BT-Drucksache 17/11202

Zusammenarbeit mit China intensivieren - China-Kompetenzen in Deutschland ausbauen

Vom 24. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11202
17. Wahlperiode 24. 10. 2012

Antrag
der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Josef Fell, Ute Koczy, Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck
(Bremen), Agnes Brugger, Kai Gehring, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul,
Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Dr. Hermann E. Ott, Lisa Paus, Claudia
Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zusammenarbeit mit China intensivieren – China-Kompetenzen in Deutschland
ausbauen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Volksrepublik China haben
sich in den vergangenen Jahren deutlich vertieft. Keine der großen Herausfor-
derungen unserer Zeit, von der Armutsbekämpfung bis zum Klimawandel,
kann heute noch ohne oder gar gegen China bewältigt werden. Eine weitere In-
tensivierung der Zusammenarbeit mit China liegt im allseitigen Interesse und
ist daher ausdrücklich zu begrüßen. China ist kein monolithischer Block, son-
dern von vielschichtigen, äußerst komplexen Bedingungen geprägt. Der Um-
gang mit der Volksrepublik China in Bezug auf wirtschaftlichen Wettbewerb,
Ressourcenkonflikte, Umwelt, die zukünftige Rolle in der Weltpolitik, Rechts-
staatlichkeit und Menschenrechte stellt bei der Intensivierung der Zusammen-
arbeit dabei auch eine große Herausforderung dar.

China ist als Schwellenland kein Land für klassische Entwicklungszusammen-
arbeit. Die Entwicklungszusammenarbeit mit China war bereits an die Erforder-
nisse der Zusammenarbeit mit einem Schwellenland angepasst und sollte daher
fortgeführt und gemeinsam mit den chinesischen Partnern weiterentwickelt wer-
den. Angebote für moderne und maßgeschneiderte Projekte und Programme,
Dialoge und Beratung, die unter finanzieller Eigenbeteiligung Chinas stattfinden,
sind jedoch in Bereichen wie Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz, erneuer-
bare Energien, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Sozialstandards und dem
Rechtsstaatsdialog von großer Bedeutung. Über diese Kontakte können Ein-
flussmöglichkeiten entstehen, um China international stärker einbinden zu kön-
nen. Daher war die plötzliche Absage an Entwicklungskooperationen durch den
frisch ins Amt gekommenen Bundesminister für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, kontraproduktiv.
Die Energiewende in Deutschland und das Low-Carbon-Development Pilotpro-
gramm der chinesischen Regierung sind international die bedeutendsten und
am meisten beachteten Laboratorien für ein grundlegendes Umsteuern hin zu
einer Niedrig-Emissions-Gesellschaft. Der Erfolg dieser Versuche ist entschei-
dend für die internationalen Klimaschutzbemühungen. Deutschland muss seine
Vorreiterrolle in der Umwelttechnik nutzen und die Energiewende zu einem
zentralen Schwerpunkt der strategischen Zusammenarbeit ausbauen. Es gibt
zahlreiche Ebenen, auf denen Kooperationen und Synergien zwischen den Pro-
zessen in China und Deutschland entstehen können.

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Bislang wird jedoch weder ein strategischer Gesamtansatz der Bundesregie-
rung noch der Europäischen Union (EU) gegenüber China deutlich. Immer
noch verfolgen die Ressorts innerhalb der Bundesregierung gegenüber China
ihre jeweils eigenen Ziele. Abstimmungsprozesse konzentrieren sich lediglich
auf die Zeiträume vor Staatsbesuchen und Regierungskonsultationen. Wirt-
schaftsinteressen nehmen eine dominante Stellung in der Politik der Bundes-
regierung gegenüber China ein. Themen wie Menschenrechte und Rechtsstaat-
lichkeit, Umwelt- und Klimapolitik, Finanzpolitik oder Wissenschafts- und Bil-
dungskooperation nehmen zwar Raum in den Beziehungen ein, es mangelt je-
doch an der nötigen Kohärenz und effektiver Instrumente, um diese Themen zu
bearbeiten: Zum Teil widersprechen Initiativen einander oder sie bleiben bloßes
Beiwerk zum übergeordneten Ziel der Außenwirtschaftsförderung.

