BT-Drucksache 17/11814

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/11295 - Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Katja Dörner, Diana Golze, Caren Marks, Rolf Schwanitz, weiterer Abgeordneter - Drucksache 17/11430 - Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung

Vom 11. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11814
17. Wahlperiode 11. 12. 2012

Bericht *
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 17/11295 –

Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer
Beschneidung des männlichen Kindes

b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach),
Katja Dörner, Diana Golze, Caren Marks, Rolf Schwanitz, Ingrid Arndt-Brauer,
Bärbel Bas, Dirk Becker, Karin Evers-Meyer, Elke Ferner, Petra Hinz (Essen),
Christel Humme, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Steffen-Claudio Lemme,
Kirsten Lühmann, Hilde Mattheis, Gerold Reichenbach, René Röspel, Karin
Roth (Esslingen), Annette Sawade, Bernd Scheelen, Dr. Carsten Sieling,
Ute Vogt, Andrea Wicklein, Dagmar Ziegler, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink,
Ulrich Schneider, Memet Milic, Dr. Harald Terpe, Monika Lazar, Sylvia
Kotting-Uhl, Dorothea Steiner, Dr. Valerie Wilms, Friedrich Ostendorff,
Bettina Herlitzius, Uwe Kekeritz, Arfst Wagner (Schlewig), Agnes Krumwiede,
Agnes Alpers, Matthias W. Birkwald, Steffen Bockhahn, Dr. Dagmar Enkelmann,
Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Katrin Kunert, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Wolfgang Neskovic, Jens
Petermann, Richard Pitterle, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Raju
Sharma, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Alexander Süßmair, Frank Tempel,
Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Katrin Werner, Jörn Wunderlich
– Drucksache 17/11430 –

Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte
des männlichen Kindes bei einer Beschneidung

* Die Beschlussempfehlung wurde auf Drucksache 17/11800 gesondert verteilt.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der

Fraktion DIE LINKE. und eines Mitglieds der Fraktion der
SPD, den Gesetzentwurf anzunehmen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11295 in seiner

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksache
17/11295 in seiner 100. Sitzung am 7. November 2012 bera-
ten und beschlossen, eine öffentliche Anhörung durchzufüh-
ren. Diese Anhörung hat er in seiner 102. Sitzung am 26. No-
vember 2012 durchgeführt und zuvor beschlossen, den
Drucksache 17/11814 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Andrea Astrid Voßhoff, Burkhard Lischka, Stephan
Thomae, Raju Sharma und Jerzy Montag

I. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/11295 in seiner 208. Sitzung am 22. November
2012 beraten und an den Rechtsausschuss zur federführen-
den Beratung sowie an den Innenausschuss, den Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für
Gesundheit und an den Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

Zu Buchstabe b

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/11430 in seiner 208. Sitzung am 22. November
2012 beraten und an den Rechtsausschuss zur federführen-
den Beratung sowie an den Innenausschuss, den Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für
Gesundheit und an den Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksache
17/11295 in seiner 87. Sitzung am 28. November 2012 bera-
ten. Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP sowie den Stimmen von zwei Mitgliedern der
Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Fraktion der SPD
bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den im Rechtsausschuss zu
diesem Gesetzentwurf eingebrachten Änderungsantrag der
Abgeordneten Burkhard Lischka, Christine Lambrecht,
Rainer Arnold, Edelgard Bulmahn, Sebastian Edathy, Petra
Ernstberger, Gabriele Fograscher, Dr. Edgar Franke, Martin
Gerster, Iris Gleicke, Günter Gloser, Ulrike Gottschalck,
Dr. Gregor Gysi, Hans-Joachim Hacker, Michael Hartmann
(Wackernheim), Dr. Rosemarie Hein, Dr. Barbara Hendricks,
Josip Juratovic, Dr h. c. Susanne Kastner, Ulrich Kelber,
Daniela Kolbe (Leipzig), Niema Movassat, Dr. Rolf
Mützenich, Aydan Özog˘uz, Johannes Pflug, Dr. Sascha
Raabe, Stefan Rebmann, Anton Schaaf, Paul Schäfer (Köln),
Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau),
Sonja Steffen, Kerstin Tack, Kathrin Vogler, Heidemarie
Wieczorek-Zeul und Waltraud Wolff (Wolmirstedt) abzu-
lehnen.

Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den Stimmen
von zwei Mitgliedern der Fraktion der SPD gegen die Stim-
men der Fraktion der SPD und eines Mitglieds der Fraktion

schuss dazu eingebrachten Änderungsanträgen eine Be-
schlussfassung im Plenum herbeizuführen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat den Gesetzentwurf auf
Drucksache 17/11295 in seiner 92. Sitzung am 10. Dezember
2012 beraten und empfiehlt dessen Annahme sowie die Ab-
lehnung der beiden im Rechtsausschuss dazu eingebrachten
Änderungsanträge.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hil-
fe hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11295 in seiner
72. Sitzung am 10. Dezember 2012 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP so-
wie des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) bei Stimmenthaltung der Abgeordneten An-
nette Groth (DIE LINKE.) dessen Annahme. Die Fraktion
der SPD hat an der Abstimmung nicht teilgenommen.

Zu Buchstabe b

Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksache
17/11430 in seiner 87. Sitzung am 28. November 2012 bera-
ten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen von zwei Mitgliedern der Fraktion der SPD und
einem Mitglied der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. dessen Ab-
lehnung.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11430 in seiner
81. Sitzung am 28. November 2012 beraten und empfiehlt
einstimmig, zu dem Gesetzentwurf eine Beschlussfassung
im Plenum herbeizuführen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat den Gesetzentwurf auf
Drucksache 17/11430 in seiner 92. Sitzung am 10. Dezember
2012 beraten und empfiehlt, zu dem Gesetzentwurf eine Be-
schlussfassung im Plenum herbeizuführen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11430 in seiner
72. Sitzung am 10. Dezember 2012 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP so-
wie des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) bei Stimmenthaltung der Abgeordneten An-
nette Groth (DIE LINKE.) dessen Ablehnung. Die Fraktion
der SPD hat an der Abstimmung nicht teilgenommen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss
81. Sitzung am 28. November 2012 beraten und empfiehlt
einstimmig, zu dem Gesetzentwurf und den im Rechtsaus-

Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11430 in diese Anhörung
einzubeziehen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11814

An dieser Anhörung haben folgende Sachverständige teilge-
nommen:

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Pro-
tokoll der 102. Sitzung vom 26. November 2012 mit den an-
liegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.

