BT-Drucksache 17/12569

Einsatz von Leiharbeitskräften bei Amazon

Vom 26. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12569
17. Wahlperiode 26. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann,
Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Christine Buchholz, Heidrun Dittrich,
Werner Dreibus, Wolfgang Gehrcke, Katja Kipping, Sabine Leidig,
Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Einsatz von Leiharbeitskräften bei Amazon

Der US-amerikanische Internetversandhändler Amazon ist um einen Skandal
reicher. In der ARD-Sendereihe Reportage & Dokumentation „Ausgeliefert!
Leiharbeiter bei Amazon“ wurde am 13. Februar 2013 ein Bericht über die
schockierenden Arbeitsbedingungen von Leiharbeitskräften, die in dem Logistik-
zentrum Bad Hersfeld des Versandhandelsunternehmens Amazon im Weih-
nachtsgeschäft 2012/2013 eingesetzt wurden, gezeigt. Diesem Bericht zufolge
rekrutiert Amazon Deutschland bundesweit über Leiharbeit bis zu 5 000 Saison-
arbeitskräfte aus ganz Europa. Während des Weihnachtsgeschäfts waren nicht
einmal 10 Prozent der 3 300 in Koblenz Beschäftigten in einem unbefristeten
Arbeitsverhältnis.

Bereits während des Weihnachtsgeschäfts 2011/2012 war Amazon in die Schlag-
zeilen geraten. Damals hatte Amazon in Zusammenarbeit mit der Bundesagen-
tur für Arbeit hunderte Erwerbslose über mehrere Wochen an verschiedenen
Logistikstandorten in Deutschland befristet eingestellt. Während dieser Zeit
erhielten sie zur beruflichen Eingliederung bis zu zwei Wochen lang weiterhin
Arbeitslosengeld I bzw. Arbeitslosengeld II. Danach mündete diese Maßnahme
in der Regel in eine befristete Beschäftigung von drei Wochen bis sechs Mo-
naten (Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestags-
drucksache 17/8886).

Die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die als Saisonarbeitskräfte eingesetzt
werden, erhalten einen Stundenlohn von rund 9 Euro pro Stunde, werden auf
engem Raum in Ferienlagern oder Hotelgebäuden untergebracht und der Doku-
mentation zufolge von einer dubiosen Sicherheitsfirma bewacht. Diese Sicher-
heitsfirma hat demnach jederzeit Zutritt zu den Zimmern der Leiharbeitskräfte,
um sie zu kontrollieren. Nach Darstellung im Film hat die Sicherheitsfirma
Kontakte in die rechte Szene und schikaniert die europaweit angeworbenen
Leiharbeitskräfte.
Zudem werden die Betroffenen im Unternehmen Kontrollen beim Rein- und
Rausgehen unterworfen, die nach Aussage des zuständigen Gewerkschafts-
sekretärs an Schikane grenzen. Die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter werden
mit Bussen von ihren Unterbringungsorten zu dem Amazon-Logistikzentrum
gebracht. Kommt es zu Verspätungen, wird ihnen dies von der Arbeitszeit und
somit vom Lohn abgezogen. Gleiches gilt für die langwierigen Kontrollen.

Drucksache 17/12569 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wenn sie nicht mehr eingesetzt werden sollen, wird ihnen das zum Teil erst am
gleichen Tag mitgeteilt.

Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, hat an-
gekündigt, den Fall und vor allem die Leiharbeitsfirmen zu prüfen und ihnen mit
Lizenzentzug gedroht. Amazon hat inzwischen den Vertrag mit der Sicherheits-
firma ebenso gekündigt wie den Vertrag mit einem Personaldienstleister, der für
die Unterbringung und den Transport der Leiharbeitskräfte verantwortlich ist.
Die Geschäftsbeziehung zwischen Amazon und dem Verleihunternehmen
Trenkwalder Personaldienste GmbH besteht aber weiterhin fort. Eine Aufkündi-
gung der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen bezeichnet der Geschäftsfüh-
rer von Amazon Deutschland, Ralf Kleber, gegenüber SPIEGEL ONLINE „als
reine Spekulation“. Auch seien ihm Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetz nicht bekannt (SPIEGEL ONLINE, 21. Februar 2013). Das Ver-
leihunternehmen Trenkwalder Personaldienste GmbH selbst hatte am 19. Fe-
bruar 2013 behauptet, dass die Prüfung des Zolls zu keiner Beanstandung
geführt habe und ebenfalls die Prüfung der Bundesagentur für Arbeit (BA) die
öffentlich vorgebrachten Anschuldigungen nicht bestätigt habe. Wie aber aus
einer Pressemitteilung der BA vom 20. Februar 2013 hervorgeht, wurden sehr
wohl vom Zoll und der BA Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungs-
gesetz festgestellt (Pressemitteilung der BA, Nr. 12/20132, vom 20. Februar
2013).

Am 22. Februar 2013 berichtete die „Berliner Zeitung“, dass im Auftrag des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales der Parlamentarische Staatsekretär,
Dr. Ralf Brauksiepe, im Jahr 2011 bei der Preisverleihung des Wettbewerbs
„Deutschland 100 beste Arbeitgeber“ auftrat. Er lobte die dort ausgezeichneten
Unternehmen mit den Worten: „Nur gute Unternehmen gewinnen zukünftig gute
Fachkräfte“. Einer der Preisträger war die Leiharbeitsfirma Trenkwalder Perso-
naldienste GmbH. Unternehmen zahlten für die Teilnahme zwischen 11 000 und
20 000 Euro. Die Mitarbeiter und Chefs wurden nach Arbeitsklima, Familien-
freundlichkeit und Entwicklungsmöglichkeiten gefragt. Die Leiharbeitskräfte
blieben bei der Befragung allerdings außen vor. Das Bundesarbeitsministerium
behauptet gegenüber der „Berliner Zeitung“, dass es mit der Auswahl der Firma
nichts zu tun habe. Der Parlamentarische Staatssekretär, Dr. Ralf Brauksiepe,
wollte sich nicht äußern (vgl. Berliner Zeitung, 22. Februar 2013 „Ein großarti-
ger Arbeitgeber“). Die Firma Trenkwalder Personaldienste GmbH ist auf dem
Leiharbeitsmarkt kein unbekanntes Unternehmen. Als eines der Ersten hatte es
mit der vom Bundesarbeitsgericht im Dezember 2010 für tarifunfähig erklärten
CGZP (Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Per-
sonalserviceagenturen) einen Haustarifvertrag geschlossen, zuletzt im Mai 2007
unter der Oberaufsicht des Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeber, Dr. Dieter Hundt, der zwischen 2007 und Juli 2009 als Aufsichts-
ratschef bei der Trenkwalder Personaldienste GmbH fungierte („Sozialbeitrags-
Nachforderungen treffen die Richtigen“, WirtschaftsWoche, 28. Februar 2011).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Verleihen die Leiharbeitsfirmen abacent personalservice GmbH, ABS Perso-
nalberatung AG, ARWA Personaldienstleistungen GmbH, EDWORK
GmbH & Co. KG, FARA GmbH, Flexjob Personalservice GmbH, JOB AG,
Office Professionel Personalmanagement GmbH, PersoServ GmbH & Co.
KG, RENTA Personaldienstleistungen GmbH, TUJA Zeitarbeit GmbH,
Die p.A.-GmbH, Fischer Personalservice GmbH, Trenkwalder Personal-
dienste GmbH, STUDITEMPS GmbH und Office People Personalmanage-
ment GmbH nach Kenntnis der Bundesregierung Leiharbeitskräfte an Ama-
zon-Logistikzentren?
Haben diese Firmen eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12569

Sind der Bundesregierung ggf. weitere Leiharbeitsfirmen bekannt, die in
den Amazon-Logistikzentren tätig sind, und wenn ja, welche, und verfügen
diese ebenfalls über eine Verleiherlaubnis?

