BT-Drucksache 17/11824

Studiengebühren jetzt bundesweit abschaffen

Vom 11. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11824
17. Wahlperiode 11. 12. 2012

Antrag
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Agnes Alpers, Matthias W. Birkwald,
Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma,
Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Studiengebühren jetzt bundesweit abschaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bildung ist ein Menschenrecht. Der Zugang zur Hochschule darf nicht vom
Geldbeutel junger Menschen bzw. ihrer Eltern abhängig sein, sondern muss
allen Menschen offen stehen. Jede Form von Studiengebühren ist mit diesem
Anspruch unvereinbar. Studiengebühren bedeuten soziale Ausgrenzung, weil
sie diejenigen vom Studium ausschließen, die die Gebühren nicht zahlen
können. Auch nachgelagerte Studiengebühren oder Kreditmodelle lassen
Menschen aus finanzschwachen Elternhäusern aus Angst vor Verschuldung vor
einem Studium zurückschrecken.

Trotzdem wurden in der Bundesrepublik Deutschland im vergangenen Jahr-
zehnt in vielen Bundesländern unterschiedliche Modelle von Studiengebühren
eingeführt. Bereits in den Jahren 2001 und 2002 wurde in Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen die Einführung von sogenannten Langzeitstudiengebüh-
ren bzw. Studienkonten beschlossen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht
im Januar 2005 das im Hochschulrahmengesetz verankerte Verbot allgemeiner
Studiengebühren für nichtig erklärt hatte, folgte die Einführung von Gebühren
ab dem ersten Hochschulsemester in sieben Bundesländern.

Die Einführung von Studiengebühren löste heftige Proteste aus, die im „Sum-
mer of Resistance“ im Jahr 2005 einen ersten Höhepunkt fanden und in die ak-
tuelle Bildungsstreikbewegung mündete. Studentische Interessenvertretungen,
Initiativen, Verbände und Gewerkschaften schlossen sich im „Aktionsbündnis
gegen Studiengebühren“ zusammen, um gemeinsam für ein gebührenfreies
Studium zu streiten. Mit Erfolg: Allgemeine Studiengebühren gibt es heute nur
noch in Niedersachsen und Bayern. In Bayern werden voraussichtlich in Kürze
die Bürgerinnen und Bürger in einer Volksabstimmung über die Abschaffung
der Gebühren entscheiden.

Deutschland hat bereits 1973 den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, so-
ziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) ratifiziert. Der Pakt ist damit auch

in Deutschland bindendes Recht. Er regelt unter anderem, dass „der Hochschul-
unterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Ein-
führung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen
Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss“ (Artikel 13 Absatz 2 Buch-
stabe c des UN-Sozialpaktes).

Der Bund steht in der Verantwortung, die Einhaltung des UN-Sozialpaktes in
der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten. Gleichzeitig liegen die Be-

Drucksache 17/11824 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
dingungen der Hochschulzulassung gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nummer 33 des
Grundgesetzes (konkurrierende Gesetzgebung) seit der letzten Föderalismus-
reform (2006) im Kompetenzbereich des Bundes. Nachdem die Verwirklichung
des UN-Sozialpaktes durch die Bundesländer bislang offenbar nicht gewähr-
leistet wurde, steht der Bund in der Pflicht, seine Möglichkeiten zu nutzen, um
bundesweit ein gebührenfreies Studium zu garantieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gegenüber denjenigen Bundesländern, die nach wie vor Studiengebühren er-
heben, dringend die Einhaltung des UN-Sozialpaktes und in diesem Sinne
eine unverzügliche Abschaffung der Studiengebühren einzufordern;

2. unverzüglich einen Entwurf für ein Gesetz über die Hochschulzulassung
vorzulegen, der das Recht auf einen Zugang zu Bachelor- sowie zu Master-
studiengängen für jene sichert, die eine entsprechende Zugangsberechtigung
erreicht haben, und insbesondere eine Einschränkung der Hochschulzulas-
sung durch die Erhebung von Studiengebühren ausschließt, und

3. der sozialen Ausgrenzung beim Zugang zur Hochschule durch eine Reform
der Bundesausbildungsförderung entgegenzutreten, welche in einem ersten
Schritt die sofortige Erhöhung der Bedarfsätze und Freibeträge gemäß
BAföG um mindestens 10 Prozent umfasst, die Höchstaltersgrenze von
30 bzw. 35 Jahren streicht sowie die Darlehensanteile abschafft und statt-
dessen das BAföG wieder zu einem Vollzuschuss macht, damit junge Men-
schen aus finanzschwachen Elternhäusern nicht länger mit erheblichen
Schulden ins Berufsleben starten müssen.

Berlin, den 11. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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