Der Rechtsausschuss hat die Beratung der beiden Gesetzent-
würfe in seiner 103. Sitzung am 28. November 2012 fortge-
setzt und in seiner 106. Sitzung am 10. Dezember 2012 ab-
geschlossen.

Zu Buchstabe a

Der Rechtsausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP sowie der Abgeordneten
Kerstin Griese, Dr. Eva Högl, Burkhard Lischka, Marianne
Schieder (Schwandorf), Sonja Steffen und Jerzy Montag ge-
gen die Stimmen der Abgeordneten Jens Petermann, Raju
Sharma, Halina Wawzyniak und Jörn Wunderlich bei
Stimmenthaltung der Abgeordneten Ingrid Hönlinger die
Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/11295.

Ernstberger, Gabriele Fograscher, Dr. Edgar Franke, Martin
Gerster, Iris Gleicke, Günter Gloser, Ulrike Gottschalck,
Dr. Gregor Gysi, Hans-Joachim Hacker, Michael Hartmann
(Wackernheim), Dr. Rosemarie Hein, Dr. Barbara Hendricks,
Josip Juratovic, Dr. h. c. Susanne Kastner, Ulrich Kelber,
Daniela Kolbe (Leipzig), Niema Movassat, Dr. Rolf
Mützenich, Aydan Özog˘uz, Johannes Pflug, Dr. Sascha
Raabe, Stefan Rebmann, Anton Schaaf, Paul Schäfer (Köln),
Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau),
Sonja Steffen, Kerstin Tack, Kathrin Vogler, Heidemarie
Wieczorek-Zeul und Waltraud Wolff (Wolmirstedt) haben im
Rechtsauschuss folgenden Änderungsantrag zu dem Gesetz-
entwurf auf Drucksache 17/11295 gestellt:

Der Ausschuss wolle beschließen:

1. In Artikel 1 wird § 1631d wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht,
nach vorangegangener ärztlicher Aufklärung in eine
medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des
nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kin-
des einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der
ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt
nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Be-
rücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefähr-
det wird.“

b) Folgender Absatz 3 wird angefügt:

„(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird
ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere hin-
sichtlich

1. der Ausbildungsvoraussetzungen und des Befähi-
gungsnachweises der nichtärztlichen Beschneider,

2. der Anforderungen und Modalitäten des Eingriffs,
insbesondere der Schmerzbehandlung,

3. der Anforderungen und Modalitäten zur Feststel-
lung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit einer
nicht medizinisch indizierten Beschneidung für
das minderjährige männliche Kind sowie

4. der Anforderungen an die Ermittlung und Feststel-
lung eines entwicklungsabhängigen Vetorechts des
minderjährigen männlichen Kindes gegen eine
Beschneidung zu regeln.“

2. Artikel 2 wird wie folgt gefasst:

„Artikel 2

Inkrafttreten und Evaluierung

(1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in
Kraft.

(2) Die Regelungen dieses Gesetzes sind innerhalb von
fünf Jahren ab Inkrafttreten von dem Bundesministerium
der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium
für Gesundheit zu evaluieren. In diesem Zeitraum unter-
zieht das Bundesministerium der Justiz in Abstimmung
mit dem Bundesministerium der Gesundheit und unter
Hinzuziehung von Experten aus Wissenschaft und Praxis
die neuen gesetzlichen Regelungen einer eingehenden

Dr. med. Antje Yael Deusel Bamberg

Prof. Dr. med. Hans
Kristof Graf

Ärztlicher Direktor und Chef-
arzt der Klinik für Innere Me-
dizin, Kardiologie, Angiologie
und Intensivmedizin, Jüdi-
sches Krankenhaus Berlin,
Akademisches Lehrkranken-
haus der Charité – Universi-
tätsmedizin Berlin

Prof. Dr. Oliver Hakenberg Universitätsmedizin Rostock,
Urologische Klinik und Poli-
klinik

Dr. med. Wolfram
Hartmann

Präsident des Berufsverbands
der Kinder- und Jugendärzte
(BVKJ) e. V., Kreuztal

Prof. Dr. Hans Michael
Heinig

Georg-August-Universität
Göttingen, Lehrstuhl für Öf-
fentliches Recht, insbes. Kir-
chenrecht und Staatskirchen-
recht

Stephan J. Kramer Generalsekretär des Zentralra-
tes der Juden in Deutschland,
Berlin

Aiman A. Mazyek Vorsitzender des Zentralrates
der Muslime in Deutschland
(ZMD), Köln

Prof. Dr. Reinhard Merkel Universität Hamburg, Fakultät
für Rechtswissenschaft

Prof. Dr. Henning Radtke Richter am Bundesgerichtshof
Karlsruhe

Univ.-Prof. Dr. Christian
Walter

Ludwig-Maximilians-Univer-
sität München, Juristische Fa-
kultät, Lehrstuhl für Öffent-
liches Recht, Völkerrecht und
Europarecht

Prof. Siegfried Willutzki Direktor des Amtsgerichts
Brühl a. D.
Die Abgeordneten Burkhard Lischka, Christine Lambrecht,
Rainer Arnold, Edelgard Bulmahn, Sebastian Edathy, Petra

Prüfung hinsichtlich der Erfahrungen in der Praxis. Die
Bundesregierung unterrichtet den Bundestag bis zum

Drucksache 17/11814 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

31. Dezember 2018 über die Ergebnisse der Evaluie-
rung.“

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Explizites Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung
des männlichen Kindes, Bundestagsdrucksache 17/11295, ist
es, „Rechtssicherheit für alle Beteiligten“ zu schaffen. Der
Lösungsvorschlag der Regierung ist grundsätzlich geeignet,
der zur Zeit bestehenden Rechtsunsicherheit in der Frage
der Zulässigkeit von Beschneidungen zu begegnen. Gleich-
wohl enthält der Vorschlag Unklarheiten, welche bei der
Auslegung zu gerichtlichen Urteilen führen könnten, die dem
Ziel des Gesetzes zuwider liefen.

