BT-Drucksache 17/12222

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - Drucksache 17/12058 - Entwurf eines Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags

Vom 30. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12222
17. Wahlperiode 30. 01. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksache 17/12058 –

Entwurf eines Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags

A. Problem

Durch den Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steue-
rung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalvertrag) wird die Bundes-
republik Deutschland zur Umsetzung bestimmter Vorgaben für nationale Fis-
kalregeln verpflichtet. Der Fiskalvertrag gibt insbesondere vor, dass die Einhal-
tung der länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziele im Sinne des Stabili-
täts- und Wachstumspakts durch nationale Fiskalregeln verbindlicher und
dauerhafter Art garantiert werden muss. Erhebliche Abweichungen vom mittel-
fristigen Haushaltsziel bzw. dem dorthin führenden Anpassungspfad sollen
automatisch einen Korrekturmechanismus auslösen. Dieser Mechanismus ist
auf nationaler Ebene einzurichten. Außerdem soll die Einhaltung der nationalen
Fiskalregeln, die das Erreichen und Einhalten der Vorgaben des Stabilitäts- und
Wachstumspakts gewährleisten sollen, auf nationaler Ebene durch eine unab-
hängige Institution überwacht werden.

Daneben sieht der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt zur wirksamen
Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung unter anderem nun auch
Sanktionen im Rahmen des präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachstums-
pakts sowie bei der Manipulation von Statistiken vor.

Mit den verfassungsrechtlich verankerten Schuldenregeln und der begleitenden
Einrichtung des Stabilitätsrates existieren in Deutschland bereits umfassende
institutionelle und rechtliche Regelungen, die die langfristige Tragfähigkeit der
Haushalte von Bund und Ländern sichern. In Ergänzung der bestehenden
Regeln dient der vorliegende Gesetzentwurf der innerstaatlichen Umsetzung
der neuen Vorgaben des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachstums-
pakts. Bund und Länder haben sich am 24. Juni 2012 auf Eckpunkte hierzu ver-
ständigt.

B. Lösung

Die für Deutschland entsprechend den Vorgaben des Fiskalvertrags und des
Stabilitäts- und Wachstumspakts zulässige Obergrenze für das strukturelle ge-
samtstaatliche Finanzierungsdefizit von maximal 0,5 Prozent des Brutto-

Drucksache 17/12222 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

inlandsprodukts wird im Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) festgeschrieben
(Artikel 1).

Der Stabilitätsrat wird damit beauftragt, die Einhaltung der im Haushaltsgrund-
sätzegesetz neu festgelegten strukturellen gesamtstaatlichen Defizitobergrenze
zu überwachen. Zur Unterstützung des Stabilitätsrates bei dieser Aufgabe wird
ein unabhängiger Beirat eingerichtet (Artikel 2).

Mit der Änderung des Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetzes (Artikel 3) wird
die innerstaatliche Aufteilung der mit der Reform des Stabilitäts- und Wachs-
tumspakts neu eingeführten Sanktionen zur Sicherung der Haushaltsdisziplin
geregelt.

Neben der innerstaatlichen Umsetzung der neuen Vorgaben des Fiskalvertrags
und des Stabilitäts- und Wachstumspakts wird für die Schuldenregel des Bun-
des festgelegt, dass der kumulierte Saldo des Kontrollkontos am Ende des
Übergangszeitraums – also zum 31. Dezember 2015 – gelöscht wird. Die er-
folgreiche Konsolidierungspolitik dieser Legislaturperiode hat die Einhaltung
der dauerhaft geltenden Obergrenze für die strukturelle Neuverschuldung in
Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bereits mit dem Haushalt
2013 und damit drei Jahre früher als vorgeschrieben ermöglicht. Die Bundesre-
gierung hat stets erklärt, dass sie Positivsalden des Kontrollkontos nicht nutzen
wird. Mit der Änderung des Artikel 115-Gesetzes für die Schuldenregel des
Bundes (Artikel 4) wird klargestellt, dass der kumulierte Saldo des Kontroll-
kontos am Ende des Übergangszeitraums – also zum 31. Dezember 2015 – ge-
löscht wird.

Schließlich werden mit dem Zensus 2011 die den Abrechnungen zum Finanz-
ausgleich (Anteile der Länder an der Umsatzsteuer, Länderfinanzausgleich,
Bundesergänzungszuweisungen) zugrunde liegenden Einwohnerzahlen für die
Jahre 2011 und 2012 auf eine aktualisierte Grundlage gestellt. Es soll vermie-
den werden, dass die Änderungen im Vergleich zu den bisher zugrunde geleg-
ten Einwohnerzahlen der Länder zu größeren Veränderungen im Finanzaus-
gleich für die beiden Ausgleichsjahre führen. Mit der Änderung des Finanzaus-
gleichsgesetzes (FAG) wird eine „Stufenlösung“ umgesetzt, auf die sich die
Länder einvernehmlich verständigt haben. Danach sollen die Ergebnisse des
Zensus 2011 schrittweise in zwei Jahresstufen technisch in die noch ausstehen-
den endgültigen Berechnungen der Ausgleichsjahre 2011 und 2012 einbezogen
werden.

Unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD und DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Ausschussdruck-
sache 17(8)5889, mit dem die Einsetzung eines Nationalen Rates für Haushalts-
und Finanzpolitik vorgeschlagen wird, dem Aufgaben übertragen werden sol-
len bei der Überwachung der Einhaltung der verschiedenen Fiskalregeln des
Fiskalvertrags, des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts und der
„Schuldenbremse“ des Grundgesetzes. Im Gegenzug soll der unabhängige Bei-
rat beim Stabilitätsrat entfallen.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Der Gesetzentwurf hat keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen auf den
Bundeshaushalt. Weil die Bundesergänzungszuweisungen nach § 11 Absatz 2
FAG an die Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs anknüpfen, schlägt sich die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12222

mit der Änderung des FAG durch Artikel 5 vorgeschlagene Stufenlösung aber
indirekt bei den Bundesergänzungszuweisungen für die Jahre 2011 und 2012
jeweils als geringfügige finanzielle Belastung oder Entlastung nieder.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Der Gesetzentwurf führt nicht zu einer Veränderung des Erfüllungsaufwands
für Bürgerinnen und Bürger.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Gesetzentwurf hat keine Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand der
Wirtschaft.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Die Änderung des Stabilitätsratsgesetzes (StabiRatG) (Artikel 2 dieses Gesetz-
entwurfs) kann zu geringen nicht bezifferbaren vollzugsbedingten Mehrbelas-
tungen führen.

Mit § 6 StabiRatG wird die Aufgabe, die Einhaltung der strukturellen gesamt-
staatlichen Defizitobergrenze zu überwachen, dem Stabilitätsrat übertragen.
Dem Stabilitätsrat obliegt nach § 51 HGrG bereits bislang die Koordinierung
der Haushalts- und Finanzplanungen der föderalen Ebenen – auch mit Blick auf
die Einhaltung der europäischen Verpflichtungen. Durch die Anknüpfung an
die bestehenden institutionellen Strukturen kann der Erfüllungsaufwand, der
durch die Umsetzung der Vorgaben des Fiskalvertrags entsteht, in engen Gren-
zen gehalten werden.

Vollzugsbedingte Mehrbelastungen können im Wesentlichen nur im Zusam-
menhang mit der Einrichtung eines unabhängigen Beirats (§ 7 StabiRatG) ent-
stehen. So werden unter anderem Reisekosten von jährlich bis zu 40 000 Euro
für die von Bund, Ländern, Sozialversicherungen und kommunalen Spitzenver-
bänden benannten Sachverständigen des zu errichtenden unabhängigen Beirats
beim Stabilitätsrat zu übernehmen sein. Daneben kann zusätzlicher Verwal-
tungsaufwand dadurch entstehen, dass der Beirat das Sekretariat des Stabilitäts-
rates in Anspruch nehmen kann, das beim Bundesministerium der Finanzen
und der Finanzministerkonferenz der Länder angesiedelt ist. Der genaue Auf-
wand hierfür ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bezifferbar, da nicht abseh-
bar ist, ob und in welchem Ausmaß der unabhängige Beirat die Dienste des
Sekretariats in Anspruch nehmen wird. Da der Beirat ein kleines Gremium ist,
dessen Tätigkeit sich zeitlich überwiegend auf das Umfeld der zweimal jährlich
erfolgenden Überwachung der Defizitobergrenze durch den Stabilitätsrat be-
schränken dürfte, und das Sekretariat lediglich eine organisatorisch-unter-
stützende Funktion wahrnimmt, werden hierdurch entstehende Mehrbelastun-
gen in jedem Fall gering sein. Hierzu trägt auch bei, dass mit dem Sekretariat
des Stabilitätsrates vorhandene Geschäftsprozesse und Organisationsstrukturen
genutzt werden.

