BT-Drucksache 17/12194

Hinterlandanbindung der ZARA-Häfen verbessern

Vom 30. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12194
17. Wahlperiode 30. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Dr. Valerie Wilms, Dr. Anton Hofreiter,
Volker Beck (Köln), Stephan Kühn, Sven-Christian Kindler, Daniela Wagner,
Cornelia Behm, Harald Ebner, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff,
Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hinterlandanbindung der ZARA-Häfen verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Gesamtgüterumschlag der belgischen und niederländischen ZARA-Häfen
(Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) ist mit 760,6 Millionen Ton-
nen über dreimal und der Containerumschlag mit 21,7 zu 14,9 Mrd. Euro andert-
halbmal so hoch wie der der deutschen Universalhäfen (Hamburg, Bremen,
Bremerhaven, Wilhelmshaven)1. Dieses Verkehrsaufkommen wird auch zu-
künftig durch die ambitionierten Ausbaupläne der ZARA-Häfen und der Ent-
wicklung des Welthandels wohl weiter ansteigen.

Für mehr als ein Drittel des Containerumschlags der ZARA-Häfen ist Deutsch-
land Ziel- oder Transitland. Die ZARA-Häfen haben in den letzten zehn Jahren
ein rasantes Wachstum vollzogen. Der Containerumschlag hat sich in dieser Zeit
fast verdoppelt. Auch wenn sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren ver-
langsamen sollte, wird der Güterumschlag im Hinterlandverkehr weiterhin deut-
lich zunehmen.

An den europäischen Güterverkehrskorridoren Nummer 1 (Zeebrügge–Ant-
werpen/Rotterdam–Duisburg–[Basel]–Mailand–Genua)2 und Nummer 8 (Bre-
merhaven/Rotterdam/Antwerpen–Aachen/Berlin–Warschau–Terespol – Grenze
Polen-Belarus –/Kaunas)2 treten bereits heute gravierende Probleme auf. Ent-
lang der gesamten Rheinschiene, beginnend an der deutsch-niederländischen
bzw. der deutsch-belgischen Grenze bis nach Süddeutschland, geht es heute um
nichts anderes als die Aufrechterhaltung der derzeitigen Netzqualität, da zahl-
reiche Trassen durch den stetig wachsenden Hafenhinterlandverkehr bis an ihre
Kapazitätsgrenze ausgelastet sind.

Der Bundesverkehrswegeplan und der Bedarfsplan für die Bundesschienenwege

spiegeln nicht den Bedarf der Infrastruktur in den Regionen entlang der beiden
Güterverkehrskorridore wider. Die Verkehrsplanung muss die deutschen Nord-
seehäfen und die expandierenden Häfen in den Beneluxländern (Belgien, die
Niederlande und Luxemburg) zusammen berücksichtigen. Um die notwendigen

1 Vergleiche Statistiken 2011 der Hafenbetreiber.
2 Verordnung (EU) Nr. 913/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010

zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr.

Drucksache 17/12194 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Kapazitäten für den Güterverkehr zwischen Seehäfen und Hinterland zu schaf-
fen, muss das Bestandsnetz in den betroffenen Regionen gezielt ausgebaut und
um einzelne Neubautrassen erweitert werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. alle geplanten und im Bau befindlichen Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen im
Westen Deutschlands auf ihre Wirksamkeit für den Gütertransport Richtung
Süden und Osten zu überprüfen und hierbei insbesondere den ansteigenden
Bedarf an Gütertransporten von und zu den ZARA-Seehäfen zu berücksich-
tigen sowie daraus eine Bedarfsermittlung der Infrastrukturausbauten und ggf.
Neubauten in Westdeutschland und entlang der Rheinschiene zu erstellen;

2. bei allen Ausbauprojekten zu überprüfen, inwieweit in Abstimmung mit not-
wendigen Erhaltungsmaßnahmen Kosten reduziert werden können;

3. die derzeit laufende Erarbeitung eines neuen Bundesverkehrswegeplans zur
Aufstellung eines Gesamtverkehrskonzeptes zu nutzen, um dabei jede An-
meldung eines Verkehrsprojektes auf die Wirkung im Gesamtnetz zu über-
prüfen und dem Erhalt sowie der Beseitigung von Engpässen Vorrang vor
Neubaumaßnahmen einzuräumen;

4. in die Betrachtung der Engpässe bei der Hinterlandanbindung der Seehäfen
in den Beneluxstaaten insbesondere auch die Kapazitätsprobleme der Knoten
auf den weiteren Strecken der Güter durch Deutschland zu berücksichtigen,
statt singulär einzelne Trassenabschnitte zu betrachten;

5. insbesondere Maßnahmen zu berücksichtigen, die vorrangig Ausbaumög-
lichkeiten vorhandener Infrastrukturen nutzen:

a) in Abstimmung mit der Deutschen Bahn AG baldmöglichst eine belastbare
Kostenschätzung für die Schienenprojekte Verkehrsknoten Köln inklusive
drittem Gleis Düren–Aachen, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse für
den Rhein-Ruhr-Express (RRX) und für den Neubau der Schienengüter-
trasse Eiserner Rhein mit Trassenführung parallel zur A 52 zu erstellen,

b) die Bürgerinnen und Bürger sowie die betroffenen Gebietskörperschaften
frühzeitig und vollständig über die Ergebnisse der Planungen zu informie-
ren und so die Grundlage für einen Dialog „auf Augenhöhe“ zu schaffen;

c) dem Lärmschutz an den Neu- und Ausbaustrecken einen hohen Stellen-
wert einzuräumen, die Lärmwerte für Neu- und Ausbaustrecken schritt-
weise auf Altstrecken zu übertragen und die Lärmschutzmittel von 100
Mio. auf 200 Mio. Euro pro Jahr zu erhöhen.