Erforderlich ist eine gesetzliche Klarstellung in dem neu zu
schaffenden § 1631d Absatz 1 BGB, dass es bei einer nicht
medizinisch indizierten Beschneidung in jedem Fall der vor-
herigen ärztlichen Aufklärung über Art, Umfang und Folgen
des Eingriffs bedarf. Der Gesetzestext des Regierungsent-
wurf lässt dies offen und damit Raum für Zweifel. Eine solche
ärztliche Aufklärung ist allerdings erforderlich, damit die
Eltern eine sachgerechte und fundierte Entscheidung über
die Beschneidung ihres Sohnes treffen können.

Darüber hinaus erforderlich sind Präzisierungen hinsichtlich
der fachlichen Qualifikation der nichtärztlichen Beschneider
und der Anforderungen und Modalitäten des Eingriffs. Dazu
gehört auch eine dem Alter des Kindes angemessenen
Schmerzbehandlung sowie die Feststellung, dass der Ge-
sundheitszustand des minderjährigen Jungen einer Beschnei-
dung nicht entgegensteht. Auch die Konsequenzen bei einer
erkennbaren Abwehrreaktion eines älteren Jungen gegen-
über einer Beschneidung (so genanntes Vetorecht) bedürfen
einer rechtssicheren Regelung. Die erforderlichen Präzisie-
rungen, die wegen ihrer Regelungsinhalte und -dichte nicht
im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verorten sind, sollen im Wege
einer vom Bundesministerium für Gesundheit im Dialog mit
den Betroffenen zu erlassenden Rechtsverordnung rechtliche
Verbindlichkeit erhalten.

Zur Überprüfung, ob die Neuregelung das erklärte Ziel er-
reicht, sollen die eingeführten Rechtsvorschriften evaluiert
werden.

B. Besonderer Teil

1. Zu Artikel 1:

Zu a)

Erforderlich ist eine gesetzliche Klarstellung in dem neu zu
schaffenden § 1631d Absatz 1 BGB, dass es bei einer nicht
medizinisch indizierten Beschneidung in jedem Fall der vor-
herigen ärztlichen Aufklärung über Art, Umfang und Folgen
des Eingriffs bedarf. Der Gesetzestext des Regierungsent-
wurfs lässt offen und damit Raum für Zweifel, ob bei einer
Beschneidung durch Nichtärzte eine ärztliche Aufklärung er-
forderlich ist.

In der Begründung des Regierungsentwurfs wird lediglich
darauf hingewiesen, dass auch der Eingriff durch einen
nichtärztlichen Beschneider nach den “Regeln der ärztli-
chen Kunst“ zu erfolgen hat und der nichtärztliche Be-

Eltern gewährleisten können muss. Diese Formulierung
könnte in der Weise interpretiert werden, dass eine Aufklä-
rung auch durch den Eingriff durchführenden nichtärzt-
lichen Beschneider vorgenommen werden kann. Nach gefes-
tigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (z.B. BGH, Urt. v.
7.11.2006, VI ZR 206/05) kann eine Aufklärung über Art,
Umfang und gesundheitliche Risiken eines operativen Ein-
griffs jedoch nur durch einen approbierten Arzt erfolgen. Es
gibt zwar Erleichterungen insoweit, als die Aufklärung auch
durch einen Arzt/Ärztin durchgeführt werden darf, der/die
selbst nicht den Eingriff vornimmt, dennoch ist eine Aufklä-
rung durch ärztliches Personal verpflichtend. Die Bundesre-
gierung selbst führt in der Begründung zutreffend aus, dass
das Fehlen einer medizinischen Indikation die Anforderun-
gen an die Risikoaufklärung erhöht. Daher muss auch für ei-
nen Eingriff durch einen nichtärztlichen Beschneider gelten,
dass eine Aufklärung hinsichtlich der Art, Umfang und Fol-
gen des Eingriffs ausschließlich durch einen Arzt/eine Ärztin
erfolgen darf. Nur ein Arzt/eine Ärztin ist aufgrund der Aus-
bildung in der Lage, die Eltern über den Eingriff vollständig
und zuverlässig aufzuklären.

Zu b)

Darüber hinaus sind Präzisierungen erforderlich hinsicht-
lich der Anforderungen und Modalitäten des Eingriffs. Dazu
gehört auch die Gewährleistung einer dem Alter des Kindes
angemessenen Schmerzbehandlung sowie die Feststellung,
dass der Gesundheitszustand des minderjährigen Kindes ei-
ner Beschneidung nicht entgegensteht. Auch die Konsequen-
zen einer erkennbaren Abwehrreaktion eines älteren Jungen
(Vetorecht) bedürfen einer rechtssicheren Regelung. Schließ-
lich sind Ausbildungsvoraussetzungen und Befähigungs-
nachweis eines nichtärztlichen Beschneiders zu konkretisie-
ren.

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass die Beschneidung
auch durch von den Religionsgesellschaften dazu vorgesehe-
nen Personen vorgenommen werden dürfen, wenn sie dafür
besonders ausgebildet und für die Durchführung der Be-
schneidung einer Ärztin oder einem Arzt vergleichbar befä-
higt sind. Er bestimmt, dass die Regelung nur für Personen
gilt, die eine besondere Ausbildung für die Vornahme von
Beschneidungen absolviert haben, legt jedoch die konkreten
Anforderungen, welche an diese Ausbildung zu stellen sind,
nicht explizit fest. Ebenso wenig präzisiert er die konkreten
Anforderungen und Modalitäten des Eingriffs, insbesondere
die Anforderungen an eine dem Alter des Kindes angemesse-
nen Schmerzbehandlung. Gleiches gilt für die Voraussetzun-
gen für die Feststellung, dass der Gesundheitszustand des
minderjährigen Jungen eine Beschneidung erlaubt sowie
den Konsequenzen bei einer erkennbaren Abwehrreaktion
eines älteren Jungen gegenüber einer Beschneidung (Veto-
recht).

