BT-Drucksache 17/11941

Umsetzung des Schwerpunkts ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung in der Entwicklungszusammenarbeit und die Rolle der Privatwirtschaft

Vom 18. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11941
17. Wahlperiode 18. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Thilo Hoppe, Ute Koczy, Uwe Kekeritz, Harald Ebner, Bärbel
Höhn, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, Agnes
Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Katja
Keul, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Friedrich Ostendorff,
Dr. Hermann E. Ott, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt, Dorothea Steiner, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung des Schwerpunkts ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung
in der Entwicklungszusammenarbeit und die Rolle der Privatwirtschaft

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk
Niebel hat den Bereich ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung zu
einem Schwerpunkt seines Ressorts erklärt. In diesem Rahmen legte das Bun-
desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
unter anderem das Konzept zur „Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag
zur Ernährungssicherung“ im März 2011 vor. Wiederholt betonte das Bundes-
ministerium, dass es die Privatwirtschaft in diesem Bereich vermehrt einbinden
und deren Potenziale nutzen möchte. Diese Fokussierung auf den privaten Sek-
tor drückt sich nicht zuletzt durch die gezieltere Förderung von Public-Private
Partnerships (PPP), die Unterstützung der G8-Initiative New Alliance for Food
Security and Nutrition (im Folgenden: New Allicance) sowie einer Beteiligung
am Africa Agriculture and Trade Investment Fund (AATIF) aus. Welche Rolle
der Privatsektor und insbesondere transnationale Konzerne bei einer nachhal-
tigen Hungerbekämpfung und Landnutzung spielen können, muss jedoch kri-
tisch beleuchtet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Barmittel plant die Bundesregierung in den Jahren 2013 bis 2015
(bitte pro Jahr auflisten) für den Bereich ländliche Entwicklung und Ernäh-
rungssicherung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zu verausga-
ben, und wie hoch ist der Anteil, der als Darlehen vergeben wird?

2. Wie viele Barmittel wurden in den Jahren 2003 bis 2007 (bitte pro Jahr auf-
listen) für den Bereich ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung im

Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt, wie hoch war der
Anteil, der als Darlehen vergeben wurde, und welche Form von Darlehen
wurde in diesem Bereich vorwiegend gewährt?

3. Wird das BMZ die Zielgröße für ländliche Entwicklung in gleicher Höhe
wie in den Vorjahren beibehalten oder gibt es Pläne, diese zu erhöhen?

Drucksache 17/11941 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Welche Differenz ergibt sich zwischen der Höhe der Mittel, die das BMZ
nach eigenen Kriterien für ländliche Entwicklung bereitstellt und der Höhe
der Mittel, die sich errechnen ließen, wenn das BMZ ausschließlich die
Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung (OECD) für die Bestimmung der Öffentlichen Entwicklungszu-
sammenarbeit (ODA) im Bereich ländliche Entwicklung und Ernährungssi-
cherung anlegte?

5. In welchen Ländern hat das BMZ momentan einen Schwerpunkt „Ländliche
Entwicklung und Ernährungssicherung“, und in welchen weiteren Ländern
strebt das BMZ einen solchen Schwerpunkt an?

6. In welchen Ländern wurde seit 2011 in Regierungsverhandlungen der
Schwerpunkt „Ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung“ neu ver-
einbart?

7. Welchen Anteil hatte die Förderung des Sachbereichs Landwirtschaft in den
Jahren 2007 bis 2011 (bitte nach Jahr auflisten) an den Mitteln zur Förderung
der ländlichen Entwicklung und Ernährungssicherung, und wie hoch war
dieser Anteil an der Gesamt-ODA?

8. Welche Maßnahmen plant das BMZ, um die Förderung der Landwirtschaft
absolut und relativ zu steigern, um die Ernährungssicherheit in Entwick-
lungsländern zu verbessern und das Recht auf Nahrung umzusetzen?

9. Wie groß ist der Anteil der deutschen ODA im Bereich ländliche Entwick-
lung und Ernährungssicherung, der Kleinbäuerinnen und -bauern, Pastora-
listen oder Kleinfischerinnen und -fischern zugutekommt?

Wie wird sichergestellt, dass diese Hilfe auch tatsächlich den genannten Ziel-
gruppen zugutekommt?

10. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung der Förderung agrar-öko-
logischer Anbauverfahren (z. B. Agroforstsysteme, Ökolandbau, Gründün-
gung, Zwischenfrüchte, Fruchtwechsel) in Entwicklungsländern bei?

Wie spiegelt sich dies in der Förderpolitik und im Haushalt wider?

11. Wann und durch wen wurde die letzte Evaluation der PPPs im Bereich länd-
liche Entwicklung und Ernährungssicherung durchgeführt, und was war das
Ergebnis?

