BT-Drucksache 17/13571

Maßnahmen zur Bekämpfung internationaler Steuerhinterziehung

Vom 15. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13571
17. Wahlperiode 15. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst,
Harald Koch, Jutta Krellmann, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Maßnahmen zur Bekämpfung internationaler Steuerhinterziehung

Durch die von der Politik vorangetriebene Liberalisierung der Finanzmärkte
sowie des politisch geförderten Steuerwettbewerbs hat das Problem der
Steuerflucht ins Ausland weiter zugenommen. Circa 20 Billionen Dollar sollen
in sogenannten Steueroasen lagern. Das ergab eine Studie des ehemaligen
McKinsey-Managers James Henry (The Price of Offshore Revisted, Juli 2012,
www.taxjustice.net/cms/upload/pdf/Price_of_Offshore_Revisited_120722.pdf).
Nach Schätzungen der Europäischen Kommission von 2006 entgehen den EU-
Mitgliedstaaten durch Steuerbetrug Steuereinnahmen in der Höhe von 200 bis
250 Mrd. Euro pro Jahr.

Auch in Deutschland werden jährlich mehrere Milliarden in andere Länder ver-
schoben. Dies dient der zugelassenen Steuervermeidung wie auch der illegalen
Steuerhinterziehung. Dem deutschen Staat, den Bundesländern und den Kom-
munen entgehen durch Steuerbetrug und aufgrund zugelassener Steuervermei-
dung Milliarden an Steuereinnahmen, welche die Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben kompensieren müs-
sen. So haben viele große deutsche Unternehmen schon vor Jahren – über
grenzüberschreitende Konzernstrukturen – ihre Konzernsitze steuerrechtlich
ins Ausland verlegt. Und alleine in der Schweiz sollen nach Schätzungen ca.
316 Mrd. Euro von deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern lagern, die
nicht versteuert wurden.

In die Öffentlichkeit gerät die internationale Steuerflucht regelmäßig durch die
Diskussion um den Ankauf von „Steuer-CDs“, welche Daten von Kapitalanla-
gen deutscher Steuerpflichtiger in anderen Ländern enthalten. Nach wie vor
bedürfen die deutschen Finanzbehörden des Ankaufs von „Steuer-CDs“ aus
dubiosen Quellen zur wirksamen Bekämpfung von internationaler Steuerhin-
terziehung. Dies liegt auch daran, dass der Personalbestand der Finanzbehör-
den weit hinter ihren eigenen Personalbedarfsrechnungen zurückliegt. Eine
Situation, die von der Bundesregierung mit verschuldet ist, insofern die Bun-
desregierung versäumt, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, die Bundesländer
zu einem konsequenteren Steuervollzug zu veranlassen.
Die Debatten der letzten Monate um die Beschaffung von „Steuer-CDs“
sowie die Aufdeckung finanzieller Aktivitäten an Offshore Finanzplätze
(www.icij.org/offshore) hat dazu beigetragen, dass Steuersünderinnen und
Steuersünder in gesteigertem Umfang von dem Instrument der strafbefreienden
Selbstanzeige nach § 371 der Abgabenordnung (AO) Gebrauch gemacht haben.
Dieses Instrument ist kritisch zu beurteilen, so hat sich selbst der ehemalige

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saarländische Ministerpräsident Peter Müller für eine Strafverfolgung von
Steuerhinterziehern ausgesprochen, auch dann, wenn sie sich selbst anzeigen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß Steuerflucht
ins Ausland stattfindet und wie diese bisher bekämpft wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Instrumente setzt die Bundesregierung zur Messung bzw. Schätzung
des Umfangs von Steuerhinterziehung ein?

Zu welchen Ergebnissen kommt sie?

