BT-Drucksache 17/12166

Stand der Umsetzung des Familienpflegezeitgesetzes

Vom 25. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12166
17. Wahlperiode 25. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Sven-Christian Kindler, Katja Dörner,
Birgitt Bender, Ekin Deligöz, Kai Gehring, Monika Lazar, Britta Haßelmann,
Maria Klein-Schmeink, Tabea Rößner, Ulrich Schneider, Arfst Wagner (Schleswig)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stand der Umsetzung des Familienpflegezeitgesetzes

Am 1. Januar 2012 trat das Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflege-
zeitgesetz – FPfZG) in Kraft, das gegen den breiten Widerstand von Expertin-
nen und Experten aus Wissenschaft, von Sozialverbänden, Gewerkschaften und
Opposition von der schwarz-gelben Regierungskoalition beschlossen wurde.

Das FPfZG soll Arbeitnehmerinnen und -nehmer die bessere Vereinbarkeit von
Pflege und Beruf ermöglichen. Während der auf maximal zwei Jahre begrenzten
Familienpflegezeit können Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden
Wochenarbeitszeit reduzieren, erhalten in dieser Zeit aber bis zu 75 Prozent ihres
vorherigen Gehalts. Das so vorausgezahlte Gehalt müssen die Beschäftigten
nach Rückkehr aus der Familienpflegezeit in der so genannten Nachpflegephase
wieder ausgleichen, indem sie bei der ursprünglichen Wochenarbeitszeit so lange
zu verringerten Bezügen arbeiten, wie die Familienpflegezeit gedauert hat. Die
Inanspruchnahme einer Familienpflegezeit setzt die Zustimmung des Arbeit-
gebers sowie den Abschluss einer Familienpflegezeitversicherung (§ 4 FPfZG)
und das Vorliegen der Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen nach § 14 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) voraus. Die Arbeitgeber können die
ihnen entstehenden Kosten für die Gehaltsvorauszahlung und die Versicherung
über ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaft-
liche Aufgaben (BAFzA) ausgleichen (§ 3 FPfZG). Ein Rechtsanspruch auf die
Familienpflegezeit besteht nicht.

Aktuelle Presseberichte vom Dezember 2012 (vgl. z. B. Süddeutsche Zeitung
vom 28. Dezember 2012, „Deutsche nutzen Pflege-Auszeit kaum“) bestätigen
die bereits vor der Verabschiedung und in der Gesetzesanhörung vom
19. September 2011 von vielen Seiten geäußerte Kritik, dass die Familien-
pflegezeit kaum in Anspruch genommen werden würde. Unter Bezug auf eine
vorläufige Statistik des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (BMFSFJ) wird dort berichtet, dass die Familienpflegezeit bisher von
nicht mehr als 200 Personen in Anspruch genommen worden sei, beim BAFzA
seien bisher erst 135 Anträge auf eine entsprechende Förderung eingegangen.

Drucksache 17/12166 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit In-
krafttreten des FPfZG eine Familienpflegezeit in Anspruch genommen
(bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?

b) Kann die Bundesregierung entsprechende Pressemeldungen vom
28. Dezember 2012 bestätigen (vgl. zum Beispiel Süddeutsche Zeitung,
„Deutsche nutzen Pflege-Auszeit kaum“), wonach dies im Jahr 2012
weniger als 200 Personen gewesen sind?

Falls nein, wie viele Personen waren es tatsächlich?

Falls ja, worin ist nach Meinung der Bundesregierung trotz des hohen
Bedarfs einer besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf die Nicht-
akzeptanz der Familienpflegezeit begründet, und welche Schlussfolge-
rungen zieht sie daraus?

c) Inwiefern bedeutet nach Ansicht der Bundesregierung – vor dem Hinter-
grund der Aussage der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Dr. Kristina Schröder, man „solle sich nicht von der angeb-
lich zu schwachen Resonanz auf das Gesetz täuschen lassen“ (FAZ vom
10. Januar 2013, „Schröder verteidigt Familienpflegezeit“) – die In-
anspruchnahme der Familienpflegezeit durch weniger als 200 Personen
eine „angeblich“ zu schwache Resonanz, und um wie viel geringer
müsste die Resonanz ausfallen, um auch aus Sicht der Bundesregierung
als „schwach“ bewertet zu werden?

d) Wie viele Personen haben im Vergleich dazu seit dem Inkrafttreten des
Gesetzes über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz – PflegeZG) eine
Pflegezeit nach § 3 bzw. eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2
PflegeZG in Anspruch genommen (bitte nach Geschlecht und für jedes
Jahr seit Inkrafttreten gesondert aufschlüsseln)?