Wird diese Evaluation dem Deutschen Bundestag vorgelegt, und wenn nein,
mit welcher Begründung?

Wenn ja, wann?

12. Plant die Bundesregierung, PPPs im Bereich Ernährungssicherung in naher
Zukunft durch das DEval evaluieren zu lassen?

Wenn ja wann, welche und in welchem Umfang?

Wenn nein, wie begründet sie das?

13. Welche PPPs wurden seit 2009 neu vereinbart, die das Ziel verfolgen, die
Ernährungssicherheit zu verbessern (bitte nach Unternehmen, Land, Volu-
men und Zielstellung auflisten)?

14. Arbeitet das BMZ bei PPPs im Bereich ländliche Entwicklung und Ernäh-
rungssicherung mit lokalen Akteuren zusammen (wenn ja, bitte nach PPP
auflisten)?

Wird die Zivilgesellschaft vor Ort in die Entwicklung von PPPs mit einbe-
zogen (wenn ja, bitte Beispiele nennen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11941

15. Inwieweit betreffen die PPPs im Bereich ländliche Entwicklung und Ernäh-
rungssicherung das Kerngeschäft der Unternehmen, mit denen die Bundes-
regierung kooperiert (bitte jene Unternehmen nennen, bei denen dies der Fall
ist)?

16. Bilden die folgenden fünf Kriterien nach wie vor die Grundlage für die Be-
wertung von PPPs:

1. Vereinbarkeit mit entwicklungspolitischen Zielvorgaben,

2. Komplementarität (durch Kooperationen werden Ziele kostengünstiger,
wirksamer und schneller erreicht),

3. Subsidiarität (privater Partner würde die Maßnahme nicht durchführen
ohne öffentlichen Partner),

4. Wettbewerbsneutralität,

5. Eigenbeitrag der Wirtschaft: mindestens 50 Prozent,

und wenn nein, warum nicht?

17. Hat die Bundesregierung zusätzliche Kriterien für die Entwicklung und
Durchführung von PPPs im Bereich ländliche Entwicklung und Ernährungs-
sicherung entwickelt, um sicherzustellen, dass sie einen entwicklungspoliti-
schen Beitrag leisten und negative soziale und ökologische Auswirkungen
vermieden werden, und wenn ja, wie werden diese Kriterien überprüft?

18. In welchen Fällen wurden PPPs im Bereich ländliche Entwicklung und Er-
nährungssicherung angepasst oder abgebrochen, und was waren die genauen
Hintergründe dafür?

19. Was sind Inhalte, Ansatz, Partner und Ziele folgender Projekte im Schwer-
punkt Sicherung der Ernährung, Landwirtschaft:

a) Projekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
mit der Mars GmbH in Ghana in Höhe von 510 000 Euro, das seit 2010
läuft,

b) Projekt der DEG mit der Bell Holding AG auf den Philippinen in Höhe
von 200 000 Euro, das seit 2010 läuft,

c) Projekt der GIZ GmbH mit der BASF Personal Care and Nutrition GmbH
auf den Philippinen in Höhe von 315 000 Euro, das seit 2011 läuft,

d) Projekt der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH
(DEG) mit Bakker Brothers Gebroeders Bakker auf den Philippinen in
Höhe von 191 900 Euro, das seit 2011 läuft,

e) Projekt der DEG mit Schluter SA in der Demokratischen Republik Kongo
(DRC) in Höhe von 198 877 Euro, das seit 2011 läuft,

f) Projekt der GIZ GmbH mit Google Germany GmbH mit der Comisión
Centroamerican a de Ambiente y Desarrollo in Höhe von 699 360 Euro,
das seit 2010 läuft?

20. Welche Risiken sieht das BMZ bei Projekten, die inklusive Geschäftsmodelle
verfolgen?

Was unternimmt das BMZ, um diese Risiken zu minimieren?

21. Wie viele Mittel setzt das BMZ für gemeinsame Vorhaben im Bereich der
Ernährungssicherung und Landwirtschaft mit der Bill und Melinda Gates
Stiftung ein, und wofür werden diese Mittel verwendet (bitte auflisten nach
Projekt, Land, Volumen)?
22. Wie gestaltet sich die Beteiligung der Bundesregierung an der Scaling Up
Nutrition-Initiative (quantitativ und qualitativ)?

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23. Wie viele Stellen sind innerhalb des BMZ angesiedelt, um die Kooperation
mit der Privatwirtschaft zu verbessern oder entwicklungsorientierte Partner-
schaften anzustoßen?

Hat sich der Stellenplan diesbezüglich innerhalb der letzten vier Jahre geän-
dert?

