BT-Drucksache 17/12460

Entgeltdiskriminierung von Frauen - insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich

Vom 22. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12460
17. Wahlperiode 22. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Diana Golze, Matthias W. Birkwald,
Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Entgeltdiskriminierung von Frauen – insbesondere im Gesundheits- und
Pflegebereich

Der am 21. März 2013 stattfindende Equal Pay Day setzt den Schwerpunkt
„Lohnfindung im Gesundheitswesen“. Die Ausgestaltungen der Arbeitsbedin-
gungen und des Lohnniveaus im Gesundheits- und Pflegebereich tragen enorm
zur Entgeltdiskriminierung von Frauen in Deutschland bei.

Die Gleichbehandlung unabhängig vom Geschlecht beim Arbeitsentgelt ist nach
§ 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), Artikel 3 Absatz 2 des
Grundgesetzes (GG), Artikel 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union, Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) sowie Artikel 4 der Richtlinie 2006/54/EG erfasst. Diese postulierte
Gleichbehandlung muss vom Gesetzgeber aber nicht nur formell, sondern auch
in der Praxis durchgesetzt werden. (vgl. Unterrichtung durch die Bundesregie-
rung, Erster Gleichstellungsbericht, Bundestagsdrucksache 17/6240). Das Ziel
der Bundesregierung, den Gender Pay Gap (Entgeltdifferenz) bis zum Jahr 2020
auf 10 Prozent zu senken (vgl. Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nach-
haltigkeitsstrategie der Bundesregierung, S.74f.), verwirklicht sich nicht von
selbst. Die Entgeltdifferenz zwischen den Geschlechtern liegt in Deutschland
seit Jahren bei über 20 Prozent.

Neben der direkten, unmittelbaren Diskriminierung gibt es zahlreiche Formen
faktischer, mittelbarer, Diskriminierung. Trotz individueller und kollektiver Ent-
geltverhandlungen werden auch heute noch Tätigkeiten, die überwiegend von
Frauen ausgeübt werden, durchweg niedriger eingruppiert als die von Männern
ausgeübten Beschäftigungen. So werden technische Berufe gegenüber personen-
nahen Dienstleistungen höher vergütet, selbst wenn das Ausbildungs- und An-
forderungsniveau vergleichbar ist. Im Gesundheitssektor arbeiten überwiegend
Frauen (ca. 74 Prozent, vgl. Statistisches Bundesamt 2011), die einer mittelbaren
Lohndiskriminierung ausgesetzt sind. In der Altenpflege sind es 86,8 Prozent
(ebd. 2010).
Es ist anzunehmen, dass die Entgeltdiskriminierung von Frauen bzw. vorwie-
gend weiblich dominierten Berufsfeldern der Behebung des schon heute beste-
henden Fachkräftemangels in diesen Sektoren entgegensteht. Eine angemessene
Entlohnung würde Gesundheits- und Pflegeberufe deutlich aufwerten und
attraktiver machen. Um der Entgeltdiskriminierung in diesem Bereich entgegen-
zugehen, muss der Lohnfindungsprozess insbesondere in der Gesundheit und
Pflege hinterfragt werden.

Drucksache 17/12460 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie haben sich seit dem Jahr 2000 die Verdienstunterschiede von Frauen
und Männern in Deutschland entwickelt (bitte nach Bundesländern, Alters-
gruppen, Berufsjahren, Wirtschaftszweigen – NACE – bzw. Wirtschaftsbe-
reichen aufschlüsseln)?

Wie bewert die Bundesregierung diese Entwicklung, und wo sieht sie die
wesentlichen Ursachen für die vorhandenen Verdienstunterschiede?

2. Wie verteilen sich Männer und Frauen auf die Wirtschaftszweige (NACE)
bzw. Wirtschaftsbereiche in Deutschland (bitte absolute Beschäftigtenzahlen
sowie Anteile angeben, aufgeschlüsselt nach Bundesländern, Altersgruppen,
Bildungsniveau und Berufsjahren)?

Wie haben sich diese Zahlen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

3. Wie haben sich seit dem Jahr 2000 die Verdienstunterschiede von Frauen
und Männer im Gesundheits- und Pflegebereich in Deutschland entwickelt
(bitte nach Bundesländern, Altersgruppen, Bildungsniveau, Berufsjahren,
Berufsgruppen bzw. Berufsfelder im Gesundheitsbereich aufschlüsseln)?

Wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung, wo sieht sie die Ursa-
chen für diese Entwicklung?

4. Wie verteilen sich Männer und Frauen auf die Wirtschaftszweige – NACE –
bzw. Wirtschaftsbereiche in Deutschland (bitte absolute Beschäftigtenzahlen
sowie Anteile angeben, aufgeschlüsselt nach Bundesländern, Altersgruppen,
Bildungsniveau und Berufsjahren)?

Wie haben sich diese Zahlen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

5. Wie verteilen sich Männer und Frauen auf die Berufsgruppen bzw. Berufs-
felder im Gesundheits- und Pflegebereich in Deutschland (bitte absolute Be-
schäftigtenzahlen sowie Anteile angeben, aufgeschlüsselt nach Bundeslän-
dern, Altersgruppen, Bildungsniveau und Berufsjahren)?

