BT-Drucksache 17/12756

Nationaler Bericht in Vorbereitung der 2. Anhörung Deutschlands im Rahmen der Universellen Staatenüberprüfung

Vom 12. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12756
17. Wahlperiode 12. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Marieluise Beck (Bremen),
Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja
Keul, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nationaler Bericht in Vorbereitung der 2. Anhörung Deutschlands im Rahmen der
Universellen Staatenüberprüfung

Im Rahmen der Universellen Staatenüberprüfung (Universal Periodic Review,
UPR) überprüft der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die Lage der
Menschenrechte eines jeden Mitgliedsstaates der Vereinten Nationen im Abstand
von vier Jahren. Basis dieser Überprüfung sind ein nationaler Bericht von
20 Seiten, eine vom VN-Hochkommissariat für Menschenrechte erstellte Länder-
dokumentation über die Umsetzung internationaler Menschenrechtsverpflich-
tungen sowie eine Zusammenfassung von Stellungnahmen aus der Zivilgesell-
schaft zum jeweiligen Staat.

Die erste Überprüfung der Bundesrepublik Deutschland fand am 2. Februar 2009
statt. Die zweite Überprüfung wird am 30. April 2013 durchgeführt werden. Der
Fokus des zweiten Überprüfungszyklus aller Mitgliedstaaten liegt darauf, ob sie
die von ihnen akzeptierten Empfehlungen des ersten Zyklus umgesetzt haben.
Zum 21. Januar 2013 hat die Bundesregierung ihren nationalen Bericht vorge-
legt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie wurde die Zivilgesellschaft bei der Implementierung der Empfehlungen
aus dem ersten UPR konkret beteiligt (bitte konkret in Bezug auf jede Emp-
fehlung, insbesondere im Hinblick auf Empfehlungen zur Polizei – Empfeh-
lung 23 – und zur Antidiskriminierung – Empfehlungen 9, 11 bis 13, 17, 18,
20, 22 und 37 – angeben)?

2. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung darauf verzichtet, ein „mid-
term review“ zu organisieren?

3. Wird die Bundesstelle zur Verhütung von Folter ihren Aufgaben gemäß des
OP-CAT nach Ansicht der Bundesregierung gerecht?
Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung aus den anderslautenden Äußerungen aus der Stellungnahme der
Zivilgesellschaft (dort Nummer 26)?

Drucksache 17/12756 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Was sind die konkreten Gründe, aus denen die Bundesregierung entgegen
Empfehlung 5 des ersten UPR das Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt
über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bislang weder unterzeich-
net noch ratifiziert hat?

a) Seit wann prüft die Bundesregierung die Unterzeichnung und Ratifizie-
rung des Zusatzprotokolls zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte?

b) Welche Ressorts der Bundesregierung sind an dieser Prüfung beteiligt?

c) Welche widerstreitenden Argumente führen zu der langen Dauer des Prü-
fungsverfahrens?

d) Inwiefern ist die Prüfung der Ratifizierbarkeit des Fakultativprogramms
zum WSK-Pakt komplexer und zeitaufwendiger als die anderer Menschen-
rechtspakte?

e) Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Abschluss der Prüfung?

5. Durch welche Stelle werden die Daten zu Straftaten von Polizei- und Justiz-
vollzugsbeamten erhoben (vgl. nationaler Bericht der Bundesregierung,
S. 3)?

a) Werden die Daten bundesweit erfasst?

b) Wie werden sie veröffentlicht, bzw. durch wen sind sie abrufbar?

c) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung aus der Äußerung aus der Stellungnahme der Zivilgesellschaft (dort
Nummer 24), wonach keine bundesweiten statistischen Daten verfügbar
seien?

d) Wie viele Fälle an vorsätzlichen Tötungsdelikten, Gewaltausübung und
Aussetzung, Zwang und Missbrauch des Amtes wurden seit Januar 2009
erfasst (bitte nach Straftatbestand und Jahren aufschlüsseln)?

e) Hatte die Erhebung dieser Daten eine Absenkung derartiger Straftaten
zur Folge?

