BT-Drucksache 17/12930

Verwendung von Pfefferspray durch Beamte der Bundespolizei

Vom 22. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12930
17. Wahlperiode 22. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Karin Binder, Christine Buchholz, Heike Hänsel,
Sevim Dag˘delen, Heidrun Dittrich, Dr. Dagmar Enkelmann, Annette Groth, Inge
Höger, Andrej Hunko, Sabine Leidig, Petra Pau, Jens Petermann, Michael
Schlecht und der Fraktion DIE LINKE.

Verwendung von Pfefferspray durch Beamte der Bundespolizei

Die Verwendung von Pfefferspray durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte,
vorgesehen als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt, steht weiter in der Kritik.
Der Reizstoff wird nicht nur angewandt, um eine unmittelbare Gefährdung
einer einzelnen Beamtin bzw. eines einzelnen Beamten abzuwehren. Immer
wieder klagen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Kundgebungen sowie
Fußballfans über ein unterschiedsloses Besprühen mit Pfefferspray, um Perso-
nenmengen zurückzudrängen oder um eine Auflösung der Versammlung zu
erzwingen. Dabei nimmt die Polizei das Risiko in Kauf, dass eine Vielzahl von
Personen verletzt oder traumatisiert wird: „Selbstverständlich kann nicht aus-
geschlossen werden, dass gravierende Gesundheitsstörungen eintreten können,
wenn etwa Störer unter Einfluss von Drogen stehen oder unter Atemwegs-
erkrankungen leiden, die die Wirkung von Pfefferspray verstärken können“,
räumte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in einer
Stellungnahme für eine Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundes-
tages am 7. November 2011 ein.

Typische Symptome bei den Betroffenen sind Augenreizungen, vorüber-
gehende Blindheit, Atembeschwerden und Schockzustände. Studien etwa des
US-amerikanischen Justizministeriums gehen gar von mehreren Fällen aus, in
denen der Einsatz von Pfefferspray den Tod von Personen „mit verursacht“
habe (DER SPIEGEL vom 28. Dezember 2009 „Gefährliches Chili-Gemisch“).

Verschiedentlich aufkommende Hinweise, bei „sachgemäßer Anwendung von
Pfefferspray“ seien schwerwiegende Verletzungen der Augen ausgeschlossen, ge-
hen insoweit an der Realität vorbei, als im Zuge eskalierender Konfliktsituationen
eine solche „sachgemäße“ Anwendung, wie etwa das schnellstmögliche Ausspü-
len der Augen bzw. das Aufsuchen medizinischer Behandlung, kaum möglich sind.

Die mit dem Einsatz von Pfefferspray verbundenen Risiken sind mit der Ableh-
nung eines auf die massive Einschränkung von Pfefferspray-Anwendung durch
die Polizei zielenden Antrages der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdruck-
sache 17/5055) nicht geringer geworden.
Aus Sicht der Fragesteller ist schon die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von
Pfefferspray zur Ausübung des unmittelbaren Zwanges bei Versammlungen
nicht gegeben. Mindestens müsste aber eine umfassende Dokumentation solcher
Einsätze erfolgen, um die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebotes überprü-
fen zu können. Ebenso muss sichergestellt werden, dass die bisher gewonnenen
und ggf. neu hinzukommenden medizinischen Erkenntnisse unmittelbaren Ein-
gang in die entsprechenden Anweisungen und Richtlinien der Polizei finden.

Drucksache 17/12930 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Typen von Reizstoffsprühgeräten wurden in den Jahren 2000 bis
2012 jeweils bei der Bundespolizei beschafft (bitte nach Jahren, Anzahl,
Gerätetyp, Hersteller, Füllmenge, Reichweite, verwendetem Reizstoff und
Konzentration aufschlüsseln)?

2. Bei welchen Versammlungen setzte die Bundespolizei in den Jahren 2000
bis 2012 jeweils Reizstoffe gegen Versammlungsteilnehmer bzw. umste-
hende Personen ein?