Zu Nummer 1) Anforderungen an die Qualifikation der Be-
schneider:

In Deutschland erfolgt bislang keine Ausbildung von Be-
schneidern. Die in Deutschland praktizierenden Beschnei-
der sind im Ausland ausgebildet. Inzwischen hat der Zentral-
rat der Juden die Entwicklung eines Ausbildungsganges in
Deutschland angekündigt. In Israel setzt die Verleihung der
Bezeichnung „lizensierter Mohel“ durch ein Komitee des
schneider die bei nicht medizinisch indizierten Eingriffen er-
forderlich ordnungsgemäße und umfassende Aufklärung der

Oberrabbinats im Zusammenwirken mit dem Gesundheits-
ministerium eine Ausbildung bei einem Mohel, die Empfeh-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11814

lung eines Rabbiners und den Nachweis medizinischer Attes-
te sowie eine theoretische und praktische Prüfung voraus.
Dies macht deutlich, dass für die Vornahme von Beschnei-
dungen durch nichtärztliche Beschneider einheitliche Stan-
dards auf einer sicheren Rechtsgrundlage erforderlich sind.
Für die Präzisierung der Voraussetzungen an die Qualifika-
tion und – medizinische – Aus- bzw. Vorbildung des nicht-
ärztlichen Beschneiders ist das Recht der Personensorge im
Bürgerlichen Gesetzbuch nicht der adäquate Regelungs-
standort. Sie soll daher einer Regelung des Verordnungsge-
bers vorbehalten bleiben. Hierzu bedarf es der Entwicklung
eines Kataloges, der die maßgeblichen Ausbildungs- und
Prüfungsinhalte unter Berücksichtigung der erforderlichen
medizinischen Fachkenntnisse definiert. Dazu gehören ne-
ben den unmittelbar eingriffsspezifischen Kenntnissen und
Fertigkeiten auch vertiefte Kenntnisse und Fertigkeiten im
Umgang mit Hygiene, Desinfektion und Sterilität sowie über
die Erstversorgung in akuten Zuständen und Notfällen.

Zu Nummer 2) Anforderungen und Modalitäten des Ein-
griffs, insbesondere der Schmerzbehand-
lung

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verweist in Bezug
auf die Durchführung der Beschneidung auf die „Regeln der
ärztlichen Kunst“. In Ermangelung verbindlicher Richt-
linien und Standards hinsichtlich der Modalitäten des Ein-
griffs existieren unterschiedliche Beschneidungspraktiken.
Diesem Umstand trägt der Regierungsentwurf nicht Rech-
nung, weil er insoweit eine Präzisierung unterlässt.

Die Festschreibung zwingender Standards ist erforderlich,
um sicherzustellen, dass bei Durchführung einer Beschnei-
dung durch nichtärztliche Beschneider Rituale, die mit ho-
hen gesundheitlichen Risiken verbunden sind, unterbleiben.
So erhöht z. B. das jüdisch-orthodoxe Ritual des „Metzitzah
B’peh“, bei dem der Mohel als letzte Handlung nach der Ab-
trennung der Vorhaut mit seinem Mund Blut aus der Wunde
des Säuglings saugt, signifikant das Risiko von Infektionen
(z. B. die Übertragung von Herpesviren). Diese Infektionen
können im schlimmsten Fall tödlich verlaufen.

Seitens der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland gibt es
Signale, wegen des Gesundheitsrisikos die Beschneidung
nicht durch einen Mohel durchführen zu lassen, der dieses
Ritual praktiziert.

Mit seinem Beschluss vom 19. Juli 2012 hatte der Deutsche
Bundestag von der Regierung die Vorlage eines Gesetzent-
wurfs gefordert, der sicherstellt, dass eine Beschneidung von
Jungen „ohne unnötige Schmerzen“ stattfindet. Dieses Er-
fordernis will die Regierung im Entwurf mit der Formulie-
rung „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ erfüllen. Nach
diesen Regeln ist eine im Einzelfall angemessene und wir-
kungsvolle Betäubung erforderlich.

Bezüglich der Schmerzbehandlung und -therapie unterstellt
der Regierungsentwurf einen zur Beurteilung der im Einzel-
fall angemessenen Maßnahme notwendigen Wissensstand,
dessen Vorliegen in der erforderlichen Tiefe und Verbreitung
jedoch bezweifelt werden muss. So ist beispielsweise auch in
Teilen der Ärzteschaft noch immer die Annahme verbreitet,
dass bei Säuglingen das Schmerzsystem noch nicht ausge-
reift sei, so dass ein chirurgischer Eingriff wie etwa eine Be-

Annahmen dieser Art entsprechen nicht bzw. nicht mehr dem
aktuellen Stand der klinischen und wissenschaftlichen For-
schung zur Schmerzbehandlung und -therapie. Studienba-
sierte Erkenntnisse stützen die Annahme, dass das Schmerz-
system beim Menschen vor der Geburt bereits soweit
entwickelt ist, dass auch bei Neugeborenen Schmerzen aus-
gelöst werden und zu Leiden führen können. Studiengestütz-
ten Vermutungen zur Folge könnten Säuglinge sogar
schmerzempfindlicher sein als im Kindes- und Jugendalter.

Es ist daher erforderlich, altersangepasste Standards insbe-
sondere hinsichtlich einer adäquaten Schmerzbehandlung
und Nachsorge einzuführen.

Zu Nummer 3) Ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung

Ebenfalls qua Verordnung sollen die Anforderungen und
Modalitäten zur Feststellung der gesundheitlichen Unbe-
denklichkeit einer nicht medizinisch indizierten Beschnei-
dung für das männliche Neugeborene konkretisiert und stan-
dardisiert werden. Damit soll dem Umstand Rechnung
getragen werden, dass es bislang keine Vorgaben und Richt-
linien für solche Fälle gibt, in denen sich eine Beschneidung
aus gesundheitlichen Gründen verbietet.

