BT-Drucksache 17/12067

Zeitnahes Krankengeld für unständig und kurzfristig Beschäftigte sowie Selbständige

Vom 16. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12067
17. Wahlperiode 16. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Birgitt Bender, Tabea Rößner, Claudia Roth
(Augsburg), Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Dr. Tobias Lindner, Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus,
Brigitte Pothmer, Krista Sager, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe, Arfst Wagner (Schleswig),
Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zeitnahes Krankengeld für unständig und kurzfristig Beschäftigte sowie
Selbständige

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die aktuelle Regelung zum Krankengeld ist für unständig und kurzfristig Be-
schäftigte sowie Selbständige unbefriedigend. Eine Gruppe, die davon beson-
ders betroffen ist, sind Künstlerinnen und Künstler, weil deren Erwerbsbiogra-
fien häufig aus Kurzzeitengagements und Selbständigkeit bestehen. Hinzu
kommt, dass dies in vielen Fällen mit prekären Einkommensverhältnissen ver-
knüpft ist.

Der § 46 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sieht vor, dass
ein Anspruch auf Krankengeld für Versicherte nach dem Künstlersozialver-
sicherungsgesetz sowie für unständig und kurzfristig Beschäftigte von der siebten
Woche der Arbeitsunfähigkeit besteht. Seit 2009 ist ein früherer Bezug von
Krankengeld ausschließlich über einen Wahltarif möglich. Zum 1. August 2009
wurden die gesetzlichen Vorgaben dieses massiv in der Kritik stehenden Wahl-
tarifs nach § 53 Absatz 6 SGB V geändert. Seitdem dürfen diese Wahltarife nicht
mehr nach Alter, Geschlecht und Krankheitsrisiken differenzieren. Krankenkas-
sen, der Bundesrat und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (siehe Ände-
rungsanträge auf Bundestagsdrucksache 16/13428) forderten damals die bis
Ende 2008 gültige gesetzliche Regelung wieder einzuführen. Diese enthielt für
kurzzeitig und unständig Beschäftigte die Möglichkeit, mit einem erhöhten Bei-
tragssatz Krankengeldanspruch spätestens ab dem 15. Tag (meist ab dem
ersten Tag) zu erhalten. Bei Selbständigen griffen Satzungsleistungen.

Im Jahresdurchschnitt 2011 hatten nur 73 181 aller gesetzlich Versicherten ei-
nen Krankengeldwahltarif nach § 53 Absatz 6 SGB V abgeschlossen. Diese
Zahl ist somit sogar deutlich geringer als vor der Änderung dieses Wahltarifs

zum 1. August 2009: Im Juli 2009 hatten 179 514 gesetzlich Versicherte einen
solchen Wahltarif nach § 53 Absatz 6 SGB V abgeschlossen. Dies zeigt, dass
der von der Bundesregierung gewählte Weg eines Wahltarifs wenig zielführend
ist, um kurzfristig und unständig Beschäftigten sowie gesetzlich versicherten
Selbständigen eine für ihre Berufssituation angemessene finanzielle Absiche-
rung im Krankheitsfall zu gewährleisten.

Drucksache 17/12067 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

die seit 2009 geltenden Krankengeldwahltarife für kurzfristig und unständig
Beschäftigte sowie Selbständige in der gesetzlichen Krankenversicherung ab-
zuschaffen und stattdessen eine Krankengeldregelung analog der bis Ende 2008
bestehenden einzuführen.

Berlin, den 15. Januar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Wer sich lediglich für kurze Zeit in Beschäftigungsverhältnissen befindet, unter-
brochen durch Phasen der Vorbereitung auf Projekte oder der Arbeitssuche, wird
durch die im Jahr 2009 in Kraft getretene Regelung zum Krankengeld im Krank-
heitsfall besonders benachteiligt.

Ausgebildete Künstlerinnen und Künstler, insbesondere in den Bereichen dar-
stellende Künste, Film und Synchronschauspiel, sind auf Kurzzeitengagements
und Projektarbeit angewiesen, um durch ihren künstlerischen Beruf ein Einkom-
men erwirtschaften zu können. Ein Engagement an einem Theater beispiels-
weise dauert für eine Inszenierung zwischen drei und sechs Monaten, im Film-
bereich kann die Beschäftigungsdauer auch nur einige wenige Tage betragen.

Im Bereich der darstellenden Künste sind bundesweit mittlerweile 50 Prozent
aller Theater- und Tanzschaffenden selbstständig tätig. Parallel zur zunehmenden
selbständigen Tätigkeit ausgebildeter Künstlerinnen und Künstler steigt auch die
Zahl derjenigen mit prekären Einkommensverhältnissen. Zwei Drittel der
Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland sind armutsgefährdet – sie hatten
im Jahr 2009 ein jährliches Nettoeinkommen aus künstlerischer Erwerbsarbeit
von rund 11 000 Euro. Mindestens 30 Prozent der selbständigen Kulturschaffen-
den mit künstlerischer Berufsausbildung, welche die gesetzlichen Voraus-
setzungen erfüllen, erhalten keinen Zugang zur Künstlersozialkasse, weil das
mindestens erforderliche Durchschnittsjahreseinkommen von 3 900 Euro nicht
erreicht wird (Studie des FONDS DARSTELLENDE KÜNSTE e. V. in Koope-
ration mit der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V. über die wirtschaftliche, soziale
und arbeitsrechtliche Lage der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland,
2010). Insbesondere für Tänzerinnen und Tänzer – gelegentlich auch für Schau-
spielerinnen und Schauspieler – ist die Verletzungsgefahr innerhalb einer Insze-
nierung im Vergleich zu anderen Berufsfeldern überdurchschnittlich hoch und
sie sind auf eine Absicherung im Krankheitsfall besonders angewiesen.

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