BT-Drucksache 17/11272

Zwei Jahre nach der Novellierung des Bundeswaldgesetzes

Vom 30. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11272
17. Wahlperiode 30. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Kornelia Möller,
Jens Petermann, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair und der
Fraktion DIE LINKE.

Zwei Jahre nach der Novellierung des Bundeswaldgesetzes

Vor zwei Jahren wurde das Bundeswaldgesetz (BWaldG) novelliert (31. Juli
2010). Geändert wurde das BWaldG in fünf Bereichen, zu welchen sowohl im
Deutschen Bundestag als auch im Bundesrat größtenteils Einigkeit herrschte.
Durch die Novelle sollten die Anlage von Agroforstsystemen erleichtert, die
Verkehrssicherungspflicht der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer präzisiert
und die Möglichkeiten für die forstwirtschaftlichen Vereinigungen verbessert
werden. Zusätzlich wurde näher definiert, was aktuell unter Staatswald zu ver-
stehen ist und welche Waldzustandserhebungen (z. B. Bundeswaldinventur)
durchzuführen sind.

Dennoch blieb es damit bei einer „kleinen Novelle“, die eine von vielen gesell-
schaftlichen und politischen Gruppen geforderte Neudefinition der „gute[n]
fachliche[n] Praxis“ ausgeklammert hat. Ökologische und soziale Mindest-
standards der Waldbewirtschaftung wurden in allen drei Anträgen der
Oppositionsfraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gefordert (Bundestagsdrucksachen 17/1050, 17/1743 und 17/1586), aber von
der Mehrheit des Deutschen Bundestages abgelehnt.

Die Änderung in § 2 BWaldG (Waldbegriff) zur Erleichterung von Agroforst-
systemen wurde im Vorfeld der Gesetzesnovellierung von vielen gesellschaft-
lichen Gruppen und Fachverbänden kritisiert. Eine Abnahme der Schutzwald-
flächen im Alpenraum wurde befürchtet. Im September 2012 kritisierten der
Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) und der Bund Deutscher Forstleute
(BDF) in einer Pressemitteilung, dass die Schaffung von Rechtssicherheit im
Rahmen der Verkehrssicherungspflicht der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer
durch die Novelle nicht gewährleistet wurde. Es bestünde nach wie vor ein nicht
hinzunehmendes Haftungsrisiko, so die beiden Forstverbände.

Im Herbst 2011 wurde die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag nach den ersten Ergebnissen und
Erfahrungen seit der Novellierung befragt (Bundestagsdrucksache 17/6892). In
ihrer Antwort auf Bundestagsdrucksache 17/7014 vom 20. September 2011

erklärte die Bundesregierung, dass zu einzelnen Fragen noch keine Daten vor-
liegen oder noch keine Aussagen getroffen werden können. Nachdem nun zwei
Jahre seit der Novellierung vergangen sind, werden die damaligen Fragen erneut
gestellt und weitere Details hinterfragt.

Drucksache 17/11272 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Hektar Kurzumtriebsplantagen wurden nach Kenntnis der Bun-
desregierung seit dem Inkrafttreten des im Jahr 2010 novellierten BWaldG
neu angelegt (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

In welchen Bundesländern ist der größte Zuwachs zu verzeichnen, und
warum ist das so?

2. Wie viele Hektar andere Agroforstflächen wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung seitdem neu angelegt (bitte nach Bundesländern auf-
schlüsseln)?

3. Wird die Bundesregierung im Rahmen des Waldklimafonds auch die
Anlage von Kurzumtriebsplantagen unterstützen (bitte begründen)?

4. Welchen Beitrag können Kurzumtriebsplantagen zur Schließung der so ge-
nannten Holzlücke in der Prognose der Waldstrategie 2020 der Bundes-
regierung leisten?

Wie viele Hektar Kurzumtriebsplantagen wären nötig, um die Holzlücke zu
schließen?

Wie viel Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Bundesrepublik
Deutschland würde das entsprechen?

5. Wie viele rekultivierte, ehemals kontaminierte oder ehemals militärisch
genutzte Flächen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den ver-
gangen zehn Jahren aufgeforstet oder mit Kurzumtriebsplantagen bepflanzt
(bitte nach Jahr, Bundesland, Flächennutzung und Flächenbelastung auf-
schlüsseln)?

6. Wie viele Hektar Berg- bzw. Schutzwald sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung aus der Walddefinition seit dem Inkrafttreten des im Jahr 2010
novellierten BWaldG herausgefallen, und welche Auswirkungen hatte dies
auf die Nutzung der Flächen?

7. In welchen Landkreisen befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung
welche Anteile dieser Flächen?

8. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Besserstellung der
forstwirtschaftlichen Vereinigungen im BWaldG in der Praxis ausgewirkt?

