BT-Drucksache 17/13249

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/12295, 17/13131 - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz)

Vom 24. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13249
17. Wahlperiode 24. 04. 2013

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae,
Bärbel Höhn, Harald Ebner, Maria Klein-Schmeink, Dr. Tobias Lindner, Lisa Paus,
Brigitte Pothmer, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/12295, 17/13131 –

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung
über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Vorhaben der Bundesregierung, die Honorarberatung in Deutschland durch
eine gesetzliche Grundlage zu stärken, ist grundsätzlich zu begrüßen.

Der Gesetzentwurf erfüllt dieses Ziel aber nicht.

Von den ambitionierten Zielen, die das Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Juli 2011 in seinem Eckpunktepapier
für eine gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung formuliert
hat, ist kaum etwas übrig geblieben.

Das Ziel, die Honorarberatung als Alternative zum Provisionsmodell für alle
Produktgruppen von Finanzdienstleistungen – also Versicherungen, Geldanlage,
Darlehen –, gesetzlich zu verankern und hierfür ein umfassendes Berufsbild des
„Finanzberaters“ zu schaffen, wurde verfehlt.

Der vorgelegte Gesetzentwurf schafft kein umfassendes Berufsbild zur Honorar-
beratung, sondern segmentiert weiterhin nach Produkten, indem er den Honorar-
Anlageberater nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und den Honorar-
Finanzanlageberater nach § 34h der Gewerbeordnung (GewO) schafft. Der
Honorar-Anlageberater darf nicht zu Versicherungen und Darlehen beraten. Der
Honorarfinanzanlagenberater darf ausschließlich zu Investmentfonds, geschlosse-
nen Fonds und Vermögensanlagen beraten. Damit wird die Honorarberatung auf
bestimmte Produkte beschränkt und das Ziel, die Kundinnen und Kunden um-

fassend zu beraten, nicht erfüllt. Dies widerspricht der Logik der Honorarbera-
tung, die ja gerade bedarfsgerechte – sich an den konkreten Kundenbedürfnissen
orientierende – Lösungen entwickeln soll. Ein Honorarberater muss deshalb in
der Lage sein, aus dem gesamten Spektrum optimale individuelle Lösungen für
seine Kundinnen und Kunden zu entwickeln. Nur dann werden diese bereit sein,
für die Beratung ein angemessenes Honorar zu entrichten.

Drucksache 17/13249 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Gesetzentwurf führt die inkonsistente und für die Kundinnen und Kunden
kaum durchschaubare Regulierung des Kapitalanlagerechts fort. Statt ein ein-
heitliches Verbraucherschutzniveau über alle Produktgruppen und Vertriebs-
wege mit einer einheitlichen Aufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (BaFin) zu schaffen, perpetuiert der Gesetzentwurf den für die
freien Finanzanlagenvermittler eingeschlagenen Regulierungssonderweg und
die damit einhergehende Zersplitterung der Finanzaufsicht.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vergibt die Bundesregierung die Chance,
das Verbraucherbedürfnis nach einer qualifizierten persönlichen und provisions-
unabhängigen Finanzberatung zu erfüllen. Dies ist jedoch angesichts der Mil-
liardenschäden, die jährlich durch Falschberatung entstehen, dringend notwen-
dig. Der Markt an Finanzprodukten ist für Verbraucherinnen und Verbraucher
zunehmend unübersichtlicher. Gleichzeitig steht das Gros der Bürgerinnen und
Bürger vor der Herausforderung, existentielle Risiken absichern zu müssen und
Vermögensbildung und Altersvorsorge zu betreiben. Um individuell passende
Produkte auszuwählen, werden umfangreiche Kompetenz, Marktüberblick und
Analyse des Finanzmarktes benötigt, die vom einzelnen Kunden kaum zu leisten
sind. Es besteht daher grundsätzlich ein breites Verbraucherbedürfnis nach einer
qualifizierten individuellen Finanzberatung.

Finanzprodukte werden derzeit in Deutschland überwiegend von Vermittlern
vertrieben, deren Entlohnung auf Provisionsbasis erfolgt. Die Verbraucherinnen
und Verbrauchern vermittelten Verträge bzw. Anlageprodukte dienen daher oft-
mals in erster Linie den Einkommensinteressen der Vermittler und weniger den
Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf vergibt die Chance auf
einen Paradigmenwechsel im Bereich der Finanzberatung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• ein Berufsbild „Honorarberater“ für alle am Finanzmarkt angebotenen Pro-
dukte zu schaffen;

• einen geeigneten Bezeichnungsschutz zu etablieren, der eine Unterscheidung
zwischen den Akteuren der Honorarberatung und Akteuren, die gegen Provi-
sion Finanzprodukte vermitteln, ermöglicht;

• Anbieter von Finanzprodukten nach einem angemessenen Zeitraum auf einer
gesetzlichen Basis dazu zu verpflichten, Nettotarife für alle Produkte des
Finanzmarktes einzuführen;

• klarzustellen, dass nach einer Übergangsfrist eine Provisionsweitergabe an
die Verbraucher für Honorarberaterinnen und -berater ausgeschlossen ist;

• eine bundeseinheitliche Aufsicht für alle Finanzmarktakteure zu schaffen und
diese mit einem Verbraucherschutzmandat auszustatten;

• festzulegen, dass sich die Vergütung der Honorarberatung am Zeitaufwand
bemisst;

• die steuerliche Gleichbehandlung von Honorarberatung und Provisionsbera-
tung zu verankern.