Die deutsch-chinesische Klimapartnerschaft stellt einen wesentlichen Meilen-
stein hinsichtlich einer konstruktiven Zusammenarbeit der Länder dar. Um das
Potenzial der wichtigen Akteure aus der Zivilgesellschaft, den Think Tanks und
Wirtschafts- und Finanzakteuren auf beiden Seiten möglichst konstruktiv auf
die bilaterale Klimapartnerschaft zu beziehen und auch auf der EU-Ebene ab-
zugleichen, muss die deutsch-chinesische Klimapartnerschaft auf eine breitere
Ebene gestellt werden.

In Bezug auf Menschenrechte, Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit ist
eine kohärente und konsequente Politik generell ein wichtiges Anliegen an die
deutsche Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, unabhängig davon,
um welches Land es sich handelt. Gegenüber China, das zugleich als Partner
und Konkurrent, als Vorreiter und Bremser, als Industrie- und Entwicklungs-
land gesehen werden kann, geht es dabei auch darum, strategisch richtig aufge-
stellt zu sein. Die Beziehung zur Volksrepublik China als zentralem Partner ist
weder mit den transatlantischen Beziehungen basierend auf gemeinsamen
Werten und sicherheitspolitischen Interessen, noch mit den Beziehungen zur
damaligen Sowjetunion vergleichbar. Dennoch wird die Volksrepublik China
eine ähnlich bedeutende Rolle für Deutschland und die EU spielen, worauf
diese noch nicht ausreichend vorbereitet sind.

In vielen Fällen sind chinesische Entscheider und Verhandlungsführer deutlich
besser über Deutschland und Europa informiert sowie fremdsprachlich besser
ausgebildet, als ihre europäischen Gegenüber in Bezug auf China. In allen Tei-
len der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland sollten daher asien-
und chinabezogene Kompetenzen gestärkt und gezielt Personal mit Sprach-,
Landes- und anderen relevanten Fachkenntnissen eingesetzt werden. Verstärkt
sollten Maßnahmen ergriffen werden, um zur weiteren internationalen Einbin-
dung Chinas als verantwortlichen Akteur beizutragen, die Zusammenarbeit in
allen Bereichen auszubauen, die Zivilgesellschaft dabei einzubinden und somit
zu stärken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen klaren, kohärenten, konsequenten und langfristig orientierten strategi-
schen Gesamtansatz gegenüber China zu entwickeln und diesen in Form
eines Strategiepapiers zu veröffentlichen;

2. auf Asien bzw. China bezogene Kompetenzen in Deutschland durch mehr
Bildungs- und Kooperationsangebote sowie einen intensiveren Schüler-,
Studierenden- und Wissenschaftsaustausch zu fördern. Dieser gezielte Aus-
bau von wissenschaftlicher Chinakompetenz soll nicht nur in der Sinologie,
sondern in allen Fachwissenschaften und Regionalstudien erfolgen. Außer-
dem soll China als Gegenstand dauerhaft und professionell im Geschichts-,
Politik- und Religionsunterricht an deutschen Gymnasien verankert werden.

Ebenso ist der Austausch von Lehr- und Fachkräften der Jugendarbeit aus-
zubauen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11202

3. bei der Besetzung neuer oder neu zu besetzender Stellen in Bundesministe-
rien, im diplomatischen Dienst und anderen außenpolitisch relevanten In-
stitutionen gezielt Personal mit asien- bzw. chinarelevanten Kompetenzen
einzustellen und zu fördern;

4. den Journalistenaustausch zwischen beiden Ländern verstärkt zu fördern
und den Ausbau gezielter china- oder ostasienbezogener Journalismuspro-
gramme zu unterstützen;

5. in den fünf Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland in der Volks-
republik China zusätzliches Personal für die Schlüsselthemen in den Berei-
chen Umwelt- und Effizienztechnologien, erneuerbare Energien, Speicher
und Netze sowie marktbasierte Anreizsysteme wie das Emissionshandels-
system einzusetzen. Die derzeitigen Ressourcen in den Auslandsvertretun-
gen reichen nicht aus um bestehende Projekte in den einzelnen Provinzen im
nötigen Maße zu unterstützen und das große Potenzial neuer Kooperationen
und Partnerschaften auf verschiedenen Ebenen im Umwelt- und Klima-
schutz zwischen Deutschland und China weiter auszubauen;