So kann etwa Hämophilie – die so genannten Bluterkrank-
heit – bei einem männlichen Neugeborenen ein Hinderungs-
grund für eine Beschneidung sein. Hämophilie ist eine Erb-
krankheit, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Durch eine
Blutuntersuchung, mit der die Gerinnungswerte und der
Menge der Blutplättchen (Thrombozyten) bestimmt werden,
ist diese Krankheit auch bei einem Neugeborenen zu diag-
nostizieren. Eine solche Blutuntersuchung bei Neugebore-
nen veranlassen Ärzte allerdings nicht generell vorsorglich,
sondern bislang nur bei Krankheitsverdacht, der sich zum
Beispiel auf Hinweise in der Familiengeschichte gründet.

Risiken dieser Art in einem standardisierten Verfahren fest-
zustellen bzw. auszuschließen, erhöht die Rechtssicherheit
für alle Betroffenen. Mit Blick darauf, dass in der jüdischen
Gemeinschaft die männlichen Kinder in aller Regel am ach-
ten Tag nach der Geburt beschnitten werden, bietet sich bei-
spielsweise eine entsprechende Anpassung und Ausgestal-
tung der zweiten Früherkennungsuntersuchung eines
neugeborenen Kindes – die so genannte U2 – an, die zwi-
schen dem dritten und zehnten Lebenstag stattfindet.

Zu Nummer 4) Vetorecht:

Die Regelung des Regierungsentwurfs gilt grundsätzlich nur
für Jungen, die aufgrund ihres Entwicklungsstandes noch
nicht in der Lage sind, ernsthaft ihren Willen für oder gegen
eine Beschneidung auszudrücken. Die Grenze, ab wann
Kinder hierzu in der Lage sind, ist fließend und bewegt sich
zwischen dem zweiten/dritten und zwölften bis vierzehnten
Lebensjahr. Unbestritten ist aber, dass auch Kinder unter-
halb der Schwelle der Einsichts- und Urteilsfähigkeit in der
Lage sind, ihren Willen gegen eine Beschneidung ernsthaft
und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Dies kann
auch durch ein rein physisches Abwehrverhalten bzw. non-
verbale Kommunikation geschehen.

Der Gesetzestext sieht eine ausdrückliche Beachtung des
kindlichen Willens in diesen Fällen jedoch nicht vor. Ledig-
lich in der Begründung des Regierungsentwurfs wird ausge-
schneidung, keine vergleichbare Belastung wie bei älteren
Kindern oder Erwachsenen darstelle.

führt, dass ein solcher Wille gegen die Beschneidung „im
Einzelfall“ Berücksichtigung finden kann und sich die Eltern

Drucksache 17/11814 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mit dem der Beschneidung entgegenstehenden Willen des
noch nicht einsichtsfähigen Kindes auseinandersetzen sol-
len.

Es ist sicherzustellen, dass auch in diesen Fällen der Wille
des Kindes zu berücksichtigen ist. Im Rahmen einer Rechts-
verordnung sollen verbindliche Richtlinien und Maßgaben
für den Umgang mit gegen die Beschneidung gerichteten
unmissverständlichen Willensbekundungen nicht einsichts-
und urteilsfähiger Kinder (Vetorecht) entwickelt werden.

Das Bundesministerium für Gesundheit wird daher ermäch-
tigt, das Nähere zu den unter Nummern 1 bis 4 dargestellten
Punkten in einer im Zusammenwirken mit den Betroffenen zu
erstellenden Rechtsverordnung zu regeln.

2. Zu Artikel 2:

Absatz 1 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

Die in Absatz 2 ausdrücklich normierte Evaluierungsver-
pflichtung soll vor allem der Prüfung dienen, ob die einge-
führte Rechtsvorschrift sich in ihrer konkreten inhaltlichen
Ausgestaltung in der Praxis bewährt hat. Eine solche Evalu-
ierung erscheint insbesondere deshalb geboten, weil es sich
bei der eingeführten Norm um eine erstmalige gesetzliche
Regelung der entsprechenden Materie handelt. Ziel der Eva-
luierung ist es, Anhaltspunkte über Probleme in der prak-
tischen Umsetzung der Regelung zu gewinnen.

Der Rechtsausschuss hat auf Antrag des Abgeordneten
Jerzy Montag über die beiden Nummern dieses Änderungs-
antrages getrennt abgestimmt. Er hat Nummer 1 des Ände-
rungsantrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP sowie der Abgeordneten Kerstin Griese und Dr. Eva
Högl, Jens Petermann, Raju Sharma, Halina Wawzyniak und
Jörn Wunderlich gegen die Stimmen der Abgeordneten
Burkhard Lischka, Marianne Schieder (Schwandorf) und
Sonja Steffen bei Stimmenthaltung der Abgeordneten Ingrid
Hönlinger und Jerzy Montag abgelehnt. Nummer 2 des
Änderungsantrages hat er mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP sowie der Abgeordneten Jens
Petermann, Raju Sharma, Halina Wawzyniak und Jörn
Wunderlich gegen die Stimmen der Abgeordneten Kerstin
Griese, Dr. Eva Högl, Burkhard Lischka, Marianne Schieder
(Schwandorf), Sonja Steffen, Ingrid Hönlinger und Jerzy
Montag abgelehnt.

Die Abgeordneten Jerzy Montag, Kerstin Andreae, Volker
Beck (Köln), Cornelia Behm, Birgit Bender, Ekin Deligöz,
Katrin Göring-Eckardt, Priska Hinz (Herborn), Ingrid
Hönlinger, Herbert Frankenhauser, Sven-Christian Kindler,
Tom Koenigs, Niema Movassat, Kerstin Müller (Köln),
Dietmar Nietan, Dr. Konstantin von Notz, Elisabeth
Scharfenberg, Kathrin Vogler, Josef Philip Winkler und
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) haben im Rechtsauschuss fol-
genden Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/11295 gestellt:

Der Ausschuss wolle beschließen:

Artikel 1 Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird wie
folgt geändert:

1. § 1631 d Absatz 1 wird Satz 2 wie folgt gefasst:

auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindes-
wohl gefährdet wird“.

