BT-Drucksache 17/1313

Lohnsteuererhöhung für Geringverdiener

Vom 6. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1313
17. Wahlperiode 06. 04. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Britta Haßelmann, Lisa Paus,
Dr. Thomas Gambke, Brigitte Pothmer, Beate Müller-Gemmeke und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lohnsteuererhöhung für Geringverdiener

Seit dem 1. Januar 2010 zahlen Menschen mit geringem Einkommen eine höhere
Lohnsteuer. Dies geht aus einem Vergleich der Lohnsteuertabellen der Jahre
2009 und 2010 hervor. Demnach zahlen beispielsweise Steuerpflichtige in den
Steuerklassen I und IV mit einem Bruttolohn zwischen 888 Euro und 1 197 Euro
mehr Lohnsteuer als im Vorjahr. Inklusive Kirchensteuer kann sich diese Mehr-
belastung pro Person auf bis zu 4,64 Euro pro Monat belaufen. Damit ergeben
sich für das Gesamtjahr maximale Mehrbelastungen von über 55 Euro pro
Person.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 8. Januar 2010 dazu erklärt
(vgl. Eintrag auf der Homepage des BMF zum Thema „Schlechterstellung im
Lohnsteuerabzug 2010“ als Antwort auf eine Bürgerfrage), dass der höhere
Lohnsteuerabzug daher resultiert, dass aus „technischen Gründen“ keine Günsti-
gerprüfung mit dem Rechtszustand vor 2005 mehr möglich sei. Diese Günstiger-
prüfung war nach Angabe des BMF im Vorjahr noch möglich und wurde erst
durch die Änderungen des Bürgerentlastungsgesetzes unmöglich. Weil die
Günstigerprüfung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung aber weiterhin
durchgeführt werde, führe die Lohnsteuererhöhung nicht zu einer erhöhten
Belastung. Vielmehr werde der erhöhte Lohnsteuerabzug bei der Einkommen-
steuerveranlagung ausgeglichen und sogar überkompensiert, so dass es in allen
Fällen zu einer Entlastung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung gegen-
über dem Veranlagungszeitraum 2009 komme.

Das Bundesministerium hat jedoch darauf verzichtet, die genaue Ermittlung der
Lohnsteuer in den Lohnsteuertabellen transparent zu machen. Die Angaben des
Bundesministeriums können auf dieser Basis von Steuerpflichtigen und ihren
Beratern nicht nachvollzogen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Nach welchem Berechnungsschema wurde die Lohnsteuer in den Lohn-
steuertabellen 2009 und 2010 für die unterschiedlichen Steuerklassen jeweils

genau ermittelt?

2. Wie ergibt sich aus diesem Berechnungsschema die Differenz in der Lohn-
steuerzahlung in 2010 gegenüber 2009, jeweils für Beispiellöhne von 900,
1 020 und 1 100 Euro in den Steuerklassen I und IV?

Drucksache 17/1313 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Wie ergeben sich aus diesem Berechnungsschema die entsprechenden
Mehrbelastungen für Alleinerziehende (Steuerklasse II)?

4. Welche festzusetzende Einkommensteuer ergibt sich für diese typisierten
Einkommen jeweils für das Jahr 2010 und das Jahr 2009, jeweils unter der
Annahme, dass bei den Steuerpflichtigen keine Werbungskosten oberhalb
des Arbeitnehmerpauschbetrags oder andere Sondertatbestände vorliegen,
und wie sieht in diesem Fall das Berechnungsschema aus?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung den Sachverhalt, dass Geringverdiener
eine Lohnsteuererhöhung erfahren, unter den Gesichtspunkten der Steuerge-
rechtigkeit und der Steuervereinfachung?

6. Worin genau liegen die technischen Gründe dafür, dass die Günstigerprü-
fung durch die Änderungen des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversi-
cherung bei der Lohnsteuerberechnung nicht mehr berücksichtigt werden
können?

7. Warum ist es kein Problem, diese Günstigerprüfung bei der Einkommen-
steuerveranlagung in jedem Einzelfall vorzunehmen, und warum konnte
eine analoge Prüfung nicht in der typisierten und einmaligen Ausarbeitung
der Lohnsteuertabelle 2010 erfolgen?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass die Betroffenen künf-
tig eine Einkommensteuererklärung abgeben müssen, um doch noch eine
Steuersenkung zu erhalten, jeweils unter dem Gesichtspunkt der Steuerge-
rechtigkeit, der Steuervereinfachung und des Bürokratieabbaus?

9. Für wie viele Fälle mit einem Arbeitslohn, für den nun höhere Lohnsteuer zu
entrichten ist – und in den vergangenen Jahren Lohnsteuer von den Arbeitge-
bern einbehalten wurde – wurde in den vergangenen Jahren tatsächlich eine
Einkommensteuererklärung abgegeben?

10. Für welche weiteren Einkommensgruppen in welchen Lohnsteuerklassen
ergeben sich jeweils höhere Belastungen dergestalt, dass diese zwar weniger
Lohnsteuer zahlen als im Jahr 2009, aber mehr als im hypothetischen Fall ei-
ner Berücksichtigung der Günstigerprüfung im Lohnsteuerabzugsverfahren
2010, und wie fällt die Antwort zu Frage 9 für diese Personengruppen aus?

11. Rechnet die Bundesregierung damit, dass – und wenn ja in welchem Umfang –
aufgrund des Sachverhaltes mehr Menschen (in den betroffenen Einkom-
mensgruppen) als in der Vergangenheit Einkommensteuererklärungen abge-
ben werden, und wenn ja, wie hoch schätzt die Bundesregierung die den
Steuerpflichtigen hierdurch entstehenden Befolgungskosten absolut und im
Verhältnis zur Einkommensteuererstattung ein?

12. In welcher Höhe würden aus diesem Sachverhalt insgesamt Steuermehrein-
nahmen resultieren, wenn sich der Anteil derjenigen Steuerpflichtigen, die
keine Einkommensteuererklärung abgeben, gegenüber der Vergangenheit
nicht verändern würde; jeweils im Vergleich zur Lohnsteuertabelle 2009 und
zum hypothetischen Fortbestand der Günstigerprüfung?

13. In welcher Höhe würden sich Zinsvorteile für die öffentliche Hand ergeben,
wenn sich der Anteil derjenigen Steuerpflichtigen, die eine Einkommensteu-
ererklärung abgeben, gegenüber der Vergangenheit nicht verändern würde
(gegebenenfalls unter der Berücksichtigung von unterschiedlichen Zinssät-
zen); jeweils im Vergleich zur Lohnsteuertabelle 2009 und zum hypotheti-
schen Fortbestand der Günstigerprüfung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1313

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die konjunkturelle Wirkung des resultie-
renden Entzugs von Kaufkraft bei Geringverdienern, auch vor dem Hinter-
grund, dass die Bundesregierung eine Stützung der Konjunktur grundsätz-
lich für das Jahr 2010 noch als notwendig erachtet?

Berlin, den 6. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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