BT-Drucksache 17/1271

Arbeitsbedingungen, Outsourcing und Zeitarbeit in Bundesministerien und deren nachgeordneten Behörden

Vom 26. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1271
17. Wahlperiode 26. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Volker Beck (Köln), Katrin Göring-
Eckardt, Memet Kilic, Maria Klein-Schmeink, Stephan Kühn, Dr. Gerhard Schick,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Arbeitsbedingungen, Outsourcing und Zeitarbeit in Bundesministerien und
deren nachgeordneten Behörden

Die Arbeitsbedingungen und Entgelte in der Bundesrepublik Deutschland haben
sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verschlechtert. Wesentliche
Gründe dafür sind die Liberalisierung der Arbeitsmärkte, veränderte Organisa-
tionsformen in den Unternehmen, deutlich gestiegene Flexibilitätsanforderun-
gen an die Beschäftigten, der gestiegene internationale Wettbewerbsdruck und
die Finanznöte aller staatlichen Ebenen.

Die Tendenz der Unternehmen, Dienstleistungen auszulagern (Outsourcing) und
die Löhne mittels Zeitarbeit zu senken, hat stark zugenommen. Von dieser Ent-
wicklung sind auch die Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden
betroffen. Zahlreiche Dienstleistungen die von gering qualifizierten Arbeitskräf-
ten erbracht werden können (Gebäudereinigung, Sicherheitsdienstleistungen),
aber auch IT-Dienstleistungen wurden an externe Unternehmen ausgelagert.
Nicht selten wurden Beschäftigte entlassen, von externen Unternehmen wieder
eingestellt und dann anschließend bei der Behörde, bei der sie ursprünglich ge-
arbeitet hatten, zu deutlich niedrigeren Entgelten eingesetzt.

All diese Veränderungen bei den Unternehmens- und Behördenstrukturen haben
sich auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt, wodurch reguläre sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigungsverhältnisse untergraben wurden. Die Folge sind ein
deutlich zu spürender Lohndruck und schlechtere Arbeitsbedingungen.

Die Antwort auf die Kleine Anfrage soll Aufschluss darüber geben, wie sich die
Arbeitsbedingungen, die Auslagerung von Dienstleistungen und der Einsatz der
Zeitarbeit in den Bundesministerien und deren nachgeordneten Behörden ent-
wickelt haben.

Wir fragen die Bundesregierung:

Arbeitsbedingungen
1. Wie viele Beschäftigte werden in Bundesministerien und deren nachgeordne-
ten Behörden insgesamt beschäftigt (bitte aufgeschlüsselt nach Bundesminis-
terien, Behörden und Geschlecht)?

2. Wie haben sich die durchschnittlichen Entgelte seit 2006 in Bundesministe-
rien und deren nachgeordneten Behörden entwickelt (bitte aufgeschlüsselt
nach Jahren und Geschlecht)?

Drucksache 17/1271 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. In welchem Verhältnis steht die durchschnittliche Tarifentwicklung seit
2006 in den Bundesministerien und den nachgeordneten Behörden zu der
tariflichen Entwicklung der Metall- und Elektroindustrie?

4. Wie hoch sind die zehn niedrigsten Bruttoentgelte pro Stunde, die in Bun-
desministerien und deren nachgeordneten Behörden gezahlt werden (bitte
aufgeschlüsselt nach Tätigkeitsbereichen, Bundesministerien, Behörden
und Geschlecht)?

5. Welche Tarifverträge werden in Bundesministerien und deren nachgeordne-
ten Behörden angewandt?

6. Wenden die Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden immer
Tarifverträge an?
Wenn nein, in welchen Tätigkeitsbereichen, Bundesministerien und nach-
geordneten Behörden werden keine Tarifverträge angewandt, und wie viele
Beschäftigte sind davon betroffen (bitte differenziert nach Geschlecht)?

7. Welche Rolle spielen die Tarifverträge des Christlichen Gewerkschafts-
bunds (CGB) und dessen Mitgliedsgewerkschaften, und wie viele Beschäf-
tigte in Bundesministerien und deren nachgeordneten Behörden werden
nach diesen Tarifverträgen bezahlt (bitte differenziert nach Geschlecht)?