Die entstehenden Ausgaben werden hälftig zwischen Bund und Ländern geteilt.
Der auf den Bund entfallende Teil wird innerhalb der zur Verfügung stehenden
Mittel im Einzelplan 08 erwirtschaftet.

Darüber hinaus kann die Erweiterung des Aufgabenbereichs des Stabilitätsrates
zu geringem und nicht bezifferbarem Mehraufwand bei den beteiligten Ministe-
rien führen. Etwaiger Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln bei den betei-
ligten Bundesministerien ist finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzel-
plan auszugleichen.

Drucksache 17/12222 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Änderungen des Artikel 115-Gesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes
(Artikel 4 und 5 dieses Gesetzentwurfs) führen zu keiner Veränderung des be-
reits bestehenden Verwaltungsaufwands.

F. Weitere Kosten

Der Wirtschaft, insbesondere den mittelständischen Unternehmen, entstehen
keine direkten Kosten.

Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Ver-
braucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12222

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/12058 unverändert anzunehmen.

Berlin, den 30. Januar 2013

Der Haushaltsausschuss

Petra Merkel (Berlin)
Vorsitzende

Norbert Barthle
Berichterstatter

Johannes Kahrs
Berichterstatter

Otto Fricke
Berichterstatter

Dr. Gesine Lötzsch
Berichterstatterin

Priska Hinz (Herborn)
Berichterstatterin

Drucksache 17/12222 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Norbert Barthle, Johannes Kahrs, Otto Fricke,
Dr. Gesine Lötzsch und Priska Hinz (Herborn)

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 217. Sitzung am
17. Januar 2013 den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/12058
zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuss
überwiesen und zur Mitberatung an den Rechtsausschuss,
den Finanzausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie sowie den Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit den in den Artikeln 1 bis 3 geregelten Änderungen des
Haushaltsgrundsätzegesetzes, des Stabilitätsratsgesetzes
und des Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetzes werden die
neuen Vorgaben des Fiskalvertrags und des reformierten
Stabilitäts- und Wachstumspakts innerstaatlich umgesetzt.

Durch die Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes in
Artikel 1 wird die Obergrenze für das gesamtstaatliche
strukturelle Defizit festgeschrieben, wie sie sich für
Deutschland aus den Vorgaben des Fiskalvertrags und des
Stabilitäts- und Wachstumspakts ergibt. Die Obergrenze
liegt bei maximal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) und umfasst strukturelle Defizite von Bund, Ländern,
Gemeinden und Sozialversicherungen.

Die Überwachung der Einhaltung dieser neu festgeschrie-
benen strukturellen gesamtstaatlichen Defizitobergrenze er-
folgt durch den Stabilitätsrat, dessen Aufgaben durch die in
Artikel 2 geregelte Änderung des Stabilitätsratsgesetzes ent-
sprechend erweitert werden. Das Gesetz regelt die Grund-
lagen und das Verfahren der Überwachung der Einhaltung
der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finan-
zierungsdefizits. Zur Unterstützung des Stabilitätsrates bei
dieser Aufgabe wird ein unabhängiger Beirat eingerichtet.

Die Änderung des Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetzes
legt fest, dass der Bund etwaige Sanktionszahlungen im
Rahmen des präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachs-
tumspakts bis einschließlich 2019 allein trägt. Dies berück-
sichtigt den längeren Übergangszeitraum der Länder für die
Anwendung der Schuldenbremse: Nach Artikel 143d Ab-
satz 1 Satz 3 des Grundgesetzes (GG) sind die Länder von
der Verpflichtung eines Haushaltsausgleichs ohne Kredit-
aufnahme bis 2020 freigestellt.

Mit der Änderung des Artikel 115-Gesetzes durch Artikel 4
wird für die Schuldenregel des Bundes festgelegt, dass der
kumulierte Saldo des Kontrollkontos am Ende des Über-
gangszeitraums – also zum 31. Dezember 2015 – gelöscht
wird. Damit wird sichergestellt, dass es nicht darum geht,
angehäufte Positivbuchungen aus dem Übergangszeitraum
in den Dauerzustand zu übertragen.

Mit der Änderung des Finanzausgleichsgesetzes durch Arti-
kel 5 wird zudem eine von den Ländern einvernehmlich be-
schlossene Lösung zur Berücksichtigung der Ergebnisse des
Zensus 2011 im Finanzausgleich umgesetzt.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/12058 in seiner 114. Sitzung am 30. Januar 2013
beraten und empfiehlt die Annahme mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und DIE
LINKE. Mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP
und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschloss er, die Ableh-
nung des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Aus-
schussdrucksache 17(8)5889 zu empfehlen.

Der Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/12058 in seiner 124. Sitzung am 30. Januar 2013
beraten und empfiehlt die Annahme mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und DIE
LINKE.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Gesetzentwurf auf Drucksache 17/12058 in seiner 91. Sit-
zung am 30. Januar 2013 beraten. Der Änderungsantrag der
Fraktion der SPD auf Ausschussdrucksache 17(9)1083
wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt. Im Ergebnis
empfiehlt der Ausschuss die Annahme des Gesetzentwurfs
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen SPD und DIE LINKE.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union hat den Gesetzentwurf auf Drucksache
17/12058 in seiner 81. Sitzung am 30. Januar 2013 beraten.
Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Ausschuss-
drucksache 17(21)1440 wurde mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
abgelehnt. Im Ergebnis empfiehlt der Ausschuss die An-
nahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD und DIE LINKE.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Einen mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP auf Drucksache 17/12058 teilweise identischen
Gesetzentwurf zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskal-
vertrags hatte die Bundesregierung im Oktober 2012 einge-
bracht (Drucksache 17/10976). Der Haushaltsausschuss
hatte hierzu in seiner 106. Sitzung am 7. November 2012
einvernehmlich eine öffentliche Anhörung gemäß § 70 Ab-
satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
beschlossen, die er in seiner 108. Sitzung am 19. November
2012 durchführte (siehe Protokoll 17/108). Die abschlie-
ßende Beratung des Gesetzentwurfs fand ebenfalls am
19. November 2012 in der 109. Sitzung des Haushaltsaus-
schusses statt. Das Gesetz kam trotz Zustimmung des Deut-
schen Bundestages vom 20. November 2012 nicht zustande,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/12222

da der Bundesrat seine Zustimmung am 14. Dezember 2012
versagte.

Den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
auf Drucksache 17/12058 hat der Haushaltsausschuss in sei-
ner 114. Sitzung beraten.

Aus Sicht der Fraktionen der CDU/CSU und FDP leistet
der Fiskalvertrag einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung
der öffentlichen Finanzen in den unterzeichnenden Mit-
gliedstaaten und damit auch zur Stabilität der Währungs-
union. Der Vertrag schreibe insbesondere vor, dass die Ein-
haltung der länderspezifischen mittelfristigen Haushalts-
ziele durch nationale gesetzliche Regelungen verbindlicher
und dauerhafter Art möglichst auf Verfassungsebene garan-
tiert werden müsse. Ein automatischer Korrekturmechanis-
mus solle bei erheblichen Abweichungen vom mittelfristi-
gen Haushaltsziel bzw. dem dorthin führenden Anpassungs-
pfad greifen.

Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP begrüßten den Fis-
kalvertrag ausdrücklich und wiesen darauf hin, dass mit der
im Zuge der Föderalismusreform II eingeführten deutschen
Schuldenbremse und der parallelen Einrichtung des Stabi-
litätsrats zentrale Vorgaben des Fiskalvertrags bereits jetzt
erfüllt seien. Mit der grundgesetzlichen Verankerung der
Schuldenbremse im Rahmen der Föderalismusreform II
habe Deutschland im Jahr 2009 verfassungsrechtliche Re-
geln eingeführt, die Bund und Länder zu strukturell ausge-
glichenen Haushalten verpflichteten. Gemeinsam mit den
bestehenden Vorgaben für Sozialversicherungen und Kom-
munen würden die Schuldenbremsen von Bund und Län-
dern die Einhaltung des für Deutschland geltenden mittel-
fristigen gesamtstaatlichen Haushaltsziels des präventiven
Arms des Stabilitäts- und Wachstumspakts in Höhe von
0,5 Prozent des BIP im Regelfall sicherstellen. Die Vorga-
ben des Fiskalvertrags würden im Kern bereits durch die be-
stehenden Fiskalregeln eingehalten.

Das vorliegende Gesetz regele die darüber hinaus notwen-
digen rechtlichen Ergänzungen zur innerstaatlichen Umset-
zung der Vorgaben des Fiskalvertrags und des reformierten
Stabilitäts- und Wachstumspakt. Nachdem der Bundesrat
dem Fiskalvertragsumsetzungsgesetz im Dezember 2012
nicht zugestimmt hat, sei der damalige Regelungsinhalt des
Gesetzes unverändert, aber aufgeteilt auf das „Gesetz zur
zusätzlichen Förderung von Kindern unter drei Jahren in
Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege“ und das
„Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags“
erneut eingebracht worden. Aus Sicht der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP sei es unverständlich, dass der Bundes-
rat dem Gesetz im vergangenen Jahr nicht zugestimmt habe,
da auch der Bundesrat der Ratifizierung des Fiskalvertrags
zugestimmt habe und damit in der gesamtstaatlichen Verant-
wortung stehe, die dadurch notwendigen Folgeregelungen
mitzutragen.

Ein wesentlicher Regelungsinhalt des Gesetzes sei die Fest-
schreibung der zulässigen Obergrenze für das strukturelle
gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit im Haushaltsgrund-
sätzegesetz. Zudem werde der Stabilitätsrat damit beauf-
tragt, die Einhaltung der gesamtstaatlichen Defizitober-
grenze zu überwachen und gegebenenfalls Korrekturmaß-
nahmen vorzuschlagen. Der Stabilitätsrat werde dabei zu-
künftig von einem unabhängigen Beirat unterstützt. Der
Stabilitätsrat nehme im Rahmen seiner Empfehlungen auch

zu den Empfehlungen des unabhängigen Beirats Stellung
und begründe abweichende Empfehlungen. Die Stellung-
nahmen und Empfehlungen sowohl des Stabilitätsrats als
auch des Beirats würden veröffentlicht.

Mit der Überwachung der gesamtstaatlichen Regeln durch
den Stabilitätsrat und seinen unabhängigen Beirat trage
Deutschland somit den Anforderungen des Fiskalvertrags
und der von der Europäischen Kommission vorgelegten ge-
meinsamen Grundsätze – auch in Bezug auf die darin gefor-
derte starke Rolle unabhängiger Institutionen – vollständig
Rechnung.

Durch die Integration des Stabilitätsrates in das Über-
wachungsgefüge zum Fiskalvertrag werde, wie von der Eu-
ropäischen Kommission in den gemeinsamen Grundsätzen
für nationale fiskalpolitische Korrekturmechanismen vom
20. Juni 2012 vorgeschlagen, der bestehende institutionelle
Rahmen aufgegriffen und weiterentwickelt. Der Stabilitäts-
rat sei für diese Aufgabe bestens geeignet, da er bereits jetzt
regelmäßig eine abgestimmte gesamtstaatliche Projektion
vorlege, in der eine einseitige Interessensnahme der betei-
ligten Akteure ausgeschlossen sei. Wesentliche externe
Grundlagen für seine Projektion seien die Steuerschätzung
sowie die Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwick-
lung. Der Arbeitskreis Steuerschätzung sei eine auch von
der Europäischen Kommission anerkannte unabhängige In-
stitution, in der gleichwohl das Bundesministerium der
Finanzen als auch die Länderfinanzministerien vertreten
seien. Die gesamtwirtschaftliche Projektion der Bundes-
regierung werde zwar regierungsintern erstellt, stehe aber
im Wettbewerb mit Benchmarkprojektionen etwa der wirt-
schaftswissenschaftlichen Institute sowie des Sachverstän-
digenrates. Deutschland erfülle damit bereits jetzt auch die
in den Artikeln 4 und 6 der Richtlinie über die Anforderun-
gen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten
(Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011)
aufgeführten Anforderungen.

Der Stabilitätsrat werde bei seiner Aufgabenerfüllung der
Überwachung der Obergrenze des strukturellen gesamt-
staatlichen Finanzierungssaldos künftig von einem unab-
hängigen Beirat unterstützt, der den in den gemeinsamen
Grundsätzen genannten Anforderungen in Bezug auf Unab-
hängigkeit und funktionale Autonomie vollständig entspre-
che. Durch die Kombination von Stabilitätsrat und unabhän-
gigem Beirat werde ein optimales Institutionengefüge zur
Überwachung der Einhaltung der Vorgaben des Fiskalver-
trags geschaffen.

Mit der Änderung des Sanktionszahlungs-Aufteilungsgeset-
zes werde darüber hinaus die innerstaatliche Aufteilung der
mit der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts neu
eingeführten Sanktionen zur Sicherung der Haushaltsdiszi-
plin geregelt.

Das Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 des Grundge-
setzes werde dahingehend angepasst, dass das sogenannte
Kontrollkonto der Schuldenbremse des Bundes am Ende
des Jahres 2015 – also beim Übergang zum Regelbetrieb ab
2016 – auf null gestellt werde. In der Übergangsperiode bis
zum Regelbetrieb der Schuldenbremse ab 2016 hätten sich
aufgrund der sehr positiven Haushaltsentwicklung der ver-
gangenen Jahre hohe Überschüsse auf dem Kontrollkonto
angesammelt. Der Abbaupfad, der 2010 beschlossen wor-
den sei, sei sachgerecht und bleibe bis 2016 gültig. Die Re-

Drucksache 17/12222 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gierungskoalition habe aber immer betont, dass die Über-
schüsse aus dem Übergangszeitraum nicht über das Jahr
2016 hinaus Wirkung entfalten sollten. Mit der jetzt geplan-
ten Gesetzesänderung setze die Regierungskoalition dies
rechtsverbindlich um. Dies sei ein wichtiges Signal gegen-
über den europäischen Partnern, die im Rahmen der Imple-
mentierung des Fiskalvertrags ähnliche Schuldenbremsen
national verankern müssten.

Die Fraktion der SPD kritisierte zunächst das Zustande-
kommen des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und
Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion als völ-
kerrechtlichen Vertrag. Wenn schon eine Einigung im Wege
der Primärrechtsänderung nicht möglich gewesen sei, wäre
doch die Regelung im Rahmen des europäischen Sekundär-
rechts zu bevorzugen gewesen. Einerseits sei der Vertrag in
seiner jetzigen Konstruktion weniger wirkungsvoll, da
lediglich die Einführung von nationalen Schuldenregeln
vorgeschrieben werde, die Einhaltung dieser selbst gewähl-
ten nationalen Regeln durch den Vertrag aber nicht sicher-
gestellt sei. Andererseits sei das Zustandekommen des Ver-
trages aus nationaler Perspektive zu kritisieren. Wie beim
Europäischen Stabilitätsmechanismus habe die Bundes-
regierung es auch bei dieser Vereinbarung versäumt, die na-
tionalen Gesetzgeber rechtzeitig und umfassend einzube-
ziehen.

Zusätzlich sei es, auch aufgrund von Versäumnissen inner-
halb der Bundesregierung, zu einer völkervertragsrecht-
lichen Regelung gekommen, die die verfassungsrechtliche
Schuldenregel konterkariere.