6. vorhandene Haushaltsmittel verstärkt für einen Ausbau asien- und china-
bezogener Forschung bereitzustellen und damit ihre Unabhängigkeit zu
stärken;

7. auf die Bundesländer einzuwirken, dass diese in ihrer Wissenschafts- und
Bildungspolitik Maßnahmen ergreifen, die zur Umsetzung der für die Bun-
desebene geforderten Maßnahmen beitragen. Insbesondere sollte mittel-
fristig das Angebot an Chinesischunterricht erhöht werden;

8. in ihrer Chinapolitik der EU-Ebene eine zentrale Rolle bei der strategischen
Kooperationsplanung zuzuweisen und im Europäischen Rat für eine Stär-
kung des Amtes der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicher-
heitspolitik sowie der strategischen Partnerschaften der EU einzutreten;

9. Kritik an Menschenrechtsverletzungen in China konsequent und deutlich
vorzubringen;

10. die Kooperation mit China weiter zu entwickeln, indem die Bundesregie-
rung die institutionelle Zusammenarbeit mit China auf neue Grundlagen
stellt;

a) die Möglichkeit eines Neustart von Entwicklungskooperationen zu initi-
ieren, die von chinesischer Seite nachgefragt werden und in den Berei-
chen Wasser, Umwelt und Energie ihren Beitrag zur Lösung globaler
Probleme leisten können;

b) die Kohärenz des deutschen Regierungshandelns in der Chinapolitik zu
erhöhen. Um die notwendige Abstimmung zwischen den verschiedenen
Ressorts zu vereinfachen, soll im Auswärtigen Amt die Stelle eines
Koordinators bzw. einer Koordinatorin für die deutsch-chinesischen Be-
ziehungen eingerichtet werden;

c) die zum deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog gehörenden Koopera-
tions- und Dialogprojekte, deren Finanzierung durch das Bundesminis-
terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung spätestens
2014 ausläuft, unter dem Dach des Bundesministeriums der Justiz wei-
terzuführen und den Rechtsstaatsdialog inhaltlich weiterzuentwickeln,
indem insbesondere zivilgesellschaftliche Akteure stärker eingebunden
werden;

d) alle Instrumente der Zusammenarbeit mit China auf ihre menschenrecht-
liche Wirkung hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten.
Alle Kooperationsvereinbarungen, die wirtschaftliche Fragen betreffen
sollten beispielsweise Bezug auf die Guiding Principles des Sonderbe-

auftragten für Menschenrechte und transnationale Unternehmen der Ver-
einten Nationen nehmen;

Drucksache 17/11202 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

e) den Dialog zwischen Deutschland und China im Energiesektor und ins-
besondere im Bereich grüner Technologien zu intensivieren. Sie sollte
unter anderem darauf hinwirken, das chinesische Erneuerbare-Energien-
Gesetz zu einer nachhaltigeren Nutzung erneuerbarer Energien weiter-
zuentwickeln; zudem sollen faire Wettbewerbsbedingungen und gegen-
seitige freie Marktzugänge insbesondere in der Solar- und Windtechnik,
aber auch bei allen anderen Umwelttechnologien erarbeitet und politisch
umgesetzt werden. Auf eine stärkere Kohärenz zwischen Technologie-
transfer und Politikberatung im Rahmen der Zusammenarbeit ist zu
achten;

f) weiterhin den Umbau der chinesischen Energieversorgung zu unterstüt-
zen, sich dafür einzusetzen, der Fehlentwicklung zu mehr Atomkraft mit
zurzeit 51 geplanten Atomreaktoren entgegenzutreten, und die Vergabe
von Exportkreditgarantien für Atomexporte zu beenden;

g) die bilaterale deutsch-chinesische Klimapartnerschaft zu intensivieren
und die gezielte Einbindung relevanter Stakeholdergruppen aus der
Zivilgesellschaft und wo sinnvoll der Wirtschaft zu gewährleisten;

h) die vertikale Integration in der Zusammenarbeit mit China auf den ver-
schiedenen politischen Ebenen zu optimieren, um damit ein systema-
tischeres Upscaling und eine effektivere Wirkung auch hinsichtlich der
Klimakooperationen auf europäischer und internationaler Ebene zu er-
reichen;

