BT-Drucksache 17/13594

Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in der Schlachtbranche

Vom 16. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13594
17. Wahlperiode 16. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Friedrich Ostendorff, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Britta Haßelmann, Bärbel Höhn, Harald Ebner, Hans-Josef
Fell, Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth, Undine Kurth
(Quedlinburg), Dr. Hermann E. Ott, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg,
Markus Tressel, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in der Schlachtbranche

Im März 2013 hat die belgische Regierung eine Beschwerde gegen Deutsch-
land wegen mutmaßlichem Sozialdumping bei der Europäischen Kommission
eingelegt. Belgien befürchtet aufgrund niedriger Löhne in der deutschen
Schlachtbranche erhebliche Wettbewerbsnachteile.

Französische Betriebe hatten sich bereits vor Jahren zu einer Initiative gegen
Sozialdumping zusammengeschlossen und die Europäische Kommission auf-
gefordert, Deutschland zu einem Mindestlohn für die Schlachtbranche zu zwin-
gen. Ohne Erfolg.

Der dänische Konzern Danish Crown, eines der größten Schlachtunternehmen
weltweit, verlagerte in den letzten Jahren zigtausende Arbeitsplätze aus Däne-
mark nach Deutschland, um von den hier fehlenden Mindestlöhnen zu profitie-
ren. Die dänische Nahrungsmittelgewerkschaft (NNF) beklagt seit langem, dass
Dumpinglöhne an Schlachthöfen in Deutschland zu Wettbewerbsnachteilen
dänischer Betriebe führen.

Wir fragen die Bundesregierung:

Allgemeine Daten zur Branche und zur Beschäftigungssituation

1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Unternehmen
in der deutschen Schlachtbranche von 2010 bis heute pro Jahr entwickelt
(bitte differenziert nach Unterbranchenkategorien, wie Rinder-, Schweine-
und Geflügelschlachtung, Betriebsgrößen, Bundesländern und Unternehmen
mit und ohne Werkvertragskontingente)?

2. Wie viele Beschäftigte sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2010
bis heute jährlich direkt bzw. als Leiharbeitskräfte in den jeweiligen Unter-
branchen der deutschen Schlachtbranche angestellt (bitte nach Vollzeit, Teil-
zeit und Minijobs differenzieren)?
3. Wie viele Beschäftigte in den jeweiligen Unterbranchen der deutschen
Schlachtbranche sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2010 bis heute
jährlich bei Werkvertragsunternehmen angestellt (bitte nach Vollzeit, Teilzeit
und geringfügiger Beschäftigung differenzieren)?

Drucksache 17/13594 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren nach Kenntnis der
Bundesregierung seit 2010 bis heute jährlich im Rahmen der Werkvertrags-
kontingente in der deutschen Schlachtbranche beschäftigt (bitte nach Her-
kunftsländern differenzieren)?

5. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Ausbildungsquote in
der deutschen Schlachtbranche von 2010 bis heute jährlich entwickelt?

6. Welche Unternehmen zählen nach Kenntnis der Bundesregierung zu den
zehn größten in der deutschen Schlachtbranche, und wie viele Beschäftigte
sind bei ihnen direkt bzw. als Leiharbeitskräfte oder über Subunternehmer
angestellt (bitte nach Bundesländern differenzieren)?

7. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Umsätze und die
Schlachtleistung von 2010 bis heute pro Jahr entwickelt (bitte nach Bun-
desländern differenzieren)?

8. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die für die Schlacht-
branche geltenden Werkvertragskontingente, und sieht die Bundesregie-
rung Änderungsbedarf bei der Höhe der festgelegten Kontingente (bitte
differenziert nach Ländern, für die Kontingente festgelegt wurden)?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

Löhne und Arbeitsbedingungen

9. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell die durch-
schnittlichen Brutto-Stundenlöhne in der deutschen Schlachtbranche für
direkt angestellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Leiharbeit-
nehmerinnen und Leiharbeitnehmer?

10. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen
Brutto-Stundensätze aktuell für Werkvertragsbeschäftigte sowie für Be-
schäftigte, die im Rahmen des Werkvertragskontingents in der deutschen
Schlachtbranche arbeiten?

11. In welchen EU-Mitgliedstaaten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung
Mindestlöhne bzw. Tariflöhne in der Schlachtbranche, und wie hoch sind
diese Löhne?

12. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Initiative
Niedersachsens, in deren Rahmen sechs große Unternehmen der Fleisch-
industrie sowie der Verband der Ernährungswirtschaft Zustimmung zur Ein-
führung eines gesetzlichen Mindestlohns äußerten, und wird die Bundes-
regierung diese Bemühungen unterstützen?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

13. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen
Arbeitszeiten in der deutschen Schlachtbranche für direkt Beschäftigte,
Leiharbeitskräfte und Werkvertragsbeschäftigte bzw. Beschäftigte per
Werkvertragskontingent?

14. Wie lange dürfen nach Kenntnis der Bundesregierung einzelne Schichten
für Beschäftigte in Schlachthöfen maximal dauern, und wie viele Pausen
mit welcher Dauer müssen mindestens eingehalten werden?

