennt-
nisse proaktiv weitergegeben?

f) Gibt es ein automatisiertes Verfahren des Datenaustauschs, und wie ist
dieses organisiert?

10. In wie vielen Fällen wurden seit dem Jahr 2008 personenbezogene Infor-
mationen über deutsche Bürger und in Deutschland wohnhafte Ausländer,
die von hier etwa nach Pakistan, Afghanistan oder Somalia reisten, an
amerikanische Stellen weitergegeben (bei mehreren Übermittlungen von
Informationen, bitte eine genaue Auflistung über die Datenlieferungen)?

11. a) Haben deutsche Stellen – außer im Falle von B. E. und S. H. – weitere
Reiserouten Verdächtiger nach Pakistan oder deren dortige Aufenthalts-
orte an die USA gemeldet?

Wenn ja, welche in welchen Fällen?

b) Welche weiteren Informationen über Terrorverdächtige haben der Bun-
desnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz und das
Bundeskriminalamt an die USA weitergegeben?

Berlin, den 5. Juni 2013
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.