2. Welche Unterstützungsleistungen werden den Bundesländern durch den
Bund beim Kampf gegen Steuerhinterziehung gewährt?

3. Wie viele Auskunftsersuchen in Steuersachen wurden seit einschließlich
2010 an Deutschland gerichtet bzw. von Deutschland gestellt (bitte nach
Jahren getrennt angeben)?

a) Wie viele Auskunftsersuchen aus anderen Staaten wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung an welche Bundesländer zur Bearbeitung weiter-
geleitet?

b) Aus welchen Bundesländern wurden wie viele Auskunftsersuchen an
andere Staaten gestellt?

4. Wie viele Spontanauskünfte in Steuersachen wurden seit einschließlich
2010 an Deutschland mitgeteilt bzw. von Deutschland übermittelt (bitte
nach Jahren getrennt angeben)?

a) Wie viele Auskunftsersuchen aus anderen Staaten wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung an welche Bundesländer zur Bearbeitung weiter-
geleitet?

b) Aus welchen Bundesländern wurden wie viele Auskunftsersuchen an
andere Staaten gestellt?

5. Wie viele automatische Auskünfte in Steuersachen wurden seit einschließ-
lich 2010 an Deutschland mitgeteilt bzw. von Deutschland übermittelt (bitte
nach Jahren getrennt angeben)?

a) Wie viele Auskunftsersuchen aus anderen Staaten wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung an welche Bundesländer zur Bearbeitung weiter-
geleitet?

b) Aus welchen Bundesländern wurden wie viele Auskunftsersuchen an
andere Staaten gestellt?

6. Besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum
Luxemburg mittlerweile eine bilaterale oder im Rahmen von EU-Regelun-
gen getroffene Vereinbarung zum verpflichtenden automatischen Informa-
tionsaustausch in Steuersachen (s. Bundestagsdrucksache 17/2743, Frage 17,
ggf. bitte unter Angabe der Einkunftsarten, zu denen automatischer Informa-
tionsaustausch vereinbart wurde)?

7. Mit welchen Mitgliedstaaten der EU hat die Bundesrepublik Deutschland
noch keine Vereinbarung, bilateral im Rahmen eines Doppelbesteuerungs-
abkommens oder im Rahmen der einschlägigen Vereinbarungen oder Richt-
linien, zum verpflichtenden automatischen oder spontanen Informationsaus-
tausch in Steuersachen getroffen (bitte nach Einkunftsarten aufschlüsseln)?

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8. Wie ist, vor dem Hintergrund, dass auf Bundestagsdrucksache 17/8102,
S. 24 ff., betont wird, dass es für die beiden EU-Staaten Luxemburg und
Österreich Ausnahmeregelungen beim automatisierten Informationsaus-
tausch hinsichtlich der Zinserträge natürlicher Personen gäbe, der Stand
der Verhandlungen, und gegebenenfalls welche Hindernisse stehen einem
automatisierten Informationsaustausch im Wege?

9. Inwieweit ist die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich
der Besteuerung zu welchen Einkunftsarten in der EU umgesetzt?

a) Zwischen welchen EU-Mitgliedstaaten bestehen nach Kenntnis der
Bundesregierung zu welchen Einkunftsarten Vereinbarungen zum ver-
pflichtenden automatischen Informationsaustausch in Steuersachen?

b) Zwischen welchen EU-Mitgliedstaaten bestehen nach Kenntnis der
Bundesregierung zu welchen Einkunftsarten Vereinbarungen zum spon-
tanen Informationsaustausch in Steuersachen?

10. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung für eine Umsetzung
eines EU-weiten verpflichtenden automatischen sowie spontanen Informa-
tionsaustauschs in Steuersachen zwischen den EU-Mitgliedstaaten auf EU-
Ebene?

11. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung zur Vermeidung des
Steuerwettbewerbs innerhalb der EU?

12. Wie viele Steuerstrafverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
in Deutschland seit einschließlich 2010 jährlich eingeleitet?

Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl der Abgeurteil-
ten und Verurteilten in Steuerstrafverfahren in diesem Zeitraum?

13. Wie viele und welche Sanktionen wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bisher infolge der Verabschiedung des Steuerhinterziehungsbekämp-
fungsgesetzes bzw. der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung aus-
gesprochen?

14. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Fälle von Steuer-
straftaten im Saarland aus vereinbarten verpflichtenden Spontan-
austauschen in Steuersachen mit anderen Staaten (bitte nach Staaten diffe-
renziert angeben)?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Fälle von Steuer-
straftaten aus vereinbarten verpflichtenden Spontanaustauschen in Steuer-
sachen mit anderen Staaten (bitte nach Staaten differenziert angeben)?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl an Selbstan-
zeigen, welche zwischen 2000 und 2012 bei den Steuerverwaltungen im
Saarland eingegangen sind (bitte um jährliche Darstellung der Anzahl der
Fälle und Höhe der hinterzogenen Schuld)?

17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die bundesweite Anzahl
an Selbstanzeigen, welche zwischen 2000 und 2012 bei den Steuerverwal-
tungen im gesamten Bundesgebiet eingegangen sind (bitte um jährliche
Darstellung der Anzahl der Fälle und Höhe der hinterzogenen Schuld, falls
möglich nach Bundesländern aufschlüsseln)?

18. Wie häufig werden nach Kenntnis der Bundesregierung nicht deklarierte
Geldmittel über 10 000 Euro pro Person beim Grenzübertritt vom Zoll ent-
deckt (falls möglich bitte nach Grenzen zu Anrainerstaaten und nach Bun-
desländern bzw. Hauptzollämtern aufschlüsseln)?

19. Welche Kenntnisse hat die Bunderegierung über die Mehreinnahmen,

welche im Saarland zwischen 2000 und 2012 durch abgeschlossene Steuer-
strafverfahren entstanden sind (bitte um jährliche Darstellung)?

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20. Welche Kenntnisse hat die Bunderegierung über die Mehreinnahmen,
welche bundesweit zwischen 2000 und 2012 durch abgeschlossene Steuer-
strafverfahren entstanden sind (bitte um jährliche Darstellung, falls mög-
lich, nach Bundesländern aufschlüsseln)?

21. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Verlust an Steuereinnahmen,
welcher im Saarland durch Steuerstraftaten entsteht?

Wie haben sich diese Zahlen jährlich seit 2000 entwickelt?

22. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Verlust an Steuereinnahmen,
welcher in den Bundesländern durch Steuerstraftaten entsteht?

Wie haben sich diese Zahlen jährlich seit 2000 entwickelt (falls möglich,
nach Bundesländern aufschlüsseln)?

23. Erachtet die Bundesregierung die derzeitige personelle Ist-Ausstattung der
Steuerfahndung in Bund und den Ländern für die Bekämpfung von Steuer-
hinterziehung als angemessen?

24. Welche Hilfestellungen bietet die Bundesregierung den Bundesländern an,
damit die Finanzbehörden ihre Personalbedarfsberechnungen umsetzen
können?

25. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Umsetzung der bun-
deseinheitlichen Personalvorgaben für die Steuerverwaltung im Saarland?

Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Umsetzung der bun-
deseinheitlichen Personalvorgaben für die Steuerverwaltungen im Bund
und den übrigen Bundesländern?

Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der faktischen Umsetzung?

26. Welche Kenntnisse hat die Bunderegierung über Unternehmen aus dem
Saarland, die ihren Konzernsitz steuerrechtlich ins Ausland verlegt haben?

Wie hat sich dies seit dem Jahr 2000 entwickelt?

27. Welche Kenntnisse hat die Bunderegierung über Unternehmen in der Bun-
desrepublik Deutschland, die ihren Konzernsitz steuerrechtlich ins Ausland
verlegt haben?

Wie hat sich dies seit dem Jahr 2000 entwickelt?

28. Sollten der Bundesregierung zu den hier genannten Fragen keine Kennt-
nisse vorliegen, wie beurteilt die Bundesregierung diesen Kenntnismangel
(bitte zu den einzelnen unbeantworteten Fragen Stellung beziehen)?

29. Plant die Bundesregierung, Daten zur Steuerhinterziehung bundesweit zu
erheben?

Wenn ja, wie und wann?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 15. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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