BT-Drucksache 17/12572

Projekte von GIZ und GIZ IS zur Verbesserung von Sozialstandards bei Zulieferbetrieben

Vom 25. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12572
17. Wahlperiode 25. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Thilo Hoppe, Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel,
Katja Keul, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Projekte von GIZ und GIZ IS zur Verbesserung von Sozialstandards
bei Zulieferbetrieben

Durch die Brände in den Textilfabriken in Bangladesch und Pakistan sind die oft
katastrophalen Arbeitsbedingungen von Arbeiterinnen und Arbeitern in den
Produktionsstätten auch deutscher Unternehmen in das Licht der Öffentlichkeit
gerückt. Neben fehlenden Sicherheitsvorkehrungen in den Fabriken wurde in
vielen weiteren Punkten gegen Standards der Internationalen Arbeitsorganisa-
tion (ILO) verstoßen: Löhne, die nicht zum Leben reichen, Zwangsüberstunden,
Diskriminierung und permanenter Arbeitsdruck. Zudem sind in vielen Fällen
Gewerkschaften oder Arbeiterversammlungen verboten. Um die Einhaltung
von weltweiten Sozialstandards in den Produzentenländern voranzutreiben, sind
nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
(GIZ) GmbH unter anderem Investitionen in Aus- und Fortbildungen und der
Aufbau von nationalen Überwachungs- und Kontrollstrukturen notwendig. In
diesem Zusammenhang kooperiert die GIZ auch mit privatwirtschaftlichen
Unternehmen. Daneben arbeitet die GIZ International Services (GIZ IS) als
eigenständig agierender Geschäftsbereich der GIZ direkt im Auftrag und mit der
Finanzierung von Unternehmen daran, Sozialstandards in der globalen Zuliefer-
kette zu verbessern.

Zum Beispiel betreibt die GIZ IS seit dem Jahr 2008 ein Projekt mit der Lidl
Stiftung & Co. KG (Lidl) zur Verbesserung der Sozialstandards in ihren Zulie-
ferbetrieben in Bangladesch. Im Rahmen des Projektes werden Trainings- und
Beratungsmaßnahmen für das Management der Zulieferbetriebe, sowie ein mo-
biler Gesundheitsdienst für die Arbeiterinnen und Arbeiter in ausgewählten Be-
trieben angeboten. Aus einer Studie der Kampagne für Saubere Kleidung (Clean
Clothes Campaign – CCC) geht hervor, dass die Trainings oft nicht ausreichen,
und dass noch immer schwerwiegende Arbeitsrechtsverletzungen in den unter-
suchten Fabriken vorherrschen (www.saubere-kleidung.de/images/05_pdf/
2012/2012-02-28_studie-im-visier_discounter.pdf). Auch wird kritisiert, dass

Lidl mit Hilfe der GIZ im Oktober 2011 zwar einmalig einen Bonus an die An-
gestellten verteilt hätte, dies jedoch grundsätzlich nichts an der viel zu niedrigen
Bezahlung der Beschäftigten ändere. Nach Angaben von Lidl wurden durch die
mobile Krankenstation schon 25 000 Personen behandelt. Die Näherinnen be-
richten jedoch laut der Studie der CCC davon, dass vor allem Vitamintabletten
und Tabletten gegen Blutarmut – typische Mangelerscheinungen aufgrund un-
zureichender Ernährung und Armut – verteilt wurden.

Drucksache 17/12572 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Von Nichtregierungsorganisationen (NGO) wird ebenfalls die Zusammenarbeit
von GIZ bzw. GIZ IS mit dem Global Social Compliance Programme (GSCP)
kritisiert. Das GSCP ist eine Plattform von knapp 40 großen Unternehmen, wie
Ikea, C&A, adidas, Walmart oder Woolworths. NGOs oder Gewerkschaften
sind nicht Mitglied.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Projekte und Initiativen unterstützt die Bundesregierung im Be-
reich Sozialstandards in Entwicklungs- und Schwellenländer, und wie hoch
sind die deutschen ODA-Mittel (ODA = Official Development Assistance)
in diesem Bereich?

2. In welchen Projekten arbeiten GIZ oder GIZ IS mit Unternehmen zusam-
men, um zu einer Verbesserung von Sozialstandards in Zulieferbetrieben in
Entwicklungs- und Schwellenländern beizutragen (bitte nach Ländern, Art
der Projekte, Höhe der Kosten und Unternehmen auflisten)?

3. Welche Projekte der GIZ mit der Privatwirtschaft im Bereich der Um-
setzung von Sozialstandards in Betrieben werden vom Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kofinanziert?

4. Nach welchen Kriterien werden Kofinanzierungen des BMZ in diesem
Bereich genehmigt?

5. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung mit der Zusammenarbeit von
GIZ und GIZ IS mit Unternehmen, und welche Instrumente kommen dabei
zum Einsatz?

