BT-Drucksache 17/12884

Aufklärung über die Beziehungen von Bundesregierung und Bundesnachrichtendienst zu Adolf Eichmann

Vom 18. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12884
17. Wahlperiode 18. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Ekin Deligöz, Katja Dörner, Kai
Gehring, Agnes Krumwiede, Monika Lazar, Tabea Rößner, Krista Sager, Ulrich
Schneider, Arfst Wagner (Schleswig), Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln),
Friedrich Ostendorff und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aufklärung über die Beziehungen von Bundesregierung und
Bundesnachrichtendienst zu Adolf Eichmann

Vor rund einem Jahr hat die Nachricht, dass der Bundesnachrichtendienst (BND)
bzw. seine Vorläuferorganisation „Gehlen“ bereits 1952 den Aufenthaltsort des
Holocaust-Organisators Adolf Eichmann kannte, ohne wirksame Maßnahmen
zu seiner Ergreifung einzuleiten (vgl. BILD vom 8. Januar 2011), weltweit Auf-
sehen erregt. Die Nachricht wird als Beleg für einen fahrlässigen, wenn nicht
komplizenhaften Umgang von staatlichen Stellen der frühen Bundesrepublik
mit NS-Verbrechern ausgelegt. Es besteht dringender Aufklärungsbedarf durch
die Bundesregierung.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag hat die Bundesregie-
rung aufgefordert, einen Bericht Akten und Erkenntnisse des BND zu Adolf
Eichmann sowie Klaus Barbie vorzulegen und darzulegen, wer die Verantwor-
tung für das jahrelange Verschweigen ihrer Aufenthaltsorte trug (Antrag auf
Bundestagsdrucksache 17/4586). Dieselbe Fraktion forderte von der Bundes-
regierung darüber hinaus eine systematische Aufarbeitung der NS-Vergangen-
heit von Bundesministerien und Behörden (Antrag auf Bundestagsdrucksache
17/10068). Beide Anträge hat die Mehrheit der Regierungskoalition im Plenum
des Bundestages abgelehnt. Dies könnte den Eindruck nahelegen, dass die Bun-
desregierung keine Verantwortlichkeiten benennen und keine eigenständigen
Beiträge zur weiteren Aufarbeitung leisten will.

Im Fall Eichmann wurden in der Zwischenzeit weitere problematische Details
bekannt. Veröffentlichungen von Forschern und Publizisten wie Bettina
Stangneth und Willi Winkler führen den großen Aufklärungsbedarf durch die
Bundesregierung nochmals eindringlich vor Augen. Die Bundesregierung ist
dringend aufgefordert, schnell und umfassend für Klarheit zu sorgen und jedem
Verdacht entgegenzuwirken, dass sie Fehler der frühen Bundesrepublik im Fall
Eichmann und im Umgang mit der NS-Vergangenheit verschleiern will. Ein
solcher Verdacht wäre ein großer Schaden für unsere demokratische Erinne-

rungskultur.

Drucksache 17/12884 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was unternahm die Bundesregierung nebst nachgeordneten Behörden,
nachdem die Frau von Adolf Eichmann und seine drei Söhne 1952 aus
ihrem Wohnort Altaussee (Österreich) verschwanden und nach Argentinien
auswanderten, um dort mit Adolf Eichmann zusammenzuleben?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass der damaligen „Orga-
nisation Gehlen“ aufgrund dieses Nachzugs der Familie Eichmann der
Deckname und die Kontaktadresse Adolf Eichmanns in Argentinien spätes-
tens seit dem 24. Juni 1952 bekannt waren (vgl. die Veröffentlichung aus
der entsprechenden Geheimdienst-Akte in der BILD Zeitung am 8. Januar
2011)?

3. Hat diese Information auch das für die Geheimdienste zuständige Bundes-
kanzleramt erreicht?

4. a) Wussten um den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns

aa) Hans Globke, der von 1953 bis 1963 Chef des Bundeskanzleramtes
war,

bb) Bundeskanzler Konrad Adenauer?

b) Wenn ja, jeweils ab wann?

5. Wie haben die Bundesregierung und ihr nachgeordnete Behörden diese In-
formation und weitere sie bestätigende Meldungen verwendet?

6. Welche Bemühungen zur Verhaftung Adolf Eichmanns haben die Bundes-
regierung und ihr nachgeordnete Behörden in der Folgezeit bis zu Adolf
Eichmanns tatsächlicher Ergreifung unternommen?

7. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Diskrepanz zwischen einem be-
schwichtigenden Bericht der deutschen Botschaft in Buenos Aires von
Ende 1953, wonach sich nur wenige und zudem unbedeutende Personen mit
NS-Vergangenheit in Argentinien aufhielten, und einem 58-seitigen Bericht
der CIA aus demselben Jahr, der deutlich vor Aktivitäten zahlreicher alter
und neuer Nazis in Argentinien warnt?

8. Wann und in welchem Zusammenhang haben die Bundesregierung und ihr
nachgeordnete Behörden oder – nach ihrer Kenntnis – welche Bundesländer
bzw. deren Behörden welche Stellen anderer Staaten über den Aufenthalts-
ort Adolf Eichmanns informiert?

9. Wer hat 1958 in welchem Zusammenhang die aus einsehbaren CIA-Akten
hervorgehenden BND-Informationen zum Aufenthaltsort Adolf Eichmanns
übermittelt?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Information des Bundeskriminalam-
tes an das Hessische Landeskriminalamt von Anfang Juli 1957, wonach es
keine Interpol-Fahndung nach Adolf Eichmann geben werde, weil es sich
bei seinen Verbrechen um „Straftaten politischen und rassischen Charak-
ters“ handele, bei denen Interpol die Mitwirkung untersagt sei (vgl. Bettina
Stangneth, „Eichmann vor Jerusalem“, S. 406 f.)?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage von Adolf Eichmann in sei-
nem während seiner Haft Anfang 1961 geschriebenen Text „Meine Flucht“,
der von seinem Verteidigungskomitee, der sogenannten Interessengemein-
schaft Linz in Auftrag gegeben und an das britische Magazin „People“ ver-
kauft wurde, wonach er Kenntnis davon hatte, dass Interpol nicht nach ihm
fahnde und ihn das sehr beruhigt habe?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12884

12. Welche Informationen hat die Bundesregierung darüber, wie Adolf
Eichmann von der Ablehnung einer Interpol-Fahndung nach ihm erfahren
hat?

13. Wie gelangte eine Kopie der handschriftlichen Fassung von Adolf
Eichmanns Text „Meine Flucht“ in die BND-Akte über ihn?

14. Hat das BKA zu irgendeinem Zeitpunkt nach Adolf Eichmann in Argen-
tinien gefahndet bzw. fahnden lassen oder Schritte unternommen, um die
Hinweise auf dessen Aufenthaltsort zu überprüfen, und wenn nein, warum
nicht?

15. Welche Anhaltspunkte hat die Bundesregierung dafür, dass der ehemalige
SS-Mann Paul Dickopf, der ab 1952 Leiter des deutschen Interpol-Zentral-
büros und stellvertretender BKA-Chef war, die Fahndung nach Adolf
Eichmann behindern wollte?

16. Wie stichhaltig waren die Gründe dafür, keine Interpol-Fahndung einzulei-
ten?

17. Wer hat entschieden, dass kein Fahndungsersuchen gestellt wird?

18. Was ist der Bundesregierung von einem Besuch Paul Dickopfs beim hes-
sischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer zwischen 1958 und 1959 bekannt,
bei dem Paul Dickopf Fritz Bauer aufgefordert haben soll, auf die Fahndung
nach Adolf Eichmann zu verzichten, zumal es falsch sei, diesen in Argen-
tinien zu vermuten (vgl. Bettina Stangneth, „Eichmann vor Jerusalem,
S. 430)?

19. Wie ging die Bundesregierung mit der Meldung des Bundesamtes für Ver-
fassungsschutz (BfV) an das Auswärtige Amt (AA) vom 11. April 1958 um,
wonach ein „Karl Eichmann, während des ,Dritten Reichs‘ Organisator der
Judendeportationen … unter dem Namen Clement über Rom nach Argen-
tinien geflohen“ sei?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass dem BfV seit Frühjahr 1959 die In-
formation vorlag, wonach die Frau Eichmanns mit seinen inzwischen vier
Söhnen in Argentinien gelebt haben soll?

Welche Maßnahmen zur Ergreifung von Adolf Eichmann veranlasste die
damalige Bundesregierung auf diese Information hin?