2. In § 1631 d Absatz 2 werden die Worte „sechs Monaten“
durch die Worte „ vierzehn Tagen“ ersetzt.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Umfang
der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen
Kindes, Drucksache 17/… erklärt die Einwilligung von
Eltern in die Beschneidung ihres Sohnes unter bestimmten
Umständen für rechtmäßig. Die Regelung umfasst nur Ein-
willigungen zu Beschneidungen männlicher Kinder, die noch
nicht einsichts- und urteilsfähig sind. Die Beschneidung muss
„nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ durchgeführt wer-
den. Diese werden in verschiedenen Gesetzen, so zB. in § 4
Abs. 2 Satz 2 der Bundesärzteordnung näher beschrieben. § 1
HeilprG legt die Rechtsprechung ( BVerwG I C 2/69 – U. v.
18.12.72) dahingehend aus, dass medizinische Behandlun-
gen, die ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen oder gesund-
heitliche Schäden verursachen können, nur von einem Arzt
oder Ärztin oder einer Person, die eine Erlaubnis nach dem
HeilprG besitzt, durchgeführt werden dürfen. Im Ergebnis ist
festzuhalten, dass Beschneidungen, zu denen Eltern nach
§ 1631 d Abs. 1 BGB – E ihre Einwilligung geben, in aller
Regel nur von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt
werden können. Dies ergibt sich im Rückschluss auch aus
§ 1631 d Abs. 2 BGB – E, der als Ausnahme die Vornahme
des Eingriffs auch durch einen Nicht-Arzt vorsieht.

1. Da der Regelungsvorschlag nur Beschneidungen von
nicht einsichts- und urteilsfähigen und damit nicht ein-
willigungsfähigen männlichen Kindern erfasst, gilt die
Regelung gerade für solche Kinder, die aufgrund ihres
Entwicklungsstandes noch nicht in der Lage sind, Wesen,
Bedeutung, und Tragweite des mit der Beschneidung ver-
bundenen Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit zu
erfassen. Aber auch unterhalb der Schwelle von Ein-
sichts- und Urteilsfähigkeit ist ein ernsthaft und unmiss-
verständlich zum Ausdruck gebrachter Wille des (noch
nicht einsichtsfähigen) Kindes nicht ir-relevant (so aus-
drücklich in der Begründung zum Gesetzentwurf unter
2 d) zum Einwilligungsrecht der Eltern).

Der Gesetzestext sieht jedoch eine ausdrückliche Beach-
tung des Willens des Kindes nicht vor. Lediglich in der
Begründung zu § 1631 d Abs. 1 Satz 2 BGB – E wird da-
rauf abgehoben, dass ein solcher kindlicher Wille gegen
die Beschneidung „im Einzelfall“, der nicht näher spezi-
fiziert wird, Berücksichtigung finden kann. Darüber hin-
aus – so die Begründung des Gesetzentwurfs unter Hin-
weis auf § 1626 Abs. 2 Satz 2 BGB – sollen sich die Eltern
mit dem der Beschneidung entgegenstehenden Willen des
noch nicht einsichtsfähigen Kindes lediglich auseinander
setzen.

Dies erscheint zu wenig. Statt dessen ist es richtig, aus-
drücklich im Gesetz fest zu halten, dass eine Einwilligung
der Eltern in eine Beschneidung ihres nicht einsichts- und
urteilsfähigen Sohnes gegen seinen ernsthaft und unmiss-
„Dies gilt nicht, wenn das Kind einen entgegen stehenden
Willen zum Ausdruck bringt oder durch die Beschneidung

verständlich zum Ausdruck gebrachten Willen nicht mög-
lich ist.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/11814

2. § 1631 d Abs. 2 BGB – E sieht für Kinder in den ersten
sechs Monaten nach der Geburt die Möglichkeit vor, dass
der Eingriff auch von einer von einer Religionsgemein-
schaft dazu vorgesehenen Person durchgeführt wird, die
– weil speziell hierfür aus-gebildet – ohne Arzt oder
Ärztin zu sein, für die Durchführung der Beschneidung
vergleichbar befähigt ist. Dies bedeutet im Ergebnis, dass
– wenn der Eingriff ohne Assistenz eines Arztes oder ei-
ner Ärztin erfolgt – in den ersten sechs Monaten nach der
Geburt die Schmerzlinderung nicht mittels Narkosemittel
durchgeführt werden kann.

Eine Begründung für die vorgeschlagene Zeitspanne von
sechs Monaten, innerhalb derer auch Nichtärzte be-
schneiden können sollen, findet sich im Gesetzentwurf
nicht. Lediglich im Rahmen des internationalen Rechts-
vergleiches wird darauf verwiesen, dass das Oberrabbi-
nat in Israel mitgeteilt habe, dass bei Kindern, die älter
als sechs Monate sind, Beschneidungen mit Narkose und
von einem Arzt mit Mohel-Lizenz durchgeführt werden.

Dies ist zur Begründung der Sechs-Monats-Frist bei wei-
tem nicht ausreichend. Vielmehr ist darauf abzustellen,
dass bei Neugeborenen die Belastungen einer Anästhesie
(Narkose) so beträchtlich sind, dass kleinere medizini-
sche Eingriffe unterlassen oder auf ein Alter verschoben
werden, in dem solche anästhetischen Maßnahmen rela-
tiv komplikationslos eingesetzt werden können. In der
Praxis werden Beschneidungen an Neugeborenen in
Deutschland nur bis zu zweiten Lebenswoche nur unter
Anwendung von schmerzlindernden Salben oder Zäpf-
chen durchgeführt.

Darüber hinaus werden in der jüdischen Gemeinschaft
die männlichen Kinder in aller Regel am achten Tag nach
der Geburt beschnitten.

Deshalb ist es richtig, die Ausnahme nach § 1631 d
Abs. 2 BGB – E erheblich auf den Zeitraum von zwei Wo-
chen nach der Geburt zu beschränken.

