BT-Drucksache 17/12195

Landbeschaffungsgesetz überprüfen

Vom 30. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12195
17. Wahlperiode 30. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz,
Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Lisa Paus,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Landbeschaffungsgesetz überprüfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Jahr 1957 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz über die Landbeschaffung
für Aufgaben der Verteidigung – Landbeschaffungsgesetz (BGBl. I S. 134,
zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 11. August 2009, BGBl. I
S. 2723) verabschiedet. Dieses bis heute gültige Gesetz räumt dem Bund das
Recht ein, Grundstücke für Zwecke der Verteidigung zu beschaffen (Beschaf-
fungsrecht). Zwar sollen die Grundstücke „nach Möglichkeit freihändig erwor-
ben werden“, doch kann auch eine Enteignung der Grundstücke auf Antrag des
Bundes erfolgen. Die jeweiligen Landesregierungen haben bei der Auswahl der
Grundstücke lediglich ein Anhörungsrecht. Die betroffenen Gemeinden haben
kein eigenes Anhörungsrecht, sondern werden von der Landesregierung vor
ihrer Stellungnahme gegenüber dem Bund angehört. Bürgerinnen und Bürger
werden nach dem Landbeschaffungsgesetz verfahrensmäßig erst beteiligt, wenn
sie konkret von einer Beschaffungsmaßnahme betroffen sind.

Das Landbeschaffungsgesetz wurde 1957 auch unter dem Eindruck der damaligen
Blockkonfrontation und der Stationierung der alliierten Siegermächte Frankreich,
Großbritannien und USA auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
beschlossen. Entsprechend diente es auch insbesondere zur Erfüllung der Ver-
pflichtungen des Bundes aus zwischenstaatlichen Verträgen über die Stationie-
rung und Rechtsstellung von Streitkräften auswärtiger Staaten im Bundesgebiet.

Mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, der deutschen Wie-
dervereinigung sowie der damit verbundenen Verabschiedung des Vertrags über
die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland (sogenannter Zwei-plus-
Vier-Vertrag) ist es fraglich, ob das Landbeschaffungsgesetz in seiner jetzigen
Form noch zeitgemäß ist.

Die Notwendigkeit, im Rahmen von sicherheitspolitischen und militärstrate-

gischen Erwägungen Grundstücke im Bundesgebiet zu enteignen, um diese aus-
wärtigen Staaten zur Verfügung zu stellen, erschließt sich vor dem Hintergrund
der Reform der deutschen Streitkräfte und der damit einhergehenden Verklei-
nerung sowohl der personellen Gesamtgröße als auch der Reduzierung der
Bundeswehrstandorte noch weniger.

Zugleich zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre, dass insbesondere die
USA und Großbritannien ihre Standorte auf dem Gebiet der Bundesrepublik

Drucksache 17/12195 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Deutschland weiter zusammengefasst und in Teilen verkleinert haben. Dennoch
zeigen Beispiele, wie der aktuelle Umzug des Hauptquartiers der US-Landstreit-
kräfte in Europa (USAREUR) von Heidelberg nach Wiesbaden-Erbenheim,
dass das Landbeschaffungsgesetz den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort kaum
Handlungsspielraum einräumt, sollte eine Enteignung von Flächen für die US-
Streitkräfte nötig sein.

Die fehlende Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern nach dem Landbeschaf-
fungsgesetz bei der sogenannten Bezeichnung von Grundstücken, die für Vertei-
digungszwecke verwendet werden sollen, hat das Bundesverwaltungsgericht
schon vor über 25 Jahren zu der Bemerkung in Richtung auf den Gesetzgeber
veranlasst, dass überprüft werden sollte, ob es nicht im Interesse eines effektiven
Rechtsschutzes und zugleich auch im Interesse einer besseren Akzeptanz in der
Bevölkerung sowie einer höheren Effektivität der Planungen – zweckmäßig
wäre, für raumbeanspruchende Verteidigungsvorhaben ein Planungsverfahren
nach dem Vorbild moderner Fachplanungsgesetze einzuführen (Bundesverwal-
tungsgericht, Urteil vom 11. April 1986 – 4 C 51/83, BVerwGE 74, 124 (130);
bekräftigend Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 14. April 1989 – 4 C 21/88,
NVwZ 1990, 260 (261)).

In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist zwar in jüngerer Zeit vereinzelt
schon die Auffassung vertreten worden, dass im Rahmen der richterlichen
Rechtsfortbildung zumindest bei raum- und umweltrelevanten Großvorhaben
wie einem Luft-Boden-Schießplatz eine Beteiligung von betroffenen Bürgerin-
nen und Bürgern über das Landbeschaffungsgesetz hinaus sichergestellt werden
müsse (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. März 2009 –
OVG 2 B 8.08, juris Rn. 47). Eine rechtlich gesicherte Praxis der Beteiligung
von Bürgerinnen und Bürgern bei der Auswahl und Bestimmung von Grund-
stücken für Verteidigungszwecke hat sich daraufhin aber noch nicht etabliert. Es
ist auch äußerst fraglich, ob die richterliche Rechtsfortbildung hier der richtige
Weg zur Entwicklung einer angemessenen Verfahrensausgestaltung bildet, um
die Ermittlung und Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange und
dabei insbesondere eine angemessene Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen
und Bürger sicherzustellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Gesetz über die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung dahin-
gehend zu überprüfen, inwiefern es grundsätzlich sowie in seiner jetzigen
Fassung
a) noch geeignet ist, die sozialen und ökologischen Belange der Bürgerinnen

und Bürger, Städte und Gemeinden angemessen zu berücksichtigen sowie
b) sicherheitspolitisch notwendig und zweckmäßig ist
und dem Deutschen Bundestag einen schriftlich Bericht über das Ergebnis
der Überprüfung vorzulegen;

2. Vorschläge zu erarbeiten, wie das Gesetz über die Landbeschaffung für Auf-
gaben der Verteidigung gegebenenfalls im Sinne einer angemessenen Betei-
ligung der Bürgerinnen und Bürger sowie von Städten und Gemeinden neu
geregelt werden kann und hierzu gegebenenfalls einen Gesetzentwurf vorzu-
legen.

Berlin, den 30. Januar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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