BT-Drucksache 17/11767

Strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen in Afrika

Vom 29. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11767
17. Wahlperiode 29. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Marieluise Beck
(Bremen), Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Katja Keul,
Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen in Afrika

Die Lage der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen
(LSBT) ist in vielen Staaten des afrikanischen Kontinents dramatisch. Nach An-
gaben der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association
(ILGA) werden homosexuelle Handlungen in 38 von 58 Staaten bzw. Territorien
strafrechtlich verfolgt. In Mauretanien gilt laut Strafgesetzbuch sogar die Todes-
strafe auf Homosexualität, auch wenn es keine Berichte über eine Vollstreckung
gibt. In Teilen Sudans, Somalias und Nigerias gilt für muslimische Staatsange-
hörige die Scharia, die ebenfalls den Tod durch Steinigung für homosexuelle
Handlungen vorsieht. Als einziges Land des afrikanischen Kontinents hat die
Republik Südafrika Diskriminierung aufgrund sexueller Identität verfassungs-
rechtlich verboten und die Ehe für schwule und lesbische Paare geöffnet. In kei-
nem weiteren Land gibt es gesetzliche Regelungen für gleichgeschlechtliche
Paare.

Die Strafbestimmungen in den afrikanischen Staaten sind häufig auf koloniale
Gesetzgebung zurückzuführen. In den letzten Jahren gibt es in verschiedenen
afrikanischen Staaten Debatten um die strafrechtliche Verfolgung von Homo-
sexuellen. Insbesondere Uganda erhielt internationale Kritik für einen Gesetz-
entwurf, der bestimmte homosexuelle Handlungen mit der Todesstrafe ahnden
wollte. Die Bundesregierung erklärte in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/3560, sie
habe sich gegenüber der ugandischen Regierung mehrfach ablehnend zu dem
Gesetzentwurf geäußert und auch Konsequenzen für die Entwicklungszusam-
menarbeit nicht ausgeschlossen. Erschien es einige Zeit so, dass der Gesetzent-
wurf auch durch internationalen Druck vom Tisch sei, so ist nun eine erneute
Debatte in Uganda zu beobachten. So erklärte die Parlamentspräsidentin der
Republik Uganda, sie wolle noch in diesem Jahr das Gesetz zur Abstimmung
vorlegen. Nach eigenen Angaben habe sie dies evangelikalen Demonstrantinnen
und Demonstranten versprochen. Es sei „ein Weihnachtsgeschenk für die Chris-

ten“ in ihrem Land. Eine Koalition aus knapp 20 ugandischen Menschenrechts-
nichtregierungsorganisationen, die auch mit den beiden LSBT-Nichtregierungs-
organisationen (NGO) FARUG und SMUG assoziiert sind, hat sich in einem
Aufruf an internationale Partner gewandt, mit der Bitte, durch diplomatische In-
tervention eine Verabschiedung des Gesetzes zu kritisieren und womöglich zu
verhindern. Auf die öffentliche Ankündigung, Entwicklungshilfe zu kürzen,
solle zunächst verzichtet werden, da befürchtet wird, dass Schwule, Lesben und

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Transgender in Uganda als Verursacher dieser Kürzungen dargestellt würden
und mit zusätzlicher Gewalt zu rechnen sei.

Auch in Nigeria wird aktuell eine Verschärfung der strafrechtlichen Vorschriften
diskutiert. Demnach soll neben homosexuellen Akten – die, wie beschrieben,
bereits jetzt verfolgt werden – auch das Zusammenleben in einer gleich-
geschlechtlichen Beziehung oder der Zusammenschluss von Vereinen, Clubs
und ähnlichen zivilgesellschaftlichen Organisationen mit bis zu zehn Jahren
Haft geahndet werden. Damit würden die Menschenrechte von schwulen, les-
bischen oder transsexuellen Menschen in Nigeria nochmals drastisch einge-
schränkt, wie auch die NGO „Nigerian LGBTI in Diaspora“ (LGBTI = Lesbian,
Gay, Bisexual, Trans, Intersex) in einer aktuellen Pressemitteilung beklagt.