Aus welchen Bereichen wurden gegebenenfalls Stellen abgezogen, um mit
diesen Personalressourcen Kooperationsprojekte mit der Privatwirtschaft zu
realisieren?

24. Welche Rolle kommt der Privatwirtschaft in der gerade in Erarbeitung be-
findlichen Ernährungssicherungsstrategie zu?

25. Wie wird sichergestellt, dass bei Fördervorhaben von Cash Crops und Mo-
nokulturen eine diversifizierte Landwirtschaft in der Region erhalten bleibt
bzw. ebenfalls gefördert wird?

26. Erhebt die Bundesregierung Daten, wie sich die Einsätze von Düngemitteln
und chemischen Pflanzenschutzmitteln in den geförderten Projekten entwi-
ckeln?

Wenn ja, wie werden diese Daten den Fachausschüssen des Deutschen Bun-
destages zugänglich gemacht?

Wenn nein, warum nicht?

27. Sind der Bundesregierung Projekte bekannt, bei denen der Geldgeber einen
Eigenanteil an der Finanzierung in Form von Sachwerten, d. h. in dem be-
treffenden Unternehmen hergestellten Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln
leistet oder bei denen vom Geldgeber hergestellte Produkte zum Einsatz
kommen (bitte mit Angabe des Projekts und eingesetzten Produkts auflis-
ten)?

28. Kommen in den geförderten Projekten Substanzen zum Einsatz, die nicht in
der EU zugelassen sind?

29. Welche Standards gelten für den Chemikalieneinsatz auf den geförderten
Flächen, und entsprechen die Anforderungen den europäischen Auflagen
zum Schutz der Anwenderinnen und Anwender sowie der Umwelt?

30. Inwiefern beruht die Unterstützung der New Alliance auf einer Analyse frü-
herer PPP-Erfahrungen und insbesondere deren Auswirkungen auf Man-
gelernährung und Ernährungssouveränität?

31. Wie genau wird sich die von der Parlamentarischen Staatssekretärin Gudrun
Kopp in New York im September dieses Jahres bekräftigte deutsche Unter-
stützung für die New Alliance ausgestalten?

32. Wie kann vermieden werden, dass die an der New Alliance beteiligten trans-
nationalen Agrarunternehmen, wie Cargill, DuPont, Monsanto und Unilever,
nicht ihre geschäftlichen Interessen in den Vordergrund stellen, sondern die
Fähigkeit von Kleinbäuerinnen und -bauern fördern, sich selbst und den
lokalen sowie regionalen Markt zu versorgen?

33. Inwiefern sehen die Pläne der New Alliance vor, gentechnisch verändertes
Saatgut in Afrika zu verwenden, und welche Position bezieht die Bundes-
regierung hierzu?

34. Wie bewertet die Bundesregierung den bereits vorliegenden New-Alliance-
Plan für Mosambik, in dem sich das Land zum Verzicht auf die Verteilung
traditionellen, lizenzfreien Saatguts und zur Umsetzung von Regeln zum
geistigen Eigentum im Saatgutbereich verpflichtet, in Bezug auf mögliche

Auswirkungen auf die Lebensgrundlage von Kleinbäuerinnen und -bauern
sowie die Ernährungssouveränität des Landes?

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35. Wie bewertet die Bundesregierung den von der Elfenbeinküste vorgelegten
New-Alliance-Plan, in dem sich das Land zur Förderung der Vermarktung
von Muttermilchersatzprodukten verpflichtet vor dem Hintergrund der erheb-
lichen Risiken, die mit dem Einsatz von Milchersatzprodukten in Regionen
mit mangelhafter Trinkwasserqualität verbunden sind?

36. Wie wird generell die Wirksamkeit marktbasierter Ansätze beurteilt, es man-
gel- und unterernährten Menschen zu ermöglichen, ihr Recht auf angemes-
sene Ernährung wahrzunehmen?

37. Inwieweit hat die Deutsche Initiative für Agrarwirtschaft und Ernährung
(DIAE) ihr Ziel erreicht, einen nachhaltigen Beitrag zur Ernährungssiche-
rung in Schwellen- und Entwicklungsländern zu leisten?

Wird die Zivilgesellschaft in den jeweiligen Ländern in die Initiative einbe-
zogen, und wenn ja, inwiefern?

Wie wird die Erreichung des Ziels gemessen?

38. Gibt es Pläne für weitere Direktinvestitionen des Africa Agriculture and
Trade Investment Fund (AATIF) neben den bereits laufenden in Sambia und
Ghana?

Wenn ja, in welchem Land, mit welchem Partner, und wie soll die Investition
genau aussehen?

Berlin, den 18. Dezember 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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