i) die klimapolitische Zusammenarbeit mit China sowohl auf bilateraler
und EU-Ebene als auch im Rahmen der internationalen Klimaverhand-
lungen weiter zu intensivieren. Dabei sollten das Know-how und die
Instrumente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit genutzt und
entsprechende Projekte und Programme gegebenenfalls angepasst, wei-
tergeführt und intensiviert werden. Hier könnte die im letzten Jahr be-
gonnene Kooperation zwischen China und den USA zum Ausbau der
erneuerbaren Energien ein Anknüpfungspunkt bieten. Deutschland und
Europa sollten versuchen an dieser Kooperation zu partizipieren;

j) die Zusammenarbeit mit China auch im technischen Umweltschutz zu
stärken, China bei der Umsetzung der bestehenden Umweltgesetzge-
bung, der Stärkung der Umweltverwaltung und wichtiger internationaler
Umweltabkommen zu unterstützen und sich für eine stärkere Einbin-
dung von China in die Weiterentwicklung dieser, insbesondere im Be-
reich Chemikaliensicherheit z. B. im Rahmen der Verhandlungen zum
globalen Quecksilberabkommen, einzusetzen;

k) die Finanzierungsmöglichkeiten für kommunale Partnerschaften, die
durch die Beendigung der Entwicklungszusammenarbeit mit China ein-
gestellt wurden, auch in Zukunft für die Bereiche erneuerbare Energien,
Energieeffizienz und Klimaschutz sicherzustellen. Die Kommunen und
Städte spielen eine Schlüsselrolle sowohl bei der Energiewende in
Deutschland als auch bei der Umsetzung der nationalen Klimaschutz-
strategie in China. Der Aufbau und die Unterstützung von Klima- und
Energiekooperationen zwischen chinesischen und deutschen Kommu-
nen kann eine erfolgreiche Umsetzung der Klimaschutzstrategien in bei-
den Ländern nachhaltig befördern;

l) Maßnahmen zu ergreifen, um den Austausch zwischen der europäischen
und der chinesischen Zivilgesellschaft zu stärken, diesen durch neue
Programme zu fördern und das Programm Integrierte Fachkräfte des
Centrums für internationale Migration und Entwicklung (CIM) in China
zu erhalten. Um den zivilgesellschaftlichen Charakter des CIM-Pro-

gramms zu stärken, sollten neben der Bundesregierung und bundeseige-
nen Institutionen auch Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen an
der Koordinierung beteiligt werden;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11202

m) die Einbindung der Zivilgesellschaft in bilaterale Partnerschaften mit
China zu intensivieren. Zivilgesellschaftliche Akteure nehmen in China
eine zunehmend bedeutende Rolle in der Umsetzung von z. B. Umwelt-
und Klimaschutz ein. Eine Einbindung und ein Austausch im Rahmen
der bilateralen Partnerschaft auf der Bundes-, Landes oder kommunalen
Ebene ist für die Stärkung der Zivilgesellschaft in China sehr förderlich;

n) weitere Maßnahmen zu ergreifen, um den gesellschaftlichen und kultu-
rellen Austausch auf allen Ebenen zu intensivieren, um der Entwick-
lung einer Zivilgesellschaft in China Impulse zu geben und ein besseres
Verständnis Chinas in Deutschland zu ermöglichen.

Berlin, den 24. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

An vielen Stellen fehlt notwendiges Fachwissen über China und herrscht eine
sehr selektive Wahrnehmung der Entwicklungen in China vor. Die Verbreitung
des Chinesischen als Fremdsprache ist in den vergangenen Jahren in Deutsch-
land massiv gestiegen, bleibt aber weit hinter der Verbreitung entsprechender
Fremdsprachenkenntnisse auf chinesischer Seite zurück. Daher sollte der Auf-
bau von mehr sprachlicher, interkultureller und fachlicher China-Kompetenz in
allen Teilen der Gesellschaft gezielt gefördert werden.