21. Wie ging die Bundesregierung mit den Nachforschungen der deutschen
Botschaft aus Argentinien um, wonach die Suche nach dem unter dem
Pseudonym Clement oder einem anderen Namen abgetauchten Adolf
Eichmann in Argentinien ergebnislos geblieben sei?

22. Wie sind diese Nachforschungen der deutschen Botschaft in Buenos Aires
nach Adolf Eichmann zu beurteilen, wenn im Archiv dieser Botschaft
dokumentiert ist, dass Eichmanns Frau, die unter ihrem Mädchennamen
Liebl in Argentinien lebte, zusammen mit ihren Söhnen dort erschienen ist,
um für die Söhne Pässe auf den Namen Eichmann ausstellen zu lassen?

23. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Angehörige der deutschen
Botschaft in Argentinien damals Adolf Eichmanns Flucht bzw. unerkanntes
Leben dort unterstützten?

24. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob Informationen aus
dem Umkreis der Firma Mercedes Benz in Argentinien, bei der Adolf
Eichmann zuletzt arbeitete, zu seiner Entdeckung beigetragen haben?

25. Sind Vertreter der Bundesregierung und ihr nachgeordneter Behörden oder
– nach ihrer Kenntnis – welcher Bundesländer bzw. deren Behörden 1960

oder zu einem anderen Zeitpunkt nach Argentinien gereist, um dort Infor-
mationen über Adolf Eichmann einzuholen?

Drucksache 17/12884 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

26. Sind Berichte zutreffend, dass wenige Monate vor der Ergreifung Adolf
Eichmanns ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Buenos Aires, der
Zugang zur Eichmann-Akte der Botschaft hatte, entlassen wurde, weil er
diese möglicherweise einem Vertreter einer NS-Opferorganisation überlas-
sen hat?

Wenn ja, wie lauten die Details?

27. Wo ist die Eichmann-Akte der deutschen Botschaft in Argentinien heute?

28. Gab es eine Akte dieser Botschaft über Josef Mengele?

Wenn ja, wo befindet sie sich heute?

29. Welche Akten in deutschen Ministerien, Behörden und Archiven zum Fall
Adolf Eichmann liegen noch unter Verschluss bzw. sind noch nicht öffent-
lich zugänglich, und wenn ja, warum?

30. Welche Gefahren für das freundschaftliche Verhältnis zu anderen Staaten
befürchtet die Bundesregierung, wenn sie ihre bisher unter Verschluss ge-
haltenen Eichmann-Akten öffentlich zugänglich machte?

31. Befürchtet die Bundesregierung auch Gefahren für das freundschaftliche
Verhältnis zu anderen Staaten, falls die fraglichen Akten weiterhin öffent-
lich unzugänglich blieben?

32. Welche Kontakte hielten deutsche Botschaftsangehörige zum Kreis um
Adolf Eichmann und insbesondere zum ehemaligen niederländischen SS-
Mann und Journalisten Willem Sassen, der über Monate hinweg auch in
einem größerem Kreis von anwesenden Personen Interviews mit Adolf
Eichmann führte, die auf über 73 Tonbändern aufgezeichnet sind?

33. Wieso hat das deutsche Passamt Konstanz diesem Willem Sassen, der im
deutschen Heeresdienst gegen die Befreiung Belgiens kämpfte und dort
zum Tode und in den Niederlanden zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt
wurde, am 4. Juli 1960 einen deutschen Reisepass ausgestellt, obwohl
Sassens Namen in den Niederlanden bis 1969 auf der Fahndungsliste stand?

34. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage der Autoren der Studie „Das
Amt“, wonach Werner Junker, der zwischen 1956 und 1963 deutscher Bot-
schafter in Argentinien war und zuvor NS-Mitglied und Mitarbeiter des in
Jugoslawien als Kriegsverbrecher verurteilten Sonderbevollmächtigten des
Auswärtigen Amts für den Südosten in Belgrad, Hermann Neubacher, „mit
den Lebensumständen von Sassen recht gut vertraut war und durchaus mit
ihm sympathisierte“ (E. Conze u. a., „Das Amt und die Vergangenheit:
Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“,
S. 608)?

35. Ist die Meldung des SPIEGEL 52/1955 zutreffend, wonach Hermann
Terdenge, der zwischen 1951 und 1955 deutscher Botschafter in Argen-
tinien war, nach dem Sturz Juan Peróns „wegen seiner betonten Intimität
mit dem argentinischen Staatspräsidenten“ abberufen wurde?

36. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Botschafter Hermann
Terdenge und Werner Junker von der Flucht und dem Untertauchen Adolf
Eichmanns und weiterer NS-Verbrecher in Argentinien und anderen Län-
dern Lateinamerikas wussten oder diese sogar deckten?

37. Wie geht die Bundesregierung und v. a. das Auswärtige Amt heute mit dem
Wirken Hermann Terdenges und Werner Junkers in Argentinien um?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12884

38. Welche Nachforschungen hat die Bundesregierung hinsichtlich möglicher
Unterlassungen und Straftaten der beiden Botschafter unternommen – zu-
mal Außenminister Heinrich von Brentano sich nach der Eichmann-Ent-
führung über Werner Junker und sein Verhalten offensichtlich sehr kritisch
geäußert hat?

39. Welche Nachforschungen hat die Bundesregierung bezüglich möglicher
Unterlassungen oder Straftaten anderer öffentlich bediensteter Deutscher
im Zusammenhang mit der jahrelangen Nichtergreifung Adolf Eichmanns
in Argentinien unternommen?

40. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aktivitäten der deutschen Botschaft
in Argentinien hinsichtlich des dort 1949 ebenfalls untergetauchten und erst
1987 verhafteten NS-Verbrechers Josef Schwammberger?

41. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Angehörige der dortigen
deutschen Botschaft Josef Schwammberger gedeckt und eine deutlich frü-
here Ergreifung verhindert haben?

42. Mit welchen Maßnahmen will die heutige Bundesregierung die damalige
Tätigkeit der deutschen Botschaft und der Botschaftsangehörigen in Argen-
tinien hinsichtlich der in Argentinien untergetauchten NS-Verbrecher wei-
ter aufarbeiten?

43. Warum stellte die Bundesregierung nach der Ergreifung Adolf Eichmanns
1960 keinen Auslieferungsantrag?

44. Welchen Einfluss versuchte die damalige Bundesregierung auf den Eich-
mann-Prozess in Jerusalem zu nehmen?

45. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung von Bundeskanzler
Konrad Adenauer, die Kreditzusage an Israel bis zum Prozessende einzu-
frieren?

46. Befürchtete die damalige Bundesregierung, dass der Prozess auch die NS-
Vergangenheit von Kanzleramtschef Hans Globke und anderen Mitarbei-
tern von Bundesministerien und -behörden thematisieren könnte?

47. Wie beurteilt die Bundesregierung heute den Versuch deutscher Behörden,
damals Einfluss auf die Prozessberichterstattung und die Publizistik zu
nehmen, z. B. im Fall von Inge Deutschkron, Klaus Bölling und Reinhard
Strecker (vgl. Willi Winkler, „Der Schattenmann“, Kapitel 9)?

48. a) Welche Treffen und Besprechungen fanden im Bundeskanzleramt im
Zusammenhang mit der Ergreifung und dem Prozess gegen Adolf
Eichmann statt?

b) Welche Ergebnisse hatten diese Treffen?

49. Welche Rolle spielte das Institut für Zeitgeschichte, München, bei diesen
Treffen?

50. Was hatte Hans Globke mit der kurzfristigen Veröffentlichung des ihn ent-
lastenden „Lösener-Berichts“ durch Theodor Eschenburg in den „Viertel-
jahrsheften für Zeitgeschichte“ zu tun?

51. Wurde Druck auf das Forschungsinstitut ausgelöst, um einen bestimmten
Prozessverlauf „wissenschaftlich“ zu unterstützen, und gegebenenfalls
wie?

52. Welche Rolle spielte der Fall Eichmann im Verhältnis zwischen der Bun-
desrepublik Deutschland und der DDR?

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53. a) Wie beurteilt die Bundesregierung heute die Rolle des BND-Agenten
R. V. rund um den Eichmann-Prozess?

b) Wie lautete der Auftrag des Bundeskanzleramtes für R. V. in Israel genau
(vgl. Willi Winkler, „Der Schattenmann“)?

54. Inwieweit trifft der Pressebericht zu (SPIEGEL ONLINE, 2. September
2011 – „Aktenklau für die Adenauer-Republik“), wonach im Eichmann-
Prozess in Israel ein Vertrauter des damaligen Kanzlers Konrad Adenauer
aus dem Hotelzimmer des DDR-Anwalts Friedrich Karl Kaul in Jerusalem
Dokumente gestohlen hat, um sie dem Bundesnachrichtendienst zu überge-
ben?

