BT-Drucksache 17/13052

Aufbau und Funktion der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte der Bundeswehr

Vom 11. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13052
17. Wahlperiode 11. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Heidrun Dittrich,
Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Thomas Nord, Frank Tempel, Kathrin
Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Aufbau und Funktion der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte
der Bundeswehr

Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr damit begonnen, spezielle Einheiten
für den Inlandseinsatz aufzustellen, deren Einsatzspektrum bis zum Schusswaf-
feneinsatz reicht.

Im Rahmen der Reform der Bundeswehr wurde im Bereich des neu gegründeten
Kommandos Territoriale Aufgaben die Aufstellung von Regionalen Sicherungs-
und Unterstützungskräften (RSUKr) beschlossen. Begründet wird dieser Schritt
mit angeblichen Mängeln im Bereich des Heimatschutzes, die nach Auflösung
der früheren Heimatschutzbataillone 2007 aufgetreten seien (loyal 11/2011 und
loyal 5/2012).

Der Begriff „Heimatschutz“ wird in der Öffentlichkeit zwar häufig als Syno-
nym zu „Katastrophenschutz“ verwendet, geht aber über diesen weit hinaus.
Die Konzeption der Reserve definiert Heimatschutz als „Verteidigungsaufga-
ben auf deutschem Hoheitsgebiet sowie Amtshilfe in Fällen von Naturkatastro-
phen und schweren Unglücksfällen, zum Schutz kritischer Infrastruktur und bei
innerem Notstand“. Damit ist das gesamte Spektrum militärischen Einsatzes
abgedeckt.

Die Reservisten-Zeitschrift „loyal“ (5/2012) bestätigt diesen Zweck: „Statt sich
wie bisher in Feuerbekämpfung, ABC-Schutz oder Flugabwehr zu üben, steht
für die RSU-Kräfte wieder der klassisch-militärische Auftrag im Mittelpunkt.
[…] Erst in zweiter Linie spielen die unterstützenden Hilfeleistungen im Rahmen
der Katastrophenhilfe eine Rolle.“

Bei den RSUKr mit zunächst je etwa 100 Dienstposten, die aber aufgestockt
werden können, handelt es sich um eine weitere militärische Kraft für den In-
landseinsatz. Bereits im Jahr 2006 war mit dem Aufbau der Struktur der Zivil-
Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) begonnen worden. Beide bilden zu-
sammen die territoriale Reserve für den Einsatz im Inland. Dass auch die ZMZ-
Kräfte keineswegs nur für „Katastrophenhilfe“ gedacht sind, hat die Bundes-
regierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.

bereits zum Ausdruck gebracht. Darin führte sie unter anderem aus, dass die
ZMZ-Kräfte nach „Einzelfall“-Entscheidung durch die zuständigen Behörden
auch anlässlich von Streiks und Demonstrationen tätig werden können (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/13970).

Die erste Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanie (RSUKp) wurde
am 15. Juni 2012 in Bremen aufgestellt. Weitere RSUKp sollen bis April 2013

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im gesamten Bundesgebiet aufgestellt werden. Im Verlauf des Jahres soll zu-
mindest jeweils eine RSUKp in jedem Bundesland aktiv sein.

Das Grundgesetz enthält sehr enge Begrenzungen für militärische Inlandsein-
sätze. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom August
vorigen Jahres diese Möglichkeiten erweitert, ohne präzise Kriterien anzufüh-
ren. Vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen betrachten die Fragesteller
die Aufstellung spezieller Inlandseinheiten mit Sorge.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum hält es die Bundesregierung für notwendig, Kräfte mit „klassisch mi-
litärischem Auftrag“ speziell für Inlandseinsätze aufzustellen?

2. Aus welchen Gründen wurden die Heimatschutzbataillone der Bundeswehr
2007 aufgelöst bzw. außer Dienst gestellt?

3. Auf welchen Überlegungen und Bedrohungsszenarien basiert die Aufstel-
lung der RSUKp?

4. Welche Mängel im Heimatschutz bestanden nach Auffassung der Bundes-
regierung vor 2012?

5. Welche Szenarien und Annahmen liegen einem möglichen Einsatz der
RSUKp zum „Schutz kritischer Infrastrukturen“ zugrunde?

a) Auf welcher Rechtsgrundlage sollte ein solcher Einsatz erfolgen?

b) Welche Regelungen gibt es oder sollen noch entwickelt werden zur
Frage, welche Situationen genau einen Einsatz der RSUKp oder anderer
Bundeswehreinheiten zum „Schutz kritischer Infrastrukturen“ rechtferti-
gen sollen?

c) Was genau versteht die Bundesregierung unter „kritischer Infrastruktur“?