2. Wurden die in der Frage 1 genannten Leiharbeitsfirmen in der Vergangen-
heit von der Bundesagentur für Arbeit kontrolliert?

Wenn ja, welche der Firmen wurden kontrolliert, wie häufig fanden Kon-
trollen statt, in welcher Form, und mit welchem Ergebnis?

Wurde in diesem Zusammenhang bereits einer der Leiharbeitsfirmen die
Erlaubnis entzogen?

3. Werden die in der Frage 1 genannten Leiharbeitsfirmen aktuell einer Son-
derprüfung durch die BA oder durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit
unterzogen?

Wenn ja, welche Firmen werden kontrolliert, gibt es bereits Ergebnisse und
welche?

4. Wurden die in der Frage 1 genannten Leiharbeitsfirmen in der Vergangen-
heit von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit hinsichtlich der Einhaltung des
Branchenmindestlohns Leiharbeit kontrolliert?

Wenn ja, welche der Firmen wurden kontrolliert, und mit welchem Ergebnis?

5. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass beim Leiharbeitsunternehmen
Trenkwalder Personaldienste GmbH Verstöße gegen die Lohnhöhe und Ur-
laubsregelungen vorliegen (vgl. Berliner Zeitung vom 22. Februar 2013)?

6. Wurden die Amazon-Logistikzentren nach Kenntnis der Bundesregierung
in der Vergangenheit von den Gewerbeaufsichtsämtern hinsichtlich der
Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze kontrolliert?

Wenn ja, welche Zentren?

Wie oft fanden Kontrollen statt, und mit welchem Ergebnis?

7. Prüfen die zuständigen Kontrollinstanzen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung, inwiefern es beim Einsatz der Leiharbeitskräfte (insbesondere bei den
Saisonarbeitskräften) in den Amazon-Logistikzentren zu einer Hinterzie-
hung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen kam, indem geldwerte
Vorteile in Form von Kost oder Logis nicht korrekt abgerechnet wurden?

8. Welche werden die nächsten Schritte der Bundesregierung sein, um für
Aufklärung in diesem Fall zu sorgen?

Welche konkreten möglichen Tatbestände werden geprüft?

9. Welche Rolle spielt die BA beim Einsatz von Saisonarbeitskräften in den
Amazon-Logistikzentren?

Hat die zentrale Auslandsvermittlung der BA (ZAV) bei der Vermittlung
von Leiharbeitskräften mit den in der Frage 1 genannten Verleihern zusam-
mengearbeitet?

Wenn ja, mit welchen Unternehmen, und welche Vereinbarungen wurden in
welcher Form mündlich oder schriftlich vereinbart?

10. Wie viele Leiharbeitskräfte hat die BA seit dem Jahr 2006 vermittelt, die
anschließend bei Amazon zum Einsatz kamen?

11. Aus welchen Ländern wurden Leiharbeitskräfte vermittelt?

12. Gibt es Kooperationsvereinbarungen zwischen der BA und Amazon
Deutschland?
Wenn ja, mit welchem Inhalt?

Drucksache 17/12569 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
13. Erhält Amazon Deutschland Lohnkostenzuschüsse von der BA?

Wenn ja, in welchem Umfang, und seit wann (bitte nach Jahren aufschlüs-
seln)?

Gibt es andere Formen der Arbeitgeberförderung, welche von der BA an
Amazon Deutschland geleistet werden?

14. Erhält Amazon Deutschland derzeit oder erhielt sie in der Vergangenheit
Fördermittel im Rahmen der Wirtschaftsförderung?

Wenn ja, in welchem Umfang, seit wann, und mit welchen Bindungsfris-
ten?

15. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Vorgehen
von Amazon Deutschland?

Sieht sie beispielsweise gesetzgeberischen Handlungsbedarf in der Arbeit-
nehmerüberlassung oder Änderungsbedarf hinsichtlich des Agierens der
BA?

Berlin, den 26. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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