BT-Drucksache 17/13371

Tätigkeit der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei Krankenkassen- und (Zahn-)Ärzteorganisationen

Vom 30. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13371
17. Wahlperiode 30. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst,
Ulla Jelpke, Yvonne Ploetz, Kathrin Senger-Schäfer, Harald Weinberg und
der Fraktion DIE LINKE.

Tätigkeit der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei
Krankenkassen- und (Zahn-)Ärzteorganisationen

Durch Korruption, korruptives Verhalten, Abrechnungsbetrug und anderen
Formen von Fehlverhalten im Gesundheitswesen werden der Gesundheits-
versorgung Millionenbeträge entzogen und die gesetzlichen Krankenkassen
finanziell stark geschädigt.

Der Gesetzgeber hat aus diesem Grund die Krankenkassen und ihre Verbände
sowie den GKV-Spitzenverband (GKV = gesetzliche Krankenversicherung)
gesetzlich dazu verpflichtet, Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im
Gesundheitswesen einzurichten, an die sich jede Person wenden können soll,
wenn diese Hinweise auf Unregelmäßigkeiten oder auf rechtswidrige oder
zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln im Zusammenhang mit den Auf-
gaben der jeweiligen Krankenkasse oder des jeweiligen Verbandes hat (vgl.
§ 197a Absatz 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V). Für
den Bereich der Pflegeversicherung wurde dies entsprechend in § 47a SGB XI
geregelt und zum 1. Januar 2013 auch auf die Zusammenarbeit mit dem Träger
der Sozialhilfe ausgeweitet.

Die Krankenkassen bzw. der GKV-Spitzenverband kommen dieser gesetzlicher
Verpflichtung seit Jahren nach. Dazu zählt unter anderem auch eine spezielle
Internetseite des GKV-Spitzenverbandes, die über diese gesetzlichen Aufgaben
und einige der typischen Indikatoren für Fehlverhalten im Gesundheitswesen
informiert. Schriftliche Hinweise auf Fehlverhalten im Gesundheitswesen kön-
nen von jedermann an eine Postanschrift sowie über ein strukturiertes Hinweis-
geber-Formular auch online weitergegeben werden. Wenn die Prüfung eines
Hinweises ergibt, dass ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen mit nicht
nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung bestehen
könnte, sind die gesetzlichen Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, unverzüg-
lich die zuständige Staatsanwaltschaft zu unterrichten (vgl. § 197a Absatz 4
SGB V).

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV),

Dr. Andreas Köhler, hat sich in einer Presseerklärung vom 19. April 2013
(www.kbv.de/presse/43437.html) überaus negativ über die Internetseite der im
Jahr 2009 eingerichteten „Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im
Gesundheitswesen“ des GKV-Spitzenverbandes geäußert. Er spricht dort von
„plumper Stimmungsmache gegen Ärzte“ sowie von einer Verunglimpfung,
populistischen Vorverurteilung und Diffamierung der Ärzteschaft.

Drucksache 17/13371 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die von Dr. Andreas Köhler scharf kritisierte – auch anonyme – Möglichkeit
der Hinweisweitergabe wird in vielen Bereichen der Wirtschaft und Verwaltung
als gewünschte und zur Verbesserung der Bekämpfung von Korruption und an-
deren Missständen notwendige Maßnahme eingeführt bzw. gefordert. So wurde
erst kürzlich im Zusammenhang mit der weiteren Aufklärung des Transplanta-
tionsskandals eine gemeinsame „Vertrauensstelle Transplantationsmedizin“ der
Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des GKV-
Spitzenverbandes eingerichtet, die anonyme Hinweise ganz selbstverständlich
ermöglicht. Darüber wird u. a. auch auf der Internetseite der Bundesärzte-
kammer informiert (www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=3.71.9972.
10927.10941&all=true).

Auch die Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag hat in einem Antrag
auf Bundestagsdrucksache 17/6492 gefordert, ein anonymes Whistleblowing zu
ermöglichen und die Identität von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern
gesetzlich zu schützen.

Die Ärztezeitung berichtete am 25. April 2013, dass bei einer Umfrage inner-
halb der Leserschaft dieser von vielen Ärzten gelesenen Zeitung auf die Frage
„Was halten Sie von dem Vorgehen des Spitzenverbands?“ knapp 80 Prozent
der Teilnehmer meinten: „Das ist gut, schwarze Schafe muss man aufspüren“.
Nur 5 Prozent klickten folgende Antwortmöglichkeit an: „Dieses Formular hilft
nicht im Kampf gegen Korruption“.

Auffällig ist, dass der Vorstandsvorsitzende der KBV in seiner Presseerklärung
versäumt hat, darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Krankenkassen und der
GKV-Spitzenverband gesetzlich verpflichtet sind, solche Stellen zur Bekämp-
fung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen einzurichten und bei einem
Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen, die Staatsanwaltschaft zu unter-
richten.

§ 81a SGB V bestimmt ausdrücklich, dass auch die Kassenärztlichen Ver-
einigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen seit dem Jahr 2004
dazu verpflichtet sind. Nach Absatz 2 dieses Paragrafen soll sich „jede Person
(…) in den Angelegenheiten des Absatzes 1 an die Kassenärztlichen Ver-
einigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigungen wenden“ können.