6. Welche Bemühungen hat die Bundesregierung zur Vermeidung unverhältnis-
mäßiger Gewalt durch Beamtinnen und Beamte der Strafverfolgungsbehörden
unternommen (vgl. Empfehlung 23 des ersten UPR)?

a) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung aus den Äußerungen aus der Stellungnahme der Zivilgesellschaft
(dort Nummer 24), dass keine derartigen Bemühungen unternommen
worden seien?

b) Welche Bemühungen hat die Bundesregierung unternommen, um unab-
hängige Stellen zur Aufklärung solcher Fälle zu schaffen (vgl. Empfeh-
lung 23 des ersten UPR)?

c) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung aus den Äußerungen aus der Stellungnahme der Zivilgesellschaft
(dort Nummer 24), dass keine derartigen Bemühungen unternommen
worden seien?

7. Wie kommt die Bundesregierung zu der Auffassung, dass Deutschland der
Empfehlung 6 des ersten UPR zur vollen Anwendbarkeit des Internationalen
Paktes über bürgerliche und politische Rechte – die Motivation der empfeh-
lenden Staaten sei dahingestellt – bereits seit 2005 Rechnung trage, obgleich
der für den Pakt zuständige Ausschuss (CCPR) in seiner 106. Sitzung vom
15. Oktober bis 2. November 2012 14 wesentliche Punkte benennt, die Anlass

zur Besorgnis geben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12756

8. Wie kommt die Bundesregierung zu der Auffassung, dass Deutschland der
Empfehlung 6 des ersten UPR zur vollen Anwendbarkeit des Internationa-
len Paktes über bürgerliche und politische Rechte – die Motivation der
empfehlenden Staaten sei dahingestellt – bereits seit 2005 Rechnung trage,
obgleich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes keine Möglichkeit zur
Behandlung von Beschwerden vorsieht?

a) Warum hat die Bundesregierung bislang keine Aktivitäten entwickelt, der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Befugnis einzuräumen, auch
gerichtliche Verfahren einzuleiten (wie vom CCPR in seiner 106. Sitzung
vom 15. Oktober bis 2. November 2012 gefordert)?

b) Ist dies geplant, und wenn ja, wann, und wenn nein, warum nicht?

9. Wieso haben die Besorgnisse und Empfehlungen des CCPR keine Auf-
nahme in den nationalen Bericht für das zweite UPR gefunden?

10. Welche konkreten rechtlichen Voraussetzungen hat die Bundesregierung zur
Verhinderung und Aufklärung rassistisch motivierter Straftaten geschaffen,
um der Empfehlung 13 des ersten UPR zu entsprechen (bitte nach allen
Unterempfehlungen aufschlüsseln)?

a) Welche konkreten rechtlichen Voraussetzungen haben nach Kenntnis der
Bundesregierung die Bundesländer zur Verhinderung und Aufklärung
rassistisch motivierter Straftaten geschaffen, um der Empfehlung 13 des
ersten UPR zu entsprechen (bitte nach allen Unterempfehlungen auf-
schlüsseln)?

b) Haben die seit dem ersten UPR unternommenen Bemühungen zur Ver-
hinderung und Aufklärung rassistisch motivierter Straftaten zu einer
Verringerung dieser Straftaten geführt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

c) Sind nach Ansicht der Bundesregierung die bislang unternommenen
Bemühungen des Bundes und der Länder zur Verhinderung und Aufklä-
rung rassistisch motivierter Straftaten ausreichend, um der Empfeh-
lung 13 des ersten UPR (inklusive aller Unterempfehlungen) zu entspre-
chen (auch im Hinblick auf Nummer 11 der Stellungnahme der Zivil-
gesellschaft)?