Während als Ergebnis der Föderalismuskommission II eine
strukturelle Defizitobergrenze in Höhe von 0,35 Prozent des
BIP für den Bund ab 2016 und eine Nullverschuldungsregel
für die Länder ab 2020 eingeführt worden sei, entstehe
durch den neuen Vertrag eine nun gesamtstaatliche Begren-
zung des strukturellen Defizits in Höhe von 0,5 Prozent des
BIP bereits ab 2013. Wenn die Bundesregierung solche weit
reichenden Vertragsverhandlungen auf zwischenstaatlicher
Ebene führe, müsse sie die nationalen Haushaltsgesetzgeber
nicht nur informieren, sondern in die Verhandlungen mit
einbeziehen. Dass die Bundesregierung in ihrem Vorgehen
in eklatanter Weise gegen das Grundgesetz verstoßen habe,
sei ihr am 19. Juni 2012 durch das Bundesverfassungsge-
richt bescheinigt worden.

Nach der Umgehung des Parlaments und wegen des von der
Bundesregierung gewählten Ratifizierungsverfahrens, das
eine Zweidrittelmehrheit erforderlich gemacht habe, seien
umfangreiche Verhandlungen mit den Oppositionsfraktio-
nen im Bundestag und mit dem Bundesrat notwendig ge-
worden. Im Rahmen dieser Verhandlungen habe die Frak-
tion der SPD die Bundesregierung verpflichten können, sich
nun endlich für die Einführung einer Finanztransaktions-
steuer in Europa einzusetzen, notfalls zumindest im Wege
der verstärkten Zusammenarbeit.

Die Länder hätten das Ratifizierungsverfahren zur Durch-
setzung eigener Forderungen genutzt, die nach einer politi-
schen Einigung am 24. Juni 2012 in einem Eckpunktepapier
festgehalten worden seien. Mit dem nun vorliegenden Ge-
setzentwurf würden diese Forderungen teilweise umgesetzt.
Dabei kritisierte die Fraktion der SPD, dass es wegen un-
klarer Absprachen, die von Bundesregierung und Ländern

unterschiedlich interpretiert worden seien, weiterer Nach-
verhandlungen bedurft hätte.

Eine weitere Verabredung zwischen Bund und Ländern zu
Ausnahmen von den Verpflichtungen des Fiskalvertrages
für die Haushalte der Länder bis zum Ende des Übergangs-
zeitraums nach der nationalen Schuldenregel werde mit dem
vorliegenden Gesetzentwurf nicht umgesetzt.

Das zentrale Anliegen der Fraktion der SPD sei jedoch, die
vom Fiskalvertrag geforderte und durch entsprechende
Grundsätze der EU-Kommission präzisierte nationale Über-
wachungsinstanz für die Einhaltung der Schuldenbremse zu
verbessern. Dieser Instanz komme für die Glaubwürdigkeit
und Wirksamkeit der nationalen Schuldenregel eine zentrale
Bedeutung zu. Die Fraktion der SPD kritisierte, dass die Re-
gelungen im Gesetzentwurf die erforderliche Unabhängig-
keit nicht hinreichend absicherten. Es gebe keinerlei Rege-
lung zu Amtszeit, Ernennung und Entlassung oder Amts-
ausstattung. In dem vorgesehenen Beirat seien lediglich die
drei Mitglieder, die von Bundesbank, Sachverständigenrat
und Forschungsinstitutsverbund der Gemeinschaftsdiagnose
benannt werden, als unabhängig zu bezeichnen, die anderen
sechs Mitglieder würden von den Vertretern der staatlichen
Ebenen und den Sozialversicherungen benannt, deren Haus-
haltsgebaren kontrolliert werden solle. Bei diesem Verhält-
nis von 3:6 könne man nicht von einem unabhängigen Bei-
rat sprechen. Mit dieser wesentlichen Abweichung von den
verbindlichen Grundsätzen der EU-Kommission zur Ausge-
staltung der nationalen Schuldenregeln nach dem Fiskalver-
trag trügen die Bundesregierung und die sie tragenden Koa-
litionsfraktionen das Klagerisiko vor dem Europäischen Ge-
richtshof.

Auch in einem aktuellen Bericht des Internationalen Wäh-
rungsfonds (Fiscal Rules at a Glance: Country Details from
a New Dataset, IMF Working Paper WP/12/273) über die
Ausgestaltungen nationaler Fiskalregeln werde deutlich,
dass Deutschland nicht über unabhängige Einrichtungen zur
Überwachung der Einhaltung der eigenen Schuldenbremse
verfüge.

Die Fraktion der SPD schlage deshalb die Einrichtung eines
Nationalen Rates für Haushalts- und Finanzpolitik vor, der
nicht nur den Anforderungen des Fiskalvertrages gerecht
würde sondern auch den sekundärrechtlichen Anforderun-
gen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes
nach den Änderungen durch das sogenannte Sixpack und
das noch in Beratung befindliche Twopack.

Gleichzeitig entstünde durch die Einrichtung dieses Natio-
nalen Rates mit einem entsprechenden Sekretariat (organi-
siert als Arbeitsstab beim Deutschen Bundestag) die not-
wendige Verbesserung der Ausstattung des Parlamentes, um
den gestiegenen Anforderungen gerecht werden zu können,
die sich ergeben hätten durch die seit 2008 anhaltende
Finanzkrise sowie durch die die neuen gesetzlichen Betei-
ligungsrechte und -pflichten, die teilweise nach höchstrich-
terlicher Rechtsprechung verankert worden seien. Die öf-
fentliche Anhörung des Haushaltsausschusses vom 19. No-
vember 2012 habe zu dieser Frage den Nachholbedarf des
Deutschen Bundestages gegenüber den Parlamenten anderer
westlicher Demokratien deutlich belegt.

Die Fraktion der SPD bedauerte es deshalb nachdrücklich,
dass dieser Vorschlag trotz grundsätzlicher Übereinstim-
mung nicht die Zustimmung der Koalitionsfraktionen ge-

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funden hätte, zumal die Koalitionsfraktionen in der Sitzung
des Haushaltsausschusses nach der Anhörung am 19. No-
vember 2012 eine interfraktionelle Initiative über die Erör-
terung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsfä-
higkeit des Bundestages insgesamt und insbesondere des
Ausschusses angekündigt hätten. Diese Ankündigung sei
folgenlos geblieben.

Die Fraktion der SPD begrüßte dagegen, dass die Koali-
tionsfraktionen inzwischen den durch einen willkürlich ge-
wählten Ausgangspunkt für den Abbaupfad des strukturel-
len Defizits im Bundeshaushalt entstandenen Positiv-Saldo
auf dem Kontrollkonto der Schuldenbremse löschen woll-
ten. Schließlich würde durch eine mögliche Inanspruch-
nahme dieses Saldos in Form von zusätzlichen Verschul-
dungsmöglichkeiten, die sich nach Berechnungen der Bun-
desbank bis zum Jahr 2015 auf 50 Mrd. Euro summierten,
die Glaubwürdigkeit der noch jungen verfassungsrechtliche
Schuldenregel gefährdet. Mit dieser Änderung gingen die
Koalitionsfraktionen nun endlich auf die seit mehr als zwei
Jahren anhaltende Kritik der Fraktion der SPD ein, die von
Sachverständigenrat, Bundesbank und Bundesrechnungshof
unterstützt worden sei.

Gleichwohl werde durch diese Änderung nicht die Ursache,
nämlich der willkürlich gewählte Abbaupfad, korrigiert.
Damit halte sich die Koalition eine Hintertür für die unter-
jährige Nutzung dieser Verschuldungsspielräume im Haus-
haltsvollzug oder auch bei Nachtragshaushalten offen, wie
auch die Deutsche Bundesbank in ihrer Stellungnahme zur
o. g. Anhörung kritisiert habe.

Die Fraktion DIE LINKE. stellte fest, dass die Koalitions-
fraktionen der CDU/CSU und FDP erneut einen Gesetzent-
wurf zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages
vorgelegt hätten. Dieser entspreche im Kern dem Gesetz-
entwurf der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache
17/10976, dem der Bundestag im November 2012 auf Basis
der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses auf
Bundestagsdrucksache 17/11504 mit den Stimmen der Koa-
litionsfraktionen und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und DIE
LINKE. zugestimmt habe und dem der Bundesrat im De-
zember 2012 seine Zustimmung verweigert habe.