Für den Aufbau nachhaltiger Beziehungen und die Etablierung von deutsch-
chinesischen Netzwerken kommt dem Studierendenaustausch und der Koope-
ration im Hochschul- und Wissenschaftsbereich besondere Bedeutung zu.
Schon heute sind chinesische Studierende mit 12,8 Prozent (2009) die größte
Gruppe der in Deutschland studierenden Bildungsausländer. Viele deutsche
Hochschulen pflegen Kooperationen mit Partnerhochschulen in China. Auch
die außeruniversitären deutschen Forschungsgemeinschaften haben ihre Zu-
sammenarbeit mit chinesischen Forschungsorganisationen in den letzten Jahren
intensiviert. Die Möglichkeiten auch für junge Deutsche zu einem Studien-
oder Forschungsaufenthalt in China sollten in Zukunft stärker ausgebaut wer-
den. Hierdurch würde sich nicht nur ein besseres Verständnis für die chinesi-
sche Gesellschaft, Sprache und Kultur eröffnen, sondern auch ein verbesserter
Austausch mit den akademischen chinesischen Eliten von morgen und der
Zivilgesellschaft.

Noch wichtiger als die Aufwertung der bilateralen Beziehungen zwischen
Deutschland und China, beispielsweise durch das Format der deutsch-chinesi-
schen Regierungskonsultationen, ist es, gerade die multilaterale und europäische
Ebene zu stärken. Die Vereinten Nationen sind der angemessene Ort, um die
Stärkung der Menschenrechte zu fördern. Hierin sollten sie von der Bundesre-
gierung und anderen Mitgliedstaaten unterstützt werden. Aufgrund der enormen
politischen Einflussmöglichkeiten Chinas kann nur eine gemeinsame europä-
ische Politik Werte und Interessen gegenüber China dauerhaft angemessen
geltend machen. Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gilt es, die
Potenziale des Amtes der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicher-
heitspolitik und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) konsequent zu
nutzen. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass künftig kritische Themen wie

Menschenrechtsfragen nur durch Vertreter der EU angesprochen werden und
nationale Regierungen darauf verzichten, um leichter ihren wirtschaftlichen In-

Drucksache 17/11202 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

teressen folgen zu können. Die strategischen Partnerschaften der EU müssen mit
Inhalt gefüllt und gemeinsame Interessen klar formuliert werden.

Neben den zahlreichen staatlichen Kooperations- und Dialogforen gilt es, auch
den Austausch zwischen den Zivilgesellschaften in ihrer ganzen Breite zu ver-
tiefen – zwischen Bürgern und Bürgerinnen, Nichtregierungsorganisationen,
Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie der Wirtschaft. Durch eine För-
derung des gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Austauschs
kann eine Stärkung der Zivilgesellschaft erreicht werden. Bestenfalls könnte
darüber auch eine Auseinandersetzung über gesellschaftliche und ethische
Werte intensiviert werden. Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik spielt
eine wichtige Rolle, um das Verständnis für Europa auszubauen. Die Präsenz
deutscher Mittlerorganisationen und politischer Stiftungen in China und Kam-
pagnen wie etwa „Deutschland und China gemeinsam in Bewegung“ sind wich-
tige Bausteine. Diese Aktivitäten sollten fortgeführt werden, solange sie zu einer
gesellschaftlichen Öffnung beitragen und Strukturen bestehen, mit denen
sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure erreicht werden können. Im
Rahmen solcher „Deutschlandjahre“ darf der Kulturdialog jedoch nicht zum
Beiwerk von Wirtschaftsförderung werden. Statt einer solchen Eventorientie-
rung benötigen wir eine nachhaltige Arbeit, wie die Goethe-Institute in China sie
für alle Kunstsparten originär leisten. Die Zivilgesellschaft sollte in die Bearbei-
tung globaler Fragen mit China eingebunden werden. Der Dialog zwischen den
Zivilgesellschaften sollte, beispielsweise im Bezug auf den Klimaschutz oder
Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards, konsequent intensiviert und von staat-
licher Seite unterstützt werden. Gerade auch der informelle zivilgesellschaft-
liche Austausch, wie etwa das internationale Engagement von Kulturschaffen-
den und einer Zivilgesellschaft, die sich heute auch und vor allem über das In-
ternet vernetzt, weist regelmäßig auf gesellschaftliche Missstände hin und sollte
als künstlerisch-kreative Produktivkraft genutzt werden. Es ist darauf hinzuwir-
ken, dass der Austausch in Freiheit von staatlicher Repression stattfinden kann
und so ein tatsächlicher Dialog für die Teilnehmenden möglich wird.

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