BT-Drucksache 17/11953

Mögliche staatliche Kontrolle von entwicklungspolitischer Informationsarbeit und Publikationen

Vom 18. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11953
17. Wahlperiode 18. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Tabea Rößner, Thilo Hoppe,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Agnes Brugger,
Viola von Cramon-Taubadel, Katja Keul, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mögliche staatliche Kontrolle von entwicklungspolitischer Informationsarbeit
und Publikationen

Im September 2012 teilte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (BMZ) der Südlink-Redaktion mit, der Artikel „Virtuose
Ablenkmanöver“, der sich kritisch mit den CSR-Strategien (CSR = corporate
social responsibility) von Unternehmen auseinandersetzt, des INKOTA-Dossiers
12 dürfe nicht wie vorliegend im Rahmen des Förderprogramms Entwicklungs-
politische Bildung gedruckt werden.

Das BMZ bestätigte in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/11349), dass die
Richtlinien zur Überprüfung geförderter Publikationen 2010 geändert wurden.
Der Antwort des BMZ zufolge handele es sich lediglich um die Einführung
eines vereinfachten Verfahrens. Einzelheiten dazu gab das BMZ nicht bekannt.
Wegen fehlender Statistiken konnte die Bundesregierung nicht ausräumen, dass
es öfter zu Fällen kommt, bei denen die Fördermittel einbehalten werden, wenn
der Inhalt vom BMZ als nicht förderfähig bewertet wird. Weiterhin heißt es im
Antwortschreiben, dass Negativ-Kampagnen nicht unter den Titel „Förderung
der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit“ fallen und somit nicht vom BMZ
gefördert werden können.

Hierzu wird festgestellt: Der Begriff „Negativ-Kampagnen“ könnte so interpre-
tiert werden, dass geförderte Medien keine Kritik üben dürfen. Gesellschaftliche
Entwicklungen und entwicklungspolitische Maßnahmen müssen aber kritisch
hinterfragt werden dürfen – eine kritische Reflexion muss daher integraler Be-
standteil entwicklungspolitischer Bildungsarbeit sein. In diesem Zusammen-
hang dürfte das Ergebnis der Evaluierung der EU-Budgetlinie für Awareness-
Raising-Projekte von Interesse sein, die häufig auch ihre kritische Stimme er-
heben. Im Sinne der Wirkungsorientierung waren die Projekte im Bereich der
Kampagnenarbeit, insbesondere der Konsumentenkampagnen besonders wir-
kungsvoll.
Allgemein kann beobachtet werden, dass die staatliche Einflussnahme im Hand-
lungsfeld zivilgesellschaftlicher Organisationen zunimmt. Rückmeldungen aus
der Zivilgesellschaft zufolge übernimmt die im Jahr 2012 initiierte gemeinnüt-
zige Gesellschaft „Engagement Global“ Aufgaben der Zivilgesellschaft, u. a.
den Ausbau des Beratungs- und Informationsangebots, die vermehrte Durchfüh-
rung von öffentlichen Veranstaltungen, aber auch die wichtige Vernetzungsfunk-
tion von zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Drucksache 17/11953 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Darüber hinaus bleibt unklar, welche Maßstäbe und Kriterien für Unternehmen
und Wirtschaftsverbände gelten sollen. Denn bei der Zielgruppenbeschreibung
des Förderprogramms Entwicklungspolitische Bildung (www.engagement-
global.de/feb-rahmenbedingungen.html) heißt es: „Ein besonderes Anliegen ist
es darüber hinaus, verstärkt neue Zielgruppen und Institutionen anzusprechen
und zu motivieren, zum Beispiel Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Diasporen,
Museen, Bibliotheken, Sportverbände.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bei welchen geförderten Organisationen bzw. Publikationen machen Print-
produkte „einen wesentlichen Teil der geförderten Maßnahme“ (vgl. Bun-
destagsdrucksache 17/11349) aus und mussten dem zufolge dem BMZ vor
Drucklegung zur Kontrolle vorgelegt werden?

2. Liegen hierzu (vgl. Frage 1) entsprechende Listen vor, wenn ja zu welchen
Jahren (bitte die Listen für alle Jahre, die vorhanden sind, als Anlage der
Antwort beifügen)?

3. Muss die für den entwicklungspolitischen Bildungsanspruch geforderte
„ausgewogene, sachliche, verschiedene Aspekte beleuchtende Darstel-
lung“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/11349) in einzelnen Artikeln oder
durch die Vielfalt der Gesamtpublikation erfüllt sein?

4. Bei welchen der geförderten Publikationen und Projekte, bei denen Print-
medien einen wesentlichen Teil der geförderten Mittel ausmachen, bestan-
den „Zweifel, ob sie im Einklang mit dem Förderkonzept des BMZ stehen“
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/11349)?