Gibt es eine Liste ortsfester kritischer Infrastrukturen, und wenn ja, wie
vollständig ist diese, wer ist für die Erstellung und Pflege dieser Liste
zuständig, wer hat Zugriff darauf, und welche Orte und Anlagen bzw.
Einrichtungen enthält sie?

6. Welche Szenarien und Annahmen liegen einem möglichen Einsatz der
RSUKp in Fällen „inneren Notstandes“ zugrunde?

Welche konkreten Tätigkeiten kommen dabei je nach Szenario bzw. Anlass
für die RSUKp in Frage?

7. In welchem Umfang und aus welchem Anlass sollen RSUKr zur Bewachung
und Sicherung militärischer Anlagen der Bundeswehr bzw. in Deutschland
stationierter ausländischer Streitkräfte eingesetzt werden, und in welchem
Umfang ist dies bislang der Fall?

a) Mit welchen Waffen werden die Angehörigen der RSUKr beim Wach-
und Sicherungsdienst ausgestattet, und aus wessen Besitz stammen die
Waffen?

b) Kommen die RSUKr beim Wach- und Sicherungsdienst auch alleine zum
Einsatz oder ausschließlich in Begleitung aktiver Soldaten?

8. Welche Überlegungen und Szenarien gibt es hinsichtlich des Einsatzes der
RSUKr im Rahmen von Großveranstaltungen?

a) Gelten für den Einsatz von RSUKr im Rahmen der Amtshilfe sowie der
Unterstützung Dritter die gleichen Regelungen (interne Prüfungen des
Bundesministeriums der Verteidigung – BMVg –, Rechtsgrundlagen etc.)

wie für aktive Truppenteile, und wenn nein, inwiefern unterscheiden sie
sich?

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b) Welche Einsätze hat es im Rahmen von Großveranstaltungen bislang
schon gegeben (bitte vollständig aufführen)?

c) Inwiefern werden die Angehörigen der RSUKr für ihren Einsatz im
Rahmen von Großveranstaltungen entlohnt oder erhalten eine Aufwand-
sentschädigung?

9. Welche weiteren Szenarien für Einsätze der RSUKp sind aus Sicht der
Bundesregierung – neben der subsidiären Unterstützung zur Bewältigung
von Naturkatastrophen – denkbar?

In welchem Umfang können nach den Vorstellungen der Bundesregierung
RSUKr anlässlich von Einsätzen auf Grundlage des Artikels 35 Absatz 2
und 3 des Grundgesetzes (GG) exekutive Befugnisse übernehmen, und
welche Bewaffnung bzw. welche Waffensysteme und welches Großgerät
können sie dabei verwenden?

10. Inwiefern halten die Bundesregierung oder einzelne Ressorts die Schaffung
neuer Rechtsgrundlagen für Inlandseinsätze der Bundeswehr für erforder-
lich (bitte ggf. Zweck und Szenario angeben), was sehen entsprechende
Überlegungen vor, und welche Schritte sollen diesbezüglich unternommen
werden?

11. Wie genau sollen die RSUKr ihre Aufgabe als zivil-militärische Mittler
und regionale Multiplikatoren sowie der Kommunikation mit der Öffent-
lichkeit und der Repräsentation der Bundeswehr in der Öffentlichkeit
wahrnehmen?

a) Welche Weisungen, Ratschläge oder sonstigen Hinweise gibt es hierzu?

b) Wie sind die RSUKr bislang dieser Aufgabe nachgekommen (bitte voll-
ständig, mindestens aber exemplarisch auflisten)?

12. Wie viele RSUKp sind mittlerweile aufgestellt worden, und wann werden
die restlichen RSUKp aufgestellt (bitte nach Datum der Indienststellung
mitsamt Ist- und Sollstärke, Ort und Patentruppenteile angeben)?

Wie erklärt die Bundesregierung allfällige geographische Besonderheiten
beim Aufstellungszeitpunkt sowie bei der Iststärke, und wie will sie diesen
begegnen?

13. Welche Kosten sind bislang in Zusammenhang mit der Aufstellung der
RSUKr und der dazugehörigen Strukturen entstanden (bitte die Gesamt-
summe angeben und die wichtigsten Kostenpunkte einzeln darstellen)?

14. Welche Kosten sind bislang darüber hinaus für die RSUKr entstanden
(bitte Gesamtsumme angeben und die wichtigsten Kostenpunkte einzeln
darstellen)?

Welche Kosten sind dabei für Besoldung, Dienstgelder und sonstige Be-
züge bzw. Entschädigungen anlässlich von Übungen und Ausbildungen
entstanden?