9. Wie viele forstwirtschaftliche Vereinigungen wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung seit dem Inkrafttreten des im Jahr 2010 novellierten
BWaldG gegründet oder haben ihren satzungsgemäßen Aufgabenbereich an
die rechtlich erweiterten Möglichkeiten angepasst?

10. Reicht nach Ansicht der Bundesregierung der bisherige gesetzliche Tätig-
keitsrahmen für die Aktivitäten von forstwirtschaftlichen Vereinigungen
aus (bitte begründen)?

11. Welche konkreten Verbesserungen haben sich nach Einschätzung der Bun-
desregierung durch das novellierte BWaldG für die Kleinprivatwaldbesitze-
rinnen und -besitzer ergeben?

12. Wie viel Prozent des Kleinprivatwaldes sind nach Kenntnis der Bundesre-
gierung in Forstbetriebsgemeinschaften organisiert?

13. Wie viele Forstbetriebsgemeinschaften haben sich nach Kenntnis der Bun-
desregierung zum Zweck der Holzvermarktung in Vereinigungen zusam-
mengeschlossen?

14. Welche konkreten Verbesserungen haben sich nach Einschätzung der Bun-
desregierung durch das novellierte BWaldG bei der Holzvermarktung er-

geben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11272

15. Hat die Änderung zur Verkehrssicherungspflicht nach Kenntnis der Bun-
desregierung seit dem Inkrafttreten des im Jahr 2010 novellierten BWaldG
zu Erleichterungen in der Rechtsprechung geführt?

Wenn ja, in welchen Fällen?

16. Hat die Novelle nach Einschätzung der Bundesregierung zu einem besseren
Ausgleich zwischen den Interessen der Besucherinnen und Besucher des
Waldes und denen der Waldbesitzerinnen und -besitzer geführt (bitte be-
gründen)?

17. Sieht die Bundesregierung § 14 Absatz 1 Satz 4 BWaldG als Rahmenvor-
schrift oder als unmittelbar geltende Regelung (zusammen mit § 14 Absatz 1
Satz 3) an (bitte begründen)?

18. Wird nach Ansicht der Bundesregierung § 14 Absatz 1 Satz 4 BWaldG
durch § 60 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) verdrängt (bitte be-
gründen)?

19. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „waldtypische Gefahren“?

20. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bun-
desgerichtshofs (BGH, Az. VI ZR 311/11) vom 2. Oktober 2012 zur Ver-
kehrssicherungspflicht?

21. Welche Kontrollintensität ergibt sich nach Ansicht der Bundesregierung
durch den § 14 BWaldG „Betreten des Waldes“ für die Waldbesitzerin bzw.
den Waldbesitzer?

Ist dies abhängig von der Frequentierung oder der Beschilderung des Weges
(bitte erläutern)?

22. Welche Baumkontrollmethoden sollten an welchen Örtlichkeiten und in
welchem zeitlichen Abstand angewandt werden, um dem § 14 BWaldG ge-
recht zu werden?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung nach einer Lockerung der
Verkehrssicherungspflicht abseits gekennzeichneter Waldwege mit dem
Ziel einer naturnahen Waldbewirtschaftung unter Einbeziehung von stehen-
dem Totholz?

24. Sollte es nach Ansicht der Bundesregierung eine waldspezifische Zonie-
rung der waldtypischen Gefahren geben?

Wie könnte eine solche Einteilung aussehen und wo geregelt werden?

25. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Einschätzung, dass
die Novellierung des BWaldG im Bereich der Verkehrssicherungspflicht im
Wald lediglich der aktuellen Rechtsprechung folgt, jedoch zu keiner Ver-
besserung geführt habe?

26. Wie schätzt die Bundesregierung die mittelfristige quantitative und qualita-
tive Entwicklung der Waldflächen in Deutschland ein?

Mit wie viel Flächenzunahme durch Aufforstung oder Renaturierung bzw.
Flächenverringerung durch Infrastruktur- und Siedlungsvorhaben rechnet
die Bundesregierung bis zum Jahr 2030?

27. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Umweltgutachten
2012 des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), Kapitel 6 „Um-
weltgerechte Waldnutzung“?

Welche der dort getroffenen Aussagen zum Wald kann sie voll unterstützen
und welche Aussagen lehnt sie ab (bitte begründen)?

28. Welcher Änderungsbedarf am Bundeswald- und Bundesjagdrecht wird von

der Bundesregierung gesehen, und welche Gesetzesinitiativen wird sie noch
in dieser Legislaturperiode wann in den Deutschen Bundestag einbringen?

Drucksache 17/11272 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Welche öffentlichkeitswirksamen Projekte, Kampagnen oder Maßnahmen
zum Thema „Wald“ wird die Bundesregierung im Jahr 2013 finanziell un-
terstützen?

30. Welche Vorschläge hat die Bundesregierung zur Verbesserung der Entschä-
digungen von Waldbesitzerinnen und -besitzern im Rahmen des Netzaus-
baus zur Energiewende?

Berlin, den 30. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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