2. a) Wie viele Familienpflegezeitversicherungen nach § 4 FPfZG wurden bis-
her nach Kenntnis der Bundesregierung insgesamt abgeschlossen, und
wie viele Arbeitgeber stellten dabei nach § 3 Absatz 1 Nummer 3 FPfZG
einen Antrag auf Aufnahme der oder des Beschäftigten in eine vom
BAFzA abgeschlossene Gruppenversicherung?

b) Wie viele und welche Versicherungsunternehmen bieten nach Kenntnis
der Bundesregierung derzeit eine solche Versicherung an?

c) Wie hoch sind dabei nach Kenntnis der Bundesregierung die durch-
schnittlichen monatlichen Beiträge für eine solche Versicherung?

3. a) Wie lange wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die Familienpflege-
zeit nach dem FPfZG im Jahr 2012 im Durchschnitt sowie maximal und
minimal in Anspruch genommen?

b) Wie lange wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Vergleich dazu
eine Pflegezeit nach dem PflegeZG bisher im Durchschnitt sowie maxi-
mal und minimal in Anspruch genommen?

4. a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Anträge
von Arbeitnehmerinnen und -nehmern auf eine Familienpflegezeit ge-
stellt und seitens der Arbeitgeber abgelehnt wurden?

b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, aus welchen Grün-
den die Anträge abgelehnt wurden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12166

5. a) Wie viele Anträge seitens der Unternehmen für ein zinsloses Darlehen
nach § 3 FPfZG gingen seit Inkrafttreten des FPfZG beim BAFzA ein?

b) Kann die Bundesregierung entsprechende Pressemeldungen vom
28. Dezember 2012 bestätigen (vgl. zum Beispiel Süddeutsche Zeitung,
„Deutsche nutzen Pflege-Auszeit kaum“), wonach dies im Jahr 2012
lediglich 135 Anträge waren?

Falls nein, wie viele Anträge waren es tatsächlich?

Falls ja, worin ist diese geringe Zahl nach Auffassung der Bundesregie-
rung begründet, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregie-
rung daraus?

c) Wie viele Darlehen hat das BAFzA letztlich gewährt, wie viele Anträge
wurden aus welchen Gründen abgelehnt?

d) Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren im BAFzA im Jahr
2012 für die Bearbeitung der entsprechenden Antragstellung zuständig,
und wie viele werden im Jahr 2013 für diese Aufgabe zuständig sein?

6. a) Wie viele Bundeshaushaltsmittel sind seit Inkrafttreten des FPfZG für die
Gewährung von zinslosen Darlehen nach § 3 FPfZG verausgabt worden?

b) Warum sind trotz der geringen Inanspruchnahme des FPfZG die im Haus-
halt des BMFSFJ dafür gebundenen Bundeshaushaltsmittel von 400 000
Euro im Jahr 2012 auf 1 100 000 Euro im Jahr 2013 aufgestockt worden,
und wie verträgt sich dies mit der Aussage eines Sprechers der Bundes-
familienministerin Dr. Kristina Schröder, „solche großen gesellschaft-
lichen Vorhaben brauchen eine Anlaufzeit“ (vgl. Süddeutsche Zeitung
vom 28. Dezember 2012, „Deutsche nutzen Pflege-Auszeit kaum“)?

c) Mit welchem Mittelabfluss rechnet das BMFSFJ für das Jahr 2013, und
auf Basis welcher Annahmen kommt es zu diesem Schluss?

7. a) Hält es die Bundesregierung angesichts der geringen Inanspruchnahme
des FPfZG für angemessen, dass zur Vorbereitung des Gesetzes seinerzeit
139 000 Euro verausgabt wurden für eine Machbarkeitsstudie der Masch-
meyerRürup AG sowie für zwei Umfragen des Instituts für Demoskopie
Allensbach Gesellschaft zum Studium der öffentlichen Meinung mbH
(vgl. DIE WELT vom 29. Dezember 2012, „Familienministerium zahlte
139 000 Euro für Pflegezeit-Gesetz“)?

b) Welchem Zweck dienten diese Studien jeweils, und inwieweit konnten sie
dem FPfZG zum Erfolg verhelfen?

c) Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass mit den von der Bundesregie-
rung beauftragten Umfragen des Allensbach-Instituts die Fragen, „ob und
wie sich die Deutschen die Pflegezeit wünschen“ (vgl. ebd.), insoweit
zielführend beantwortet wurden, dass es infolgedessen zu einer Aus-
gestaltung des FPfZG gekommen ist, die eine zufriedenstellende Inan-
spruchnahme bewirkt hätte?

Falls ja, warum?

8. a) Wie viele deutsche Unternehmen bieten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung ihren Beschäftigten derzeit die Inanspruchnahme einer Familien-
pflegezeit nach dem FPfZG an, und in wie vielen dieser Unternehmen
wurde bisher eine Familienpflegezeit in Anspruch genommen?