8. In welchen Beschäftigungsformen (Vollzeit, Teilzeit, Minijob) sind wie
viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bundesministerien oder deren
nachgeordneten Behörden beschäftigt (bitte differenziert nach Geschlecht)?

9. Welche Rolle spielen befristete Beschäftigungsverhältnisse, und wie hat sich
die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse seit 2006 in Bundes-
ministerien und deren nachgeordneten Behörden entwickelt (bitte aufge-
schlüsselt nach Jahr, Bundesministerien, Behörden und Geschlecht)?

10. Aus welchen Gründen werden Beschäftigungsverhältnisse in Bundesminis-
terien und deren nachgeordneten Behörden befristet (bitte Benennung der
fünf wichtigsten Gründe, hierarchisch geordnet)?

11. An wie viele Beschäftigte in Bundesministerien und deren nachgeordneten
Behörden werden Stundenlöhne gezahlt, die so niedrig sind, dass diese Be-
schäftigte – sollten sie alleinstehend sein – bei einer Vollzeittätigkeit An-
spruch auf aufstockendes Arbeitslosengeld II hätten (bitte aufgeschlüsselt
nach Bundesministerien, Behörden und Geschlecht)?

12. Wie viele Beschäftigte in Bundesministerien und deren nachgeordneten Be-
hörden stocken ihren Lohn durch Arbeitslosengeld II auf (bitte differenziert
nach Geschlecht)?

Outsourcing

13. In welchen Bundesministerien und nachgeordneten Behörden wurden seit
2006 welche Dienstleistungen (bitte Benennung mindestens der zehn wich-
tigsten Dienstleistungen, hierarchisch geordnet) an externe Unternehmen
ausgegliedert, und wie viele Beschäftigungsverhältnisse wurden abgebaut
(bitte differenziert nach Geschlecht)?

14. Welche Gründe gibt es für die Ausgliederung der Leistungserbringung
(bitte Benennung der fünf wichtigsten Gründe, hierarchisch geordnet)?

15. Wie hat sich die Zahl der Unternehmen, die Leistungen für Bundesminis-
terien sowie deren nachgeordnete Behörden erbringen, entwickelt?

16. Wie haben sich die Kosten für Leistungen, die von externen Unternehmen
für Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden eingekauft wer-

den, seit 2006 entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und Behörde)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1271

17. Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind bei Unternehmen be-
schäftigt, die Leistungen erbringen, die seit 2006 aus Bundesministerien
und deren nachgeordneten Behörden ausgelagert wurden (bitte differenziert
nach Geschlecht)?

18. Nach welchen Kriterien wurden die Aufträge an Externe vergeben?

19. Haben die Anwendung von Tarifverträgen und ökologische Kriterien bei
Ausschreibungen seit 2006 eine Rolle gespielt, wenn ausgegliederte Leis-
tungen von externen Unternehmen eingekauft wurden?

20. Beabsichtigt die Bundesregierung in Zukunft, Tariftreue und/oder ökologi-
sche Kriterien zur zwingenden Bedingung bei Ausschreibungen von Bun-
desministerien und deren nachgeordneten Behörden zu machen?
Wenn nein, warum nicht?

21. Ist die Verabschiedung eines Tariftreuegesetzes in der laufenden Legislatur-
periode geplant?
Wenn nein, warum nicht?

22. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Tarifverträge die externen Leis-
tungserbringer, an die Dienstleistungen für Bundesministerien und deren
nachgeordnete Behörden ausgelagert wurden, seit 2006 angewendet haben?
Wenn ja, welchen Anteil hatten Tarifverträge, die mit Gewerkschaften des
Christlichen Gewerkschaftsbunds vereinbart wurden?

23. Lassen sich die jährlichen Kosten bzw. Ersparnisse, die Bundesministerien
und deren nachgeordnete Behörden durch das Outsourcing seit 2006 hatten,
beziffern?
Wenn ja, wie hoch waren die Ersparnisse bzw. die zusätzlichen Kosten
(bitte aufgeschlüsselt nach Bereich)?