Die Fraktion DIE LINKE. wies darauf hin, dass der Fiskal-
vertrag, der durch den vorliegenden Gesetzentwurf in deut-
sches Recht umgesetzt werden solle, die EU angeblich in
eine Stabilitätsunion umwandeln und auf diese Weise dazu
beitragen solle, die Euro-Krise zu überwinden. Dies werde
jedoch nicht gelingen: Die Euro-Krise sei nicht etwa da-
durch ausgelöst worden, dass die Staaten über ihre Verhält-
nisse gelebt bzw. eine zu laxe Ausgabenpolitik betrieben
hätten. Die hohe Verschuldung einiger Mitgliedstaaten sei
vielmehr auf die Finanzkrise zurückzuführen, in der die
Staaten Banken, die sich verspekuliert gehabt hätten, mit
Milliardensummen gerettet hätten. Zur Abwehr der darauf
folgenden Wirtschaftskrise hätten weitere Milliarden aufge-
bracht werden müssen. Anstatt nun endlich die Finanz-
märkte wirksam zu regulieren, würden mit dem Fiskalver-
trag die Vertragsstaaten „diszipliniert“, das heißt zu einer
strikten Kürzungspolitik gezwungen. Dies löse die Euro-
Krise nicht, sondern verschärfe sie.

Die wirklichen Ursachen der Krise würden im Fiskalvertrag
nicht einmal angesprochen. Entsprechend seien auch keine

wirksamen Instrumente zu ihrer Überwindung vorgesehen:
Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte, zur Ent-
kopplung der Staatsfinanzierung von den privaten Kapital-
märkten, zur Vermeidung von Leistungsbilanzungleichge-
wichten oder ähnliche Instrumente kämen nicht einmal an-
satzweise vor. Damit gehe auch die massive Umverteilung
von unten nach oben weiter; die Verursacher und Profiteure
der Krise würden nicht zur Finanzierung der Krisenkosten
herangezogen, und am europäischen Steuer-, Lohn- und
Sozialdumping werde sich nichts ändern.

Der Fiskalvertrag solle die Mitgliedstaaten zu einer dauer-
haften Politik der Ausgabenkürzung und Austerität zwin-
gen. Der Fiskalvertrag bedrohe die Sozialstaatlichkeit in
den Mitgliedstaaten und das Europäische Sozialmodell, er
sei ein Anschlag auf die Demokratie in allen beteiligten
Staaten. Sobald ein Land von den neuen haushaltspoliti-
schen Regelungen und damit vom strikten Weg der Austeri-
tät abweiche, verlören die nationalen Parlamente ihr demo-
kratisches Haushaltsrecht. Eine aktive Konjunkturpolitik
werde künftig ebenso unmöglich sein wie eine gestaltende
Finanzpolitik, zum Beispiel zur Einleitung der sozial-ökolo-
gischen Wende.

Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. ist der Fiskalvertrag
eine Gefahr für den europäischen Integrationsprozess. Wenn
die EU nur noch mit Sozialabbau und Entdemokratisierung
in Verbindung gebracht werde, sinke die Zustimmung der
Bevölkerung weiter. Auch die Konstruktion des Vertrags als
völkerrechtlicher Vertrag außerhalb des Rechtsrahmens der
EU, an dem nicht alle Mitgliedstaaten der EU beteiligt
seien, die vertragliche Festschreibung von Euro-Gipfeln mit
privilegierter Stellung der Euro-Staaten gegenüber den an-
deren Vertragsstaaten und die Schaffung eines Präsidenten
der Euro-Gruppe trieben die Spaltung der EU weiter voran.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte weiter, der Fiskalver-
trag verstoße gegen das deutsche Grundgesetz. Eine Schul-
denbremse sei nicht nur unvereinbar mit dem Demokratie-
prinzip nach Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes, aus
dem die demokratische Budgetverantwortung des jeweili-
gen Deutschen Bundestages folgt. Eine Aufhebung oder
Änderung dieser Bestimmungen durch den deutschen Ver-
fassungsgeber solle durch den Fiskalvertrag sogar dauerhaft
unmöglich gemacht werden. Das Ratifizierungsgesetz zum
Fiskalvertrag verstoße damit auch gegen die Ewigkeitsga-
rantie des Artikels 79 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, der
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und
FDP auf Drucksache 17/12058 setze die im Fiskalpakt ver-
einbarten Regeln um. Dies beinhalte insbesondere die Ein-
richtung eines unabhängigen Gremiums zur Überwachung
der Einhaltung der Fiskalvertragsregeln und die Haftung bei
möglichen Sanktionszahlungen. Die im vorhergehenden
Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltenen Mittel für
den Kita-Ausbau (580 Mio. Euro Investitionskosten und
37,5 bis 75 Mio. Euro Betriebskosten für 30 000 zusätzliche
Plätze) würden jetzt über ein eigenes Gesetz geregelt. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN habe für den Fiskal-
pakt gestimmt und begrüße deshalb auch grundsätzlich
seine Umsetzung.

Der alte Gesetzentwurf sei Ende 2012 im Deutschen Bun-
destag auch mit der Stimmen der grünen Fraktion beschlos-
sen worden. Die Bundesregierung habe aber Zusagen an die

Drucksache 17/12222 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Länder über die Neufestlegung der sogenannten Entflech-
tungsmittel (Zahlungen vom Bund an die Länder im Rah-
men der Aufgabenentflechtung durch die erste Föderalis-
muskommission) nicht eingehalten, die zum Kompromiss
zwischen Bund und Ländern zum Fiskalvertrag gehörten.
Im Bundesrat sei das Gesetz deshalb von den Ländern ge-
kippt worden. Im neuen Anlauf sei jetzt zwar ein Gesetz zu
den Entflechtungsmitteln vorgesehen; es gebe aber derzeit
weder eine Einigung zwischen Bund und Ländern über die
konkrete Ausgestaltung noch einen Gesetzentwurf im Ver-
fahren. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN appel-
liere deshalb an die Bundesregierung, aus dem Scheitern
des ersten Anlaufs zu lernen und nicht zu pokern.

Die Einhaltung der nationalen Fiskalregeln müsse durch
eine unabhängige Institution überwacht werden. In
Deutschland solle damit der Stabilitätsrat (Bundesministe-
rium der Finanzen, Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie und die Finanzminister der Länder) beauftragt
werden, der bei dieser Aufgabe durch einen neuen, unab-
hängigen Beirat unterstützt werden solle. Mitglieder des
Beirats seien je ein Vertreter der Deutschen Bundesbank,
des Sachverständigenrates, der an der Gemeinschaftsdiag-
nose beteiligte Forschungsinstitute, der kommunalen Spit-
zenverbänden, der Sozialversicherungen sowie jeweils zwei
Vertreter von Bund und Ländern. Sanktionszahlungen bei
Verletzungen der Fiskalregeln trage der Bund.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wolle dagegen
ein unabhängigeres Gremium, dass zudem Expertise für den
Bundestag bereitstelle, vergleichbar mit dem Congressional
Budget Office in den USA. Dieser Vorschlag sei jedoch auf-
grund der Eile im ersten Verfahren nicht ausreichend disku-
tiert worden.

Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Ausschuss-
drucksache 17(8)5889 sehe die Einrichtung eines stärkeren
Gremiums zur Überwachung der Einhaltung des Fiskalver-
trages vor, als dies im Gesetzentwurf geplant sei. Die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstütze den Ände-
rungsantrag, weil die geplante Institution dem Deutschen
Bundestag zusätzliche Expertise bereitstellen und damit die
Rechte des Parlaments in haushalts- und finanzpolitischen
Fragen stärken könnte.