55. a) Welches Interesse hatte die Bundesregierung damals an diesen Akten?

b) Welches ist der Inhalt dieser Akten?

56. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung hinsichtlich der Organisation
und Finanzierung der Strafverteidigung von Adolf Eichmann?

57. a) Welche Anzeichen eines Konflikts innerhalb der Bundesregierung gibt
es angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung einerseits die Pro-
zesskostenbeihilfe verweigerte, andererseits aber die Finanzierung durch
rechtsextreme Kreise und einen eigenen V-Mann des BND geduldet hat?

b) Oder handelt es sich sogar um eine Art „Drittmittel“-Finanzierung?

58. a) Gab es weitere Versuche, auf die Verteidigung von Adolf Eichmann oder
auf Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul Einfluss zu nehmen?

b) Gegebenenfalls welche?

59. Gab es weitere V-Leute oder sonstige Versuche der damaligen Bundesregie-
rung, Adolf Eichmanns Strafverteidigung oder Rechtsanwalt Friedrich Karl
Kaul zu überwachen?

60. Welchen Einfluss nahmen die Bundesregierung und ihr nachgeordnete Be-
hörden oder – nach ihrer Kenntnis – welcher Bundesländer bzw. deren
Behörden auf die personelle Besetzung der Verteidigung?

61. War Hans Rechenberg BND-Mitarbeiter – wie in CIA-Akten vermerkt
(Deckbezeichnung V-7396)?

62. Wie beurteilt die heutige Bundesregierung die Entscheidung des BND,
diesen Mann zu beschäftigen?

63. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Hans Rechenberg zu-
sammen mit dem Schweizer François Genoud den Verkauf von Eichmann-
Memoiren, die in israelischer Haft geschrieben waren, organisierte, um
auch damit die Verteidigung von Adolf Eichmann zu finanzieren (Willi
Winkler, „Der Schattenmann“, Kapitel 9)?

64. a) Was wussten das Kanzleramt und Kanzleramtschef Hans Globke von
dieser Unternehmung?

b) War dort eine sog. Interessengemeinschaft Linz bekannt, die die Ur-
heberrechte der Eichmann-Memoiren verwaltete (s. Verweis auf BND-
Aktenzeichen bei Willi Winkler in W. Renz, „Interessen um Eichmann“,
S. 310, FN 87)?

65. Wo befindet sich heute die diese Sache betreffende Korrespondenz zwi-
schen Hans Globke und BND-Chef Reinhard Gehlen, von der nur ein
kleiner Teil im Nachlass von Hans Globke liegt – ein Teil, der zudem durch
das neue Archivgesetz zur Freigabe von klassifizierten Akten seit einigen
Jahren sogar für Wissenschaftler gesperrt ist?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/12884

66. Wie beurteilt die Bundesregierung das unter den dort erhaltenen Akten sich
befindende Schreiben Reinhard Gehlens an Hans Globke vom 16. März
1962, das den bezeichnenden Betreff enthält: „Beabsichtigte Namhaft-
machung Staatsekretärs Globke als Zeuge in der Berufungsverhandlung
gegen A. Eichmann“ sowie die Versicherung Reinhard Gehlens, der BND
werde sich darum kümmern (Willi Winkler, „Der Schattenmann“, Kapitel 9
sowie ders. in W. Renz, „Interessen um Eichmann“)?

67. a) Zu welchem Zeitpunkt bestand welcher Kontakt zwischen dem Bundes-
kanzleramt oder ihm nachgeordneten Behörden zu François Genoud?

b) Gibt es Hinweise darauf, dass François Genoud nicht nur mit Paul
Dickopf und Hans Rechenberg persönlich eng befreundet, sondern eben-
falls V-Mann des BND war?

68. Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung diese Kontakte zu François
Genoud kritisch überprüft, nachdem herauskam, dass dieser 1972 an der
Flugzeugentführung der LH 649 „Baden-Württemberg“ beteiligt und tief in
den Nahost-Terrorismus verstrickt war (vgl. Willi Winkler, „Der Schatten-
mann“, Kapitel 13)?

69. Wie viel Personen mit NS-Vergangenheit arbeiteten insgesamt je für die
Organisation Gehlen und für den BND?

Berlin, den 18. März 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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