Wenn nein, welcher Handlungsbedarf besteht noch?

11. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Prävention
und Aufklärung rassistisch motivierter Straftaten gegen Roma und Sinti,
Muslime, Angehörige der jüdischen Gemeinschaft sowie gegen Deutsche
ausländischer Herkunft geschaffen, um der Empfehlung 14 des ersten UPR
zu entsprechen (bitte nach allen Unterempfehlungen aufschlüsseln)?

a) Welche konkreten rechtlichen Voraussetzungen haben nach Kenntnis der
Bundesregierung die Bundesländer zur Prävention und Aufklärung
rassistisch motivierter Straftaten gegen Roma und Sinti, Muslime, Ange-
hörige der jüdischen Gemeinschaft sowie gegen Deutsche ausländischer
Herkunft geschaffen, um der Empfehlung 14 des ersten UPR zu entspre-
chen (bitte nach allen Unterempfehlungen aufschlüsseln)?

b) Haben die seit dem ersten UPR unternommene Schwerpunktsetzung zur
Prävention und Aufklärung rassistisch motivierter Straftaten gegen Roma
und Sinti, Muslime, Angehörige der jüdischen Gemeinschaft sowie ge-
gen Deutsche ausländischer Herkunft zu einer Verringerung dieser Straf-
taten geführt?

c) Sind nach Ansicht der Bundesregierung die bislang unternommenen Be-
mühungen des Bundes und der Länder zur Prävention und Aufklärung
rassistisch motivierter Straftaten gegen Roma und Sinti, Muslime, An-
gehörige der jüdischen Gemeinschaft sowie gegen Deutsche ausländi-

scher Herkunft ausreichend, um der Empfehlung 14 des ersten UPR (in-

Drucksache 17/12756 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

klusive aller Unterempfehlungen) zu entsprechen? Wenn nein, welcher
Handlungsbedarf besteht noch?

12. Sind die in Deutschland lebenden Roma nicht-deutscher Staatsangehörig-
keit nach Ansicht der Bundesregierung gut in die deutsche Gesellschaft
integriert?

Wenn nein, warum nicht?

13. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, um
die Integration europäischer Roma in Deutschland durch Zugang zu Bil-
dung, Wohnraum, Beschäftigung und medizinischer Versorgung zu fördern?

14. Stellen die im Rahmen der europarechtlichen Freizügigkeit nach Deutsch-
land kommenden Roma eine signifikante Belastung für die deutschen so-
zialen Sicherungssysteme dar?

Wenn ja, in welcher Höhe?

15. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Aufklärung der
rassistisch motivierten Mordserie der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer
Untergrund“?

16. Haben nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Mordserie der Terror-
gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ und die noch nicht abge-
schlossene Aufklärung der Taten, das Vertrauen ausländischer oder auslän-
disch aussehender Menschen in die Institutionen der Bundesrepublik
Deutschland beeinträchtigt?

Wenn ja, inwiefern?

17. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur künftigen Vermeidung
ähnlicher Taten bislang ergriffen?

a) Sind diese Maßnahmen nach Ansicht der Bundesregierung ausreichend?

b) Sollte nach Ansicht der Bundesregierung die Zivilgesellschaft stärker als
bislang zur Prävention rechtsextremistischer und rassistischer Strömun-
gen befähigt werden, und wenn ja, wie?

18. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die individuelle,
kollektive und negative Weltanschauungs- und Glaubensfreiheit in der Bun-
desrepublik Deutschland voll zu gewährleisten und insbesondere den Islam
mit anderen Glaubensgemeinschaften gleichzustellen und rechtlich zu inte-
grieren?

19. In welchen Rechtsgebieten herrscht in Deutschland keine rechtliche Gleich-
heit zwischen heterosexuellen und homosexuellen Menschen bzw. Partner-
schaft?