In Malawi dagegen wird aktuell über eine Aufhebung der Strafbarkeit homo-
sexueller Handlungen debattiert. So kündigte Präsidentin Joyce Banda im Mai
2012 an, die Vorschriften im Strafgesetzbuch zu streichen. Am 5. November
2012 wurde ein Memorandum veröffentlicht, in dem die Aussetzung der Straf-
barkeit verkündet wurde. Allerdings wurde der Justizminister des Landes am
9. November 2012 mit gegenteiligen Äußerungen von der britischen Zeitung
„The Independent“ zitiert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die oben genannten Gesetzentwürfe in
Uganda und Nigeria in Bezug auf die Menschenrechte von schwulen, les-
bischen, bi- und transsexuellen Menschen?

2. Welchen Stand der Gesetzgebung haben die beiden Vorlagen nach Kenntnis
der Bundesregierung jeweils erreicht, und wie bewertet die Bundesregierung
die Aussichten auf Verhinderung einer Verabschiedung?

3. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung im Jahr 2012 unter-
nommen, um eine Verabschiedung der Gesetzentwürfe in Uganda bzw. in
Nigeria zu verhindern?

4. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung bereits in Uganda und
Nigeria aufgrund der geplanten Verabschiedung der Gesetzentwürfe in der
diplomatischen und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit gezogen?

5. Welche Konsequenzen plant die Bundesregierung im Fall einer Verabschie-
dung der Gesetzentwürfe in Uganda bzw. in Nigeria für die diplomatische
und entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu ziehen?

6. Plant sie eine Kürzung bzw. Streichung der Entwicklungszusammenarbeit
mit einem oder beiden Staaten, insbesondere der Budgethilfe?

a) Wenn ja, über welche Kanäle plant die Bundesregierung in diesem Fall die
Entwicklungsgelder umzusetzen, um sicherzustellen, dass nicht die Ärms-
ten den Schaden aus einer Konditionierung der Mittel ziehen?

b) Hat sie bereits im Vorfeld der Entscheidung Tranchen zurückgehalten?

7. Planen andere EU-Staaten oder die Europäische Kommission nach Kenntnis
der Bundesregierung Streichungen oder Kürzungen in Bezug auf die Budget-
hilfe oder anderer Mittel der Entwicklungszusammenarbeit im Falle einer
Verabschiedung der Gesetzentwürfe?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen möglicher Kürzungen
von Budgethilfe oder anderer Mittel der Entwicklungszusammenarbeit auf
die Situation der Menschenrechte in Uganda allgemein und der Sicherheit
von LGBTI im Besonderen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11767

9. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen die Streichung von Ent-
wicklungsmitteln zu einer Verhaltensänderung bei einer Regierung oder
dem Parlament geführt hat?

Wenn ja, welche Fälle waren dies, und was waren die genauen Umstände?

10. Zu welchen Anlässen, und mit welchen Ergebnissen hat die Bundesregie-
rung seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/3560 gegenüber den
Regierungen von Uganda, Tansania, Sambia, Ghana sowie Mosambik dafür
geworben, die Strafbarkeit von Homosexualität in den jeweiligen Straf-
gesetzen der Staaten abzuschaffen (bitte Gesprächspartner beider Seiten,
Datum und Anlass aufführen)?

11. Hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, Kritik an
der geplanten Gesetzesverschärfung bei seinem Besuch in Nigeria Anfang
November 2012 geäußert, und welche Reaktionen erhielt er von seinen Ge-
sprächspartnern?

12. Kann die Bundesregierung bestimmte gesellschaftliche oder politische
Gruppierungen – beispielsweise evangelikale Christen – als Verursacher
bzw. Anstoßer der Debatte um Gesetzesverschärfungen in Uganda und
Nigeria identifizieren, und wenn ja, hat die Bundesregierung eine gezielte
Ansprache dieser Gruppierungen vorgenommen, um die gesellschaftliche
Diskriminierung von Homosexuellen zurückzudrängen?