B. Besonderer Teil

1. zu Abs. 1 Satz 2 (Vetorecht des Kindes)

Mit der Einfügung der Worte „das Kind einen entgegen
stehenden Willen zum Ausdruck bringt oder“ wird zum
Ausdruck gebracht, dass auch noch nicht einwilligungs-
und urteilsfähige Kinder durchaus in der Lage sind, ihren
einer Beschneidung entgegen stehenden Willen zum Aus-
druck zu bringen. Sowohl die Grenze, ab wann Kinder
hierzu in der Lage sind, als auch die Grenze, ab wann sie
einwilligungs- und urteilsfähig sind, lässt sich nicht exakt
bestimmen. Sie wird zwischen dem zweiten bis dritten Le-
bensjahr einerseits und dem zwölften bis zum vierzehnten
Lebensjahr andererseits liegen. Jedenfalls sind Kinder in
diesem Zwischenstadium sehr wohl fähig, ernsthaft und
unmissverständlich zum Aus-druck zu bringen, dass sie
eine Beschneidung ablehnen. Dies kann auch nonverbal
geschehen. In diesen Fällen entfaltet eine etwaige
Einwilligung der Eltern zu einer Beschneidung nach
§ 1631 d Abs. 1 Satz 1 BGB – E keine Wirkung.

2. zu Abs. 2 (Zwei-Wochen-Frist)

Mit der Ersetzung der Worte „sechs Monaten“ durch

Diese Begrenzung richtet sich in erster Linie danach,
dass in den ersten beiden Lebenswochen der Einsatz von
Allgemeinanästhetika (Narkosemittel) bei kleineren und
nicht akut lebenswichtigen medizinischen Eingriffen
nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht. Die Be-
lastung des Neugeborenen durch solche Maßnahmen ist
unvertretbar hoch. Stattdessen können und müssen in der
Regel zur Schmerzlinderung Salben und Zäpfchen verab-
reicht werden. Diese Mittel können auch diejenigen Per-
sonen einsetzen, die ohne Arzt oder Ärztin zu sein, beson-
ders ausgebildet sind, um Beschneidungen auch in den
ersten beiden Lebenswochen durzuführen. Die jüdische
Religion sieht in aller Regel eine rituelle Beschneidung
am achten Tag vor. Dieser Ritus ist mit der vorgeschlage-
nen Regelung in vollem Umfang vereinbar.

Der Rechtsausschuss hat diesen Änderungsantrag mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP sowie der
Abgeordneten Jens Petermann, Raju Sharam, Halina
Wawzyniak und Jörn Wunderlich gegen die Stimmen der
Abgeordneten Kerstin Griese, Dr. Eva Högl, Burkhard
Lischka, Marianne Schieder (Schwandorf), Sonja Steffen,
Ingrid Hönlinger und Jerzy Montag abgelehnt.

Zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11295 lagen dem
Rechtsausschuss mehrere Petitionen vor.

Zu Buchstabe b

Der Rechtsausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP sowie der Abgeordneten
Kerstin Griese, Dr. Eva Högl, Burkhard Lischka, Marianne
Schieder (Schwandorf), Sonja Steffen, Ingrid Hönlinger und
Jerzy Montag gegen die Stimmen der Abgeordneten Jens
Petermann, Raju Sharma, Halina Wawzyniak und Jörn
Wunderlich die Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Druck-
sache 17/11430.

Zu den Buchstaben a und b

Die Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN erklärten, die Mitglieder ihrer Fraktionen
hätten jeweils entschieden, von einem einheitlichen Abstim-
mungsverhalten zu den beiden Gesetzentwürfen abzusehen.

Der Abgeordnete Jerzy Montag führte aus, er unterstütze
den Gesetzentwurf der Bundesregierung weitgehend. Dieser
sei lediglich in zwei wesentlichen Punkten nachbesserungs-
bedürftig. Der von ihm mit eingebrachte Änderungsantrag
ziele im Wesentlichen auf entsprechende Anpassungen die-
ses Gesetzentwurfs. Zum einen müsse im Gesetz klargestellt
werden, dass der erkennbar entgegenstehende Wille des Kin-
des vom Arzt und den Eltern zu berücksichtigen sei. Aus der
Begründung der Bundesregierung zu deren Gesetzentwurf
ergebe sich, dass auch sie davon ausgehe, dass ein solcher
Wille erkennbar sein könne. Ferner müsse die Frist, inner-
halb derer eine Beschneidung unter Beachtung der im Ge-
setzentwurf genannten Voraussetzungen durchgeführt wer-
den könne, von sechs Monaten auf 14 Tage verkürzt werden.
Die Sechs-Monats-Frist sei nicht medizinisch begründet,
sondern ergebe sich allein aus der Beschneidungspraxis in
Israel. Dem Ziel der Gesetzes, Juden und Muslimen die
Religionsausübung zu ermöglichen, werde auch mit einer
14-Tage-Frist erreicht. Dem Gesetzentwurf auf Drucksache
„vierzehn Tagen“ wird die Ausnahmevorschrift des
§ 1631 d Abs. 2 BGB – E erheblich verkürzt.

17/11430 könne er nicht zustimmen, weil die darin vorgese-
hene Regelung, wonach Beschneidungen erst mit Vollen-

Drucksache 17/11814 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dung des 14. Lebensjahres möglich sein sollten, ganz we-
sentliche religiöse Riten von Juden und Muslimen
kriminalisiere.

Der Abgeordnete Burkhard Lischka erklärte ebenfalls,
dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zuzustimmen. Er
sehe aber noch Änderungsbedarf. Rechtssicherheit für die

praxistauglich, weil entsprechende Verordnungen laufend an
neueste medizinische Erkenntnisse angepasst werden müss-
ten. Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11430 sei abzu-
lehnen. Er stehe, das habe auch die Anhörung ergeben, nicht
im Einklang mit Artikel 6 des Grundgesetzes. Zudem bedeu-
te er inhaltlich eine Abkehr von der bisherigen Rechtslage,
nach der die Beschneidung von Jungen in Deutschland er-
Betroffenen lasse sich nur durch Setzung staatlicher Rege-

lungen schaffen. Nur damit könne ausgeschlossen werden,
dass demnächst wieder eine gerichtliche Entscheidung dazu
führe, die bisherige Rechtspraxis in Frage zu stellen. Daher
sollten Verordnungsermächtigungen in das Gesetz aufge-
nommen werden, mit denen im Wesentlichen die Ausbil-
dung und Zertifizierung von Beschneidern sowie die medizi-
nischen Anforderungen an eine Beschneidung geregelt
werden könnten.