5. Aufgrund welcher Indizien entscheidet das BMZ, dass bei gewissen Zu-
schussempfängern Zweifel an der Übereinstimmung ihrer Publikationen
mit dem Förderkonzept des BMZ bestehen?

6. Entspricht der Artikel „Verzerrte Wahrnehmung“, erschienen im „E+Z“,
Ausgabe 12/2012, nach Meinung der Bundesregierung einer „ausgewo-
gene[n], sachliche[n], verschiedene Aspekte beleuchtende[n] Darstellung“
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/11349)?

Wenn ja, aufgrund welcher Kriterien?

Wenn nein, aufgrund welcher Kriterien?

7. Gelten für die von „Engagement Global“ publizierten Printmedien, wie das
„E+Z“, die gleichen Richtlinien in Bezug auf den entwicklungspolitischen
Bildungsanspruch wie für geförderte Projekte von zivilgesellschaftlichen
Organisationen, bei denen Printmedien einen wesentlichen Teil der geför-
derten Mittel ausmachen?

8. Welche konkreten Änderungen wurden im Jahr 2010 in den Richtlinien zur
Überprüfung geförderter Publikationen gemacht, um dem BMZ ein „ver-
einfachtes Verfahren“ zu ermöglichen (bitte einzeln aufführen)?

9. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass im Rahmen der entwicklungs-
politischen Bildungsarbeit geförderte Publikationen auch in Zukunft den
Leser zur kritischen Meinungsbildung anregen?

10. Gibt es ein Konzept, wie sich die Bundesregierung die Bildungsarbeit
zivilgesellschaftlicher Gruppen mit Unternehmen vorstellt?

a) Wenn ja, wie sieht dieses Konzept aus?

b) Wenn nein, welche Maßstäbe gelten bei der Bildungsarbeit mit der Ziel-
gruppe Unternehmen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11953

11. Gelten nach Auffassung der Bundesregierung bei der Bildungsarbeit mit
Unternehmen die gleichen Maßstäbe wie bei der Bildungsarbeit mit Schul-
kindern, wie im Beutelsbacher Konsens vermerkt?

12. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „Negativ-Kampagne“ (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/11349)?

13. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um eine Publikation oder einen Arti-
kel mit der Begründung es handele sich um eine „Negativ-Kampagne“
nicht weiter zu fördern?

14. Welche negativen Folgen von sogenannten „Negativ-Kampagnen“ erwartet
die Bundesregierung für Unternehmen und Wirtschaftsverbände?

15. Wie definiert die Bundesregierung eine „Positiv-Kampagne“?

16. Welche Aktionen bzw. konkreten Initiativen sind Nichtregierungsorganisa-
tionen im Rahmen solcher „Positiv-Kampagnen“ gestattet, ohne die finan-
zielle Förderung durch das BMZ in Gefahr zu bringen?

17. Wie ist die Einschätzung der Bundesregierung zur Wirkung von Kampag-
nen, die Konsumenten auf negative Auswirkungen des Konsums hinweisen
und zum kritischen Nachdenken über ihren eigenen Konsum anregen?

18. Anhand welcher Kriterien grenzt die Bundesregierung die Begriffe „Nega-
tiv-Kampagne“ und „Konsumenten-Kampagne“ voneinander ab?

19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Evaluierung
der EU-Budgetlinie für Awareness-Raising-Projekte im Hinblick auf die
Wirkung verschiedener Methoden der Bildungs-, Informations- und Kam-
pagnenarbeit in der deutschen entwicklungspolitischen Bildungsarbeit?

20. In welcher Form können zivilgesellschaftliche Gruppen zukünftig im Rah-
men der Förderrichtlinien auf Missstände in Unternehmen und Wirtschafts-
verbänden aufmerksam machen?

21. Welche Maßnahmen führt „Engagement Global“ konkret im Bereich des
entwicklungspolitischen Informationsangebots durch?

22. Wie unterscheiden sich Aufgabenverteilung und die Richtlinien im Bereich
des entwicklungspolitischen Informationsangebots von „Engagement Glo-
bal“ und der zivilgesellschaftlichen Organisationen?

23. In welchen konkreten Bereichen überschneidet sich die Aufgabenvertei-
lung im Bereich des entwicklungspolitischen Informationsangebots von
„Engagement Global“ und der zivilgesellschaftlichen Organisationen?

24. Wurden im Jahr 2012 bei zivilgesellschaftlichen Organisationen Fördermit-
tel im Bereich des entwicklungspolitischen Informationsangebots gekürzt?

Berlin, den 18. Dezember 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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