15. Mit welchen jährlichen Kosten rechnet die Bundesregierung nach erfolgter
Aufstellung sämtlicher RSUKp (bitte geschätzte Gesamtsumme angeben
und die wichtigsten Kostenpunkte einzeln darstellen)?

16. Nach welchen Kriterien erfolgt die Aufnahme von Reservistinnen und
Reservisten in die RSUKp?

Über welche militärischen und/oder zivilberuflichen sowie schulischen
Kenntnisse und Qualifikationen sollen die Bewerberinnen und Bewerber
verfügen?

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17. Gibt es mittlerweile ein streitkräftegemeinsames Ausbildungskonzept, das
der Ausbildung der RSUKr zugrunde liegt, und wenn ja, inwiefern unter-
scheidet sich dieses von der Weisung zur Ausbildung der RSUKr (zur Er-
probung) vom Mai 2012 (bitte Unterschiede detailliert benennen oder das
aktuelle Konzept übermitteln)?

18. Ist der Schwerpunkt der Ausbildung immer noch die „Befähigung zur
Wahrnehmung von Wach- und Sicherungsaufgaben zum Schutz militä-
rischer Anlagen/Einrichtungen“, also eine militärische Ausbildung (wenn
nicht, bitte neuen Schwerpunkt benennen)?

19. Trifft es zu, dass in der Ausbildung das Beherrschen insbesondere des Ge-
wehrs G 36 und der Pistole P 8 vorgesehen ist?

Welche weiteren Waffen bzw. Waffensysteme werden in der Ausbildung
bzw. für etwaige Einsätze vorgesehen (bitte vollständig aufführen)?

20. Nach welchen Regelungen, in welchen Fällen, auf wessen Veranlassung,
auf welcher Rechtsgrundlage und von wem werden die RSUKr mit Waffen
ausgestattet?

Welches weitere Material ist für die RSUKr vorgesehen, in wessen Besitz
ist dieses, und wo wird es gelagert?

21. Welche Ausbildungen wurden seit Aufstellung der ersten RSUKp tatsäch-
lich absolviert (bitte möglichst vollständig angeben, inklusive Teilnehmer-
zahlen und Standort der jeweiligen RSUKp)?

Inwiefern sind diese Ausbildungen in Zusammenarbeit mit den Reservis-
tenarbeitsgemeinschaften des Reservistenverbandes erfolgt, und wie ge-
staltet sich diese Zusammenarbeit konkret?

22. Welche Ausbildungen sollen im Jahr 2013 noch stattfinden (bitte vollstän-
dig für die jeweiligen Landeskommandos angeben)?

23. Wie viele Angehörige der bislang aufgestellten RSUKp waren als aktive
Soldaten im Auslandseinsatz?

24. Wie viele Übungen haben bereits stattgefunden (bitte nach Kompanie, Zeit,
Ort, detaillierten Übungsinhalten/-szenarien sowie Kooperationen mit
Bundeswehreinheiten und zivilen Behörden/Einrichtungen aufschlüsseln)?

25. Welche Übungen von RSUKp sind momentan geplant, und wie sehen diese
aus (bitte unter Angabe der detaillierten Übungsinhalte/-szenarien nach
Kompanie, Zeit, Ort sowie Kooperationen mit anderen militärischen Ein-
heiten und zivilen Behörden/Einrichtungen aufschlüsseln)?

26. Inwiefern waren bislang Polizeieinheiten an Kooperationen mit den
RSUKr beteiligt (bitte angeben, um welche Polizeieinheiten es sich handelt
und welcher Art die Kooperation war), und inwiefern ist künftig eine
Kooperation beabsichtigt?

27. Welche Kooperationen im Rahmen der ZMZ mit zivilen Behörden oder
Einrichtungen sind für die RSUKr vorgesehen oder existieren bereits (bitte
nach Kompanie, Kooperationspartnern und Inhalten der Kooperation auf-
schlüsseln)?

28. Inwiefern ist eine Zusammenarbeit der RSUKp mit den Landes-, Bezirks-
bzw. Kreisverbindungskommandos der ZMZ-Strukturen beabsichtigt, und
wie soll diese gestaltet werden?

29. Welche Befehlsketten sind für die Einsätze der RSU-Kräfte vorgesehen
(bitte ggf. nach Szenarien unterscheiden)?

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30. Durch welche Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass keine Rechts-
extremisten als Teil der RSUKr an eine militärische Ausbildung und Ein-
fluss im Bereich von Katastrophenschutz und Sicherungsaufgaben gelan-
gen?

31. Was genau versteht die Bundesregierung unter dem Begriff „Heimat-
schutz“, und welche Aufgabenbereiche, Institutionen und Organisationen
fallen ihrem Verständnis zufolge darunter?

Berlin, den 11. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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