Keine Mehrheit im Ausschuss fand der Änderungsantrag
der Fraktion der SPD auf Ausschussdrucksache 17(8)5889,
dessen Regelungsteil und allgemeine Begründung nachste-
hend wiedergegeben sind:

Der Haushaltsausschuss möge beschließen:
I. Änderung
1. Artikel 2 Nummer 2 wird wie folgt geändert:

a) § 6 wird wie folgt geändert:
aa) Absatz 3 Satz 2 wird gestrichen.
bb) Es wird folgender Absatz 4 eingefügt:

„(4) Zu den Empfehlungen nach Absatz 2 und
den Berichten nach Absatz 3 nimmt der Nationale
Rat für Haushalts- und Finanzpolitik Stellung.“

b) § 7 wird gestrichen.
2. Nach Artikel 2 wird folgender Artikel 3 eingefügt:

„Artikel 3
Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Rates für Haus-

halts- und Finanzpolitik
(Haushalts- und Finanzratsgesetz – HFRatG)

§ 1
Einsetzung eines Nationalen Rates für Haushalts- und

Finanzpolitik
Als gemeinsame Einrichtung von Bundestag und Bun-

desrat wird ein Nationaler Rat für Haushalts- und
Finanzpolitik eingesetzt. Er ist nur an den durch dieses
Gesetz begründeten Auftrag gebunden und in seiner
Tätigkeit unabhängig. Sein Dienstsitz ist Berlin.

§ 2
Aufgaben des Rates

(1) [Allgemein] Der Rat wirkt durch wissenschaftliche
Analysen und Gutachten an der Umsetzung einer nach-
haltigen Haushalts- und Finanzpolitik mit. Er überprüft
und bewertet, in wie weit gesetzliche und anderweitig
verpflichtende Vorgaben eingehalten und beschlossene
Ziele erreicht werden. Er beteiligt sich an der Anwen-
dung und Überprüfung von Verfahren zur Umsetzung
der haushalts- und finanzpolitischen Regeln. Durch
öffentliche Stellungnahmen trägt er zu mehr Trans-
parenz und Klarheit über die Ziele und Wirksamkeit der
Haushalts- und Finanzpolitik bei. Dem Rat können
durch Gesetz weitere Aufgaben übertragen werden.

(2) [Ausführung von Artikel 115 GG] Der Rat wirkt
mit bei den Verfahren zur Ausführung von Artikel 115
des Grundgesetzes und beobachtet ihre Einhaltung, ins-
besondere durch
1. Stellungnahmen zur Durchführung des Verfahrens

zur Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um
finanzielle Transaktionen gemäß § 3 Artikel 115-Ge-
setz;

2. Beteiligung an der Festlegung und Überprüfung des
Verfahrens zur Berechnung der Obergrenze der jähr-
lichen Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung
der konjunkturellen Entwicklung auf der Grundlage
eines Konjunkturbereinigungsverfahrens gemäß Arti-
kel 115 Absatz 2 des Grundgesetzes und § 5 Arti-
kel 115-Gesetz, unter anderem durch die Mitwirkung
in den einschlägigen Arbeitsgruppen des Wirtschafts-
politischen Ausschusses des Rates der Europäischen
Union (ECOFIN) und die verbindliche Ermittlung
der Budgetsensitivität des Bundes und der Länder;

3. Stellungnahmen zum Vorliegen der Voraussetzungen
von § 6 Artikel 115- Gesetz;

4. Stellungnahmen zur Handhabung des Kontrollkontos
gemäß § 7 Artikel 115- Gesetz.

(3) [Stabilitäts- und Wachstumspakt] Durch die Erfül-
lung der in Absatz 1 genannten Aufgaben und weitere
Maßnahmen wirkt der Rat mit an der innerstaatlichen
Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 vom 7. Juli
1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Über-
wachung und der Überwachung und Koordinierung der
Wirtschaftspolitiken (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1), zu-
letzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1175/2011
(ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 12) und der Richtlinie

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/12222

2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die
Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der
Mitgliedstaaten (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 41).
Dazu gehört insbesondere
1. die Beteiligung an der in Artikel 4 Absatz 6 der

Richtlinie geforderten Bewertung der für die Finanz-
planung herangezogenen makroökonomischen Prog-
nosen und Haushaltsprognosen;

2. die Erstellung der in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b
der Richtlinie genannten verlässlichen unabhängigen
Analysen;

3. die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und Effektivität
des in Artikel 9 der Richtlinie geforderten mittelfris-
tigen Haushaltsrahmens.

1) Die Angaben in eckigen Klammern dienen der besse-
ren Lesbarkeit des Änderungsantrags und sind nach
Annahme zu streichen.

2) Aufgaben im Rahmen von Stabipakt und Fiskalver-
trag eventuell zusammenführen sowie durch all-
gemeinere Formulierungen kürzer fassen und offen
halten für Rolle des „unabhängigen Rates für
Finanzpolitik“ gemäß Two-Pack. [Aufgaben im euro-
päischen Kontext]

(4) [Fiskalvertrag] Der Rat ist zuständig für die
Überwachung der Einhaltung der in Artikel 3 Absatz 1
des Vertrags vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordi-
nierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Wäh-
rungsunion genannten Regelungen. Soweit dies nicht be-
reits durch die Erfüllung der in Absatz 2 genannten Auf-
gaben gewährleistet ist, nimmt der Rat die erforder-
lichen weiteren Analysen vor und gibt entsprechende
Stellungnahmen ab. Seine Aufgaben als unabhängige
Überwachungseinrichtung für den in Artikel 3 Absatz 1
Buchstabe e des Vertrags genannten Korrekturmecha-
nismus erfüllt er im Sinne der von der Europäischen
Kommission dafür vorgeschlagenen Grundsätze. Die
Zuständigkeiten des Stabilitätsrates bleiben unberührt.

(5) [Kostenschätzungen für Gesetzesvorhaben] Auf
Antrag bewertet der Rat die finanziellen Auswirkungen
von Gesetzesvorlagen, die beim Bundestag durch die
Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder
durch den Bundesrat eingebracht wurden oder deren
Einbringung beabsichtigt ist, sowie von weiteren Vorla-
gen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen. Der Rat
äußert sich dabei zu den Haushaltsausgaben ohne Erfül-
lungsaufwand und zu den weiteren Kosten, auch im Ver-
hältnis zum erwarteten Nutzen. Zum Erfüllungsaufwand
äußert sich der Rat nur in Ausnahmefällen und nach An-
hörung des Nationalen Normenkontrollrates. Antragsbe-
rechtigt sind
1. jede Fraktion des Deutschen Bundestages sowie jede

Gruppe von Antragstellern, die mindestens fünf Pro-
zent der Mitglieder des Bundestages umfasst,

2. jedes Land durch einheitlichen Antrag seiner Mit-
glieder im Bundesrat,

3. die gesetzgebende Körperschaft eines Landes durch
Beschluss mit der Mehrheit ihrer Mitglieder.

Die Kostenschätzungen werden veröffentlicht, bei noch
nicht eingebrachten Gesetzesvorlagen nur mit Zustim-
mung der Antragsteller oder nach erfolgter Einbrin-

gung. Liegen mehr Anträge vor, als der Rat mit den ihm
zur Verfügung gestellten Mitteln bearbeiten kann, legt er
ein Verfahren zur Auswahl und Festlegung der Reihen-
folge fest und veröffentlicht die Verfahrensgrundsätze.

(6) [fakultative Aufgaben] Der Rat kann sich darüber
hinaus zu Themen äußern, die in einem engen sachlichen
Zusammenhang zu den in den Absätzen 1 bis 5 genann-
ten Aufgaben stehen.

(7) [keine allgemein-politischen Empfehlungen] Der
Rat beschränkt sich in seinen Bewertungen auf haus-
halts- und finanzpolitische Aspekte und nimmt keine wei-
tergehenden Wertungen hinsichtlich der angestrebten
Ziele und Zwecke der geprüften Vorlagen vor. Er ver-
zichtet auf die Ausarbeitung eigener Alternativvor-
schläge und allgemeine politische Empfehlungen.

§ 3
Befugnisse des Rates

(1) Die Behörden des Bundes und die Länder leisten
dem Rat Amtshilfe. Der Rat erhält Zugang zu allen Un-
terlagen, Informationen und Daten der Haushalts- und
Finanzbehörden des Bundes und der Länder, die für die
Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind.