24. Wie viele Beschäftigte, deren Bereiche seit 2006 ausgegliedert wurden,
wurden anschließend wieder bei von Bundesministerien und deren nach-
geordneten Behörden beauftragten Unternehmen eingestellt, und wie haben
sich deren Arbeitsbedingungen und Entgelte seit 2006 im Durchschnitt ver-
ändert (bitte differenziert nach Jahr, Tätigkeitsbereich und Geschlecht)?

25. Liegen Erkenntnisse über die durchschnittliche Gewinnspanne von exter-
nen Anbietern vor, an die Leistungen ausgelagert wurden, die zuvor von
Bundesministerien und deren nachgeordneten Behörden erbracht wurden?
Wenn ja, wie hat sich die Gewinnspanne seit 2006 entwickelt (aufgeschlüs-
selt nach Jahren)?

26. Gab es seit 2006 deutliche Kostensteigerungen bei Tätigkeiten, die von
externen Unternehmen erbracht werden und die vor der Ausgliederung von
den Bundesministerien oder deren nachgeordneten Behörden selbst er-
bracht wurden?
Wenn ja, um welche Tätigkeitsbereiche in welchen Bundesministerien und/
oder nachgeordneten Behörden handelt es sich (bitte aufgeschlüsselt nach
Jahr und Tätigkeit)?

27. Wie haben sich die Aufwendungen der Bundesministerien seit 2006 für die
Erbringung der ausgegliederten Leistungen aus Bundesministerien und de-
ren nachgeordneten Behörden entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Be-
hörde und Jahr)?

28. Wurden seit 2006 Tätigkeitsbereiche und Leistungen, die an externe Dienst-
leister vergeben wurden, wieder in die Bundesministerien oder deren nach-
stehende Behörden eingegliedert?

Um welche Bereiche und Leistungen handelt es sich?

Drucksache 17/1271 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

29. In welche Behörden und Tätigkeitsbereiche sollen zuvor ausgegliederte
Leistungen wieder integriert werden?
Um welche Leistungen handelt es sich, und wie wird die beabsichtigte Wie-
dereingliederung begründet?

30. Wie beurteilt die Bundesregierung die Qualität der von externen Dienstleis-
tern erbrachten Leistungen, die zuvor von den Behörden selbst verrichtet
wurden?
Wo hat sich die Qualität verbessert und wo verschlechtert?

31. Bei welchen Leistungen hat sich aus Sicht der Bundesregierung die Aus-
gliederung der Leistungserbringung aus Bundesministerien und nachgeord-
neten Behörden gelohnt und warum?
Bei welchen Leistungen hat sich die Ausgliederung nicht gelohnt und
warum?

32. Wie viele Beschäftigte externer Anbieter, die für Bundesministerien oder
deren nachgeordnete Behörden Dienstleistungen erbringen, die seit 2006
ausgelagert wurden, stocken ihren Lohn durch staatliche Hilfen wie das
Arbeitslosengeld II auf (bitte differenziert nach Geschlecht)?

33. In welchen Beschäftigungsformen (Vollzeit, Teilzeit, Minijob, befristete
Beschäftigungsverhältnisse) wurden und werden Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter, die bei externen Anbietern Leistungen für Bundesministerien oder
deren nachgeordnete Behörden erbringen, beschäftigt (bitte differenziert
nach Geschlecht)?

Zeitarbeit

34. Wie viele Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter wurden seit 2006 in Bundes-
ministerien und deren nachgeordneten Behörden beschäftigt (bitte aufge-
schlüsselt nach Jahr und Geschlecht)?

35. Welche Tätigkeiten übten die Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter in Bundes-
behörden und deren nachgeordneten Behörden aus (bitte aufgeschlüsselt
nach den zehn häufigsten Tätigkeiten, Institutionen und Geschlecht)?

