BT-Drucksache 17/12948

Umfang und Intensität des Einflusses von Lobbyisten auf die Datenschutzgesetzgebung

Vom 20. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12948
17. Wahlperiode 20. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Agnes Alpers, Annette Groth, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Stefan Liebich, Jens Petermann, Kathrin Senger-Schäfer,
Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Umfang und Intensität des Einflusses von Lobbyisten auf die Datenschutz-
gesetzgebung

Während des Gesetzgebungsverfahrens auf europäischer Ebene gibt es für die
jeweiligen außerparlamentarischen Interessengruppen einige Möglichkeiten,
den Gesetzgebungsprozess zu beeinflussen. Zum einen ist das möglich, bevor
die Kommission den Gesetzentwurf niederschreibt – nämlich im Rahmen der
Onlinekonsultation und des Grünbuchprozesses –, zum anderen kann später
auch an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments (MdEPs) herangetreten
werden. Deren Änderungsvorschläge spielen nämlich eine erhebliche Rolle in
der letztendlichen Ausgestaltung des Gesetzestextes.

Jedoch ist diese Teilhabemöglichkeit nicht immer unproblematisch. So nahm
der Lobbyansturm auf die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen
Union (EU) ein solch großes Ausmaß an, dass selbst Medien der Vereinigten
Staaten von Amerika, wie die „New York Times“, regelmäßig über die versuch-
ten Einflussnahmen durch Internetriesen wie „Google“ oder „Amazon“ auf den
Europäischen Datenschutz berichten (vgl. New York Times vom 26. Januar
2013 „Silicon Valley Companies Lobbying Against Europe’s Privacy Proposals“
sowie vom 4. Februar 2013 „Europe Moves Ahead on Privacy“). Ziel der Lobby-
isten ist natürlich, das neue europäische Datenschutzrecht so vorteilhaft wie nur
möglich für sich selbst zu gestalten. Mehrere MdEPs sind bereits an die Öffent-
lichkeit getreten, um auf die in Brüssel herrschenden Zustände aufmerksam zu
machen. Insbesondere Jan Philipp Albrecht, der Berichterstatter im Innenaus-
schuss des Europäischen Parlaments, wird von Lobbyisten nahezu belagert. In
der „Süddeutschen Zeitung“ berichtete er, dass er seit Beginn dieses Jahres
bereits 168 Lobbyvertreter getroffen hätte, darunter Repräsentanten von Ebay,
Google und Facebook (14. Februar 2013 „Internetkonzerne schreiben bei Daten-
schutzregeln mit“, sueddeutsche.de). Auch die Internetplattform lobbyplag.eu
setzt sich kritisch mit dem „Lobby-Krieg“ auseinander, indem Interessierten
aufgezeigt wird „wie die fast 15 000 Lobbyisten in Brüssel und die 754 Parla-
mentarier zusammenarbeiten.“ („Europas Einflüsterer“, wirtschaftspresse.biz,
19. Februar 2013). So wird auf der Homepage ganz genau dokumentiert, welche

Abgeordneten sich bei der Formulierung ihrer Änderungsvorschläge für die EU-
Datenschutzgrundverordnung von welchen Firmenleitsätzen inspirieren lassen
haben. Ob das immer ganz immer ungewollt ist, bleibt bei der Anzahl der Ein-
träge auf lobbyplag.de zu bezweifeln.

Drucksache 17/12948 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Über die Versuche von Lobbyverbänden, auch hierzulande Einfluss auf die
Datenschutzgesetzgebung zu nehmen, ist weit weniger bekannt, jedoch ist auch
hier anzunehmen, dass die massive Tätigkeit der zahlreichen Organisationen
nicht ohne Wirkung ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Werden die europäischen Mitgliedstaaten in den Erarbeitungsprozess von
Gesetzesvorhaben der Europäischen Kommission mit einbezogen?

Wenn ja, in welchem Maße, und durch welche Institutionen?

2. Für wie transparent schätzt die Bundesregierung den Erarbeitungsprozess
von Gesetzesinitiativen durch die Europäische Kommission ein?

3. Ist der Bundesregierung bekannt, ob und in welchem Maße bereits am Ge-
setzentwurf der Kommission durch verschiedenste außerparlamentarische
Interessengruppen mitgewirkt wird?

Wenn ja, ist der Bundesregierung bekannt, wie die Europäische Kommission
damit umgeht?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Firmen und Interessengruppen aus
Industrie, Wirtschaft, Handel, Finanz- und- Versicherungssektor, Beratungs-
firmen, Anwaltskanzleien und Medienverbänden an der Datenschutzgrund-
verordnung mitwirken wollten?

5. Welche Position nimmt die Bundesregierung grundsätzlich zur Einfluss-
nahme von Lobbyisten auf Mitglieder der Bundesregierung, auf Ministerien,
Bundesbehörden sowie deren jeweils Beschäftigte als Beteiligte am Gesetz-
gebungsprozess ein, und wie definieren sich nach Auffassung der Bundes-
regierung die Grenzen einer solchen Einflussnahme?

6. Welche Untersuchungen sind der Bundesregierung bekannt, oder welche hat
sie selbst in Auftrag gegeben, die sich mit dem Einfluss von Lobbyisten auf
Beteiligte am Gesetzgebungsprozess auseinandersetzen, welche Erkennt-
nisse zur Beurteilung dieses Phänomens liegen der Bundesregierung vor, wie
kritisch schätzt die Bundesregierung dieses Phänomen ein, und wo sieht sie
konkreten Handlungsbedarf?

7. Ist die Bundesregierung dazu bereit, gesetzliche Grundlagen dafür zu schaf-
fen, den Einfluss und die Beteiligung von Interessenverbänden am Gesetz-
gebungsprozess im jeweiligen Gesetz in geeigneter Weise darzustellen, und
wenn nicht, aus welchen Gründen?

8. Bei welchen Vorhaben, Projekten und Initiativen der Bundesregierung der
folgenden Bereiche hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2005 mit welchen
Interessengruppen und externen Beraterinnen und Beratern in welcher Form
zusammengearbeitet, und welche Kosten sind dadurch gegebenenfalls ent-
standen (bitte jeweils auflisten nach

a) E-Government,

b) Sozialdatenschutz,

c) Beschäftigtendatenschutz,

d) Biometrie,

e) Sicherheitsforschung und

f) Überwachungstechnologie)?

9. Bei welchen weiteren Datenschutzvorhaben und -initiativen der Bundes-

regierung wirkten welche Interessengruppen bzw. Beraterinnen und Berater
in welcher Form seit 2005 mit?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12948

10. Mit welchen Vertretern und Organisationen von Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern sowie anderen Interessengruppen hat die Bundesregierung im
Rahmen der Ausarbeitung ihres Gesetzentwurfs zur Regelung des Beschäf-
tigtendatenschutzes (Bundestagsdrucksache 17/4230), wann, und mit wel-
cher Auswirkung auf den Gesetzentwurf, Gespräche geführt (bitte auflisten)?

11. Haben an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs zur Regelung des Beschäf-
tigtendatenschutzes (Bundestagsdrucksache 17/4230) externe Berater mit-
gewirkt?

Wenn ja, um wen handelte es sich dabei, und welche Kosten sind dabei ent-
standen (bitte auflisten)?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Einbeziehung von
Vertretern und Organisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie
anderer Interessengruppen an der Erarbeitung des am 10. Januar 2013 von
der Regierungskoalition eingebrachten Änderungsantrags (Ausschuss-
drucksache 17/(4)636), und in welcher Form war die Bundesregierung an
der Erarbeitung beteiligt?

Berlin, den 25. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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