15. Zu welchem Anteil werden diese Vorgaben zu Arbeits- und Pausenzeiten
nach Kenntnis der Bundesregierung eingehalten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13594

16. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass Leiharbeitskräfte und
Werkvertragsbeschäftigte häufig viel zu lange Arbeitszeiten hinnehmen
müssen, und welche Maßnahmen sind nach Meinung der Bundesregierung
hier nötig?

17. Welche Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung nötig, um die
häufig menschenunwürdige Wohnsituation von Werkvertragsbeschäftigten
und Leiharbeitskräften zu verbessen und um zu verhindern, dass den
Beschäftigten überhöhte Mieten vom Lohn abgezogen werden?

18. Wie können Subunternehmer auf die Einhaltung sozialverträglicher Lebens-
und Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten verpflichtet werden, bzw.
welche Möglichkeiten haben die beauftragenden Unternehmen in Deutsch-
land, und sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

19. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
daraus, dass das Prüfrecht, ob es sich um Dienstleistungen oder illegale
Arbeitnehmerüberlassung handelt, bei ausländischen Kräften nicht von
deutschen Stellen ausgeübt wird, sondern von den Heimatländern der Ar-
beitskräfte?

20. Sollte dieses Recht nach Meinung der Bundesregierung an das Empfänger-
land übergehen, und wenn nein, warum nicht?

21. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Betriebsräte bzw. Gewerk-
schaften Einblick in die Vertragsbedingungen bei Beschäftigten von Sub-
unternehmer haben sollten, und wenn nein, warum nicht?

Wettbewerbssituation

22. Welche EU-Mitgliedstaaten haben sich nach Kenntnis der Bundesregie-
rung über Lohn- und Sozialdumping durch die deutsche Schlachtbranche
geäußert, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die
Bundesregierung aus diesen Vorwürfen?

23. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der Geschäftsprakti-
ken der deutschen Schlachtindustrie auf das europäische Ausland?

24. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der von der belgischen Regierung eingereichten Beschwerde an die
Europäische Kommission, die Deutschland Sozialdumping vorwirft?

25. Steht die Bundesregierung bereits im Austausch mit der Europäischen
Kommission über die oben genannte Beschwerde, und wenn ja, was sind
die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt diskutierten Inhalte und Ergebnisse?

26. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass in Deutschland gegen-
über Belgien und Dänemark aufgrund von niedrigen Lohnkosten durch den
Einsatz von osteuropäischen Arbeitskräften um etwa 80 Prozent billiger
geschlachtet werden kann?

27. Wie viele tote sowie lebende Tiere wurden von 2005 bis heute jährlich zur
Schlachtung bzw. Zerlegung aus dem Ausland importiert (bitte nach Tier-
art, Jahren und Herkunftsland aufschlüsseln)?

Kontrollen, Verstöße und Bußgelder

28. Wie viele Kontrollen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2010
bis heute jährlich in der Schlachtbranche durch welche Behörden durch-
geführt (bitte nach Unternehmen mit und ohne Werkvertragskontingente
differenzieren)?

Drucksache 17/13594 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Wie viele Verstöße wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2010
bis heute jährlich in der Schlachtbranche festgestellt, und in welcher Höhe
wurden Bußgelder bzw. Freiheitsstrafen verhängt (bitte nach Verstößen
und Unternehmen mit und ohne Werkvertragskontingente differenzieren)?

30. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die in der Schlacht-
branche durch Kontrollen nachgeforderten Steuern bzw. Sozialversiche-
rungsbeiträge seit 2010 bis heute jährlich (bitte nach Unternehmen mit und
ohne Werkvertragskontingent differenzieren)?

31. Wie lange dauerte es 2012 durchschnittlich, bis andere Mitgliedstaaten der
EU Anfragen aus Deutschland im Hinblick auf die A1- bzw. E101-Be-
scheinigungen beantworteten, und welche Maßnahmen plant die Bundes-
regierung oder die Europäische Kommission, um die Beantwortungsdauer
weiter zu verkürzen?

32. Wie viele der in anderen Mitgliedstaaten der EU ausgestellten A1- bzw.
E101-Bescheinigungen haben sich 2012 als fehlerhaft erwiesen, und wel-
che Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

EEG-Umlage

33. Wie viele Betriebe aus der Schlachtbranche sind derzeit von der EEG-Um-
lage befreit, und mit welcher Begründung (bitte nach Bundesländern diffe-
renzieren)?

34. Wie hoch war die durch die Befreiung von der EEG-Umlage von Betrieben
der Schlachtbranche eingesparte Summe von 2010 bis heute jährlich?

35. Trifft es zu, dass der Einsatz von Leiharbeitskräften und Werkvertragsbe-
schäftigten in der Schlachtbranche dazu beiträgt, leichter die Bedingungen
zur Befreiung von der EEG-Umlage zu erfüllen, weil diese Kosten als
Sach- und nicht als Personalkosten verbucht werden?

Wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung daraus, dass durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG ein
Anreiz gesetzt wird, Leiharbeitskräfte und Werkvertragsbeschäftigte in der
Schlachtbranche einzusetzen, und sieht die Bundesregierung deswegen
Handlungsbedarf?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 16. Mai 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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