36. Wie viele der seit 2006 beschäftigten Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter
wurden nach ihrem Einsatz bei Zeitarbeitsunternehmen von Bundesminis-
terien oder deren nachgeordneten Behörden übernommen (bitte aufge-
schlüsselt nach Jahr, Tätigkeitsbereich und Geschlecht)?

37. Wie hat sich die durchschnittliche Beschäftigungsdauer von Zeitarbeiterin-
nen und Zeitarbeitern in Bundesministerien und deren nachgeordneten Be-
hörden seit 2006 entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und Ge-
schlecht)?

38. Wie hoch waren seit 2006 die durchschnittlichen Entgelte, die an die be-
schäftigten Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter gezahlt wurden, die in den
Bundesministerien und den nachgeordneten Behörden eingesetzt wurden
(bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)?

39. Wie ist die Verteilung der Beschäftigungsformen (Minijob, Teilzeit, Voll-
zeit) bei den Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeitern, die in den Bundesministe-
rien und nachgeordneten Behörden beschäftigt sind (bitte differenziert nach
Geschlecht)?

40. Wie viele Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter, die in den Bundesministerien
und nachgeordneten Behörden seit 2006 beschäftigt wurden, waren auf
ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen?

Wie hat sich diese Zahl seit 2006 entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jah-
ren und Geschlecht)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1271

41. Werden in der Kostenkalkulation zur Nutzung der Zeitarbeit Sozialleistun-
gen und Fördergelder von Seiten der Bundesagentur für Arbeit einbezogen,
die für alleinstehende Beschäftigte aufgewandt werden müssen, damit die
Beschäftigten und deren Familien leben können?
Wenn nein, warum nicht?

42. Wenden die Bundesregierung und deren nachgeordnete Behörden das Prin-
zip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ an, das 2002 bei der Reform des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gesetzlich verankert wurde, von dem
eigentlich nur in Ausnahmefällen abgewichen werden darf, wenn ein Tarif-
vertrag angewendet wird?
Wenn nein, wie begründen die Bundesregierung und/oder deren nachgeord-
nete Behörden das Abweichen von diesem Grundsatz?

43. Welche Tarifverträge werden von den für Bundesministerien und nach-
geordnete Behörden beauftragten Zeitarbeitsfirmen angewandt?
Welche Rolle spielen die Tarifverträge des Christlichen Gewerkschafts-
bunds und dessen Mitgliedsgewerkschaften?

44. Aus welchen Gründen werden in den Bundesministerien und deren nach-
geordneten Behörden Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter eingesetzt (bitte
Benennung der fünf wichtigsten Gründe)?

45. Weshalb nutzen Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden
Zeitarbeit statt befristeter Beschäftigungsverhältnisse?

46. Gibt es auch in Bundesministerien und deren nachgeordneten Behörden
Auftragsspitzen, die den Einsatz von Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeitern
rechtfertigen?

47. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll, Zeitarbeiterinnen und
Zeitarbeiter bei den Bundesministerien und deren nachgeordneten Be-
hörden zu übernehmen, ihnen reguläre sozialversicherungspflichtige und
angemessen bezahlte Beschäftigungsverhältnisse zu bieten und in Zukunft
auf Zeitarbeit zu verzichten?
Wenn nein, warum nicht?

48. Wie haben sich seit 2006 die durchschnittlichen Kosten für den Einsatz von
Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeitern entwickelt, die an die Zeitarbeitsfirmen
gezahlt wurden, die in Bundesministerien und deren nachgeordneten
Behörden eingesetzt wurden (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)?

49. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für eine in Bundesministerien
und deren nachgeordneten Behörden eingesetzte Zeitarbeitskraft?

50. Hätten die Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden Kosten-
vorteile wenn sie, anstatt Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter zu beschäf-
tigen, reguläre Beschäftigung schaffen würden?
Wenn nein, wie hoch wären die Mehrkosten?

51. Wie hat sich seit 2006 die Zahl der von Bundesministerien und deren nach-
geordneten Behörden beauftragten Zeitarbeitsunternehmen entwickelt
(bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)?

Berlin, den 26. März 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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