BT-Drucksache 17/13657

Mögliche Unsicherheiten beim gesetzlichen Sozialausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung

Vom 28. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13657
17. Wahlperiode 28. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Klaus Ernst, Jutta Krellmann,
Cornelia Möhring, Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Unsicherheiten beim gesetzlichen Sozialausgleich in der gesetzlichen
Krankenversicherung

Mit dem Finanzierungsgesetz der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
und der darin enthaltenen Festlegung, dass künftige Kostensteigerungen in der
GKV allein über Zusatzbeiträge von den Versicherten aufgebracht werden müs-
sen, wurde gleichzeitig zur Verhinderung sozialer Härten ein Sozialausgleich
eingeführt. Der Sozialausgleich soll verhindern, dass Versicherte mehr als 2 Pro-
zent ihres Bruttolohns für Zusatzbeiträge aufbringen müssen.

Dabei werden nicht die tatsächlich gezahlten Zusatzbeiträge der Versicherten
herangezogen, sondern ein so genannter durchschnittlicher Zusatzbeitrag, der
durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zusammen mit dem Bun-
desministerium der Finanzen (BMF) aufgrund von Schätzungen des Schätzer-
kreises festgelegt wird. Im Schätzerkreis sind das BMG, der GKV-Spitzenver-
band und das Bundesversicherungsamt vertreten. Der Schätzerkreis gibt eine
Schätzung darüber ab, wie viel Geld die Krankenkassen im Folgejahr für Ge-
sundheitsausgaben benötigen und daher aus dem Gesundheitsfonds erhalten,
und er schätzt ebenfalls die Einnahmen, die in den Gesundheitsfonds fließen
werden. Übersteigen die Ausgaben die Einnahmen des Gesundheitsfonds, muss
die Differenz durch Zusatzbeiträge der Versicherten aufgebracht werden. Zur
Schätzung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags wird diese Differenz durch die
Versichertenanzahl geteilt, die nicht von Zusatzbeiträgen gesetzlich freigestellt
sind, und dann auf zwölf Monate verteilt.

Damit tatsächlich gewährleistet ist, dass der mit dem Gesetz vorgegebene
Schutz vor finanzieller Überforderung gesichert ist, also Zusatzbeiträge nicht
mehr als 2 Prozent des Bruttoeinkommens ausmachen, ist eine genaue Berech-
nung und Festlegung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags notwendig. Dazu
wiederum ist eine genaue Schätzung der Einnahmen sowie der Ausgaben des
Gesundheitsfonds notwendig.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch hat der Schätzerkreis in der für die Festlegung des durchschnitt-
lichen Zusatzbeitrages maßgeblichen Schätzung die Einnahmen des Gesund-
heitsfonds für 2011 und 2012 geschätzt, wie hoch lagen die tatsächlichen Ein-
nahmen jeweils, und wie drücken sich die Abweichungen prozentual aus?

Drucksache 17/13657 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie hoch hat der Schätzerkreis in der Schätzung die Ausgaben der GKV
und damit die Auszahlungen aus dem Gesundheitsfonds für 2011 und 2012
geschätzt, wie hoch lagen die tatsächlichen Ausgaben jeweils, und wie
drücken sich die Abweichungen prozentual aus?

3. Wie begründen sich gegebenenfalls die Fehleinschätzungen bei den Ein-
nahmen und Ausgaben jeweils?

4. Sind solche nennenswerten Fehleinschätzungen grundsätzlich zu verhindern
oder zu verringern, und sind Über- wie Unterschätzungen möglich?

5. Wie viel Prozent des Gesundheitsfonds können solche Über- und Unter-
schätzungen jeweils für die Einnahmen und Ausgaben betragen?

6. Können sich Fehleinschätzungen bei den Einnahmen und Ausgaben addie-
ren, indem beispielsweise bei den Einnahmen eine Überschätzung erfolgt,
während bei den Ausgaben eine Unterschätzung erfolgt?

Wie viel Prozent des Gesundheitsfonds können solche addierten geschätz-
ten Unter- bzw. Überdeckungen jeweils betragen?

7. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung möglich, dass durch Fehlschätzun-
gen bei den Einnahmen und Ausgaben davon ausgegangen wird, dass ein
durchschnittlicher Zusatzbeitrag nicht notwendig sein wird, obwohl es sich
im Nachhinein herausstellt, dass die Einnahmen die Ausgaben nicht decken
konnten und eigentlich ein durchschnittlicher Zusatzbeitrag notwendig ge-
wesen wäre?

8. Wäre es denkbar, dass die Bundesregierung wegen Verschätzungen den
durchschnittlichen Zusatzbeitrag auf null Euro festlegt, und dennoch alle
Kassen einen Zusatzbeitrag erheben müssen?

Wenn dies möglich sein sollte, wie ist dann noch gesichert, dass Versicherte
nicht mehr als 2 Prozent ihres Einkommens für Zusatzbeiträge aufbringen
müssen?

9. Welche Folgen hat eine zu hohe Festlegung des durchschnittlichen Zusatz-
beitrages für den Bundeshaushalt (vor allem dann, wenn keine überschüssi-
gen Reserven im Gesundheitsfonds vorhanden sind) für die GKV und die
Versicherten jeweils?

10. Welche Folgen hat eine zu niedrige Festlegung des durchschnittlichen Zu-
satzbeitrages für den Bundeshaushalt (vor allem dann, wenn keine über-
schüssigen Reserven im Gesundheitsfonds vorhanden sind) für die GKV
und die Versicherten jeweils?

11. Gibt es Vorgaben, unter welchen Bedingungen die Bundesministerien BMG
und BMF von den Schätzungen des Schätzerkreises abweichen dürfen?

Welche Gründe wären denkbar, warum die Bundesministerien von den Er-
gebnissen des Schätzerkreises abweichen würden?

12. Wäre es denkbar, dass in Zeiten eines vollen Gesundheitsfonds und höherer
zu erwartender Einnahmen als Ausgaben aus dem Fonds eine Bundesregie-
rung das Interesse haben könnte, die Ausgaben der Krankenkassen eher zu
hoch anzusetzen?

13. Wäre es denkbar, dass in Zeiten eines leeren Gesundheitsfonds, bei Erwar-
tung von höheren Ausgaben als Einnahmen und angesichts von Bestrebun-
gen, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu erreichen, die Ausgaben der
Krankenkassen durch die Bundesministerien eher zu niedrig angesetzt wer-
den könnten und damit ebenfalls der durchschnittliche Zusatzbeitrag?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13657

14. Gab es in der laufenden Legislaturperiode parlamentarische Initiativen, die
aufgrund ihrer Wirkungen auf die Ausgaben der GKV und der damit einher-
gehenden Auswirkungen auf die Aufwendungen aus dem Bundeshaushalt
für den Sozialausgleich vom BMF beanstandet wurden oder nach Kenntnis
der Bundesregierung im mitberatenden Finanzausschuss abgelehnt wur-
den?

Wenn ja, um welche Initiativen handelt es sich?

15. Ist es beabsichtigt oder akzeptiert, dass Versicherte, die in einer Kranken-
kasse eine besondere Versorgung für ihre Erkrankung erhalten (spezielle
Desease Management Programme – DMP – oder integrierte Versorgungs-
programme), unter Umständen zu einer Krankenkasse wechseln müssen,
die sie schlechter versorgt, um finanzieller Überforderung zu entgehen, ob-
wohl diese Kasse sie eventuell schlechter versorgt?

16. Ist es beabsichtigt, dass jüngere und gesündere Versicherte im Durchschnitt
geringere Krankenversicherungsbeiträge (bei Berücksichtigung von Zu-
satzbeiträgen und Prämien) in der GKV bezahlen als ältere und kränkere
Versicherte, weil sie schneller zu einer günstigeren Krankenkasse wechseln
(siehe z. B. Süddeutsche Zeitung vom 31. März 2010 oder www.mig.tu-
berlin.de/fileadmin/a38331600/2012.teaching.ws/MiG_1/2012.11.21__RB
__GKV2_Finanzierung.pdf, S. 23)?

Was unternimmt die Bundesregierung, um diese Entwicklung zu verhin-
dern?

Berlin, den 28. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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