Die Abgeordnete Kerstin Griese unterstützte ebenfalls den
Gesetzentwurf der Bundesregierung und warb für eine starke
gesetzliche Sicherung der Rechte des Kindes. Daher sei eine
gesetzliche Regelung des Vetorechts des Kindes nicht nur
unschädlich, sondern geboten. Damit könnte auch eine grö-
ßere parlamentarische Mehrheit für den Gesetzentwurf der
Bundesregierung sichergestellt werden. Die Frist, innerhalb
derer eine Beschneidung zulässig sein solle, sollte nach dem
Vorbild der entsprechenden schwedischen Regelung bei
zwei Monaten liegen; damit könnten die Nachteile der sehr
kurzen 14-Tage-Frist vermieden werden.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstützte den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung, der ohne Änderungen annahme-
fähig sei. Es sei zu begrüßen, dass der Gesetzentwurf der
Bundesregierung in der Begründung in sehr ausführlicher
Weise die vermeintlich widerstreitenden Interessen der be-
troffenen Grundrechte darstelle und einen Weg aufzeige, der
einen ausgewogenen Ausgleich ermögliche. Die in den Än-
derungsanträgen vorgesehene Berücksichtigung eines er-
kennbar entgegenstehenden Willens des Kindes ergebe sich
bereits aus den rechtlichen Verpflichtungen der elterlichen
Sorge gemäß § 1626 BGB, so dass eine Aufnahme in den
Gesetzestext nicht geboten sei. Die öffentliche Anhörung ha-
be zudem ergeben, dass die medizinischen Sachverständigen
unterschiedlicher Auffassung hinsichtlich der Festlegung
der in § 1631d Absatz 2 BGB-E vorgesehenen Frist gewesen
seien. Vor diesem Hintergrund sei die Orientierung des Ge-
setzgebers an der von der jüdischen Glaubensgemeinschaft
praktizierten Sechs-Monats-Regel vertretbar. Da der Gesetz-
entwurf die Qualifikationserfordernisse für die von einer Re-
ligionsgemeinschaft für eine Beschneidung vorgesehenen
Personen vorgebe und der Zentralrat der Juden bereits erklärt
habe, derzeit eine entsprechende Zertifizierung auszuarbei-
ten, bedürfe es keiner entsprechenden staatlichen Regelung.
Der Vorschlag, die medizinischen Anforderungen an Be-
schneidungen durch Rechtsverordnung zu regeln, sei nicht

laubt sei. Eine Beschneidung vor dem 14. Lebensjahr eines
Jungen zu verbieten, bedeute faktisch ein Verbot religiöser
Beschneidungen entsprechend den jüdischen und muslimi-
schen Traditionen. Dies sei nicht hinnehmbar.

Der Abgeordnete Raju Sharma unterstrich, dass beide Ge-
setzentwürfe eine Regelung im Recht der elterlichen Sorge
anstrebten. Die Behauptung, der Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/11430 setze auf eine Kriminalisierung, gehe daher
fehl. Beide Gesetzentwürfe regelten die Voraussetzungen,
unter denen die Einwilligung in eine tatbestandliche Körper-
verletzung rechtlich zulässig erteilt werden könne.

Die Fraktion der FDP unterstützte die Ausführungen der
Fraktion der CDU/CSU. Die Debatte zum Vetorecht des
Kindes sei mit der entsprechenden Diskussion beim Thema
Patientenrechte vergleichbar. Dort habe man sich richtiger-
weise auf die Aufklärung auch nicht einwilligungsfähiger
Minderjähriger geeinigt. Eingriffe dürften aber nicht gegen
den Willen einsichtsfähiger Kinder durchgeführt werden.
Bei nichteinsichtsfähigen Minderjährigen seien die Eltern im
Rahmen der elterlichen Sorge zur Entscheidung berufen. Für
die Beschneidung seien von diesem Grundkonzept abwei-
chende Sonderregelungen nicht angezeigt. Eine ausdrückli-
che Regelung eines Vetorechts des Kindes würde als Fremd-
körper im System des Familienrechts nicht zu Rechtsklarheit
führen. Eine staatliche Regelung der medizinischen Anfor-
derungen an eine Beschneidung sei auch deshalb nicht not-
wendig, weil die Einhaltung der entsprechenden Regeln der
medizinischen Kunst bereits durch die zivilrechtlichen Haf-
tungsregeln hinreichend gesichert sei. Anders als in der Dis-
kussion vielfach behauptet handle es sich bei den Regeln der
medizinischen Kunst nicht um unbestimmte Rechtsbegriffe,
die der autonomen Auslegung durch den Richter zugänglich
seien. Deren Inhalt werde vielmehr durch die Praxis der Ärz-
te in hinreichendem Maße bestimmt.

Die Bundesregierung erläuterte, Ziel ihres Gesetzentwurfs,
mit dem sie einem Auftrag des Deutschen Bundestages
nachkomme, sei eine Klarstellung des bisher anerkannten
Rechtszustands. Darin unterscheide er sich von dem Gesetz-
entwurf auf Drucksache 17/11430. Jede Frist für die Zuläs-
sigkeit einer Beschneidung sei letztlich eine gegriffene Frist,
weil es keine medizinisch zwingende Vorgabe für deren Be-
stimmung gebe. Die Sechs-Monats-Frist gehe auf die Be-
schneidungspraxis in Israel und damit auf einen sachgerech-
ten Anknüpfungspunkt zurück.

Berlin, den 10. Dezember 2012

Andrea Astrid Voßhoff
Berichterstatterin

Burkhard Lischka
Berichterstatter

Stephan Thomae
Berichterstatter

Raju Sharma
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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