6. Warum kofinanziert die Bundesregierung über die GIZ-Projekte mit dem
Ziel einer Verbesserung von Sozialstandards in Zulieferbetrieben in Zu-
sammenarbeit mit der Wirtschaft?

7. Welche Aufgaben im Bereich von Sozialstandrads müssen aus Sicht der
Bundesregierung von Unternehmen selber finanziert werden, und welche
können durch öffentliche Mittel kofinanziert werden?

8. Nach welchen Kriterien wählen GIZ und GIZ IS die Unternehmen aus,
mit denen sie zur Verbesserung der Sozialstandards kooperiert?

9. Wie wird die Wirkung dieser Projekte überprüft, und wie wird sicherge-
stellt, dass sich die Arbeitsbedingungen der in den Fabriken Beschäftigten
nachhaltig verbessern?

10. Inwieweit wurden die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterinnen
und Arbeiter in den betroffenen Betrieben verbessert, und anhand welcher
Indikatoren wurde dies gemessen?

11. Inwiefern ist die Einbeziehung von Gewerkschaften oder anderen Arbeit-
nehmer-/Arbeitnehmerinnenorganisationen Voraussetzung einer Koopera-
tion von GIZ oder GIZ IS mit privatwirtschaftlichen Unternehmen zur Ver-
besserung der Sozialstandards in Produktionsstätten in Entwicklungs- und
Schwellenländern?

12. Warum unterstützt die Bundesregierung nicht über die GIZ das von lokalen
Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen in Bangladesch erarbeite-
tete und bereits bestehende Brandschutzkonzept?

13. Arbeitet die GIZ im Auftrag des GSCP ein Brandschutzkonzept für Bangla-
desch aus, und wenn ja, warum?

14. Wird der Auftrag vom GSCP oder aus Mitteln der deutschen Entwicklungs-
zusammenarbeit finanziert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12572

15. Sieht die Bundesregierung ein Problem darin, dass das GSCP eine Platt-
form von knapp 40 Unternehmen ist, darunter auch Unternehmen, die in
der Kritik stehen, Sozialstandards verletzt zu haben, und dass durch das
GSCP keine NGOs oder Gewerkschaften eingebunden werden?

a) Welche Projekte führt die GIZ mit dem GSCP weltweit durch (bitte auf-
listen)?

b) Wenn die Bundesregierung ein Problem im Aufbau des GSCP sieht,
warum arbeitet die GIZ dann trotzdem mit dem GSCP zusammen?

c) Wenn nein, warum sieht die Bundesregierung kein Problem?

16. Unterstützt die Bundesregierung über die GIZ die Durchführung von
Sozialaudits im Rahmen ihres Engagements für die Einhaltung von Sozial-
standards in Zulieferbetrieben in Entwicklungs- und Schwellenländern?

a) Wenn ja, von wem werden diese Audits durchgeführt?

b) Inwieweit werden Gewerkschaften und NGOs in die Prüfungen mit ein-
bezogen?

c) Werden Sozialaudits vorher angekündigt, oder gibt es auch unangekün-
digte Audits?

17. Wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung solcher Audits ein?

a) Unterscheidet die Bundesregierung besonders gute Auditverfahren und
weniger gute, und wenn ja, welche sind dies jeweils?

b) Wie tragen die positiv bewerteten Audits zu einer nachhaltigen Ver-
besserung von Sozialstandards bei?

c) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus negativ bewerte-
ten Audits?

18. Welchen Leitlinien verpflichtet sich die GIZ IS bei der Durchführung von
Projekten zur Verbesserung von Sozialstandards in Zulieferbetrieben?

19. Wie werden die Projekte der GIZ IS zur Verbesserung von Sozialstandards
in Zulieferbetrieben evaluiert?

20. Wie setzt die GIZ IS in dem Projekt mit Lidl ihre im Webauftritt deklarierte
Rolle als Vermittler, Berater und Moderator für den Dialog zwischen den an
der Lieferkette Beteiligten aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und
NGOs um?

21. Werden auch Gewerkschaften in die Trainingsmaßnahmen im Rahmen des
Projektes der GIZ IS und Lidl einbezogen?

22. Was sind die bisherigen Wirkungen des Kooperationsprojektes der GIZ IS
mit Lidl?

a) Wie wurden die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und
Arbeiter in den entsprechenden Betrieben verbessert?

b) Wurden die Wirkungen des Projektes mit Lidl evaluiert, und wenn ja,
wo sind die Evaluierungen veröffentlicht, bzw. wann werden diese ver-
öffentlicht?

23. Ist es zutreffend, dass die GIZ IS in einem Projekt mit Lidl Vitamintabletten
und Tabletten gegen Blutarmut ausgegeben hat, um es den Arbeiterinnen
und Arbeitern zu erleichtern, mit den schwierigen Arbeitsbedingungen zu-
rechtzukommen?

Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dieses Vorgehen?

Drucksache 17/12572 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

24. Hält es die Bundesregierung für nachhaltig, mit Bonuszahlungen die
schlechten Gehälter der Arbeiterinnen und Arbeiter aufzubessern, und wie
häufig kommt es in welcher Höhe zu Bonuszahlungen?

25. Wie hoch sind die Kosten des Projekts zur Verbesserung von Sozial-
standards, das die GIZ IS für die C&A-Foundation durchführt?

a) Wie hoch ist der Anteil der Kosten, die über die GIZ IS abgewickelt
werden, und wie hoch sind die Kosten der Projekte der C&A-Founda-
tion insgesamt?

b) Mit welchen 35 Zulieferbetrieben in Indien und Bangladesch hat die
GIZ IS im Rahmen dieses Programms zusammengearbeitet (www.giz.de/
en/downloads/giz2012-sustainable-supplier-ca-foundation- is-en.pdf)?

c) Hat die GIZ IS C&A auch in der Zusammenarbeit mit der Tazreen-
Fabrik in Bangladesch beraten?

d) Unterstützt die Bundesregierung die von der C&A-Stiftung ausgegebe-
nen Ziele („erhöhter Output pro Beschäftigtem, reduzierte Zurück-
weisungsquote der Produkte, bessere Einhaltung von Lieferzeiten […],
die alle zur Zahlung höherer Löhne beitragen“ – www.c-and-a.com/de/
de/corporate/fileadmin/templates/master/img/fashion_updates/CR_Report/
CR_Report_D.pdf)?

e) Liegen Evaluierungen zu den Programmen vor, und wenn ja, wo sind sie
erhältlich?

26. Inwieweit gibt es Programme der GIZ IS mit Tesco und Walmart zur Ver-
besserung von Arbeitsstandards?

Wenn ja,

a) seit wann gibt es diese,

b) wie hoch sind die Kosten für die Programme, die die GIZ IS jeweils
umsetzt,

c) mit welchen Zulieferbetrieben arbeitet die GIZ IS für Tesco und
Walmart zusammen (bitte auflisten),

d) liegen Evaluierungen zu den Programmen vor, und wenn ja, wo sind sie
erhältlich, bzw. wann werden diese veröffentlicht?

27. Sind die GIZ oder GIZ IS in die Gespräche der Bundesregierung mit der
indischen Regierung zur Einhaltung der in der indischen Verfassung gewähr-
leisteten Menschenrechte involviert (vgl. Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/11222 zu Frage 6)?

Wenn ja, wie waren sie beteiligt?

Wenn nein, in welchen „geeigneten Foren“ werden diese Gespräche ge-
führt?

28. Waren die GIZ oder GIZ IS involviert, als die Bundesregierung im Rahmen
der am 1. Oktober 2012 abgeschlossenen entwicklungspolitischen Regie-
rungsverhandlungen die sozialen und gesellschaftlichen Probleme in Indien
thematisierte (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 17/11222 zu Frage 6)?

Wenn ja, mit welchem konkreten Beitrag?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12572

29. Sind die GIZ oder GIZ IS in die Unterstützung der Bundesregierung für das
indische Ministry of Corporate Affairs hinsichtlich der Verankerung von
Corporate Social Responsibility (CSR) involviert (vgl. Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/11222 zu
Frage 6)?

Wenn ja, mit welchem konkreten Beitrag?

30. Welchen konkreten Beitrag leisten die GIZ oder GIZ IS zur Stärkung von
Mädchen und Frauen in Indien im Rahmen der deutschen Entwicklungs-
zusammenarbeit mit Indien (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/11222 zu Frage 7)?

31. Welchen konkreten Beitrag leisten die GIZ oder GIZ IS zur Entwicklung
eines sozialen Sicherungswesens in Indien (vgl. Antwort der Bundesregie-
rung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/11222 zu
Frage 7)?

32. Welchen konkreten Beitrag leisten die GIZ oder GIZ IS im Rahmen der
deutsch-indischen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich des Umwelt-
und Klimaschutzes (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage auf Bundestagsdrucksache 17/11222 zu Frage 7)?

33. Welchen konkreten Beitrag leisten die GIZ oder GIZ IS im Rahmen der
deutsch-indischen Entwicklungszusammenarbeit zur Bekämpfung von
Kinderarbeit, Kinderhandel sowie von sexueller Ausbeutung Minderjähri-
ger (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundes-
tagsdrucksache 17/11222 zu Frage 7)?

Leisten die GIZ oder GIZ IS im Rahmen dessen auch Unterstützung bei der
Anpassung des indischen Rechts an die ILO-Normen?

Berlin, den 22. Februar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.