20. Welche gesetzgeberischen Maßnahmen unterstützt oder initiiert die Bundes-
regierung, um diese Ungleichheiten zu beenden?

21. Wie gewährleistet die Bundesregierung die menschenrechtskonforme Be-
handlung von Flüchtlingen in Deutschland sowie an den Außengrenzen der
Europäischen Union?

22. Beabsichtigt die Bundesregierung, das Asylbewerberleistungsgesetz, die so
genannte Residenzpflicht für Asylbewerberinnen und Asylbewerber und die
Beschränkungen des Aufenthalts von Geduldeten auf das ihnen zugewie-
sene Bundesland sowie die damit zusammenhängenden Straf- und Bußgeld-
vorschriften aufzuheben?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12756

23. Beabsichtigt die Bundesregierung, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern
den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern?

Wenn nein, warum nicht?

24. Beabsichtigt die Bundesregierung, das Asylverfahrensgesetz dahingehend
zu ändern, dass Asylsuchende in der Regel in Wohnungen statt Gemein-
schaftsunterkünften untergebracht werden?

Wenn nein, warum nicht?

25. Wie beabsichtigt die Bundesregierung darüber hinaus, das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) um-
zusetzen, wonach die „Menschenwürde migrationspolitisch nicht relativier-
bar“ ist?

26. Welche gesetzgeberischen Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundes-
regierung erforderlich, um nach der erfolgten Rücknahme der Vorbehalte
zur UN-Kinderrechtskonvention das deutsche Recht den Vorgaben der
Konvention anzupassen?

27. Aus welchen Gründen werden Flüchtlinge ab einem Alter von 16 Jahren
(statt ab einem Alter von 18 Jahren) wie Erwachsene behandelt?

28. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Opfer von Menschen-
handel in Deutschland künftig besser zu schützen und zu unterstützen?

29. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um altersspezifische Dis-
kriminierungen und Menschenrechtsverletzungen in Deutschland zu ver-
meiden, insbesondere im Hinblick auf Rechte von Menschen in stationären
Pflegeeinrichtungen?

30. Wie fördert die Bundesregierung die Wahrung bzw. Implementierung von
Menschenrechten durch die Entwicklungszusammenarbeit?

a) Welche Erfolge hat in diesem Zusammenhang das im Jahr 2011 verab-
schiedete Menschenrechtskonzept erbracht?

b) Welche Herausforderungen haben es notwendig erscheinen lassen, dieses
Menschenrechtskonzept durch einen weiteren Leitfaden im Februar 2013
weiter zu konkretisieren?

c) Wurde der verbindliche Charakter des Menschenrechtskonzeptes von
den deutschen Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit von 2011
bis Februar 2013 nicht in ausreichender Weise beachtet?

d) Wer hat an der Erstellung dieses Leitfadens mitgewirkt?

e) Wie lautet der Leitfaden konkret (bei größerem Textumfang bitte im
Anhang)?

31. Warum sind gemäß § 13 Nummer 2 und Nummer 3 des Bundeswahlgeset-
zes einige Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen?

a) Ist dieser Ausschluss nach Ansicht der Bundesregierung konform mit der
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen?

b) Welche gesetzgeberischen Maßnahmen unterstützt oder initiiert die
Bundesregierung, um diesen rechtlichen Zustand zu beenden?

32. Wie beabsichtig die Bundesregierung sicherzustellen, dass deutsche Wirt-
schaftsunternehmen bei all ihren Tätigkeiten im Ausland die Menschen-
rechtsstandards entsprechend des UN-Zivilpaktes und des UN-Sozialpaktes
einhalten?

Drucksache 17/12756 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

33. Ist nach Ansicht der Bundesregierung gewährleistet, dass Personen, die
Opfer der Tätigkeiten deutscher im Ausland tätiger Wirtschaftsunternehmen
geworden sind, vollen Rechtsschutz in Deutschland erhalten?

Berlin, den 12. März 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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