Berlin, den 29. Januar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) sieht derzeit nur drei Projekte in Nord-
rhein-Westfalen als Projekte des Vordringlichen Bedarfs an:

1. die Ausbaustrecke (ABS) Münster–Lünen(–Dortmund),

2. ABS Grenze Deutschland/die Niederlande (D/NL)–Oberhausen erste Bau-

stufe („Betuwe-Route“) und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12194

3. ABS/NBS (Neubaustrecke) Grenze D/NL–Mönchengladbach-Rheydt („Ei-
serner Rhein mit Streckenführung über die historische Trasse“).

Die Betuwe-Route ist die wichtigste Verbindung zwischen dem Hafen Rotter-
dam und dem Ruhrgebiet. Auf niederländischer Seite ist die Strecke bereits seit
dem Jahr 2007 als moderne „Güterschienenautobahn“ ausgebaut. Entsprechend
eines deutsch-niederländischen Staatsvertrages sollte dies zeitgleich auch auf
deutscher Seite geschehen, das Vorhaben wurde jedoch bis heute nicht umge-
setzt. Seit dem Jahr 2008 wird fast der gesamte Hinterlandverkehr der Häfen
Rotterdam und Amsterdam inklusive der Gefahrguttransporte Richtung Mittel-
europa über diese Linie abgewickelt. Auf deutscher Seite fahren die Güterzüge
durch dicht besiedelte Wohngebiete. Der gesamte Streckenabschnitt verfügt
über keine oder nur unzureichende Schutzmaßnahmen für den Gefahrgütertrans-
port. Obwohl die ursprünglich zwischen Land und Bund vereinbarten Lärm-
schutzmaßnahmen noch nicht gebaut wurden, erfolgte bereits im Jahr 2009 eine
Taktverdichtung zu Lasten der Anwohnerinnen und Anwohner, um den nieder-
ländischen Güterverkehr überhaupt auffangen zu können. Derzeitig liegt die
Auslastung der Route bei ca. 300 Zügen pro Tag. Der Hafen Rotterdam als
Teilgesellschafter der Betuwe-Route plant mittelfristig auf 900 Züge pro Tag
aufzustocken3. Zum Vergleich: Bei der 5 Mrd. Euro teuren Neubaustrecke
Wendlingen–Ulm plant die Deutsche Bahn AG mit einer Auslastung von ca.
50 Personenfern- und 20 Güterzügen pro Tag und Richtung. Die Mittel des alten
Bundesverkehrswegeplans werden offensichtlich nicht nach den verkehrlichen
Notwendigkeiten eingesetzt.

Der Güterverkehr des Antwerpener Hafens Richtung Deutschland fließt fast
ausschließlich über die sogenannte Montzenroute. Diese Bahnstrecke verläuft
auf deutscher Seite direkt durch die Aachener Innenstadt und führt hier bereits
heute zu hohen Lärmemissionen. Auf dem Streckenabschnitt Aachen–Köln ver-
kehren zufolge einer Studie täglich 255 Züge4. Das Kapazitätsmaximum der be-
stehenden zweispurigen Gleisstrecke liegt bei einer Vollauslastung rund um die
Uhr bei 280 Zügen pro Tag. Bei einer prognostizierten Auslastung von 300 Zü-
gen im Jahr 2015 ist das Kapazitätsmaximum hier bald überschritten. Unabhän-
gig davon plant der Hafen Antwerpen bis zum Jahr 2025 den Containerumschlag
nochmals zu verdoppeln. Für den Schienengüterverkehr werden sogar Steige-
rungen von 167 Prozent prognostiziert. Wenn hier keine Kapazitäten im Schie-
nennetz geschaffen werden, werden sich diese Verkehre immer stärker auf die
Straße verlagern.

Der Bahnknoten Köln ist nicht nur das größte Nadelöhr des Schienenverkehrs in
Nordrhein-Westfalen, sondern stellt neben der Relation Karlsruhe–Basel den
größten Engpass im gesamten bundesdeutschen Schienennetz dar. Es bestehen
bereits heute erhebliche Probleme, insbesondere bei den Zulaufstrecken auf den
Hauptbahnhof Köln. Akute Trassenkonflikte bestehen zwischen dem Güterver-
kehr, dem Schienenpersonennahverkehr und den Hochgeschwindigkeitszügen
(ICE und Thalys). Diese Trassenkonflikte werden durch eingeschränkte Über-
holmöglichkeiten verschärft.

3 IHK Niederrhein, www.derwesten.de/nrz/niederrhein/betuwe/Bund-rechnet-Betuwe-Linie-schlecht-id
3935280.html.
4 Studie „Potentialabschätzung zum Schienengüterverkehr im Rheinland“, Ingenieurgruppe IVV GmbH &
Co KG (IVV).

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