13. Hat die Bundesregierung diesbezüglich Kontakt mit der Deutschen Evange-
lischen Allianz e. V. bzw. der World Evangelical Alliance aufgenommen,
um diese zu bitten, sich für die Wahrung der Menschenrechte von Homo-
sexuellen einzusetzen, und wie ist der Gesprächsstand mit diesen NGO
hierzu?

14. Hat die Bundesregierung eine koordinierte, länderübergreifende Strategie,
wie sie der zunehmenden gesellschaftlichen Homophobie bzw. Homo-
sexuellenfeindlichkeit in Afrika begegnen möchte?

Wenn ja, wie gestaltet sich diese?

Wenn nein, wieso nicht?

15. Welche flexiblen Interventionsmöglichkeiten und Unterstützungsmaßnah-
men von NGO und zivilgesellschaftlichen Kräften bietet die Bundesregie-
rung in den betroffenen Ländern an, wenn menschenrechtlich relevante Ge-
setzentwürfe kurzfristig auf die Tagesordnungen von Parlamenten gelangen?

16. Plant die Bundesregierung die Bereitstellung von finanziellen Mitteln zur
Unterstützung der Vorbereitung von Klagen von zivilgesellschaftlichen
Kräften, sollten die Gesetzentwürfe in Uganda bzw. Nigeria verabschiedet
werden?

17. Stellt die Bundesregierung Mittel zur Verfügung, um Opfer von homo- bzw.
transphoben Übergriffen oder Gewalttaten zu schützen?

Wenn ja, in welchen Ländern wurden welche Projekte unterstützt?

Wenn nein, wieso nicht?

18. Welche entwicklungspolitischen Projekte mit zivilgesellschaftlichen Part-
nern hat die Bundesregierung seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/3560
neu aufgelegt, um in den afrikanischen Partnerländern, die Homosexualität
unter Strafe zu stellen und gezielt gesellschaftliche Diskriminierungsmuster
gegenüber Homosexuellen aufzubrechen?

Drucksache 17/11767 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
19. Welche anderen Maßnahmen hat die Bundesregierung seit der Beantwor-
tung der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Bundestagsdrucksache 17/3560 neu ergriffen, um gezielt gesellschaftliche
Diskriminierungsmuster gegenüber Homosexuellen in diesen Staaten und
Territorien aufzubrechen?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Erfolgsaussichten des Vorstoßes von
Präsidentin Joyce Banda in Malawi, die Strafbarkeit von homosexuellen
Handlungen zu beenden, und wie unterstützt die Bundesregierung in Malawi
diese Forderung?

21. Wie kooperiert die Bundesregierung mit Südafrika, um auf dem gesamten
afrikanischen Kontinent die Rechte von Homosexuellen zu stärken?

22. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über mögliche Initiativen seitens
Südafrikas in Bezug auf die Stärkung der Rechte von Homosexuellen auf
dem afrikanischen Kontinent?

23. Wie schätzt die Bundesregierung die Situation von Homosexuellen in den
Ländern Nordafrikas nach dem arabischen Frühling ein?

a) Welche Veränderungen sieht die Bundesregierung durch die Regierungs-
übernahme von Präsident Mohammed Mursi in Ägypten?

b) Welche Tendenzen zeichnen sich in der derzeitigen Übergangsphase in
Tunesien ab?

c) Wie schätzt die Bundesregierung die Lage von Homosexuellen nach der
Übernahme der Regierungsgeschäfte von Ali Seidan in Libyen im Okto-
ber 2012 ein?

24. Welche anderen Entwicklungen im Hinblick auf die Rechtssituation von
Homosexuellen und Transgendern auf dem afrikanischen Kontinent sind
der Bundesregierung bekannt?

Berlin, den 29. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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