Wie haben sich diese Zahlen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

6. Wie gestalten sich die Verdienststrukturen im Gesundheits- und Pflegebe-
reich bzw. in den Berufsgruppen bzw. Berufsfeldern innerhalb von Gesund-
heit und Pflege in Deutschland (bitte jeweilige Beschäftigtenzahlen insge-
samt, relativ, Median des Monatsentgelts und des Stundenlohns angeben,
aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Bundesländern, Altersgruppen, Bildungs-
niveau und Berufsjahren)?

Wie gestalten sich die Verdienststrukturen in Berufsfeldern mit gleichem
Ausbildungsniveau, die vorwiegend männlich dominiert sind?

7. Was sind die zehn Berufsfelder mit den höchsten bzw. niedrigsten durch-
schnittlichen Stundenverdiensten (bitte mit Höhe des Stundenlohns und Zahl
der Beschäftigten angeben) im Gesundheits- und Pflegebereich, und wie
hoch ist dort jeweils der Anteil der weiblichen und männlichen Beschäftig-
ten?

8. Wie hoch ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Gesundheits-
und Pflegebereich?

Wie hoch ist der Anteil von Ärztinnen unter den Chefärzten und Chefärztin-
nen bzw. leitenden Ärzten und Ärztinnen?

Wie hoch sind die Verdienstunterschiede von Frauen und Männern in Füh-
rungspositionen im Gesundheits- und Pflegebereich?

Wie hoch sind die Verdienstunterschiede von männlichen und weiblichen
Chefärzten und Chefärztinnen bzw. leitenden Ärzten und Ärztinnen?
9. Wie hoch sind die durchschnittlichen Einstiegsgehälter im Gesundheits- und
Pflegebereich (bitte Median des Monatsentgelts und des Stundenlohns ange-
ben, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und nach Berufsgruppen bzw. Berufs-
felder im Gesundheitsbereich)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12460

10. Wie hoch ist der Anteil an Leiharbeitern und an Leiharbeiterinnen im Ge-
sundheits- und Pflegebereich (bitte nach Geschlecht, Altersgruppen und
Berufsgruppen bzw. Berufsfelder im Gesundheitsbereich aufschlüsseln)?

Wie hoch ist der Verdienstunterschied zu sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten (bitte nach Geschlecht, Altersgruppen und Berufsgruppen bzw.
Berufsfeldern im Gesundheits- und Pflegebereich aufschlüsseln)?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Arbeitsform der Leiharbeit als Mit-
tel, um personelle Engpässe in Gesundheit und Pflege mit Fachkräfte-
mangel (z. B. Pflege) abzufangen?

12. Wie hoch ist der Anteil an Teilzeitbeschäftigten im Gesundheits- und
Pflegebereich (bitte nach Geschlecht und Berufsgruppen bzw. Berufsfelder
im Gesundheitsbereich aufschlüsseln)?

Wie hoch ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten im Gesundheits- und
Pflegebereich, welche an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen (bitte
nach Geschlecht und Berufsgruppen bzw. Berufsfeldern im Gesundheits-
und Pflegebereich aufschlüsseln)?

13. Wie haben sich seit dem Jahr 2000 die Verdienstunterschiede von Frauen
und Männer in den Mitgliedsländern der Europäischen Union entwickelt?

Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass der Verdienstunterschied zwi-
schen Frauen und Männer in Deutschland so hoch ist, wie in kaum einem
anderen Land der Europäischen Union, und welchen Handlungsauftrag für
die Politik leitetet sie daraus ab?

14. Welche Erfahrungen und Strategien aus anderen europäischen Ländern, in
denen der Gender Pay Gap geringer ausfällt als in der Bundesrepublik
Deutschland, sind der Bundesregierung bekannt und gegebenenfalls auf die
Bundesrepublik Deutschland übertragbar?

Welche Länder mit einem niedrigeren Gender Pay Gap verfügen über einen
gesetzlichen Mindestlohn?

Welche Länder verfügen über einen höheren Anteil von Frauen in Füh-
rungspositionen?

Welche Länder verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über ein Ver-
bandsklagerecht oder ein Äquivalent zu diesem?

15. Wie hat sich seit dem Jahr 2000 die Erwerbstätigkeit von Frauen und
Männern entwickelt (bitte insgesamt und in Vollzeitäquivalenten angeben,
aufgeschlüsselt nach Bundesländern und nach Wirtschaftszweigen bzw.
Wirtschaftsbereichen)?

16. Wie hat sich seit dem Jahr 2000 die Erwerbstätigkeit von Frauen und
Männern im Gesundheits- und Pflegebereich entwickelt (bitte insgesamt
und in Vollzeitäquivalenten angeben, aufgeschlüsselt nach Bundesländer
und nach Berufsgruppen bzw. Berufsfeldern im Gesundheitswesen)?

17. Welche Reformen und konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung
eingeleitet, um die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern
zu verringern?

Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Ergebnisse dieser Refor-
men bzw. Maßnahmen?

Berlin, den 22. Februar 2013
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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