Eine entsprechende Information, ein Meldeformular, die Nennung einer ent-
sprechenden Anschrift einer solchen Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten
im Gesundheitswesen oder auch die Erläuterung des gesetzlichen Auftrags sind
auf der KBV-Internetseite jedoch weder unter „Themen A–Z“ noch mit der
Suchfunktion unter den Begriffen Fehlverhalten oder Korruption aufzufinden.
Auch im Organigramm der KBV ist die Einrichtung dieser Stelle nicht explizit
ausgewiesen.

Nach § 81a Absatz 5 SGB V ist der Vorstand der KBV außerdem gesetzlich
verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht über die Arbeit und Ergebnisse der
Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der KBV
anzufertigen und diesen der Vertreterversammlung sowie der zuständigen Auf-
sichtsbehörde zuzuleiten.

In der „ÄrzteZeitung“ vom 12. April 2013 war zu lesen, dass die Kassenärztliche
Vereinigung Berlin dieser gesetzlichen Verpflichtung, für den Berichtszeitraum
2010/2011 einen Bericht über die „Arbeit und Ergebnisse der Stelle zur
Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ bei der zuständigen
Landesaufsichtsbehörde vorzulegen, seit über einem Jahr noch immer nicht
nachgekommen ist.

Aufsichtsbehörde für Arbeit und konkrete Ergebnisse der Stellen zur Bekämp-
fung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei KBV und Kassenzahnärzt-

licher Bundesvereinigung (KZBV) ist gemäß § 81a Absatz 5 SGB V das
Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13371

Im Mai 2011 legte das Bundesministerium für Gesundheit dem zuständigen
Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zuletzt nur einen Bericht
zu den bei den Krankenkassen und beim GKV-Spitzenverband eingerichteten
Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen vor. Auf die
gleichlautende gesetzliche Verpflichtung auch der Kassenärztlichen Vereini-
gungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, solche Stellen einzu-
richten sowie auf die Arbeit bzw. konkrete Ergebnisse dieser Stellen wird in
dem Bericht nicht eingegangen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung Hinweise darauf, dass die gesetzlich vorgeschrie-
bene Möglichkeit, auch anonym Hinweise zu Fehlverhalten im Gesundheits-
wesen geben zu können, zu einem Missbrauch und zu einer Verunglimpfung
der Ärzteschaft in Deutschland insgesamt geführt hat?

2. Warum wird im Dritten Bericht der Bundesregierung zu diesen Stellen vom
24. Mai 2011 nur über Arbeit und Ergebnisse des GKV-Spitzenverbandes,
aber an keiner Stelle über Arbeit und Ergebnisse der Stellen zur Bekämpfung
von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der KBV und KZBV berichtet?

3. Warum wurde in dem nichtöffentlichen Bericht des BMG vom 28. Januar
2013 nur über den Bericht des GKV-Spitzenverbandes, aber an keiner Stelle
über Arbeit und Ergebnisse der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten
im Gesundheitswesen bei der KBV und KZBV berichtet?

4. Wann werden die vollständigen Stellungnahmen der befragten Organisa-
tionen auf die Abfrage des BMG beim GKV-Spitzenverband, der Bun-
des(zahn-)ärztekammer sowie der Kassen(zahn-)ärztlichen Bundesvereini-
gung zur Umsetzung der bestehenden einschlägigen Vorschriften im Berufs-
und Sozialrecht zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen
vom August 2012 dem zuständigen Fachausschuss oder auch der Öffentlich-
keit zugeleitet, da die Abfrage im August 2012 erfolgte, für die Beantwor-
tung durch die Organisationen eine Frist bis Anfang Oktober 2012 gesetzt
war und die Bundesregierung in ihrer Antwort zu Frage 1 auf die Kleine An-
frage der Fraktion DIE LINKE. vom 7. März 2013 (Bundestagsdrucksache
17/12644) versprach, die Stellungnahmen dem Deutschen Bundestag „in
Kürze“ zuzuleiten?

5. Gedenkt die Bundesregierung, den bislang nur dem Ausschuss für Gesund-
heit des Deutschen Bundestages am 28. Januar 2013 vorgelegten Bericht
zum Ergebnis dieser Umfrage auch der Öffentlichkeit zugänglich zu ma-
chen, und wenn ja, wann?

6. Wann gedenkt die Bundesregierung, den Vierten Bericht zu Arbeit und
Ergebnissen aller Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesund-
heitswesen, d. h. bei der KBV, KZBV und GKV-Spitzenverband, für die
Berichtsjahre 2010/2011 vorzulegen?

7. Sind die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen
bei der KBV, der KZBV und dem GKV-Spitzenverband in der Vergangenheit
vom Bundesministerium für Gesundheit als zuständige Aufsichtsbehörde
geprüft worden, und wenn ja, mit welchen konkreten Ergebnissen?

8. Besteht nach Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit Verbesse-
rungsbedarf bei der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Stellen bei
KBV, KZBV und GKV-Spitzenverband, und wenn ja, inwiefern genau?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Einrichtung der Möglichkeit, Hin-
weise auf Fehlverhalten im Gesundheitswesen auch anonym an die dafür

zuständigen Stellen weiterzugeben?

Drucksache 17/13371 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
10. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung der KBV, dass personen-
bezogene Angaben zum Hinweisgeber von Fehlverhalten im Gesundheits-
wesen verpflichtend sein müssen?

Berlin, den 30. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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