(2) Der Rat kann eigene Anhörungen durchführen und
Gutachten in Auftrag geben.

§ 4
Pflichten des Rates

(1) Der Rat steht den federführenden und den mitbe-
ratenden ständigen Ausschüssen des Bundestages und
des Bundesrates, den für das Haushaltsgesetz federfüh-
renden Ausschüssen der Parlamente der Länder sowie
den Finanzbehörden des Bundes und der Länder zur Be-
ratung zur Verfügung.

(2) Auf ihr Verlangen hört der Rat die fachlich zustän-
digen Bundesminister, den Präsidenten der Deutschen
Bundesbank, die Präsidenten des Bundesrechnungshofes
und der Landesrechnungshöfe, die Vorsitzenden des Sta-
bilitätsrates sowie die Präsidenten der kommunalen
Spitzenverbände.

(3) Der Rat veröffentlicht grundsätzlich alle seine Be-
richte und Stellungnahmen zusammen mit den dafür ver-
wendeten Berechnungsmethoden, Modellen und Daten,
sofern dem nicht Vorschriften dieses Gesetzes, anderer
Gesetze oder schutzwürdige Interessen Dritter entgegen-
stehen. Durch den Austausch mit anderen nationalen
und internationalen Institutionen und geeignete interne
und externe Begutachtungsverfahren sichert der Rat die
Qualität seiner Arbeit und die Einhaltung der interna-
tional anerkannten Grundprinzipien wissenschaftlicher
Arbeit.

§ 5
Zusammensetzung und Organisation

(1) [Mitgliederzahl, Profil] Der Nationale Rat für
Haushalts- und Finanzpolitik besteht aus 6 Mitgliedern,
die über besondere wissenschaftliche Kenntnisse oder
praktische Erfahrungen in Angelegenheiten der Haus-
halts- und Finanzpolitik verfügen.

(2) [Unvereinbarkeiten] Die Mitglieder des Rates
dürfen weder der Regierung oder einer gesetzgebenden
Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören

Drucksache 17/12222 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

noch unmittelbar für diese tätig sein. Sie dürfen ferner
nicht Repräsentant eines Wirtschaftsverbandes oder
einer Organisation der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer
sein oder zu diesen in einem ständigen Dienst- oder Ge-
schäftsbesorgungsverhältnis stehen. Sie dürfen auch
nicht während des letzten Jahres vor der Berufung zum
Mitglied des Rates eine derartige Stellung innegehabt
haben. Die Mitgliedschaft im Rat ist ein Ehrenamt.

(3) [Bestellung] Die Mitglieder werden jeweils zur
Hälfte durch den Deutschen Bundestag und durch den
Bundesrat berufen und vom Bundespräsidenten ernannt.
Die vom Deutschen Bundestag zu berufenden Mitglieder
werden vom Deutschen Bundestag auf Vorschlag des
Haushaltsausschusses mit einer Mehrheit von zwei Drit-
teln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit
der Mitglieder des Bundestages, in geheimer Wahl ge-
wählt. Die vom Bundesrat zu berufenden Mitglieder
werden vom Bundesrat gewählt. Die Mitglieder sind be-
rechtigt, ihr Amt durch Erklärung gegenüber dem Bun-
despräsidenten niederzulegen. Scheidet ein Mitglied
vorzeitig aus, so wird ein neues Mitglied für die Dauer
der Amtszeit des ausgeschiedenen Mitglieds berufen.

(4) [Amtszeit, Ausscheiden] Die Amtszeit der Mitglie-
der beträgt fünf Jahre. Eine einmalige Wiederbestellung
ist möglich.

(5) [Vorsitz, Abstimmungen, Geschäftsordnung] Die
Mitglieder des Rates wählen aus ihrer Mitte die Vorsit-
zende oder den Vorsitzenden für die Dauer der Amtszeit
nach Absatz 4. Beschlüsse des Rates bedürfen der Zu-
stimmung der Mehrheit seiner Mitglieder. Ein Sondervo-
tum ist nicht zulässig. Der Rat gibt sich eine Geschäfts-
ordnung, die öffentlich bekannt gemacht wird.

(6) [Sekretariat] In der Erledigung seiner Aufgaben
wird der Rat durch ein Sekretariat unterstützt, das beim
Deutschen Bundestag eingerichtet wird. Der Leiter des
Sekretariats nimmt beratend an den Sitzungen des Rates
teil. Er unterliegt allein den Weisungen des Rates. Die
Mitarbeiter des Sekretariats unterliegen allein den Wei-
sungen des Rates und des Leiters des Sekretariats. Wei-
sungsbefugnisse des Rates können durch die Geschäfts-
ordnung auf dessen Vorsitzenden übertragen werden.
Die Stelle des Leiters des Sekretariates wird im Einver-
nehmen mit den Mitgliedern des Rates besetzt. Die Stel-
len der Mitarbeiter des Sekretariats werden vom Leiter
des Sekretariates im Einvernehmen mit dem Vorsitzen-
den des Rates besetzt. Die Angehörigen des Sekretariats
dürfen weder hauptamtlich noch nebenamtlich gleich-
zeitig mit anderen Aufgaben innerhalb der unmittelbaren
oder mittelbaren Staatsverwaltung des Bundes oder der
Länder betraut sein. Gegen ihren Willen können die An-
gehörigen des Sekretariats nur im Einvernehmen mit
dem Vorsitzenden des Rates versetzt, abgeordnet oder
umgesetzt werden.

(7) Die Mitglieder des Rates und die Angehörigen des
Sekretariats sind zur Verschwiegenheit über die Bera-
tungen und die vom Rat als vertraulich bezeichneten Be-
ratungsunterlagen verpflichtet.

§ 6
Kosten

(1) Die Kosten des Rates trägt der Bund. Dem Rat ist
die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Perso-

nal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. Diese
ist im Einzelplan des Deutschen Bundestages gesondert
auszuweisen.

(2) Die Mitglieder des Rates erhalten eine pauschale
Entschädigung sowie Ersatz ihrer Reisekosten. Diese
werden vom Präsidenten des Deutschen Bundestages im
Einvernehmen mit dem Präsidenten des Bundesrates
festgelegt.

3. Die Artikel 3 bis 6 werden die Artikel 4 bis 7.
II. Begründung
A. Allgemeiner Teil
Der am 2. März 2012 von 25 EU-Staaten unterzeichnete
Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der
Wirtschafts- und Währungsunion (VSKS, Fiskalvertrag)
enthält in Artikel 3 Absatz 1 eine Fiskalregel, die durch
„verbindliche und dauerhafte Bestimmungen, die vorzugs-
weise Verfassungsrang besitzen“, in den innerstaatlichen
Rechtsordnungen der Vertragsstaaten zu verankern ist. Die
Fiskalregel entspricht in weiten Teilen der „Schulden-
bremse“ des Grundgesetzes und läuft im Kern darauf hin-
aus, dass der gesamtstaatliche Haushalt der Vertragsstaa-
ten – für Deutschland: Haushalte von Bund, Sozialversiche-
rungen, Ländern, Kommunen – maximal ein strukturelles
Defizit von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts aufweisen darf.
Die Staaten müssen ein „mittelfristiges Haushaltsziel“
(medium-term objective, MTO) festlegen, das dieser Grenze
entspricht, und sich diesem mittelfristigen Ziel rasch an-
nähern. Erhebliche Abweichungen vom mittelfristigen Ziel
oder dem dorthin führenden Anpassungspfad lösen automa-
tisch einen Korrekturmechanismus aus. Bei der Einrichtung
ihres nationalen Korrekturmechanismus „stützen“ sich die
Vertragsstaaten auf gemeinsame, von der Europäischen
Kommission vorzuschlagende Grundsätze, die insbesondere
auch „die Rolle und Unabhängigkeit der auf nationaler
Ebene für die Überwachung der Einhaltung der in Absatz 1
genannten Regelungen zuständigen Institutionen“ betreffen.
Die Vorrechte der nationalen Parlamente bleiben uneinge-
schränkt bewahrt.
Die EU-Kommission hat die gemeinsamen Grundsätze für
nationale fiskalpolitische Korrekturmechanismen am
20. Juni 2012 veröffentlicht (COM(2012) 342 final). Der
7. Grundsatz gilt der Rolle und Unabhängigkeit der für die
Überwachung zuständigen Institutionen. Die Kommission
hält darin fest, dass es der Glaubwürdigkeit und Transpa-
renz der Korrekturmechanismen zugute komme, wenn die
Überwachung durch unabhängige oder funktional auto-
nome Stellen erfolge. Bei der Gestaltung der genannten
Stellen werde dem bereits bestehenden institutionellen Rah-
men und der länderspezifischen Verwaltungsstruktur Rech-
nung getragen. Für die Stellen würden nationale Rechtsvor-
schriften erlassen, die ihnen ein hohes Maß an funktionaler
Autonomie gewährten, einschließlich i) eines gesetzlich ver-
ankerten Status, ii) der Freiheit von Einflussnahme, d. h. die
Stellen nähmen keine Anweisungen entgegen und hätten die
Möglichkeit, öffentlich und zeitnah zu kommunizieren, iii)
Benennungsverfahren, die an Erfahrung und Kompetenz
ausgerichtet seien, iv) angemessener Ressourcen und eines
zur Erfüllung ihres Auftrags angemessenen Zugangs zu In-
formationen.
Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetzentwurf zur in-
nerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpaktes keine neue In-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/12222