Berlin, den 23. April 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13249

Begründung
Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Beschränkung auf bestimmte Pro-
dukte müssten sich Kundinnen und Kunden bereits vor der Nachfrage einer Ho-
norarberatung auf einen Produktbereich festlegen. Dies ist jedoch lebensfremd,
denn oftmals haben Kunden einen eher abstrakten Beratungswunsch; z. B. An-
lageentscheidungen für die Altersvorsorge zu treffen.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Differenzierung zwischen Anlageberatern
und Honorar-Anlageberatern bzw. gewerblichen Honorar-Finanzanlagenbera-
tern ist kaum geeignet, um Kundinnen und Kunden das zugrunde liegende Ver-
gütungsmodell erkennbar zu machen. Zielführend wäre ein Verbot des Begriffs
„Beratung“ in Berufs- und Tätigkeitsbezeichnung von provisionsbasierten
Finanzdienstleistungen. Indessen stehen dem die Vorgaben der Richtlinie über
Märkte in Finanzinstrumente (MiFID = Markets in Financial Instruments Direc-
tive) entgegen. Danach wird der Begriff „Anlageberatung“ unabhängig von der
Art der Vergütung als Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden
definiert. Eine für Kunden verständlichere und transparentere Unterscheidung
zwischen provisionsunabhängiger Honorarberatung und provisionsgestützten
Angeboten könnte aber erreicht werden, wenn nur Beratungen, bei denen keine
Zuwendungen angenommen werden, als „unabhängig“ bezeichnet werden dür-
fen (vgl. Vorschlag der Europäischen Kommission zur Neufassung der MiFID
vom 20. Oktober 2011 (MiFID II)).

Für eine wirkliche Transparenz und einen funktionierenden Wettbewerb auf dem
Finanzmarkt müssten Anbieter aller Finanzprodukte (Versicherungen, Kapital-
anlage, Darlehensprodukte) grundsätzlich zur Ausweisung ihrer Produkte in
Nettotarifen verpflichtet werden, falls die Produkte nicht in einem angemesse-
nen zeitlichen Rahmen am Markt vorliegen. Die Ausweisung eines Produktes
ohne Abschlusskosten wäre für den Produktgeber nur mit geringem Aufwand
verbunden, da er die Abschlusskosten ohnehin kennt. Dies ist eine Grundvoraus-
setzung dafür, dass die Honorarberatung marktfähig werden kann, die vom vor-
liegenden Gesetzentwurf aber nicht aufgegriffen wird. Ohne eine Verpflichtung
der Anbieter, Nettotarife für alle Produkte des Finanzmarktes einzuführen, kann
es dazu kommen, dass der Kunde das Honorar für die Beratung zahlt, sich das
empfohlene Produkt aber beispielsweise über einen Vermittler beschaffen muss
und so zusätzlich eine Provision zu zahlen ist.

Dass am Markt viele Finanzprodukte nicht provisionsfrei angeboten werden, ge-
steht auch der Gesetzentwurf ein. Allerdings will die Bundesregierung dem Herr
werden, indem sie gestattet, dass Zuwendungen an Kundinnen und Kunden wei-
tergeleitet werden können. Das ist aus folgenden Gründen abzulehnen: Zum einen
ist fraglich, ob eine Provisionsweitergabe bei einer unabhängigen Beratung in
Einklang mit den Vorgaben der MiFID II zu bringen sein wird (MiFID II, a. a. O.,
S. 86). Zudem besteht das Risiko eines „Schnäppcheneffektes“ für den Anleger,
wenn er sich bei seiner Anlageentscheidung von der Höhe der durchgeleiteten
Provisionen lenken ließe.

Als einheitliche zuständige Aufsicht für Honorarberater ist einzig die BaFin
geeignet, welche heute bereits ein Beraterregister für Bankberater führt. Eine
Aufsicht bei den Gewerbeämtern oder Industrie- und Handelskammern wirft
Interessenkonflikte auf, da diese auch die Interessenvertretung für die Gewerbe-
treibenden bilden.

Honorarberater und Vermittler werden derzeit von den Finanzbehörden im Be-
reich der steuerlichen Abgaben ungleich behandelt (Umsatzsteuerpflicht). Im
vorgelegten Gesetzentwurf ist hierzu ebenfalls keine Klarstellung vorgesehen.
Honorarberatung kann sich jedoch nur etablieren, wenn sie der Provisionsbera-
tung steuerlich gleichgestellt wird. Daher ist eine Gleichbehandlung von Ver-
mittlung und Beratung bei der Umsatzsteuerpflicht anzustreben. Gleichfalls

braucht es eine Gleichbehandlung mit Blick auf die steuerliche Absetzbarkeit
von Provision und Beratungsentgelt.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.