Falls eine solche Statistik nicht existiert, nach welchen Einsätzen im Zusam-
menhang mit Versammlungen hat die Bundespolizei in den Jahren 2000 bis
2012 welchen Ersatzbedarf an Reizgassprühgeräten angemeldet (bitte voll-
ständig unter Angabe der als Ersatzbedarf angemeldeten Typen und Füll-
mengen angeben; bitte bei der Beantwortung sowohl Einsätze im direkten
Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei als auch nach Kenntnis der Bundes-
regierung solche Einsätze berücksichtigen, die zur Unterstützung von Länder-
polizeien durchgeführt wurden)?

3. Bei welchen Anlässen bzw. Erfordernissen und wie häufig setzte die Bundes-
polizei in den Jahren 2000 bis 2012 jeweils Reizstoffe gegen Personen außer-
halb von Versammlungen ein?

4. Nach welchen Vorschriften bzw. nach welchem Verfahren müssen Beamtin-
nen und Beamte der Bundespolizei die Anwendung von Pfefferspray als
Hilfsmittel körperlicher Gewalt gegen Personen melden?

Inwiefern (Rhythmus, Kriterien) werden diese Meldungen ausgewertet, und
welche Schlussfolgerungen haben sowohl die auswertenden Gremien als
auch die Bundesregierung bislang aus den Auswertungen gezogen (bitte die
wesentlichen Erkenntnisse aus den Auswertungen seit dem Jahr 2000 ange-
ben)?

5. Nach welchen Rechtsvorschriften oder Anweisungen kommt Pfefferspray
derzeit bei der Bundespolizei zum Einsatz, und wie ist der wesentliche
Inhalt der Vorgaben?

Inwiefern gelten diese Vorgaben gleichermaßen für Einsätze im originären
Zuständigkeitsbereich als auch bei Einsätzen unter Hoheit der Länderpoli-
zeien, bzw. welche Abweichungen gibt es?

6. Wurde die „Technische Richtlinie (TR) Reizstoff-Sprühgeräte (RSG) mit
Oleoresin Capsicum (OC) oder Pelargonsäurevanillylamid (PAVA)“ seit 2008
überarbeitet, und wenn ja, inwiefern, und welche Fassung hat sie derzeit?

7. Welche Untersuchungen oder Erhebungen der Bundespolizei, anderer
Dienststellen oder Dritter, die sich mit möglichen Gesundheitsschädigungen
(körperlich und psychisch) durch den Einsatz von Reizstoffen sowie mög-
lichen technischen Problemen und Handhabungsmängeln der Geräte befassen,
sind der Bundespolizei bekannt, und was sind die wesentlichen Erkennt-
nisse?

8. Ist die Untersuchung der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU, der zufolge
in den USA mehrere Dutzend Menschen infolge Pfefferspray-Anwendung
gestorben sind (DER SPIEGEL vom 28. Dezember 2009 „Gefährliches
Chili-Gemisch“), den Angehörigen der Bundespolizei zur Kenntnis gebracht
worden?

Ist sie in die Vorgaben zur Anwendung von Pfefferspray durch die Bundes-
polizei eingeflossen, und wenn ja, inwiefern?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12930

9. Wie fließen neue Erkenntnisse über mögliche Gesundheitsschädigungen
durch den Einsatz von Reizstoffen sowie mögliche technische Probleme
und Handhabungsmängel der Geräte in die Einsatzvorschriften ein?

Ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache
17/4163 so zu verstehen, dass die einzige Untersuchung, die überhaupt
Berücksichtigung in den Einsatzvorgaben fand, diejenige des Aachener
Centrums für Technologietransfer in der Ophthalmologie aus dem Jahr 2008
ist, und wenn nein, welche anderen Untersuchungen bzw. Erkenntnisse
wurden seit dem Jahr 2000 berücksichtigt?

10. Welche Beschlüsse bezüglich der Verwendung von Reizstoffen bei der
Polizei des Bundes und der Länder hat die Innenministerkonferenz seit 1999
gefasst, und wie lauten diese?

11. Wie viele Polizistinnen und Polizisten des Bundes kamen in den Jahren
2000 bis 2012 bei der Verwendung der von ihnen eingesetzten Reizstoffe
selbst zu Schaden bzw. waren von deren Wirkstoffen selbst betroffen?

Berlin, den 22. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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