stitution schaffen, sondern die Rolle des Stabilitätsrates
stärken. Dies liegt grundsätzlich durchaus nahe, weil dem
Stabilitätsrat nach § 51 Haushaltsgrundsätzegesetz ohnehin
die Aufgabe obliegt, zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin
im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungs-
union eine koordinierende Beratung der Grundannahmen
der Haushalts- und Finanzplanungen des Bundes, der Län-
der und der Gemeinden vorzunehmen. Die nach dem Fiskal-
pakt erforderliche Unabhängigkeit der nationalen Institu-
tion sieht die Bundesregierung zum einen bereits als gege-
ben an durch die gesetzlich festgelegten Regeln für die Be-
schlussfassung; zum anderen will sie ihr Rechnung tragen
durch die Einrichtung eines unabhängigen Beirats.
Bei näherer Betrachtung überzeugt dieser Vorschlag der
Bundesregierung nicht, weil er die Anforderungen des Fis-
kalvertrags und der gemeinsamen Grundsätze bestenfalls
den Buchstaben nach bzw. als Minimalanforderungen er-
füllt und damit den Kerngedanken unabhängiger Fiskalins-
titutionen verfehlt. Der Vorschlag der Bundesregierung
wird ferner nicht den Maßnahmen gerecht, die auf europäi-
scher Ebene zur Verbesserung der Haushaltsdisziplin be-
reits beschlossen oder im Verfahren sind:
– Die als Teil des „Six-Pack“ verabschiedete Richtline

2011/85 vom 8. November 2011 über die Anforderungen
an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaa-
ten, verpflichtet in Artikel 6 die Mitgliedstaaten, in ihren
länderspezifischen numerischen Haushaltsregeln u. a.
genaue Angaben zu machen zur effektiven und zeitnahen
Überwachung der Einhaltung der Regeln, „die auf ver-
lässlichen unabhängigen Analysen beruhen, die von un-
abhängigen Einrichtungen oder Einrichtungen vorge-
nommen werden, deren funktionelle Eigenständigkeit ge-
genüber den Haushaltsbehörden des Mitgliedstaats ge-
geben ist“.

– Der derzeit als Teil des „Two-Pack“ beratene Vorschlag
für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und
des Rates über gemeinsame Bestimmungen für die Über-
wachung und Bewertung der Übersichten über die ge-
samtstaatliche Haushaltsplanung und für die Gewähr-
leistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mit-
gliedstaaten im Euro-Währungsgebiet (KOM(2011) 821
endg., 2011/0386 (COD)) sieht in Artikel 4 Absatz 2 fol-
gende Regelung vor: „Die Mitgliedstaaten verfügen
über einen unabhängigen Rat für Finanzpolitik für die
Überwachung der Umsetzung nationaler Haushaltsre-
geln nach Absatz 1.“ In den Begriffsbestimmungen des
Artikel 2 wird dazu vorweg klargestellt, dass damit ein
Gremium bezeichnet wird, „dessen funktionelle Eigen-
ständigkeit gegenüber den Haushaltsbehörden des Mit-
gliedstaats gegeben und dessen Aufgabe es ist, die Um-
setzung der nationalen Haushaltsregeln zu über-
wachen“.

Von „funktioneller Eigenständigkeit gegenüber den Haus-
haltsbehörden des Mitgliedstaates“ kann beim Stabilitätsrat

nicht ernsthaft die Rede sein. Denn dem Stabilitätsrat gehö-
ren nach § 1 Absatz 1 StabiRatG an: (1.) die Bundesministe-
rin oder der Bundesminister der Finanzen, (2.) die für die
Finanzen zuständigen Ministerinnen oder Minister der Län-
der, (3.) die Bundesministerin oder der Bundesminister für
Wirtschaft und Technologie. Eine Institution, die aus den für
die Haushaltsbehörden verantwortlichen Ministern (plus
BMWi) besteht, kann nicht glaubwürdig für sich eine funk-
tionale Eigenständigkeit gegenüber eben diesen Haushalts-
behörden behaupten.
Die von der Bundesregierung als Argument angeführten ge-
setzlichen Regelungen über die Beschlussfassung können
diesen Konstruktionsmangel ebenso wenig heilen wie die
Beigabe eines unabhängigen Beirats. Ein unabhängiges Be-
ratergremium macht aus einer abhängigen keine unabhän-
gige Institution (s. Rechnungshöfe und Zentralbanken).
In einem Vorentwurf zu den gemeinsamen Grundsätzen für
die nationalen Korrekturmechanismen hat die Kommission
ausführlicher erläutert, warum die Einhaltung der Fiskalre-
gel und ggf. des Korrekturmechanismus dann am besten ge-
währleistet sein wird, wenn es neben Regierung und Parla-
ment eine unabhängige, nur der Fiskalregel verpflichtete
Institution gibt. Gerade weil die politische Verantwortung
für die Einhaltung der Fiskalregel immer bei den Regierun-
gen und Parlamenten (bzw. Parlamentsmehrheiten) liegt,
die die nationalen Haushalte aufstellen, beschließen und
ausführen, sollte die Aufgabe der Analyse, Beobachtung
und Bewertung nach Ansicht der Kommission einer poli-
tisch unabhängigen Institution übertragen werden, um
Möglichkeiten der politischen Einflussnahme zu beschrän-
ken und die Transparenz des Prozesses zu erhöhen.
Die Kommission verfolgt hiermit ein Modell, dass in den
vergangenen Jahren in vielen Ländern innerhalb und au-
ßerhalb Europas in der einen oder anderen Form umgesetzt
worden ist – oft als „Fiscal Council“ bezeichnet – und das
in der ökonomischen Literatur und in internationalen Orga-
nisationen wie der OECD viele Befürworter hat. Deutsch-
land als entschiedener Befürworter der Einführung und
Überwachung einer Fiskal- bzw. Schuldenregel sollte sich
dieser Entwicklung nicht verschließen.
Für diesen Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache
17(8)5889 stimmten die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, dagegen die Koalitionsfraktionen der CDU/
CSU und FDP sowie die Fraktion DIE LINKE.

Abschließend beschloss der Haushaltsausschuss mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
DIE LINKE., dem Deutschen Bundestag zu empfehlen, den
Gesetzentwurf auf Drucksache 17/12058 in unveränderter
Fassung anzunehmen.

B. Besonderer Teil
Zur Begründung der einzelnen Vorschriften wird auf den
Gesetzentwurf verwiesen.

Berlin, den 30. Januar 2013

Norbert Barthle
Berichterstatter

Johannes Kahrs
Berichterstatter

Otto Fricke
Berichterstatter

Dr. Gesine Lötzsch
Berichterstatterin

Priska Hinz (Herborn)
Berichterstatterin

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