Drucksache 17/12166 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die Familienpflegezeit bei-
spielsweise bei der Deutschen Post AG, die ca. 110 000 Personen be-
schäftigt und intern sogar einen Rechtsanspruch auf die Familienpflege-
zeit vereinbart hat, bisher von nur drei Beschäftigten in Anspruch ge-
nommen wurde (vgl. Die Tageszeitung vom 29. Dezember 2012, „Ge-
setz jenseits der Wirklichkeit“)?

9. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der durchschnittliche mo-
natliche Einkommensverlust für die Inanspruchnehmerinnen bzw. -nehmer
einer Familienpflegezeit?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in welchen Pflege-
stufen nach dem SGB XI die pflegebedürftigen Personen eingestuft sind,
die von einem pflegenden Angehörigen betreut werden, der die Familien-
pflegezeit in Anspruch genommen hat (bitte in absoluten und prozentualen
Zahlen aufschlüsseln)?

11. a) Teilt die Bundesregierung die Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden
der Fraktion der CDU/CSU, Dr. Michael Fuchs, „dass die Ministerin
Schröder jetzt eine Evaluation machen muss, warum das Gesetz so
wenig in Anspruch genommen wurde“ (vgl. DIE WELT vom 29. Dezem-
ber 2012, „Familienministerium zahlte 139 000 Euro für Pflegezeit-
Gesetz“)?

Falls nein, warum nicht?

Falls ja, wann und wie soll diese Evaluation vonstatten gehen?

b) Aus welchen Gründen gibt es nach Aussagen eines Sprechers des
BMFSFJ „keinerlei Statistik zur bisherigen Nutzung des Angebots“
(vgl. Ärzte Zeitung online vom 28. Dezember 2012, „Nur ein zahnloser
Papiertiger?“), und wie verträgt sich dies mit der Aussage von der Bun-
desfamilienministerin Dr. Kristina Schröder, „für eine abschließende
Bewertung werde es noch einige Jahre brauchen“ (FAZ vom 10. Januar
2013, „Schröder verteidigt Familienpflegezeit“)?

c) In welcher Form erfasst und evaluiert die Bundesregierung stattdessen
die Inanspruchnahme des bzw. die Erfahrungen mit dem FPfZG, um den
Erfolg bzw. Misserfolg objektiv bewerten und entsprechende Verbesse-
rungsmaßnahmen einleiten zu können, und was wird dabei konkret er-
fasst?

d) Auf welche Statistik des BMFSFJ bezieht sich die „Süddeutsche Zei-
tung“ dabei in ihrer Berichterstattung vom 28. Dezember 2012 – auch
vor dem Hintergrund, dass es angeblich keinerlei Statistik gebe –, und
wird die Bundesregierung diese Statistik dem Parlament und der Öffent-
lichkeit mit der Beantwortung dieser Anfrage zur Verfügung stellen?

Falls nein, warum nicht?

e) Hält die Bundesregierung diese Form der Datenerfassung und Evalua-
tion für ausreichend?

Falls ja, warum?

Falls nein, warum nicht, und was wird die Bundesregierung unter-
nehmen, um diese Defizite zu beheben?

12. a) Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung angesichts der geringen
Inanspruchnahmezahlen wann zur Verbesserung des FPfZG ergreifen,
um die Familienpflegezeit mehr Beschäftigten zugänglich zu machen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12166

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung dabei aus der
breiten Kritik, die vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung
geäußert wird, etwa seitens des Deutschen Gewerkschaftsbundes, beim
FPfZG handele es sich um überkomplexe Regelungen, dem Gesetz fehle
die soziale Prägekraft und der soziale Mindeststandard (vgl. Süd-
deutsche Zeitung vom 28. Dezember 2012, „Deutsche nutzen Pflege-
Auszeit kaum“)?

c) Plant die Bundesregierung beispielsweise im Rahmen der parlamentari-
schen Beratungen des aktuellen Gesetzentwurfes der Bundesregierung
zur Familienpflegezeit und zum flexibleren Eintritt in den Ruhestand für
Beamtinnen und Beamte des Bundes (Bundesratsdrucksache 815/12)
entsprechende Verbesserungen einzubringen?

Falls ja, welche?

Falls nein, warum nicht?

d) Wird die Bundesregierung angesichts der geringen Inanspruchnahme-
zahlen im FPfZG zumindest einen Rechtsanspruch für Arbeitnehmerin-
nen und -nehmer zur Inanspruchnahme einer Familienpflegezeit ver-
ankern?

Falls ja, wann wird dies geschehen?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 25. Januar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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